MK: SCHICKSALE

Diese Website ist den Mitarbeiter*innen der Münchner Kammerspiele gewidmet, die in der NS-Zeit entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Im Sinne einer fortlaufenden Erinnerungsarbeit wird hier an ihre oftmals vergessenen und verdrängten SCHICKSALE erinnert.

Seit 2018 recherchieren Janne und Klaus Weinzierl die SCHICKSALE von Mitarbeiter*innen der Münchner Kammerspiele in der NS-Zeit. Dieses Vorhaben bildet den Ausgangspunkt des Künstlerischen Forschungsfeldes “Erinnerung als Arbeit an der Gegenwart” unter der Leitung von Martín Valdés-Stauber.

Als Kartendienst nutzen wir Mapbox. Bei der Nutzung können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Die Münchner Kammerspiele haben darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung.

MK: Schicksale

Info

Wir freuen uns über Ihre Hinweise, Korrekturen und Mitarbeit. Kontakt: valdes.stauber@gmail.com Recherche und Texte: Janne und Klaus Weinzierl Redaktion und Betreuung der Website: Felicitas Friedrich Entwicklung und Design: Marco Land, Mirko Podkowik (runningwater.eu) Künstlerische Leitung: Martín Valdés-Stauber Gefördert von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ), dem Bundesministerium der Finanzen (BMF) und dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München.

Die Münchner Kammerspiele an der Maximilianstraße im Herzen der Stadt sind ein identitätsstiftender Ort für die Stadt München und seit ihren Anfängen impulsgebend für die Szenischen Künste. Erinnerungspolitisch waren die Kammerspiele lange Zeit typisch: Die Erzählung der eigenen Geschichte wusste nur von einem Bruch 1945 zu berichten – und nicht etwa von dem Bruch 1933. Außerdem waren in erinnerungslosen Jahrzehnten die SCHICKSALE der Mitarbeiter*innen der Kammerspiele in der NS-Zeit unerzählt geblieben. 

Dagegen wendet sich dieses 2018 begonnene Rechercheprojekt. Öffentliche Lesungen suchten, die ungesagten SCHICKSALE in die Erinnerung des Theaters einzuweben. Erinnerungszeichen konnten am Eingang des Schauspielhauses angebracht werden, um dauerhaft an ermordete Mitarbeiter*innen der Kammerspiele zu erinnern. Diese Website nun ermöglicht es, den gegenwärtigen Forschungsstand der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Fortlaufend werden Erkenntnisse aus der Recherchearbeit auf dieser Website ergänzt. Das Projekt SCHICKSALE versteht sich dabei auch als Versuch, Geschichtsschreibung anhand konkreter Schicksale zu bereichern.

Weitere Informationen unter: muenchner-kammerspiele.de/erinnerungistgegenwart

  • Eugen Albu

    • Autor*in
    * 1871, Berlin
    † 1935, USA

    An den Münchner Kammerspielen wurde sein Stück Kinder des Zufalls in der Inszenierung Paul Kalbecks aufgeführt (Premiere: 18.04.1918). Die Schauspielerin Ruth Albu war eine der beiden Töchter, sie floh 1933 nach Wien, spielte dort nach 1935, bevor sie über England in die USA emigrierte. Ihre Eltern waren vermutlich bereits 1933 nach England und weiter in die USA emigriert.

  • Ruth Albu

    • Schauspieler*in
    * 1908, Berlin
    † 2000, Montecito

    Am 20. Februar 1934 legt der Geheime Commerzienrat Heinrich Roeckl, der Aufsichtsratsvorsitzende der im September 1933 gegründeten „Neue Münchner Kammerspiele GmbH“ einem Schreiben an den Stadtrat der Landeshauptstadt München betr. Zuschüsse und Ausfall-Garantie eine "Liste der aus den Kammerspielen hervorgegangenen Schauspieler & Schauspielerinnen" bei, die zeigen soll „dass das Propaganda-Ministerium oder der Bayerische Staat ebenfalls ein Interesse daran haben müssen, die Kammerspiele als Bühne zu erhalten, welche den Großteil deutscher Schauspieler und Schauspielerinnen herausbringt ...“

    In dieser Liste von 31 Schauspieler*innen werden im Februar 1934 acht jüdische Schauspieler*innen mit genannt, die bereits 1933 nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten aus Deutschland geflohen waren: Ruth Albu, Sybille Binder, Therese Giehse, Blandine Ebinger, Ludwig Donath, Kurt Horwitz, Ernst Ginsberg, Adolf Wohlbrück und eine jüdische Schauspielerin: Grete Jacobson, die Berufsverbot erhalten hatte und der Verfolgung entgehen konnte, weil ihr Mann, Erwin Faber, dem NS-Druck widerstand, sich von seiner Frau scheiden zu lassen.

    Auf allen künftigen Namenslisten bis 1943 von Darstellern, die aus den Münchner Kammerspielen unter Leitung Otto Falckenbergs hervorgingen, wurden alle jüdischen Schauspieler*innen entfernt.

    Ruth Albu spielte bis zu ihrem Ausschluss aus der Reichstheaterkammer 1933 in Königsberg, in Breslau, in Berlin am Lessing Theater und am Renaissance Theater (mit Ernst Deutsch). Zusammen mit Valeska Gert, Blandine Ebinger und Annemarie Haase trat sie in der Kabarett-Revue Laterna Magica auf. Sie spielte vor ihrer Flucht in fünf Spielfilmen u. a. in Geschminkte Jugend (1929).

    Im August 1933 flieht sie nach Wien, dort spielt sie noch im Februar 1935 am Raimund Theater zusammen mit Karl Kyser in einem Edgar Wallace Stück unter der Regie von Josef Glücksmann. Vor dem 'Anschluss' emigriert sie über Paris und London in die USA. Sie stirbt am 27.02.2000 in Kalifornien. Von Ruth Albus Vater, Eugen Albu (Berlin 1871– ? 1935), wurde an den Münchner Kammerspielen das Stück Kinder des Zufalls (Premiere 18.04.1918) in einer Inszenierung Paul Kalbecks aufgeführt. Er war zusammen mit seiner Frau 1933 nach England geflohen, in die USA emigriert und kurz nach der Ankunft dort gestorben.

  • Max Alsberg

    • Autor*in
    • Gutachter*in
    * 1877, Bonn
    † 1933, Samedan

    Juristischer Gutachter der Münchner Kammerspiele 1929 und Autor des Stücks Voruntersuchung, aufgeführt 1931 an den Kammerspielen.

    Alsberg war ein renommierter, jüdischer Strafverteidiger und Universitätslehrer der Weimarer Republik mit seiner Kanzlei in Berlin. Er hatte u. a. in München studiert. Als im November 1929 die Münchner Polizeidirektion die Aufführung des Stücks Die Verbrecher v. Ferdinand Bruckner in der Inszenierung Richard Révys bereits vor der Premiere verbot, war Alsberg einer der Gutachter für die Münchner Kammerspiele. Nach einer geschlossenen Aufführung blieb das Stück weiter verboten. Am 18.04.1931 inszenierte Ernst Held an den Kammerspielen Alsbergs Stück Voruntersuchung.

    Im April 1933 emigrierte Alsberg in die Schweiz. Verfolgt und entrechtet beging er nach einem psychischen Zusammenbruch im Sanatorium in Samedan (Kanton Graubünden) am 11. September 1933 Suizid.

  • Marie Andor

    • Schauspieler*in
    * 1890, Budapest
    † 1968, Bern

    MK 25.03.1915: Ein Leidensweg von Jakob Scherek. Regie: Otto Falckenberg, u. a. mit Marie Andor, Paul Marx, Erwin Kalser

    MK 01.05.1915: Gespenstersonate von August Strindberg. Regie: Otto Falckenberg

    Marie Andor, geboren am 8. März 1890 in Budapest, war eine ungarisch jüdische Schauspielerin. Nach ersten Engagements an den Reinhardt-Bühnen 1912/13 in Berlin, danach 1913/14 in Stuttgart wurde sie in der Spielzeit 1914/15 von Erich Ziegel an die Münchner Kammerspiele verpflichtet und dort für ihre erste Hauptrolle in Ein Leidensweg von der Theaterkritik gerühmt. Die nächsten drei Spielzeiten gehörte sie dem Ensemble am Schauspielhaus Düsseldorf an, zusammen u. a. mit Eva Kessler und dem Schweizer Schauspieler und Regisseur Eugen Keller (Basel 1880 – 1948 Bern). Marie Andor und Eugen Keller heirateten, er wurde in den folgenden Jahren Oberspielleiter u. a. in Darmstadt, für ganz kurze Zeit Schauspiel-Direktor des Staatstheaters in München und von 1930 – 1936 Intendant des Stadttheaters Würzburg.

    Marie Andor ging mit ihm als Schauspielerin mit ans Stadttheater Würzburg. 1936 musste Eugen Keller in Würzburg dem linientreuen Theatermann Otto Reimann weichen, der 1932 – 1936 Direktor und Oberspielleiter am Gärtnerplatztheater in München war. Unter dem Druck der Nationalsozialisten verließ er mit seiner Frau Deutschland, er übernahm die Leitung des Stadttheaters Bern. Nach seinem Tod veröffentlichte Marie Andor zusammen mit dem Schweizer Theaterwissenschaftler Edmund Stadler die Monographie Eugen Keller. Theater als Berufung und Verpflichtung. Bern: Bentail Verlag 1962.

  • Franz Arnold

    • Autor*in
    * 1878, Znin
    † 1960, London

    MK/VTh April 1930: Hulla di Bulla. Schwank in 3 Akten (UA Berlin Dez.1929) von Franz Arnold und Ernst Bach, Regie: Karl Neisser

    MK/VThJuli 1930: Der wahre Jakon. Schwank in 3 Akten, von Franz Arnold und Ernst Bach (UA Berlin 1924)

    MK/VTh Oktober 1930: Die spanische Fliege. Schwank in 3 Akten (1913), von Franz Arnold und Ernst Bach, Regie: Hanns Fritz Gerhard, u. a. mit Else Herrmann

    MK/VTh 25.12.1930: Das öffentliche Ärgernis. Schwank in 3 Akten, (UA Berlin Neues Theater am Zoo 21.12.1030) von Franz Arnold und Ernst Bach, Regie: Richard Ulrich, Bühnenbild: David Schneuer, u. a. mit Ilva Günten

    Franz Arnold kam am 28. April 1878 in Znin, einem kleinen Städtchen zwischen Warschau und Berlin, als Sohn einer jüdischen Familie auf die Welt. Nach einer Ausbildung als Zeichner und Schauspielunterricht wurde er ab 1907 an Berliner Theatern engagiert. Dort lernte er den Schauspieler Ernst Bach (Eger 10.05.1876 – 01.11.1929 München) kennen, der nach Ende des Ersten Weltkriegs Direktor des Volkstheaters in München wurde. Nach seinem plötzlichen frühen Tod übernahmen die Münchner Kammerspiele das Volkstheater als zweite Bühne bis Dezember 1932. Franz Arnold und Ernst Bach gründeten das höchst erfolgreiche Autorenduo Arnold/Bach: Bach inszenierte die Stücke in München, Arnold in Berlin, zusammen schrieben sie in Garmisch oder am Starnberger See. Das Stück Das öffentliche Ärgernis (UA Dezember 1930 in Berlin und in München) war das letzte Werk Franz Arnolds, das noch in Deutschland im Schatten des heraufziehenden Nationalsozialismus uraufgeführt wurde. Dieser scheinbar harmlos-lustig-quirlige Schwank setzte die sich ändernde gesellschaftliche Situation im liberalen, hedonistischen Berlin, das zunehmend durch nationalsozialistische Rassenideologie, Fremdenhass und Gewalt terrorisiert wurde, mit politisch wachem Bewusstsein in Szene. Nach der 'Machtergreifung' der Nazis floh Franz Arnold nach England, kehrte wegen einer Erkrankung noch einmal zurück, und 1937 gelang ihm mit seiner Frau die erneute, endgültige Flucht. 1947 wurde er britischer Staatsbürger. Er starb am 29. September 1960 in London.

  • Schalom Ash

    • Autor*in
    * 1880, Kutno
    † 1957, London

    MK 10.09.1919: Der Gott der Rache von Schalom Ash, Regie: Otto Zoff

    Schalom Ash kam am 1. Januar (evtl. 1. November) 1880 in Kutno, 120km westlich von Warschau auf die Welt, als eines von zehn Kindern eines Schankwirts und Viehhändlers. 1899 ging er nach Warschau und begann seine literarische Arbeit in Hebräisch und Jiddisch. Das Theaterstück Der Gott der Rache ( 'Der got fun nekome') verfasste er 1905. 1907 wurde es im Fischer-Verlag Berlin veröffentlicht, Max Reinhardt inszenierte die deutsche Erstaufführung 1908 in Berlin.

    Im August 1908 nahm er als stimmberechtigter Delegierter an der Czernowitzer Konferenz (30.8-3.9.1908) teil, bei der es um die Förderung der jiddischen Sprache ging und die Entscheidung, ob Hebräisch oder Jiddisch die einzige jüdische 'Nationalsprache' darstelle.

    Nach Reisen nach Jerusalem,New York und einer Rückkehr nach Warschau hielt er sich mit seiner Familie während des Ersten Weltkriegs in New York auf. 1920 erhielt er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. 1923 kehrte er nach Polen zurück, 1924 erschien in Warschau eine erste Schalom Ash Werkausgabe. 1938 floh er über Frankreich zurück in die USA. 1956 ließ er sich in Tel Aviv nieder, mit 77 Jahren starb er am 10. Juli 1957 in London.

  • Eugen Auerbach

    • Komponist*in
    * 1898, Elberfeld
    † 1944, KZ Auschwitz

    MK 01.03.1928: Traumstück im Studio, Uraufführung. Von Karl Kraus + Fünf GEDICHTE von Georg Trakl. Regie: Julius Gellner, u. a. mit Therese Giehse, Kurt Horwitz. Vertonung: Eugen Auerbach – Gesang: Martha Schellenberg

    MK 02.03.1928: Das Notwendige und das Überflüssige von Johann Nestroy. Vorlesung: Karl Kraus, Begleitung am Klavier: Eugen Auerbach

    Die Aufführung von Karl Kraus' Traumstück wurde massiv angegriffen in der Nazi-Postille Völkischer Beobachter (3. März 1928) und Karl Kraus als „Wiener Judenliterat" beleidigt. Das 'Präsidium der Vereinigten Vaterländischen Verbände Bayerns' forderte ein Verbot der Aufführungen. „Die Direktion durfte 1928 keinen neuen 'Wetterstein'-Skandal riskieren und mußte daher TRAUMSTÜCK absetzen“, kommentiert Petzet (Theater, S. 201) die Vorgänge und berichtet auch, dass der Schriftleiter des Völkischen Beobachtervon einem noch integren Münchner Schöffengericht zur Geldstrafe von 200.- Mark verurteilt wurde, auf eine Klage von Karl Kraus hin“.

    Er erwähnt aber nicht, dass diese 'Ehrenbeleidigungsklage' der Münchner Rechtsanwalt Max Hirschberg, Syndikus der Münchner Kammerspiele, erfolgreich geführt hatte.

    Eugen Auerbach, Sohn einer Wuppertaler jüdischen Familie, war nach dem Abitur zum Studium der Musik und Musiktheorie nach München gekommen. Er wurde ein Freund und Klavierbegleiter von Karl Kraus bei dessen 'Vorlesungen' und komponierte u.a. an den Münchner Kammerspielen die Musik zu mehreren seiner Werke.

    Für Erika Manns und Therese Giehses DIE PFEFFERMÜHLE wurde er einer der vier Komponisten und Pianisten. Er vertonte u. a. Erika Manns Texte Des Fischers Frau, Der Schutzengel' und Die Dummheit, vorgetragen von Therese Giehse.

    "... In wallendem Babykleid (rosa) und flachsiger Perücke (schulterlang) stand die Giehse auf rundem Postament (denkmalgleich) und kündete gereimt von sich und ihrer Allmacht: sie prahlte, schäkerte und drohte. Dann wieder erschrak sie jählings vor sich selbst, erstarrte zur Bildsäule und zum Prosa-Refrain:'Ja, um Gottes willen, bin ich d u m m!' Wie vorm Salto hatte vorher die Musik ausgesetzt. Nun fiel sie wieder ein, voll orchestriert, mißtönend und triumphal. Es war der großartige Eugen Auerbach – im Jahre 1940 in Paris geschnappt und vergast – Freund und Klavierbegleiter von Karl Kraus, der die Giehse-Nummer komponierte und sich so den Märtyrertod verdiente, der freilich, dem Juden ohnedies zustand.“

    Erika Mann, zitiert in Therese Giehse: 'Ich hab nichts zum Sagen' – Gespräche mit Monika Sperr. München: Bertelsmann Verlag 1973, S. 54ff..

    Eugen Auerbach emigrierte nach Frankreich, am 17.12.1943 wurde er aus Drancy mit dem Transport Nr. 63 nach Auschwitz deportiert, am 6. Januar 1944 dort ermordet.

  • Marta Auffärber

    • Schauspieler*in

    MK 17.04.1930: Das Nachfolge Christi-Spiel von Max Mell. Regie: Otto Falckenberg

    MK 06.05.1930: ...Vater sein dagegen sehr von E. Childs Carpenter, deutsche Übersetzung von Sil–Vara, Regie: Richard Révy, Bühnenbild: David Schneuer, mit Therese Giehse, (als ihre Tochter) Marta Auffärber, Traute Carlsen

    MK 05.08.1930: Wauwau ('Grumpy') von Horace Hodges und Wigney Percyval. Deutsche Übersetzung von Rudolf Kommer, Regie: Ernst Wieland, Gastspiel Max Pallenberg

    Marta Auffärber war als junge Schauspielerin 1927–1929 am Theater in der Josefsstadt in Wien engagiert. Im August 1927 spielte sie an den Wiener Kammerspielen in der deutschsprachigen Uraufführung des Louis Verneuil Stücks Mein Sohn – mein Vater (deutsche Bearbeitung und Regie: Robert Blum). Im September 1927 trat sie dort in der deutschsprachigen Uraufführung der musikalischen Komödie Quand on est trois von Pierre und Serge Veber, Musik von Joseph Szulc, Gesangstexte von Karl Farkas, zusammen mit Marlene Dietrich, Peter Lorre u. a. auf.

    1929/30 war sie im Ensemble der Münchner Kammerspiele und im Münchner Volkstheater. Zurück in Wien trat sie in den 1930er Jahren auf Kellerbühnen auf und 1936–1938 am jüdischen Kulturtheater. Nach dem 'Anschluss' Österreichs floh sie in die USA. InNew York trat sie u. a. mit der Refugee Actors Guild auf. Wir wissen noch vieles nicht über das Schicksal der Schauspielerin Marta Auffärber.

  • Ernst Bach

    • Ilse Bachmann

      • Schauspieler*in
      * 1902, Berlin
      † 1985, Darmstadt

      1922 spielte sie an den Münchner Kammerspielen die Rolle des Dienstmädchens in der UA von Brechts Trommeln in der Nacht (29.09.1922) Regie: Otto Falckenberg. Wie Annemarie Hase war auch sie im Juni 1922 in Falckenbergs Inszenierung von Bronnens Vatermord im Juni 1922 besetzt, als 'die Junge'.

      1924/25 gehörte sie dem Ensemble des Stadttheaters Frankfurt/Oder an, zusammen mit Ernst Busch und Hans Söhnker. 1928 spielte sie unter der Regie von G.W. Papst in dem Spielfilm Abwege. 1931 heiratete sie den Filmkomponisten Werner Richard Heymann, der als Generalmusikdirektor der UfA im März 1933 als „unerwünschter jüdischer Mitarbeiter“ entlassen wurde. Die beiden emigrierten im April 1933 in die USA. 1940 wurde die Ehe geschieden. Ilse Bachmann kehrte 1953 nach Berlin zurück. Sie erbte das Haus, in dem sie aufgewachsen war, in Rixdorf, inzwischen als Neukölln eingemeindet in Berlin. Ihr Reisekoffer, beklebt mit Werbeetiketten US-amerikanischer Skihotels, war irgendwann auf dem Dachboden dieses Hauses gelandet.

      1987 erwirbt das Museum Neukölln in einem Trödelladen im Kiez einen alten Reisekoffer: in diesem Koffer aufbewahrt waren Photographien, Zeitungstexte, Puzzleteile der Biographie einer Neuköllnerin, Erinnerungen der Schauspielerin Ilse Bachmann an ihre junge Karriere als Theater- und Filmschauspielerin bis 1933.

    • Felix Basch

      • Regisseur*in
      * 1885, Wien
      † 1944, Los Angeles

      MK/VTh Mai/Juni 1932: Liebling Adieu von Max Bertuch und Lothar Sachs, Musik und Liedtexte von Willy Rosen, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Bühnenbild: David Schneuer, Regie: Felix Basch, u. a. mit Adolf Wohlbrück a.G., Edith d'Amara (von der eine auf Kunstauktionen versteigerte Photographie aus dem Jahr 1932 existiert des Photographen Josef Breitenbach)

      MK/VTH November 1932: Zur gold'nen Liebe, Operette in vier Bildern (UA 16.10.1931 Komische Oper Berlin), die letzte Premiere am Volkstheater unter der Direktion Otto Falckenberg – Adolf Kaufmann, Musik: Ralph Benatzky, Libretto: Willi Wolff und Martin Zickel, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Choreographie: Senta Born a. G., Bühne: David Schneuer, Regie: Felix Basch a.G.

      Felix Basch kam am 16. September 1885 als Sohn einer Wiener jüdischen Familie auf die Welt. Der Tenor Richard Tauber (Linz 1891–1948 London) war sein Vetter. Zum Schauspieler wurde er am Wiener Burgtheater ausgebildet und gehörte bis 1912 zum Ensemble des Theaters. Zusammen mit seiner Frau Grete Freund (*1885), einer Wiener jüdischen Schauspielerin und Operettensängerin, ging er von Wien nach Berlin, wo er als Theaterdirektor und Schauspieler arbeitete. 1913 drehte er seinen ersten Film, in den 1920er Jahren war er einer der namhaften Regisseure des deutschen Stummfilms. Nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten floh er mit seiner Frau und dem 1921 geborenen Sohn Peter ins US-amerikanische Exil. Es gelang ihm weder in New York noch in Hollywood, in seinem Beruf Fuß zu fassen. 1944 erkrankte er nach einer Bluttransfusion an Hepatitis B und starb am 17. Mai 1944 in Los Angeles.

      Grete Freund-Basch hatte zunächst in New York ein Restaurant geführt. Sie kehrte später nach Wien zurück und starb dort im hohen Alter am 28. Mai 1982. Ihr Sohn, Peter Basch (Berlin 1921 – 2004 New York) wurde ein renommierter US-amerikanischer Photograph.

    • Albert Bassermann

      • Schauspieler*in
      * 1867, Mannheim
      † 1952,

      Vom 4.–20. Juni 1915 erstes Gastspiel zusammen mit seiner Frau Else Bassermann an den Münchner Kammerspielen in Carl Sternheims Der Snob, Regie: Paul Marx

      Albert und Else Bassermann (geb. Elisabeth Sara Schiff 1878–1961) waren seit 1908 verheiratet. Die beiden traten immer wieder als Gäste aus Berlin in Inszenierungen an den Münchner Kammerspielen auf, im Juli 1927 im Arno Holz Stück Traumulus, Regie: O. Stoeckel und in Strindbergs Wetterleuchten, Regie: Richard Révy, im Juli 1931 in Sex Appeal von Frederik Lonsdale, Regie: Richard Révy und in Der Brotverdiener von Somerset Maugham, Regie: R. Forster-Larrinaga, im Oktober/November 1932 in Falckenbergs Uraufführung von Bruno Franks Der General und das Gold und in dem Stück Der grosse Bariton von Leo Ditrichstein/Fanny and Fred Hatton, Regie: Richard Révy.

      Nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten 1933 sollte sich Albert Bassermann von seiner jüdischen Frau trennen, er verwahrte sich gegen dieses Ansinnen. Er verließ mit seiner Frau Deutschland, sie traten in der Schweiz und in Österreich auf, noch eine Woche vor dem 'Anschluss' Österreichs, zusammen mit Ludwig Donath. Am 13. März 1938 flohen Albert und Else Bassermann in die Schweiz, im April 1939 emigrierten sie in die USA. Nach 1946 geben beide Gastspiele in Europa, 1949 erstmals wieder in Deutschland. Am 15. Mai 1952 stirbt der 84-Jährige auf dem Flug von New York nach Zürich. Else Bassermann stirbt am 30. Mai 1961 verarmt in Baden-Baden.

    • Else Bassermann

      • Schauspieler*in
      geb. Elisabeth Sara
      * 1878, Leipzig
      † 1961, Baden-Baden

      An den Münchner Kammerspielen als Gastschauspielerin zusammen mit ihrem Mann, dem Schauspieler Albert Bassermann in Sternheims Der Snob, Regie: Paul Marx (Premiere 04. Juni 1915). Als Gastschauspielerin wieder zusammen mit Albert Bassermann in Der Grosse Bariton, Regie: Richard Révy (Premiere: 29. Oktober 1932).

      1934 flieht Else Bassermann in die Schweiz mit ihrem Mann, der sich gegen das Ansinnen der Nazis verwahrte, sich von seiner jüdischen Frau scheiden zu lassen.

      April 1939 Emigration in die USA. Ab 1946 gaben beide Bassermanns Gastspiele in Europa, 1949 erstmals in Deutschland. 1952 stirbt Albert Bassermann auf dem Flug von New York nach Zürich. Else Bassermann stirbt verarmt 1962.

    • Kurt Joachim Baum

      • Schauspieler*in
      * 1901, Breslau
      † 1964,

      1926/27 in der ersten Spielzeitzeit der Münchner Kammerspiele im Schauspielhaus in der Maximilianstraße war Kurt Joachim Baum im Ensemble des Theaters.

      Er spielte in Falckenbergs Eröffnungsinszenierung von Büchners Dantons Tod die Rolle des Delegierten Philippeau. Er hatte seine Schauspielausbildung bei Max Reinhardt in Berlin gemacht. Von München ging er ans Theater in Wiesbaden, im August 1928 verließ er Hamburg zu Schiff nach Südafrika. Er spielte Theater in Johannesburg und begann 1935/36 zu inszenieren, Stefan Zweigs Adaption von Volpone, Shakespeares A Midsummernight’s Dream, in Kapstadt wurde er als “the German theatre's gift to South Africa” gerühmt, 1937 inszenierte er eine Volpone Bühnenversion in Jiddisch. Er gründete eine Tournee-Kompagnie. Während des Zweiten Weltkriegs wird er als ‘enemy alien’ interniert, schützt im Lager jüdische Internierte gegen internierte Nazis. 1946 setzt er die Theaterarbeit fort und beginnt Dokumentar- und Kurzfilme zu drehen, die auf Festivals in Cannes und Edinburgh gezeigt werden. Er starb 1964.undefined

    • Leyla Bedir Khan

      • Tänzer*in
      * 1903, Konstantinopel (Istanbul)
      † 1986, Paris

      MK März 1932: Einmaliges Tanzgastspiel. Zehn Tänze, Musik von Eric Satie und Maurice Naggiar. Am Flügel: Friedrich von Statzer

      Leyla Bedir Kahn kam am 31. Juli 1903 in Istanbul, damals Konstantinopel, auf die Welt, die Tochter eines kurdischen Vaters und einer österreichisch jüdischen Mutter, einer Zahnärztin.

      Sie wuchs in Kairo und Alexandria auf. Nach dem Tod des Vaters zog ihre Mutter mit ihr nach Wien. Ihre schulische Ausbildung machte sie in Montreux, nach einer Ausbildung zur Tänzerin debütierte sie in Wien, bevor sie in Paris ihre Tanzstudien fortsetzte. 1930 heiratete sie den Franzosen Henri Touache. Am 30. April 1940, wenige Wochen vor dem deutschen Einmarsch, trat sie im Théatre Odeon auf im Rahmen einer Gala zur Unterstützung muslimischer Soldaten, die in der französischen Armee kämpften. Unter welchen Gefährdungen die Tochter einer jüdischen Mutter die NS-Besatzung und wo und ob ihre Mutter die NS-Gewaltherrschaft überlebten, wissen wir nicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg beendete die Tänzerin ihre Karriere und machte eine eigene Tanzschule auf. Sie starb in Paris 1986.

    • Richard Beer-Hofmann

      • Autor*in
      * 1866, Wien
      † 1945, New York

      MK 13.11.1929: Jaacobs Traum von Richard Beer-Hofmann, Regie: B. Suschkewitsch, Gastspiel des Moskauer Künstlertheaters

      MK 11.–17.11.1929: Habima

      Richard Beer-Hofmann kam am 11. Juli 1866 auf die Welt als Sohn der Wiener jüdischen Familie Hermann und Rosa Beer. Seine Mutter starb wenige Tage nach seiner Geburt, er wuchs im Haus seiner Tante und seines Onkels in Brünn und Wien auf. Nach einem Jura-Studium und Promotion lebte er als freier Schriftsteller. In den 1920er Jahren bis 1932 arbeitete er auch als Theaterregisseur u. a. an Max Reinhardts Wiener Bühnen. Nach dem NS-'Anschluss' Österreichs 1938 versuchte er, der Bedrohung zu entfliehen, seine Emigration zusammen mit seiner Frau gelang aber erst am 19. August 1939, zunächst in die Schweiz, nach dem Tod seiner Frau am 30. Oktober 1939 in Zürich zwei Wochen später nach New York. 1945 erhielt er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft, er starb noch im selben Jahr am 26. September 1945.

    • Ralph Benatzky

      • Komponist*in
      * 1884, Mährisch-Budwitz (Moravské Budějovice)
      † 1957, Zürich

      MK/VTh 16.10.1930: Meine Schwester und ich. Ein musikalisches Spiel von Berr und Verneuil. Eröffnungsvorstellung der neuen Direktion des Volkstheaters Otto Falckenberg – Adolf Kaufmann. Deutsch von Robert Blum, Bühnenbearbeitung, Gesangstexte und Musik: Ralph Benatzky, ,Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Regie: Robert Forster-Larrinaga

      MK/VTH 03.11.1932: Zur goldn'en Liebe. Operette in vier Bildern (UA 16.10.1931 Komische Oper Berlin). Die letzte Premiere am Volkstheater unter der Direktion Otto Falckenberg – Adolf Kaufmann, Musik: Ralph Benatzky, Libretto: Willi Wolff und Martin Zickel, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Choreographie: Senta Born a. G., Bühne: David Schneuer, Regie: Felix Basch a. G., in Hauptrollen u. a. Grete Maren a. G. , Otto Brüggemann

      Ralph Benatzky kam am 5. Juni 1884 in Mährisch-Budwitz auf die Welt. Nach Offizierslaufbahn in der k.u.k. Armee, einem Germanistik- und Musik-Studium in Prag und Wien mit Promotion begann er seine musikalische Laufbahn mit Chansons und Einakter für Kleinkunstbühnen in München. 1912 war er künstlerischer Leiter der „BONBONNIERE“. Er trat auch selbst auf als Begleiter seiner zweiten Frau Hedwig Fischer, Bühnenname Josma Selim (1887–1929), am Piano und ging mit ihr auf Tournee. 1926 begann er für das Große Schauspielhaus in Berlin die Musik für Revuen zu schreiben, 1930 die Musik zur Operettenrevue Im weißen Rößl. 1933 verboten die Nazis die Aufführungen wegen Benatzkys jüdischen Mitautoren – Hans Müller, Robert Gilbert, Bruno Granichstaedten und Erik Charell. Bereits 1932 zog Benatzky mit seiner dritten Frau Melanie Hofmann (1905–1983) in die Schweiz, sein künstlerischer Mittelpunkt wurde Wien. Den Ariernachweis für sich und seine jüdische Frau zu erbringen, weigerte er sich und nahm 1938 ein Vertragsangebot von MGM in Hollywood an, kehrte er aber wieder in die Schweiz zurück, als er in den USA ohne Arbeit blieb. Als er die erhoffte Schweizer Einbürgerung nach Kriegsbeginn nicht erhielt, entschlossen sich die Benatzkys zur Emigration in die USA. Im US-amerikanischen Showbusiness konnte er nicht wirklich Fuß fassen, sie erhielten 1946 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft, aber remigrierten noch im selben Jahr in die Schweiz. Es gelang ihm nicht mehr, an seine großen Erfolge vor der NS-Gewaltherrschaft nach seiner Rückkehr aus den USA anzuknüpfen. Er starb am 16. Oktober 1957 in Zürich.

    • Hedda Berger

      • Schauspieler*in
      geb. Hedwig
      * 1892, München
      † 1943, KZ Auschwitz

      Spielzeit 1915/16 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in zwei Inszenierungen Falckenbergs, Alkestis v. Hofmannsthal (14.01.1916), Strindbergs Nach Damaskus (09.06.1916).

      1933 flieht die als jüngste Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie in München auf die Welt gekommene Hedda Berger nach Wien, sie tritt dort zum letzten Mal im Februar 1938 auf. Im Oktober 1942 wird sie in Wien von der Gestapo verhaftet, im Januar 1943 nach Theresienstadt und von dort nach Auschwitz deportiert und ermordet.

    • Ludwig Berger

      • Autor*in
      * 1892, Mainz
      † 1969, Schlangenbad

      In der Spielzeit 1933/34 an den Münchner Kammerspielen inszenierte Otto Falckenberg Shakespeares Cymbeline (Premiere 23. April 1934) in einer neuen Übersetzung von Ludwig Bamberger. Ludwig und sein 4 Jahre älterer Bruder Rudolf Bamberger (Mainz 21.05.1888–Dezember 1944 Auschwitz) waren die Söhne einer jüdischen Mainzer Familie, der Vater Bankier, die Mutter Pianistin. Ludwig (Bam-)Berger begann nach dem Studium 1916 als Theaterregisseur am Stadttheater Mainz mit seinem Bruder als Bühnenbildner. In Berlin inszenierte er bei Max Reinhardt u. a. Shakespeares Cymbeline. Ludwig Berger wurde von dem Produzenten Erich Pommer (Hildesheim 1889–1966 Los Angeles) als Filmregisseur entdeckt, für den Stummfilm und für den Tonfilm, mit seinem Bruder Rudolf als seinem Filmarchitekten. 1933 verließen sie Deutschland und drehten in Frankreich. 1935 emigrierte Ludwig Berger über Holland nach England, Rudolf Bamberger nach Luxemburg. Ludwig Berger überlebte 1944/45 mit gefälschten Papieren in Amsterdam. Rudolf Bamberger wurde 1944 verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Er wurde dort ermordet. Ludwig Bamberger remigrierte 1947 nach Deutschland, er arbeitete als Theater- und Hörspielregisseur und wurde einer der Pioniere des Fernsehspiels. 1953 veröffentlichte er seine Autobiographie Wir sind vom gleichen Stoff aus dem die Träume sind. Summe eines Lebens (Rainer Wunderlich Verlag Tübingen 1953).

    • Elisabeth Bergner

      • Schauspieler*in
      * 1897, Drohobycz
      † 1986, London

      Nach einer Schauspielausbildung (zusammen mit Grete Jacobsen) am Wiener Konservatorium debutierte Elisabeth Bergner in Innsbruck. Am 19.12.1919 spielte sie ihre erste Rolle an den Münchner Kammerspielen in Lauckners Christa, Die Tante in der Regie von Paul Kalbeck, zunächst noch ohne Resonanz beim Münchner Publikum, aber spätestens ihre Gestaltung der Rosalinde in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Wie es euch gefällt (25.10.1920) war der Beginn ihrer Karriere als gefeierte Bühnenschauspielerin. Sie blieb bis Ende der Spielzeit 1920/21, wechselte ans Staatstheater für eine Spielzeit, bevor sie zu Max Reinhardt nach Berlin ging. 1924 spielte sie auch ihre erste Filmhauptrolle in dem Stummfilm NJU des Regisseurs Paul Czinner (Budapest 1890–1972 London), beim Film arbeitete sie von da an nur noch mit ihm. Im Januar 1933 heirateten sie und nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten flohen die beiden nach Wien und von dort nach London. 1938 wurden sie britische Staatsbürger. 1940 emigrierten sie in die USA. 1950 kehrte Elisabeth Bergner nach London zurück, von 1954 an kam sie zu Gastspielen auch nach Deutschland.

    • Rudolf Bernauer

      • Autor*in
      * 1880, Wien
      † 1953, London

      18.05.1926: Garten Eden von Rudolf Bernauer und Rudolf Österreicher, EA Vereinigte Bühnen Schauspielhaus/Volkstheater

      19.04.1929: Das Geld auf der Strasse von Rudolf Bernauer und Rudolf Österreicher, EA Volkstheater

      MK 23.12.1931: Konto X von Rudolf Bernauer und Rudolf Österreicher, Regie: Richard Révy u. a. mit Therese Giehse, Elsa Moltzer, Kurt Horwitz

      MK 02.03.1932: Wie einst im Mai von Rudolf Bernauer und Rudolf Schanzer MK-Erstaufführung auf der Bühne des Volkstheaters, Regie: Richard Forster-Larrinaga, Musikalische Leitung: Herrmann Ludwig, u. a. mit Therese Giehse, Ilva Günthen

      Rudolf Bernauer kam aus einer ungarisch-österreichisch-jüdischen Familie. 1920 nahm er die deutsche Staatsangehörigkeit an. In Berlin begann er als Schauspieler 1900 am Deutschen Theater, er wurde in Berlin Theaterdirektor und Eigentümer des Theaters am Nollendorfplatz. Er schrieb Bühnenstücke, Operettenlibretti und Filmdrehbücher. Nach seiner Flucht 1933 nach Wien wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen, 1935 emigrierte er nach London. Er arbeitete dort als Filmregisseur.

    • Henri Bernstein

      • Autor*in
      * 1876, Paris
      † 1953, Paris

      MK 06.10.1913: Das Geheimnis ('Le Secret'), Übertragung ins Deutsche von Rudolf Lothar Spitzer, Regie: Erich Ziegel, u. a. mit Kurt Horwitz, Erwin Kalser

      Henri Bernstein kam am 20. Juni 1876 in Paris auf die Welt. Seine ersten Theaterstücke schrieb er von 1900 an. 1911 organisierten Mitglieder der rechtsextremistischen Action Francaise antisemitische Proteste gegen die Aufführung seines Stücks Après moi an der Comédie-Francaise. 1932 verfilmte Paul Czinner mit seiner Lebensgefährtin Elisabeth Bergner in einer der Hauptrollen Bernsteins 1929 uraufgeführtes Theaterstück Mélo. Es war der letzte Film der beiden, den die beiden vor ihrer Flucht nach England in Deutschland machten. Für die ebenfalls 1932 in Paris von Paul Czinner gedrehte französische Verfilmung wirkte Henri Bernstein bei der Filmadaption mit. Bernstein floh 1939 noch vor der deutschen Besetzung Frankreichs nach New York ins US-amerikanische Exil. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte er nach Europa zurück. Er starb am 27. November 1953 in Paris.

      1986 verfilmte Alain Resnais Bernsteins Mélo. Er setzte es im Stil eines Boulevard- Theaterstücks in nur 20 Tagen filmisch in Szene.

    • Julius Berstl

      • Übersetzer*in
      * 1883, Bernburg
      † 1975, Santa Barbra

      MK 12.06.1928: Mrs. Cheneys Ende von Frederick Lonsdale, Übersetzung aus dem Englischen: Julius Berstl, Gastspiel Elisabeth Bergner mit Berliner Ensemble

      MK 18.03.1931: Zur gepflegten Ansicht von Frederick Lonsdale, Übersetzung aus dem Englischen: Julius Berstl, Gastspiel Lucie Höflich und Ensemble

      MK 11.11.1933: Hier bin ich – hier bleibe ich! (Tilly of Bloomsbury“) deutsche Bearbeitung einer Komödie des englischen Autors, John Hay Beith von Julius Berstl, Regie: O. E. Hasse, u. a. mit Max Schreck, Elisabeth Flickenschildt

      Julius Berstl kam am 6. August 1883 als Sohn von Schauspieler-Eltern in Bernburg auf die Welt. Sein Vater Norbert Berstl (1858 – 1913) entstammte einer jüdischen Familie, Julius Berstl wurde in der lutherischen Schlosskirche in Bernburg getauft. Nach einem Anglistik-Studium war er von 1909 – 1924 Dramaturg an den Barnowsky-Bühnen (Berliner Bühnen) in Berlin, war Mitarbeiter im Drei-Masken-Verlag und später Inhaber des Gustav-Kiepenheuer-Bühnenvertriebs. Er schrieb erfolgreiche Romane, Theaterstücke und übersetzte Komödien englischer Autoren. 1933 verhängten die Nazis gegen ihn ein Publikationsverbot, aber noch im November 1933 wurde an den Münchner Kammerspielen seine Bearbeitung einer englischen Komödie als eine der ersten Regiearbeiten O. E. Hasses aufgeführt. In Wolfgang Petzets Kammerspiele–Narrativ wird im 8. Kapitel ("Ein Theater im Dritten Reich") Julius Berstl als einer der willkommenen Autoren "gefälliger, aber nicht platter Unterhaltungsstücke" ausdrücklich genannt, mit deren Hilfe die Kammerspiele die entstandenen Lücken ausfüllen konnten, nachdem „so gut wie alle bewährten und unterhaltsamen Autoren aus 'rassischen' Gründen verboten waren“undefined. Als Petzet vierzig Jahre danach diese Formulierung veröffentlichte, wusste er möglicherweise nichts von Julius Berstls Flucht–Schicksal. Petzet hatte sich aber auch nicht danach erkundigt.

      Julius Berstl floh 1936 mit seiner Familie nach England. Er wurde interniert, konnte dann als Übersetzer und Autor für die BBC arbeiten, 1947 wurde er britischer Staatsbürger. 1951 ging er mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten. Im hohen Alter starb er 1975 in Santa Barbara/Kalifornien.

      Einer seiner Romane "Dover – Calais" (1926) wurde 1931 in den Ufa-Ateliers in Neubabelsberg verfilmt von Anatole Litvak (Kyiv 10.05.1902 – Neuilly-sur-Seine 15.12.1974) mit dem Titel Nie wieder Liebe!, Regie-Assistenz: Max Ophüls, Drehbuch: Irma von Cube, Felix Joachimson, Kamera: Franz Planer, Musik: Mischa Spoliansky. Fast das gesamte künstlerische Team dieses Films floh 1933 nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten aus Deutschland.

    • Max Bertuch

      • Autor*in
      * 1890, Frankfurt
      † 1943, KZ Majdanek

      MK 26.03.1932: Ist das nicht nett von Colette? Lustspiel von Max Bertuch, Musik: Willy Rosen, Gesangstexte: Kurt Schwabach, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Bühne: David Schneuer, Regie: Richard Forster-Larrinaga Erstaufführung im Volkstheater

      MK Mai/Juni 1932: Liebling Adieu Lustspiel von Max Bertuch, Musik: Willy Rosen, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Bühnenbild: David Schneuer, Regie: Felix Basch, u. a. mit Adolf Wohlbrück a. G. Allabendlich im Volkstheater

      Max Bertuch kam am 28. Juni 1890 als Sohn einer Frankfurter jüdischen Musikerfamilie auf die Welt. Nach seinem Studium am Konservatorium begann er für das Operetten-Theater zu schreiben und zu komponieren. Er arbeitete als Kapellmeister an den Theatern in Hanau, Hannover, Halle und ab 1924/25 an Berliner Theatern.

      Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten erhielt er Berufsverbot, einige seiner sehr populären Werke wurden noch gespielt, sein Name wurde auf den Theaterzetteln gelöscht. 1939 gelang seiner Frau die Flucht in die USA, sein Versuch, ihr zu folgen, scheiterte. Er floh nach Frankreich, als 'feindlicher Ausländer' wurde er bei Kriegsbeginn interniert im südfranzösischen Lager Les Milles. In einer Lageraufführung des Stücks Im nicht ganz weißen Rößl im Dezember 1939 führte er dort Regie. Im November 1942 wurde er in das Internierungslager Camps de Gurs gebracht, von dort am 3. März 1943 nach Drancy und mit dem Konvoi Nr. 51 am 6. März 1943 in das Vernichtungslager Lublin-Majdanek deportiert. Dort wurde er ermordet.

    • Anna Bethe-Kuhn

      • Autor*in
      * 1876, Strasbourg
      † 1966, Ithaka, New York

      MK 04.12.1929: Prinzessin aus Zuckerland

      Ein Weihnachtsmärchen in fünf Bildern von Anna Bethe-Kuhn Musik von Christian Lahusen Inszenierung: Julius Gellner Musikalische Leitung: Prof. Alexander László

      Uraufführung an den Münchner Kammerspielen

      Anna Kuhn kam am 9. April 1876 in Strasbourg auf die Welt als Tochter des Professors für Ohrenheilkunde Abraham Kuhn (1838–1900) und seiner Frau Amalie Kuhn geb. Seligmann. Nach Schule und Musikausbildung am Konservatorium in Strasbourg heiratete sie 1900 den Universitätsdozenten und Physiologen Albrecht Bethe (1872­–1954). 1906 wurde ihr Sohn Hans Albrecht Bethe (Strasbourg 1906 – 2005 Ithaca, New York) geboren, der 1928/30 in München promovierte und sich habilitierte, ein eminenter Physiker und Astrophysiker, der 1933 nach England floh, 1935 in die USA emigrierte, einer der Köpfe des Manhattan Project war und sich später im Widerstand gegen atomare Rüstung engagierte. 1967 erhielt er den Nobelpreis für Physik.

      Anna Kuhn–Bethe hatte in jungen Jahren Beiträge für das Feuilleton der Straßburger Post verfasst, später schrieb sie hauptsächlich Märchen, von 1918 an Märchenspiele für Theater, die als Weihnachtsstücke sehr populär wurden auf Bühnen im gesamten deutschsprachigen Raum. Ihre Ehe war 1927 geschieden worden. 1929 wurde an den Münchner Kammerspielen ihr Stück Die Prinzessin aus Zuckerland in der Regie von Julius Gellner aufgeführt. In der Frankfurter Zeitung erschien am 2.1.1930 eine kurze Besprechung der Uraufführung:

      "DIE MÜNCHNER KAMMERSPIELE im Schauspielhus haben ein Märchenspiel: 'Die Prinzessin aus Zuckerland' uraufgeführt. Dieses muntere und weihnachtliche Stück, in dem di Staatshändel zwischen Zuckerland und dem Kaiserreich auf friedliche Weise aus der Welt geschafft werden, ist von Anna Bethe-Kuhn erdacht und in runde Verse gebracht. Die Musik dazu hat Christian Lahusen geschrieben; eine sehr fein stilisierte Partitur, deren Klangbild durch das unmittelbar und einprägsam Liedhafte der melodischen Führung bestimmt wird. Die Wiedergabe (unter der Regie von Julius Gellner geleitet und von Otto Reigbert wechselnd in einen Bühnenrahmen im köstlichsten Bilderbogenstil hineingestellt) ergab vor jugendlichen Zuhörern einen vollen und starken Erfolg."

      Frankfurter Zeitung am 2.1.1930

      Nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten wird Anna Bethe-Kuhn 1934 aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen „wegen nicht-arischer Abstammung“, die Aufführungen ihrer Stücke werden verboten. In ihrem Lebenslauf für den Antrag eines Reisepasses im Januar 1939 schreibt sie „Auf Wunsch meines Sohnes beantrage ich meine Auswanderung, da ich zu ihm ziehen will“. Da sie in Straßburg geboren war, kann sie auf französischer Quote in die USA emigrieren, es gelingt ihr am 6. Juni 1939 Deutschland zu verlassen und nach Ithaca, New York zu ziehen, wo ihr Sohn an der Cornell University forscht und lehrt.

      Hans Bethe heiratete im Oktober 1939 Rose Ewald (München 1917–2019 Ithaca, New York), die Tochter des deutschen Physikers Paul Peter Ewald (Berlin 1888–1985 Ithaca, New York), der nach der 'Machtergreifung' der Nazis mit seiner Familie in die USA emigriert war.

      Anna Bethe–Kuhn verbrachte in dieser deutschen Emigranten-Community in Ithaca ein ganzes Drittel ihres Lebens, sie starb mit 90 Jahren dort am 9. November 1966.

    • Sybille Binder

      • Schauspieler*in
      * 1895, Wien
      † 1961, Düsseldorf

      Die Tochter einer Wiener jüdischen Bankiersfamilie begann ihre Schauspielkarriere in Berlin 1915, als Gast spielte sie ihre erste Rolle an den Münchner Kammerspielen in Falckenbergs Inszenierung von Euripides/v. Hofmannsthal Alkestis im April 1916. Von Februar 1918 bis Juli 1923 gehörte sie zum Ensemble der MK. „Da sie genau Falckenbergs weibliches Ideal, zudem ebenso intelligent wie begabt war, wurde sie sehr bald seine zweite Frau“, schreibt Falckenberg-Versteher Petzet (Petzet, Theater, S.133). Die am 26. Oktober 1920 geschlossene Ehe wurde am 2. Mai 1924 geschieden. Sybille Binder ging nach Berlin zu Reinhardt, Piscator und Jessner; „Vom Karriere-Ehrgeiz getrieben“ kommentiert Petzet (ebd.). Zu Gastspielen kehrte sie immer wieder an die Münchner Kammerspiele zurück, zuletzt im August 1932 in der Rolle der Lola Montez in Ruederers Die Morgenröte in der Inszenierung von Kurt Horwitz. In der Spielzeit 1932/33 begann sie ein Engagement am Schauspielhaus Zürich, nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten blieb sie im Schweizer Exil. 1938 emigrierte sie nach England. 1950 remigrierte sie nach Deutschland und spielte unter Gründgens, ab 1955 unter Stroux am Schauspielhaus Düsseldorf.

      Den „prekären Status der Remigranten unter den alt-neuen Kollegen und die mangelnde Sensibilität eines Gründgens für die Verletzlichkeit jener, deren Karriere 1933 schlagartig ein Ende gefunden hatte“ verdeutlicht ein bezeichnender Zwischenfall, den Anat Feinberg darstellt in ihrem Buch „Wieder im Rampenlicht – Jüdische Rückkehrer in deutschen Theatern nach 1945“, das sie am 29.05.2018 an den Kammerspielen vorstellte:

      „Binder fühlte sich übergangen, weil der Intendant die Rolle Lauras in Tennessee Williams' DIE GLASMENAGERIE Käthe Gold als Gastschauspielerin versprochen hatte. Gründgens antwortete brieflich: „Sie haben erklärt, dass es unfair von Frau Gold gewesen sei, überhaupt hierher zu kommen, nach dem Sie zwölf Jahre fernbleiben mussten. Da ich nicht an eine Kollektivschuld des deutschen Volkes glaube und ich weiß, dass Frau Gold weder den Krieg erklärt, noch ihn verlängert hat, noch an irgendwelchen Verfolgungen beteiligt war, sehe ich nicht ein, warum sich diese große Schauspielerin einen solchen Satz von Ihnen einhandeln muss. (…) Auch ich fühle mich (…) nicht nur frei von Schuld, sondern glaube darüberhinaus, mutiger und konsequenter gewesen zu sein, als irgendjemand anders.“

      Anat Feinberg: Wieder im Rampenlicht – Jüdische Rückkehrer in deutschen Theatern nach 1945, Göttingen: Wallenstein Verlag 2018, S.65f..

    • Benno Bing

      • Gesellschafter*in
      • Direktor*in
      * 1874, Würzburg
      † 1942, KZ Auschwitz

      Erster Geschäftsführender Direktor der Münchner Kammerspiele in der Augustenstraße von 1913–1924, danach Generalbevollmächtigter der Direktion des Theaters in Berlin 1924–1933. Einer der elf Gesellschafter*innen der Münchner Theater GmbH. Im Oktober 1933 flieht Benno Bing ohne seine Familie zunächst nach Prag, von dort im April 1935 nach Paris. Am 9. Oktober 1942 wird er als 'juif étranger' verhaftet und am 6. November 1942 von Drancy im Transport Nr. 42 nach Auschwitz deportiert. Benno Bing wurde dort am Tag vor seinem 68. Geburtstag am 21. Dezember 1942 ermordet. Seine Frau und vier Kinder überlebten die Shoah.

      (s. Kurz-Biographie zum Stolperstein in der Keuslinstraße. 4 im November 2018 und zum Erinnerungszeichen der MK im Juni 2020 für Benno Bing)

    • Lajos Biró

      • Autor*in
      * 1880, Oradea
      † 1948, London
      • MK 26.03.1912: Die Zarin mit Menyhért (Melchior) Lengyel, Regie: Paul Schwaiger
      • MK 23.12.1912: Die Raubritter, Regie: Eugen Robert

      Biró, Sohn einer österreichisch-ungarischen jüdischen Familie, geboren als Ludwig Blau, begann als Journalist, bevor er Drehbuchautor wurde, zunächst in der Stummfilmzeit bei deutschen Produktionen, in Berlin auch noch bei den ersten Tonfilmen. 1912 werden an den Kammerspielen zwei seiner Stücke inszeniert. Nach der Emigration nach London wurde er bekannt durch seine Zusammenarbeit mit dem Filmproduzenten und -regisseur Alexander Korda (geboren in Ungarn 1893 als Sándor László Kellner und seit 1932 in London, dort gestorben 1956).

    • Franz Blei

      • Autor*in
      * 1871, Wien
      † 1942, New York
      • MK 10.12.1913: Die Welle, Regie: Hugo Ball, mit Leontine Sagan, Paul Marx, Erwin Kalser. Uraufführung, einmalige Aufführung, um die Zensur zu umgehen
      • MK 24.05.1919: Die Buße
      • MK 28.02.1931: Etienne von Jacques Deval in der deutschen Bearbeitung von Franz Blei. Regie: Josef Glücksmann mit Eleonora Mendelsohn, Karl Kyser

      1933 wurden Bleis Bücher in Deutschland verboten. Er emigrierte nach Spanien, mit dem Spanischen Bürgerkrieg begann seine europäische Heimatlosigkeit. – Über Marseille und Lissabon erreichte er New York.

    • Albrecht Viktor Blum

      • Schauspieler*in
      * 1888, Brünn (Brno)
      † 1959, Mexico-Stadt

      In der Spielzeit 1919/20 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in Falckenbergs Inszenierung Don Gil von den grünen Hosen (27.03.1920).

      In Berlin Theaterarbeit an Erwin Picators Volksbühne, Dokumentarfilm-Regie für Willi Münzenbergs Prometheus Film, Mitglied in mehr als einer kommunistischen Organisation.

      1933 Flucht in die Tschechoslowakei, Engagement am Stadttheater Reichenberg/Liberec. Verhaftung und Ausweisung wegen kommunistischer Aktivitäten, 1936 Mitglied der Internationalen Brigaden in Spanien, Emigration nach Mexiko. Engagement für die Bewegung Freies Deutschland, Theaterarbeit als Schauspieler und Regisseur. Er starb 1959 in Mexiko-Stadt.

    • Robert Blum

      • Übersetzer*in
      * 1881, Wien
      † 1952, Paris

      MK 12.04.1922: Kiki von André Picard, deutsche Übersetzung aus dem Französischen: Robert Blum, Regie: Rudolf Frank, u. a. mit Elisabeth Bergner, Arnold Marlé

      MK 02.02.1926: Kopf oder Schrift von Louis Verneuil, dt. Übersetzung: Robert Blum, Regie: Otto Falckenberg

      MK 18.03.1928: Du wirst mich heiraten v. Louis Verneuil, dt. Übersetzung: Robert Blum, Regie: M.W. Lenz

      MK 03.07.1929: Hat Frau Vidal einen Geliebten? von Louis Verneuil, dt. Übersetzung: Robert Blum, Regie: Hans Schweikart

      MK 12.02.1930: Was nützt die schönste Frau . . . wenn sie keine Zeit hat!, von Georges Berr und Louis Verneuil, dt. Übersetzung: Robert Blum, einmaliges Gastspiel Lil Dagover mit Ensemble

      MK 11.08.1930: Monsieur Lamberthier von Louis Verneuil, dt. Übersetzung: Robert Blum, Gastspiel Else u. Albert Bassermann

      MK 16.10.1930: Meine Schwester und ich. Ein musikalisches Spiel nach Georges Berr u. Louis Verneuil, von Robert Blum und Ralph Benatzky, Regie: R. Forster-Larrinaga. Musikal. Leitung: Herrmann Ludwig, Eröffnungsvorstellung der vereinigten Bühnen, Münchner Kammerspiele im Schauspielhaus und Volkstheater unter der neuen Direktion: Otto Falckenberg – Adolf Kaufmann (50. Aufführung am 21. Dezember 1930)

      Robert Blum kam am 17. April 1881 in Wien auf die Welt. Mit 18 Jahren wurde er Theaterkritiker, später Direktor des Theaterkabaretts DIE FLEDERMAUS (u. a. mit Egon Friedell). 1924 begründete er in Wien das Moderne Theater in der Johannesgasse, zusammen mit dem Schriftsteller Erwin Weill (Wien 1885 – Januar 1942 ermordet im KZ Riga-Kaiserwald). Als Gastregisseur arbeitete er in den folgenden Jahren in Berlin, Zürich und Straßburg. Er übersetzte zeitgenössische Theaterstücke französischer Autoren, die in den 1920er Jahren auf allen deutschsprachigen Bühnen gespielt wurden. Robert Blum floh 1933 aus Berlin nach Paris, wurde künstlerischer Leiter im Théatre du Chatelet, Regisseur am Théatre de l'Humour und dort 1938 Leiter der 'Deutschen Theaterwochen'. Im September 1938 war dort die letzte nachweisbare Aufführung Ödön v. Horváths Glaube Liebe Hoffnung in einer Inszenierung des Exilregisseurs Alwin Kronacher. Wo und wie Robert Blum die Jahre der NS-Besetzung Frankreichs überlebte, wissen wir nicht. Er starb am 3. Juli 1952 in Paris.

    • Curt Bois

      • Schauspieler*in
      geb. Kurt
      * 1901, Berlin
      † 1991, Berlin

      MK 20.01.1932: Dienst am Kunden von Curt Bois und Max Hansen, Regie: Hans Deppe. Dreitägiges Gastspiel Curt Bois mit Ensemble der Komödie Berlin

      MK 20.07.1957: Was ihr wollt von William Shakespeare, Regie: Fritz Kortner, u. a. mit Eva-Ingeborg Scholz, Karl Lieffen, Karl Paryla, Curt Bois

      Curt Bois kam am 5. April 1901 in Berlin als jüngstes von vier Kindern einer jüdischen Familie auf die Welt. Er trat früh in Stummfilmen und als 'Salonhumorist' auf Revuebühnen auf, im Kabarett der Komiker wurde er ein Star, 1926 entdeckte Max Reinhardt ihn für das Theater. Am 7. Februar 1933, eine Woche nach der NS-‚Machtergreifung‘ floh Curt Bois mit seiner Frau Hedi Ury aus Berlin nach Wien. 1934 verließen sie Österreich, gingen zunächst nach London, dann nach Paris, von dort nach New York und später weiter nach Kalifornien. Seit 1937 war er befreundet mit Erika Mann, er hätte auch beim Kabarett Die Pfeffermühle mitmachen sollen, wenn die Pläne damals in New York hätten realisiert werden können. Er spielte viele kleine Filmrollen, u. a. den Taschendieb in Michael Curtiz Casablanca. Nach 1945 drängte es ihn zurück nach Europe. Am 25. Juli 1950 kehrten Curt Bois und seine Frau zurück nach Deutschland, von Wolfgang Langhoff wurde er ins Ensemble des Deutschen Theaters nach Ost-Berlin geholt. 1954 ging er nach West-Berlin. Der ebenfalls aus dem US-amerikanischen Exil zurückgekehrte Fritz Kortner gewann Curt Bois für Rollen in seinen legendären Inszenierungen, als erste davon die Rolle des Malvolio in Shakespeares Was ihr wollt an den Münchner Kammerspielen, Premiere 20. Juli 1957. Danach war er Ensemble-Mitglied am Schiller Theater in Berlin, mit Unterbrechung bis 1978. Im Alter von 90 Jahren starb er am 25. Dezember 1991 in Berlin.

      In der Münchner Zeitung vom 21. Januar 1932 schrieb der Theaterkritiker Hanns Braun eine Hommage an Curt Bois und seine unverwechselbare Komik:

      "sie ist identisch mit einer merkwürdigen Distanzlosigkeit gegenüber allen Dingen – einem Nichtabstandnehmen, das im Seinsgrunde einen vollkommenen, darum so entwaffnenden Mangel an Ehrfurcht voraussetzt. [...] Das Publikum amüsierte sich heftig dabei und feierte Bois gebührend“.

      Hanns Braun in der Münchner Zeitung am 21. Januar 1932

      Im Völkischen Beobachter vom 23. Januar 1932 schrieb Dr. Walter Stang einen hasserfüllten antisemitischen Artikel gegen Curt Bois, das Stück und die Münchner Kammerspiele:

      „Dieser kleine behende Jude Curt Bois von den Berliner Reinhardtbühnen ist zwar von einer nicht mehr zu überbietenden Frechheit, aber er ist innerlich ehrlich. Er schreibt sich, von Max Hansen unterstützt, selbst sein Stück [...] Das Stück hat fast symbolische Bedeutung für den Weg des Judentums und für seinen Charakter. Curt Bois ist wohl einer der ausgesprochensten Typen seiner Rasse, seinen jüdischen Witz, seine Selbstironie mit der zynischen Spitze gegen alles, was nicht auf jüdischem Geistes- und Moralniveau steht, seine arrogante Kaltschnäuzigkeit, seine nervöse Lebendigkeit hat er in erstaunlicher Vielseitigkeit in seine selbstgeschriebene Rolle hineinzulegen versucht. [...]Es ist klar, daß das Premierenpublikum seinem Rassegenossen bei seinem sichtlichen Bemühen um die Wahrung der jüdischen Belange unter den arischen Völkern lebhafte Ovationen bereitete.Wir aber fragen, wie lange soll noch in den Kammerspielen, die erst kürzlich das „KONTO X “ herausbrachten, diese Judenpropagan - da und offene Verhöhnung der nicht jüdischen Bevölkerung fortgehen? Dies kann doch wohl nicht der Sinn und Zweck des Zuschusses sein, den unsere christlichen Stadtväter aus den Steuergeldern der ebenfalls zu 95 Prozent christlichen und deutschen Münchner Bürger bewilligen!“

      Dr. Walter Stang im Völkischen Beobachter am 23. Januar 1932

      Walter Stang (Waldsassen 14.04.1895 – 14.04.1945 Weidenbach) nahm nach Kriegsdienst und Anschluss an das Freikorps Epp 1923 am Hitlerputsch teil. Nach Germanistikstudium und Promotion trat er der SA und der NSDAP 1930 bei und wurde im Kampfbund für deutsche Kultur (KfdK) des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg hauptamtlicher Leiter des „Dramaturgischen Büros“. Bis 1943 war er einer der wichtigsten Mitarbeiter Rosenbergs. Er war auch Mitglied des Reichstags.

      KONTO X ist eine Inszenierung von Rudolf Bernauer (Wien 20.01.1880 – 27.11.1953 London) und Rudolf Oesterreicher (Wien 19.07.1881 -23.10.1966 Wien). Beide waren österreichisch jüdische Autoren. Bernauer floh 1935 nach London, Öesterreicher erhielt 1938 in Wien Arbeitsverbot, unter welchen Gefährdungen er dort überlebte, wissen wir nicht. An den Münchner Kammerspielen hatte das Stück KONTO X am 23.12.1931 Premiere, inszeniert von Richard Révy, u. a. mit Therese Giehse, Kurt Horwitz.

    • Emma Bormann

      • Schauspieler*in
      * 1889, Wien
      † 1974, Riverside

      MK 08.06.1918: Die Glückskuh von Hermann Essig. Regie: Otto Falckenberg, mit Emma Bormann in der Rolle der Mutter Katherine Kolb

      Emma Bormann, Tochter eines renommierten Althistorikers und Archäologen, nahm nach der Schule Schauspielunterricht, trat in Wien als Rezitatorin auf und gehörte 1910/11 zum Ensemble des Theaters in der Josefstadt, zusammen mit Paul Morgan. Nach ihrer Matura als Externe, Studium der Germanistik und Geschichte, zwischendurch Arbeit als Krankenpflegerin, Promotion zur Dr. Phil., entschied sie sich 1917 für eine Ausbildung an den Kunstgewerbeschulen in Wien und München. Bereits 1918 erhielt sie an den Privaten Münchner Lehrwerkstätten bei Emil Preetorius, der auch für die Münchner Kammerspiele als Graphiker arbeitete, einen Lehrauftrag für Lithographie und Holzschnitt.

      Im Frühsommer 1918 engagierte sie Otto Falckenberg für seine Uraufführung des Lustspiels Die Glückskuh von Hermann Essig an den Münchner Kammerspielen.

      Ab 1920 stellt sie regelmäßig in Europa und auch schon in den USA aus. Sie heiratet 1923 den Arzt, Maler und Grafiker Eugen Milch, sie haben zwei Töchter. Von 1926 bis 1938 ist sie Lektorin für Zeichnen an der Wiener Universität. Im Mai/Juni 1938 zeigte Emma Bormann in der Niederösterreichischen Landeskunst-Ausstellung neben anderen ihrer Arbeiten eine „Skizze für ein Wandgemälde (Am Ring während des Führerbesuches in Wien am 15. März 1938).

      Der Kunstkritiker des gerade gleichgeschalteten Neuen Wiener Tagblatts brachte sein Missvergnügen über die fehlende Begeisterung der Künstlerin für die Neue Zeit in Österreich dergestalt zum Ausdruck:

      „Emma Bormann, die sich schwierige Aufgaben stellt und damit nicht ganz zu Rande kommt: so will aus der großen Skizze für ein Wandgemälde, das die Begeisterung der Umbruchtage durch die Darstellung der Volksmenge vor dem Parlamentsgebäude bildhaft machen soll, dieser höchst gesteigerte Ausdruck nicht recht offenbar werden“.

      Neues Wiener Tagblatt vom 4. Juni 1938, aufgerufen über https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nwg&datum=19380604&zoom=33

      Emma Bormann gerät ins Visier der Nationalsozialisten und entscheidet sich 1939 zur Flucht mit ihren Töchtern nach China. Ihr Mann war bereits 1937 als Arzt dorthin gegangen. Beide leben und arbeiten in Shanghai, ab 1949 in Hongkong. Nach dem Tod ihres Mannes geht sie 1958 in die USA. Ihre Arbeiten befinden sich heute in renommierten Museen weltweit. Vierzig Jahre nach ihrem Tod veröffentliche ihr Enkel Andreas Johns die Monographie The Art of Emma Bormann. Riverside: Ariadne Press 2016.

    • Senta Born

      • Schauspieler*in
      • Tänzer*in
      • Choreograph*in
      * 1901, Berlin
      † 1967, Elwood

      VTh/MK 03.11.1932: Zur gold'nen Liebe

      (Die letzte Premiere am Volkstheater unter der Direktion Otto Falckenberg – Adolf Kaufmann) Operette in 4 Bildern (UA.16.10.1931 Komische Oper Berlin), Musik: Ralph Benatzky, Libretto: Willi Wolf und Martin Zickel, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Choreographie: Senta Born a. G., Bühne: David Schneuer, Regie: Felix Basch a. G., in Hauptrollen u. a. Grete Maren a. G. Otto Brüggemann

      Senta Born kam 1901 als Tochter einer Berliner jüdischen Familie auf die Welt.

      Mit 18 Jahren wird sie erstmals als Tänzerin in Berliner Kabarett-Revuen engagiert, in den 1920er wird sie als innovative Tänzerin in Revuen und an Theatern in Berlin, Prag, Budapest und Wien gefeiert. Im Mai/Juni 1932 choreographiert sie die Tänze in Max Ophüls' Spielfilm Die verkaufte Braut, der in München gedreht wird, u. a. mit sieben Schauspieler*innen der Münchner Kammerspiele, und am 16. August 1932 im Gloria Filmpalast in München uraufgeführt wird.

      In der letzten Inszenierung am Volkstheater unter der Direktion Kaufmann / Falckenberg, der Benatzky / Wolff / Zickel Operette Zur Goldn'en Liebe, die mit großem Erfolg en suite gespielt wird im November 1932, wirkt auch Senta Born als Choreographin mit.

      Sofort nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten flieht Senta Born zusammen mit Heinrich Fischer nach Prag. Sie hatten noch vor der Flucht in Berlin geheiratet oder erst danach.

      Senta Born konnte zunächst im tschechischen Exil noch als Tänzerin in Prag, Teplice und Wien auftreten, während Heinrich Fischer von 1934 – 1939 als Leiter und Produktionsdramaturg des deutschsprachigen Senders Prager Deutsche Sendung wirkte. Nach der deutschen Okkupation der CSR flohen Heinrich Fischer und Senta Born Anfang April 1939 nach London. Im Juli 1939 wirkte Senta Born als Tänzerin in der Kabarett-Revue Going, Going – Gong der Exilkünstler-Truppe 4 & 20 Black Sheep mit, zusammen u. a. mit Annemarie Haase, co-inszeniert von Heinrich Fischer, der auch selbst Texte beisteuerte. Im Innsbrucker Abendblatt – Neueste Zeitung erschien am 1. August 1939 ein widerwärtiger Bericht über diese Aufführungen des Londoner Emigrantentheaters:

      „...Alle Mitwirkenden, sowohl Darsteller wie Sketchschreiber ausnahmslos Juden, und so natürlich auch der darüber begeisterte Rezensent Alfred Kerr: ausnahmslos und nichts als Juden! Als Kostprobe dieses 'spectacles' genügt die Besprechung, die in ihrer degenerierten Maniriertheit für die ganze Mischpochestimmung dieses Landes schon bezeichnend ist. .“

      Senta Born trat auch im NEW JEWISH THEATRE in London als Tänzerin auf.

      Wir wissen nicht, unter welcher Gefährdungen sie und ihr Mann Heinrich Fischer im englischen Exil während des Zweiten Weltkriegs (über-)lebten; auch wissen wir nicht, wann die beiden sich scheiden ließen. Heinrich Fischer konnte von 1941 – 1956 bei der BBC als Autor und Produzent arbeiten, er kehrte 1956 in die Bundesrepublik zurück und arbeitete als Fernsehdramaturg beim BR in München.

      Senta Born verließ 1948 England, zog nach Australien und konnte möglicherweise dort ihre Arbeit als Choreographin und Tanzlehrerin fortsetzen. Gunhild Oberzaucher-Schüller schreibt in in Kränze flechten:

      „[...] wenn man die Arbeiten heutiger Choreografinnen-Generationen sieht, die bei Schüler – und Enkelschülerinnen von Emigrierten studierten, ist ein merkwürdiges Phänomen festzuhalten: Während die Arbeit der Vertreter der Tanzmoderne, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland oder Österreich lebten und unterrichteten, außer Mode kam, war den jüdischen Emigrantinnen diesbezüglich ein besseres Schicksal beschieden. Ihr Unterricht – in Israel, in Australien, in England, in Südamerika, in den USA – wurde zur Grundlage für neue Generationen. [...] Die Vertriebenen mögen heute zwar 'unsichtbar' sein, ihr Werk ist aber bis heute sichtbar geblieben.“

      Gunhild Oberzaucher-Schüller: "Kränze flechten – Zu John Neumeiers Hamburger „Die Unsichtbaren“ und einer 'Wiener Liste''" (20.07.2022), aufgerufen am 15.12.23 über https://www.tanz.at/index.php/wiener-tanzgeschichten/2637-kraenze-flechten

      Senta Born starb 1967 in Elwood, Melbourne – Victoria/ Australien.

    • Hans Brahm

      • Regisseur*in
      geb. Hans Julius
      * 1893, Hamburg
      † 1982, Malibu

      MK 1./2./3.10.1930: Wasserscheu von W.S. Maugham, ins Deutsche übersetzt von Mimi Zoff, Regie: Hans Brahm, drei Ensemble-Gastspiele des Deutschen Künstlertheaters Berlin, u. a. mit Leopoldine Konstantin

      MK 28.03., 1./2./04.1934: Scampolo von Dario Niccodemi, Regie: Karl Ulrich (tatsächlich: Hans Brahm), Gastspiel Dolly Haas und Ensemble

      Hans Brahm kam am 17. August 1893 als Sohn einer Hamburger jüdischen Theaterfamilie auf die Welt. Sein Vater Ludwig Brahm war Schauspieler, sein Onkel Otto Brahm Regisseur und Theaterdirektor in Berlin. Hans Brahm nahm Schauspielunterricht ab 1912 bei Leopold Jessner, damals Regisseur am Hamburger Thalia Theater und Leiter der Arbeiterbildungskommission. Nach ersten Engagements in Prag und in Hamburg, danach Kriegsdienst, wurde er 1919 Theaterregisseur in Hamburg, Prag, Berlin und am Burgtheater in Wien. 1932 begann er auch beim Film zu arbeiten, als Dialogregisseur bei der deutsch-französischen Co-Produktion Großstadtnacht (Regie: Fedor Ozep, Musik: Karol Rathaus, Liedtexte: Walter Mehring). Die weibliche Hauptrolle spielte Dolly Haas. Hans Brahm wurde ihr Freund, Lehrer, Regisseur, später heirateten sie im Exil in den USA. Anfang 1934 konnte er ein letztes Mal an den Münchner Kammerspielen ein Theaterstück inszenieren: Dario Niccodemis Scampolo mit seiner Lebensgefährtin Dolly Haas in der Titelrolle, die sie auch in der Verfilmung des Stücks 1932 gespielt hatte, für die Billy Wilder, Max Kolpé und Felix Salten das Drehbuch verfasst hatten.

      Im Programmheft der Münchner Kammerspiele für März/April 1934 teilte das Theater mit:

      „Es ist der Direktion gelungen, die bekannte Film- und Bühnenkünstlerin Dolly Haas zu einem Gastspiel an den Kammerspielen zu verpflichten. Sie spielt mit eigenem Berliner Ensemble die Titelrolle in „Scampolo“ von Dario Niccodemi. Das Gastspiel ist angesetzt für Mittwoch, den 28.März, abends 8 Uhr, und an den beiden Osterfeiertagen, jeweils nachmittags 3 ½ Uhr und abends 8 Uhr“.

      Als Regisseur des Gastspiels nannte die MK-Direktion Karl Ulrich, der auf dem Theaterzettel auch in der Rolle „Ein unbekannter Herr“ genannt wurde.

      Zwei Tage vor dem Gastspiel in München gastierte die Theatertruppe am 26. März 1934 am Schauspielhaus Zürich. Dort wurde Hans Brahm als tatsächlicher Regisseur dieser Inszenierung auch genannt. Den Namen des deutschen jüdischen Regisseurs auch in München zu nennen, erschien der MK-Direktion im März 1934 offensichtlich politisch nicht mehr opportun.

      1934 floh Hans Brahm nach England, er konnte dort die Filmarbeit fortsetzen.

      1935 folgte ihm Dolly Haas nach, 1936 drehte er mit ihr in der Hauptrolle ein Remake des Griffith Klassikers Broken Blossom (Musik: Karol Rathaus).

      Die beiden emigrierten 1936 in die USA. John Brahm drehte für Columbia, 1940 wurde er von der 20th Century Fox als Regisseur unter Vertrag genommen. Brahm und Haas trennten sich, sie ging nach New York und schaffte den Sprung an den Broadway. Ihr US-amerikanisches Bühnendebut hatte sie 1941 in Erwin Piscators Inszenierung The Circle of Chalk. 1943 heiratete sie den Karikaturisten Al Hirschfeld. John Brahm drehte Mitte der 1950er Jahre zwei Filme in Deutschland, ab 1955 arbeitete er nur noch für das US-amerikanische Fernsehen. Er starb am 12. Oktober 1982 in Malibu, Kalifornien.

    • Bertolt Brecht

      • Autor*in
      • Regisseur*in
      • Dramaturg*in
      * 1898, Augsburg
      † 1956, Berlin
      • MK 29.09.1922 Trommeln in der Nacht (UA), Regie: Otto Falckenberg
      • MK 18.03.1924 Das Leben Eduards des Zweiten (UA), Regie: Bertolt Brecht

      Bertolt Brecht war Autor, Regisseur und Dramaturg an den Münchner Kammerspielen 1922 – 1924. Beim Münchner Hitlerputsch im November 1923 stand er zusammen mit Lion Feuchtwanger auf der Nazi-Liste der zu Verhaftenden.

      Am Tag nach dem Reichstagsbrand floh Brecht am 28. Februar 1933 mit seiner Familie und einigen Freunden über Prag und Wien nach Zürich. 1937/38 inszenierte er in Paris zusammen mit Helene Weigel (1925 hatte sie an den Kammerspielen die Marie in Büchners Woyzeck gespielt in einer Inszenierung Hans Schweikarts) u. a. Die Gewehre der Frau Carrar, dokumentiert von dem emigrierten Münchner Photographen Josef Breitenbach. Nach Flucht-Aufenthalten in Schweden und Finnland floh Brecht mit Familie über Moskau und Wladiwostok nach Kalifornien. 1947 kehrten Bert Brecht und Helene Weigel zurück nach Europa und gründeten im September 1949 in Ostberlin das Berliner Ensemble. Im September/Oktober 1950 inszenierte Brecht noch einmal an den Münchner Kammerspielen, mit Therese Giehse in der Titelrolle, Mutter Courage und ihre Kinder (Premiere 08.10.1950).

    • Josef Breitenbach

      • Fotograph*in
      * 1896, München
      † 1984, New York

      Josef Breitenbach kam am 3. April 1896 in München auf die Welt, als jüngstes von drei Kindern. Sein Vater Siegfried Breitenbach (1858–1932) betrieb einen Weingroßhandel, er war einer der wenigen Unternehmer-Mitglieder der sozialdemokratischen Partei in München, er war auch Stadtrat 1911–1919 und Mitbegründer der antiklerikalen Freireligiösen Gemeinde in München, seine Beziehung zum jüdischen Glauben hatte er längst gelöst.

      Josef Breitenbach wurde 1914 Mitbegründer der Jugendsektion des Sozialdemokratischen Vereins zusammen mit Felix Fechenbach und Mitglied er SPD. Er engagierte sich früh politisch in der kriegsoppositionellen Jugend zusammen mit Felix Fechenbach im Umkreis von Kurt Eisner. 1918 heiratete er Pauline Schmidbauer, eine politisch aktive Sozialdemokratin aus einer Münchner Arbeiterfamilie, im Jahr davor kam ihr gemeinsamer Sohn auf die Welt. 1918/19 war Josef Breitenbach zusammen mit Felix Fechenbach, der Sekretär Kurt Eisners wurde, Mitglied des Provisorischen Zentralen Arbeiterrates. Fechenbach wurde 1922 vor einem Volksgericht wegen angeblichen Landesverrats zu elf Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Anwälte Dr. Max Hirschberg und Dr. Philipp Loewenfeld erreichten Fechenbachs Begnadigung und die Aufhebung der Volksgerichtsurteile. Felix Fechenbach wurde im März 1933 von den Nazis in „Schutzhaft“ in Detmold genommen. Am 7. August 1933 wurde er auf dem Transport ins KZ Dachau von einem SA-Kommando ermordet.

      Breitenbachs politische Spuren verlaufen sich in den 1920er Jahren, er bleibt aber Mitglied der SPD bis 1933.1922 hatte er die Firma des Vaters übernommen, 1926 wurde die Ehe geschieden. 1930 meldete die Firma Konkurs an. Im Alter von 35 Jahren gibt er seine Tätigkeit als Kaufmann auf und entscheidet sich für den Beruf des freien Atelier- und Pressephotographen. Seit 1914 hatte er photographiert, ein ambitionierter Amateur ohne professionelle Ausbildung. 1932 eröffnet er in seiner Wohnung ein Atelier. In der Photographenszene war er als Autodidakt ein Außenseiter. Er hatte aber nachweislich einen kreativen Kontakt zur anerkannten Theaterphotographin Gertrude Fuld. Seine ersten Erfolge als Berufsphotograph gelingen ihm mit Photographien aus dem Künstlermilieu.

      Für die Spielzeit 1932/33 wurde er vertraglich als Theaterphotograph neben Gertrude Fuld an die Münchner Kammerspiele verpflichtet. Bis Mai 1933 dokumentierte er fast alle Inszenierungen während der Probearbeiten auf der Bühne. Schauspieler*innen der Kammerspiele kamen auch zu Porträtsitzungen in sein Atelier. Seine Porträts von Sybille Binder, Therese Giehse, Liesl Karlstadt, Karl Valentin, Richard Révy, Otto Falckenberg u. a. aus dem Herbst 1932 sind Meisterwerke der Photographie.

      Am 17. September 1933 flieht er zusammen mit seinem 16-Jährigen Sohn nach Paris. Er war gewarnt worden; sein politischer Weggefährte Felix Fechenbach war im August 1933 ermordet worden. 1937 kommt es in der Pariser Emigrantenszene zur Begegnung und zu einer intensiven Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht und Helene Weigel. Nach Internierung in verschiedenen Lagern in Frankreich gelang ihm die Flucht im Mai 1941 über Marseille nach New York. Seine Schwester Marie überlebte verborgen in Landshut und wanderte mit ihrem Mann 1947 in die USA aus. Seine Schwester Sophie floh 1938 nach England. Die Mutter war 1931, der Vater 1932 verstorben.

      1965 widmet das Münchner Stadtmuseum dem Photographen eine große Retrospektive seiner Arbeiten unter dem Titel 'Wanderung – 250 Photographien 1930–1965 von Joseph Breitenbach'.

      Am 7. Oktober 1984 starb Josef Breitenbach in New York.

    • Ferdinand Bruckner

      • Autor*in
      geb. Theodor
      * 1891, Sofia
      † 1958, Berlin
      • MK 30.04.1927: Krankheit der Jugend (UA), Regie: Julius Gellner
      • MK April 1929: Krankheit der Jugend, neu einstudiert, Regie: Julius Gellner
      • MK 28.11.1929: Die Verbrecher (UA), Regie: Richard Révy. Einmalige Aufführung, geladene Zuschauer, Polizeiverbot
      • MK 27.02.1930: Die Kreatur (UA), Regie: Otto Falckenberg
      • MK 16.03.1932: Elisabeth von England (UA), Regie: Julius Gellner mit Hermine Körner als Gast

      Theodor Tagger war von der ersten Aufführung an in München ins Visier der Nationalsozialisten geraten. 1933 floh er aus Deutschland und emigrierte nach Paris, 1936 weiter in die USA. 1951 kehrte er zurück, zunächst nach Paris, 1953 nach Berlin.

    • Otto Brüggemann

      • Schauspieler*in
      * 1901, Stolberg
      † 1968, München

      MK 1929/30 – 1933/34: Mitglied des Ensembles der Münchner Kammerspiele

      MK 02.02.1929: Pariser Luft von Meilhac u. Halévy, bearbeitet von Peter Scher. Regie: Otto Falckenberg, Musik nach Offenbach, bearbeitet von Karl Salomon u.a. mit Oskar Karlweis a. G.

      MK 09.10.1929: Trojaner – eine Sekundaner-Revolte von Kurt Corrinth, Regie: Richard Révy, u.a. mit Karl Kyser, Julius Seger, Otto Brüggemann in seiner ersten Ensemble-Rolle an den MK

      MK 05.02.1930: 2 Kravatten von Georg Kaiser. Regie: Richard Forster-Larrinaga

      MK 24.03.1930: Rivalen von Anderson/Stallings frei bearbeitet von Carl Zuckmayer, Regie: Richard Révy

      Im Frühjahr 1930 übernehmen die Münchner Kammerspiele das Volkstheater und bespielen ab Sommer 1930 zwei Bühnen mit dem vergrößerten Ensemble. Otto Brüggemann spielt von Anfang an auf beiden Bühnen, auch in der letzten Inszenierung am Volkstheater unter der Direktion Falckenberg – Kaufmann im Nov. 1932, Zur Gold'nen Liebe von Benatzky/Wolff/Zickel, Regie: Felix Basch.

      MK/VTH 5.+7.08.1930: Der Wauwau ('Grumpy') von Hodges/Percyval, dt. Übersetzung: Rudolf Kommer, Gastspiel: Max Pallenberg, u. a. mit Otto Brüggemann

      MK 06.11.1930: Hamlet von William Shakespeare. Regie: Otto Falckenberg, u. a. mit Otto Brüggemann als Güldenstern

      MK 18.04.1931: Voruntersuchung von Max Alsberg und Otto Ernst Hesse. Regie: Ernst Held, Bühne: David Schneuer, u. a. mit Kurt Horwitz, Karl Kyser, Therese Giehse, Julius Seger und Otto Brüggemann als Walter Bienert

      MK 05.03.1933: Wie es euch gefällt von William Shakespeare. Regie: Otto Falckenberg, u. a. mit Otto Brüggemann als Amiens

      MK 23.03.1934: Cymbeline von William Shakespeare, dt. Ludwig Berger, Regie: Otto Falckenberg, u. a. mit Otto Brüggemann in kleiner Rolle 1. Herr im Gefolge Clotens

      MK 06.06.1934: Der Nobelpreis von Hjalmar Bergman. Regie: F.P. Buch u. a. mit Otto Brüggemann u. O.E. Hasse

      Otto Brüggemann war am 18. April 1901 in Stolberg /Aachen als Sohn einer protestantischen Pfarrersfamilie auf die Welt gekommen. Im Alter von 18 Jahren ging er nach München, ein „junger Mann von ungewöhnlichem Charme“, schreibt Wolfgang Petzet in seiner Chronik der Münchner Kammerspiele,

      „und bald in der damaligen Schwabinger Boheme (ebenso in Oskar Maria Grafs Atelierräumen in der Barerstraße wie im alten Simpl und in Falckenbergs damaligem nächtlichen Stammlokal 'Akropolis') heimisch.Bei Tage war er brav in Buchhandlungen und Bankbüros tätig; studierte schließlich Sprachen, insbesondere Französisch auf der Universität. Daß er schließlich zur Bühne ging, erschien bei seiner liebenswerten Ausstrahlung das Natürlichste, zumal er auch eine gute Singstimme und viel musikalisches Empfinden besaß. Eine seiner ersten Rollen war der Amiens in 'Wie es euch gefällt' [Premiere 05.09.1933, tatsächlich spielte Brüggemann an den Münchner Kammerspielen seit 1929] der heitere singende Edelmann in den Ardennen. Bald nach 1933 aber wandelte sich der unbeschwerte Darsteller des Unbeschwerten.“

      Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch 1973, S. 222f..

      Wolfgang Petzet setzt sein Porträt Otto Brüggemanns fort, indem er einen dramatischen Bruch in der Biographie des jungen Schauspielers raunend andeutet: „Seine zarte Psyche hielt den Ungewittern des damaligen Lebens nicht stand; es kam zu bösen Erkrankungen, und der halbwegs Genesene war ein von Grund auf anderer geworden [...]“, dann aber ohne weitere Erklärung die nächsten zwölf Jahre überspringt und nach dem Zweiten Weltkrieg fortfährt:

      „Da sich zugleich seine ursprüngliche Begabung durch Falckenbergs Führung, durch Disziplin und Selbstkritik weiter-entwickelt hatte, begann nun erst seine eigentliche schauspielerische Laufbahn [...] aus ihm sollte einer der besten Chargenspieler gehemmter, liebenswürdiger, intelligenter oder leicht verkauzter, marottiger, pedantischer und quengeliger alter Herren werden.“

      Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch Verlag 1973, S. 222f..

      Wir wissen bisher noch nichts über Otto Brüggemanns Schicksal während der NS-Gewaltherrschaft. Nach der Spielzeit 1933/34 wurde Otto Brüggemann nicht mehr als Mitglied des MK Ensembles im Deutschen Bühnen Jahrbuch geführt. Gleichwohl besetzte ihn Falckenberg in fünf seiner Inszenierungen 1935–1937 in kleinen Rollen, zuletzt in Dantons Tod (Premiere 08.11.1937).

      Wir wissen, dass Otto Brüggemann 1945/46 wieder zurück an die Münchner Kammerspiele kam und dort bit 1963/64 engagiert war. Er war nie in einer Hauptrolle besetzt, aber in fast jeder zweiten Inszenierung in einer wesentlichen Nebenrolle, „die schier sprichwörtliche Kammerspiel–Utilité der Unaufdringlichkeit“. (SZ 12.09.1968)

      Otto Brüggemann starb in München am 9. September 1968. In einem Nachruf in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG am 12.09.1968 schrieb K. Sch.:

      „Daß er in Stolberg geboren wurde, daß er an der Falckenberg-Schule lehrte und daß er einst wegen seiner Abneigungen gegen das Dritte Reich zurückgesetzt worden war, erfuhr man erst jetzt nach seinem Tod. “

      Bei unseren Recherchen zu Adolf Kaufmann (Mainz 25.1.1883–21.11.1933 Wien), Mitgründer der Münchner Kammerspiele, Gesellschafter und Aufsichtsratsvorsitzen-der der Münchner Theater GmbH, Syndikus und administrativer Direktor dieses Theaters , eine Hassfigur der Nationalsozialisten in München, die seine „Entfernung“ und die von Julius Gellner und Heinrich Fischer zur Bedingung machten, dass der apolitische Theaterkünstler Falckenberg „sein Theater“ weiter leiten durfte, hat uns der Historiker und Archivar Dr. Reinhard Weber aufmerksam gemacht auf eine "Nachlassakte ADOLF KAUFMANN" im Staatsarchiv München "Amtsgericht München NR 1933/ 2976 /33".

      Adolf Kaufmann war Mitte März 1933 aus München nach Österreich geflohen, er konnte der Verfolgung durch die Nazis entkommen. Am 21. November 1933 starb er in Wien im Spital der Israelitischen Kultusgemeinde, als Todesursache wurden 'bösartige Lungengeschwüre' festgestellt. Ein Bruder, der Kunsthistoriker Dr. phil. Max Kaufmann (Mainz 18.06.1876 – 29.12.1938 Bendorf-Sayn), starb im Alter von 61 in der jüdischen Jacoby'schen Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf-Sayn unter ungeklärten Todesumständen. Der mittlere der drei Brüder, Leo Kaufmann (Mainz 27.02.1878 - 09.06.1944 Theresienstadt) wurde am 18. August 1942 mit dem ersten Deportations- Transport aus Frankfurt/Main nach Theresienstadt „evacuiert“ und dort oder in Auschwitz ermordet.

      Adolf Kaufmann hatte in einem Testament, datiert vom 24.IV.1930, in der Nachlassakte das Dokument Nr.15, seinen Lebenspartner, den Schauspieler Otto Brüggemann (Stolberg *18.04.1901) zu seinem Erben bestimmt.

      Wir wissen nicht, unter welchen Gefährdungen Otto Brüggemann nach Flucht und Tod seines Lebenspartners Adolf Kaufmann die Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten überlebte.

      Das erste 'Blatt' in der Nachlassakte datiert vom 22.11.1933, das letzte (219.) 'Blatt' datiert vom 14.11.1952 "Beschluß des Amtsgerichts: Die Verwaltung des Nachlasses des 21.11.1933 verstorbenen Adolf Kaufmann wird aufgehoben".

      Am 11. November 1952 hatte der Rechtsanwalt A. Fröhling dem Amtsgericht München mitgeteilt

      „Der Nachlass ist heute nach der Umstellung [d.h. Umstellung von Reichsmark auf DM Ende 1951] – nicht mehr überschuldet. Der Reinwert des Nachlasses wird sich auf rund 10 000 DM belaufen. Bitte den Nachlass Herrn Brüggemann als Erben auszuantworten“.

      Am 18. April 1931 war an den Münchner Kammerspielen Voruntersuchung – Schauspiel in 4 Akten des eminenten Juristen Prof. Dr. Max Alsberg erstaufgeführt worden, in einer Inszenierung des jungen Regisseurs Ernst Held u. a. mit Kurt Horwitz, Karl Kyser, Julius Seger, Therese Giehse und Otto Brüggemann als Walter Bienert, Student der Rechte.

      Max Alsberg, der für die Münchner Kammerspiele auch als juristischer Gutachter gegen ein Aufführungsverbot gewirkt hatte, beging nach seiner Flucht in die Schweiz Selbstmord am 11.09.1933.

      Seine Witwe, die Schauspielerin Ellinor Alsberg, die in die USA fliehen konnte, war eine Cousine Adolf Kaufmanns und seiner Brüder. Durch ihren großzügigen Verzicht ermöglichte sie die Regelung eines entschuldeten Nachlasses der Kaufmanns.

    • Trude Burg

      • Schauspieler*in
      geb. Gertrude
      * 1905, Wien
      † 1991, München

      MK 11.–17.06.1930: ER von Alfred Savoir. Deutsch von Berta Zuckerkandl. Gastspiel: Die Tribüne-Berlin Direktion: Dr. Eugen Robert, Regie: Eugen Robert, mit Conrad Veidt, Trude Burg, Paul Marx u. a.

      Trude Burg kam am 17. Dezember 1905 in Wien als jüngstes von fünf Geschwistern einer österreichisch jüdischen Familie auf die Welt. Sie machte eine Ausbildung im Ausdruckstanz bei der avantgardistischen Choreographin Gertrud Bodenwieser geb. Bondi, Tochter einer Wiener jüdischen Familie (Wien 03.03.1890 – 10.11.1959 Sydney). Gertrud Bodenwieser floh im Mai 1938 aus Wien nach Bogota und weiter nach Sidney, ihr Mann, der Wiener Regisseur und Dramaturg Friedrich Rosenthal wurde 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

      Trude Burg wurde Mitglied der Bodenwiesener Tanzgruppe und performte bis 1928 in Wien und auf Tourneen. Möglicherweise nach einer Verletzung wechselte sie mit Erfolg auf die Schauspielbühne im Ensemble des Wiener Modernen Theaters. Im Oktober 1928 trat sie in Berlin im Ensemble der Volksbühne in Tolstois Der lebende Leichnam (übersetzt von Alexander Stein) auf. Im November 1928 wurde sie nochmal als Tänzerin verpflichtet für ein kurzes Gastspiel der Berliner Komödie am Kurfürstendamm am Schauspielhaus Zürich mit dem enorm erfolgreichen Musiktheaterstück Es liegt in der Luft (Text und Liedertexte: Marcellus Schiffer, Musik: Mischa Spoliansky, u. a. mit Marlene Dietrich und Oskar Karlweis).

      Im Juni 1930 gastierte sie eine ganze Woche an den Münchner Kammerspielen mit Eugen Roberts Theater-Ensemble der Tribüne–Berlin zusammen mit Conrad Veidt in der Titelrolle des Stücks ER von Alfred Savoir.

      Trude Burg trat selbst nicht in Tonfilmen auf, wurde jedoch wegen ihrer ausgezeichneten Sprechstimme Anfang der 1930er Jahre dafür engagiert, bei der Synchronisation US-amerikanischer Spielfilme in Paris deutsche Rollen zu sprechen. Bereits mit dem ersten dieser Filme errang sie großen Erfolg: City Streets (1931) nach einer Story Dashiell Hammetts mit Gary Cooper und Sylvia Sydneyundefined, deren deutsche Stimme die Stimme der unsichtbaren Trude Burg war.

      Ende der 1920er Jahre heiratete Trude Burg den 1925 aus Wien nach Berlin gezogenen österreichisch jüdischen Autor, Theater- und Filmkritiker Hans Kafka (Wien 26.12.1902 – 05.02.1974 München). Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten flohen die beiden aus Berlin zunächst nach Wien, gingen 1936 nach London, 1937 nach Paris. Am 1. Juli 1939 trat Trude Burg noch einmal auf im Théatre Pigalle bei der Gedächtnisfeier für den im Pariser Exil verstorbenen Joseph Roth auf; zusammen mit einer improvisierten Emigranten-Truppe, u. a. mit Sidonie Lorm in dem Stück Hiob auf der Bühne. Nach Kriegsausbruch wurde Hans Kafka als étranger autrichien interniert, Trude Burg gelang es Ausreise-Visa in die USA für beide zu beschaffen. Im Februar 1940 flohen sie von Le Havre nach New York. Von diesem Zeitpunkt an ist Trude Burgs Leben in die Biographie ihres Mannes eingewebt, unsichtbar. In Kalifornien findet er, der englischen Sprache mächtig, schnell als Drehbuchautor, Mitarbeiter der Emigrantenzeitschrift Aufbau, Journalist und Schriftsteller Arbeit. Trude Burgs Karriere als Schauspielerin ist im Exil zu Ende.

      Im Oktober 1958 kehren beide nach Deutschland zurück und ziehen nach München.

      Hans Kafka arbeitete als Deutschland-Korrespondent des New Yorker Magazins Variety. Der Zugang in die literarische Szene der BRD blieb ihm verwehrt, er starb 1974 in München. Über Trude Burgs Leben in München, wo sie am 10. August 1991 starb, konnten wir noch nichts in Erfahrung bringen.

    • Traute Carlsen

      • Schauspieler*in
      geb. Gertrud
      * 1887, Dresden
      † 1969, Küsnacht

      In der Spielzeit 1929/30 im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Sie spielte in Inszenierungen Otto Falckenbergs, Ernst Helds und Hans Schweikarts.

      Die Tochter einer Dresdner jüdischen Familie trat nach ihrer Schauspielausbildung in Berlin bei Max Reinhardt in Mannheim, Frankfurt und Wien auf. Dort war sie mit dem Schauspieler und Regisseur Karl Forest (1874–1944) verheiratet.

      Traute Carlsen flieht 1933 aus Deutschland nach Wien, 1935 emigrierte sie in die Schweiz und wurde dort Ensemblemitglied am Schauspielhaus Zürich. Karl Forest (geb. Karl Obertimpfler) wird 1944 im Wiener Altenheim Lainz das Opfer der NS-Krankenmorde durch eine Luftinjektion.

      Photos Traute Carlsens (1923) und Karl Forests (1919) stammen von dem Wiener Photographen Franz Löwy (Ostrau 1883–1949 Rio de Janeiro), der im Juli 1938 nach Paris flieht und von dort nach Brasilien emigriert.

      1959 wird Traute Carlsen mit dem Hans–Reinhart–Ring ausgezeichnet, der höchsten Auszeichnung im Schweizer Theaterleben. Im Narrativ der Münchner Kammerspiele wird Traute Carlsen in einem Satz mit Karl Kyser erwähnt:

      "Zum ersten Mal 1929/30 spielten der gemütlich mißmutige Karl Kyser mit dem kummervollen, faltenreichen Gesicht eines Bullbeißers, der dann bis 1933 zum Ensemble gehörte, und die blonde, humorvolle Traute Carlsen, die nur für eine Spielzeit blieb."

      Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch-Verlag 1972, S. 218.

    • Mady Christians

      • Schauspieler*in
      * 1900, Wien
      † 1951, Norwalk

      MK 17., 18. und 25.01.1930: Hazard von Henry Bernstein. Deutsch von Rudolph Lothar, Regie: Philipp Manning, Gastspieldirektion Alfred Fischer, Gastspiel Mady Christians – Ernst Deutsch und Berliner Ensemble je zwei Vorstellungen um 16 und 22:15 Uhr

      Mady Christians, 1896 in Wien als Tochter des Schauspielers Rudolf Christians und der Opernsängerin Bertha Klein geboren, verbrachte einen Großteil ihrer Kindheit in den USA.

      Caitlin Moffett und Carol Stabile schreiben über Mady Christians in dem US amerikanischen Blog Women and the Anti-Communist Blacklist:

      „Marguerita Maria 'Mady' Christians was born in Vienna, Austria on January 19, 1900. Her father Rudolph Christians, was a well-known German actor and stage manager, her mother Bertha Christians, was an opera and concert singer. Her family emigrated to the United States in 1912, where her father managed the German Repertoire theater in New York City. When Mady Christians decided to pursue a career as an actress, her mother accompanied her to Berlin in 1917, where she studied at Max Reinhardt's acting school. Taller than many leading men, Christians was a talented actress, with a fine soprano voice. She made her debut in New York in 1915, in a one-act-operetta titled 'Brüderlein Fein'. In 1933 she was cast by MGM in 'A Wicked Woman' and signed to a long-term contract. Like many performers, Christians was relieved to flee the rising fascism in Germany. After returning to New York City, she performed in Broadway productions, including 'House', directed by Orson Welles . . .“

      Caitlin Moffett and Carol Stabile: "Mady Christians". In: The Broadcast 41. Women and the Anti-Communist Blacklist. Aufgerufen über: https://broadcast41.uoregon.edu/biography/christians-mady

      Vor 1933 spielte Mady Christians auf den Bühnen der Max Reinhardt Theater in Berlin, in Stumm- und Tonfilmen, 1929 im ersten in Deutschland gedrehten abendfüllenden Ton-Spielfilm Dich habe ich geliebt. 1928 gründete sie mit dem Regisseur Ludwig Berger zusammen die Filmproduktionsfirma Länder-Film GmbH in Berlin.

      Sofort nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten 1933 verließ sie Deutschland und emigrierte in die USA. In Hollywood und an anderen Theatern gelang es ihr, eine sehr erfolgreiche US-amerikanische Theater- und Filmschauspielerin zu werden. Geichzeitig engagierte sie sich in der politischen Arbeit für Flüchtlinge aus Europa, für die Rechte der Beschäftigten in Film und Theater und für Russian War relief. Mit diesem politischen Engagement geriet sie bereits 1941 ins Visier des FBI und als sie auch noch öffentliche Kritik übte am HOUSE COMMITTEE ON UN-AMERICAN ACTIVITIES wurde sie kommunistischer Umtriebe verdächtigt. Als sie in der antikommunistischen McCarthy-Ära auf schwarze Listen geriet, war ihre Karriere beendet. Ihre letzten Filme waren 1948 All My Sons (Regie: Irving Reis) an der Seite von Edward G. Robertson, Burt Lancaster und Letter from an unknown Woman mit dem Regisseur Max Ophüls, eine Verfilmung der Novelle Stefan Zweigs. Mady Christians starb am 28. Oktober 1951 nach einem Schlaganfall in Norwalk, Connecticut.

      Eine Porträtaufnahme Mady Christians (1923) stammt von der Wiener Photographin Edith Barakovich, die den Dramatiker und Drehbuchautor Paul Frank heiratete. 1933 flohen die beiden aus Berlin nach Wien, 1938 von dort nach Frankreich. In Casablanca nahm sich Edith Barakovich 1940 das Leben, als die Fluchtmöglichkeit in die USA aussichtslos erschien. Paul Frank gelang danach mit Hilfe von Freunden doch noch diese Flucht.

      Nachtrag:

      Bei dem Gastspiel von Mady Christians und Ernst Deutsch am 17. und 25. Januar 1930 in den Münchner Kammerspielen standen acht Schauspieler*innen auf der Bühne. Vier von ihnen mussten 1933 aus Deutschland fliehen, vier von ihnen setzen ihre Theater- und Filmarbeit erfolgreich fort:

      Hans Junkermann (Stuttgart 1872 – 1943 Berlin): Ernennung zum Staatsschauspieler 1940

      Claire Reigbert (Kiel 1887 – 1957 München): In der 'Gottbegnadeten-Liste' Goebbels 1944

      Fritz Alberti (Hanau 1877 – 1954 Berlin): NSDAP-Mitglied ab dem 1. April 1933

      Hans Waschatko (Wien 1877 – 1948 Wien): In der 'Gottbegnadeten-Liste' Goebbels 1944

      Mady Christians (Wien 1900 – 1957 Norwalk): 1933 Flucht aus Deutschland in die USA

      Ernst Deutsch (Prag 1890 – 1969 Berlin): 1933 Flucht aus Deutschland, zunächst nach Wien, 1938 in die USA, 1947 Remigration nach Europa

      Jaro Fürth (Prag 1871 – Wien 1945): 1933 Flucht aus Deutschland nach Wien, 1942 Deportation nach Theresienstadt, an den Folgen der Haft am 12.11. 1945 in Wien gestorben

      Helene Konschewska (1902 – 1968 Rottach-Egern): 1933 Flucht aus Deutschland nach England, Spanien

    • Kurt Corrinth

      • Autor*in
      * 1894, Lennep
      † 1960, Berlin

      MK 09.10.1929: Trojaner, Regie: Julius Gellner

      Kurt Corrinth wurde als junger Mann im Ersten Weltkrieg zum entschiedenen Kriegsgegner. In Berlin schrieb er als Autor in expressionistischen Zeitschriften und verfasste Dramen. Aufgrund seines Theaterplädoyers 1929 gegen Antisemitismus verboten die Nationalsozialisten 1933 seine Werke und nahmen ihn ein Jahr lang in ‘Schutzhaft’. 1955 ging er in die DDR nach Ostberlin.

    • Ernestine Costa

      • Schauspieler*in
      † 1959, London

      In der Spielzeit 1923/24 als Gast an den Münchner Kammerspielen, u. a. in Arthur Schnitzlers Der Grüne Kakadu (Premiere21.06.1924) Regie: Hanns Merck. Mit dem Schauspieler, Regisseur und Theaterdirektor des Intimen Theaters Nürnberg (bis Oktober 1932) Hanns Merck (geb. Johann August Mendelsohn (Bremen 1885–Nürnberg 1967) war sie verheiratet. Sie spielte in Nürnberg unter seiner Regie u. a. in Wedekinds Schloss Wetterstein(20.05.1921) die Rolle der Effi von Gystrow. Merck ist in den Spielzeiten 1913/14–1914/15 im Ensemble der Münchner Kammerspiele und soll einer der Mitbegründer der Münchner Kammerspiele gewesen sein. 1933 flieht er nach Prag, von dort nach Holland. Ernestine Costa flieht 1933 nach Holland und von dort nach London.

    • Josef Danegger

      • Schauspieler*in
      * 1889, Wien
      † 1948, Bern

      MK 13.09.1927: Fuhrmann Henschel von Gerhart Hauptmann, Regie: Max Werner Lenz, mit Josef Danegger, Kurt Horwitz, Guido Török, Therese Giehse u. a

      MK 08.10.1927: Zinsen von Bernard Shaw, dt. von Siegfried Trebitsch, Regie: Richard Révy, u. a. mit Josef Danegger, Kurt Horwitz, Richard Révy

      MK 18.03.1928: Du wirst mich heiraten von Louis Verneuill, dt. von Robert Blum, Regie: Max Werner Lenz, u. a. mit Erika von Thellmann a.G. Heinz Rühmann, Josef Danegger

      Josef Danegger kam am 1. Februar 1889 als ältestes von drei Kindern einer österreichisch jüdischen Schauspielerfamilie in Wien auf die Welt. Der Vater Josef Danegger, geb. Deutsch (1865 – 1933) war Schauspieler, Regisseur und Lehrer am Konservatorium, die Mutter Bertha Danegger, geb. Müller (1866 – 1938), der jüngere Bruder Theodor Danegger (1891 – 1959) und die Schwester Mathilde Danegger (1903–1988) waren ebenfalls Schauspieler*innen.

      Josef Danegger, der älteste der drei Geschwister, war nach ersten Engagements in Breslau und Berlin bei Max Reinhardt Ensemblemitglied 1919 – 1926 am Burgtheater in Wien. Danach erneut in Berlin, wurde er für die Spielzeit 1927/28 an die Münchner Kammerspiele engagiert und debütierte dort in der Titelrolle von Hauptmanns Fuhrmann Henschel. Nach der Spielzeit kehrte er wieder nach Berlin zurück zu Max Reinhardt und auch an die Piscator-Bühne. Sofort nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten verließ er Deutschland, er wurde aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen, konnte aber in Wien zunächst seine sehr erfolgreiche Theaterarbeit fortsetzen noch bis kurz vor dem NS-Anschluss Österreichs. Seine letzten Wiener Auftritte waren in den Wiener Kammerspielen in Paul Kalbecks Inszenierung von Bernard Shaws Der Arzt am Scheideweg (15.02.1938) u. a. zusammen mit Ernst Deutsch und Frida Richard. In der Wiener Volksoper trat er in Aurel Nowotnys Inszenierung von Schillers Wallensteins Lager (27.02. 1938) zusammen u. a. mit Maria Fein auf. Im März 1938 floh er in die Schweiz, am Stadttheater Bern wurde er Mitglied des Ensembles bis zu seinem Tod 1948.

      Seine Schwester Mathilde Danegger war bereits 1933 in die Schweiz geflohen, sie konnte dort am Züricher Schauspielhaus unter Wolfgang Langhoff arbeiten. Sie wurde Gründungsmitglied der Bewegung Freies Deutschland. 1951 ging sie nach Ost-Berlin an Brechts Berliner Ensemble und ans Deutsche Theater. Warum der Bruder Theodor Danegger seine Theater- und Filmarbeit erfolgreich im nationalsozialistischen Deutschland bis 1943 fortsetzen konnte, dafür haben wir noch keine plausible Erklärung gefunden. In den Spielzeiten 1935/36 – 1938/39 war er Mitglied im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Nach 1945 kehrte er als Gast an die Münchner Kammerspiele zurück. In der Spielzeit 1948/49 spielte er u.a. mit in Fritz Kortners Uraufführung seines Stücks Donauwellen (Premiere am 15.02.1949).

    • Lili Darvas

      • Schauspieler*in
      * 1902, Budapest
      † 1974, New York

      MK 05.05.1931: Victoria von W.S. Maugham. Deutsch von Mimi Zoff, Regie: Max Reinhardt, Musik: Mischa Spoliansky, u. a. mit Lili Darvas, Frida Richard, Josef Danegger

      MK 06.05.1931: Der Diener zweier Herren von Carlo Goldoni, Regie: Max Reinhardt Bühnenbilder: Hermann Krehan, u. a. mit Lili Darvas, Raoul Lange, Josef Danegger, zwei Gastspiele der Reinhardt-Bühnen Berlin

      Lili Darvas kam in Budapest am 10. April 1902 auf die Welt als Tochter einer ungarisch jüdischen Familie. Nach Lyceum und Schauspielausbildung heiratete sie den Dramatiker Ferenc Molnar (1878 – 1944). 1926 engagierte sie Max Reinhardt für das Theater in der Josefstadt in Wien und für seine Gastspieltouren in Europa – im Mai 1931 in München an den Münchner Kammerspielen – und in den USA. Nach dem NS-Anschluss Österreichs 1938 emigrierte sie mit Molnar zusammen in die USA. Sie konnte dort ihre Theater- und Filmarbeit sehr erfolgreich fortsetzen. 1944 wurde sie US-amerikanische Staatsbürgerin. Noch 1970 spielte sie in dem ungarischen Spielfilm Liebe, der bei den Filmfestspielen in Cannes einen Jury-Preis bekam.

    • Benjamin Degginger

      • Gesellschafter*in
      * 1852, Lauffen
      † 1931, München

      Benjamin Degginger, Kommerzienrat, war Gesellschafter der Münchner Kammerspiele GmbH seit der Gründung durch seinen Schwiegersohn Dr. Leo Fromm bis zu seinem Tod am 12.12.1931 in München.

      Zusammen mit Julius Heß (München 17.10.1884 – 19.06.1932 München) war er Inhaber der Holzgroßhandlung „Degginger&Heß AG“ in München. Seine Frau Fanny geb. Boas starb am 24.09.1935 in München.

      Die jüdischen Familien Degginger und Fromm waren verwandschaftlich verbunden durch die Heirat der beiden Degginger Schwestern Edith und Helene mit den beiden Fromm Brüdern Leo und Heinrich.

    • Fritz Delius

      • Schauspieler*in
      geb. Friedrich
      * 1890, Berlin
      † 1966, Basel

      MK 20.12.1927: Die beständige Gattin ('The Constant Wife'), W. S. Maugham, deutsche Übertragung: Mimi Zoff, Gastspiel Ida Roland bis 2. Woche Januar 1928, Regie: Robert Forster-Larrinaga, u. a. mit Therese Giehse, Richard Révy, Julius Seger und als Gast Fritz Delius

      Friedrich Diamant kam als Sohn einer Berliner jüdischen Familie am 28. September 1890 auf die Welt. Mit dem Künstlernamen Fritz Delius trat er an den Reinhardt-Bühnen von 1913 an in Berlin und in Wien auf. Daneben machte er beim Stummfilm Karriere. 1926 bis 1938 gehörte er in Wien dem Ensemble des Theaters in der Josefstadt an. Zusammen mit Ida Roland, die 1927/28 auch dort auftrat, gastierte er mit dem W. S. Maugham Stück an den Münchner Kammerspielen. Nach dem NS-Anschluss Österreichs floh er über Ungarn und Italien in die Schweiz und konnte dort im Ensemble des Schauspielhauses Zürich seine Theaterarbeit fortsetzen. Von 1950 bis kurz vor seinem Tod gehörte er in Basel dem Ensemble der Komödie Basel an.

    • Ernst Deutsch

      • Schauspieler*in
      * 1890, Prag
      † 1969, Berlin

      Nach seinem Bühnendebut 1914 an der Deutschen Volksbühne in Wien. In Regie Berthold Viertels war er von 1917–1933 ein renommierter Schauspieler an den Berliner Theatern, er spielte in Stummfilmen und gab Gastspiele in Hamburg, Wien und an den Münchner Kammerspielen. Im März 1927 als Gastschauspieler in G.B. Shaws Der Arzt auf dem Scheideweg, Regie: Richard Révy, im Mai 1927 in Franz Werfels Juarez und Maximilian,Regie: Richard Révy.

      Im April 1933 floh der Sohn einer Prager jüdischen Kaufmannsfamilie aus Deutschland nach Wien. Er spielte auch in Prag,Zürich, Brüssel und London.

      1938 emigrierte er in die USA, er erwarb die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.

      1947 remigriert er nach Europa, zunächst nach Paris dann Wien, wo er Ensemblemitglied des Burgtheaters wird. Ab 1951 lebt er wieder in Berlin. In einer Inszenierung von Lessings Nathan der Weise hat er mit der Titelrolle großen Erfolg in Gastspielen in ganz Europa. In Carol Reeds Filmklassiker The Third Man(1948/49) spielt er Baron Kurtz.

    • Ludwig Donath

      • Schauspieler*in
      * 1900, Wien
      † 1967, New York

      Der Sohn einer Wiener jüdischen Familie debütierte mit 19 Jahren am Deutschen Volkstheater in Wien, in den Spielzeiten 1920/21 – 1924/25 war er Mitglied im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Er spielte u. a. in einer Reihe von Falckenberg-Inszenierungen, als Lysander in Shakespeares Ein Sommernachtstraum (neu besetzt im April 1921) und als Troilus in Shakespeares Troilus und Cressida (04.06.1925). Seine nächsten Engagements waren in Stuttgart und Berlin. 1933 floh er in die Tschechoslowakei, spielte am Stadttheater von Mährisch-Ostrau und war in der Spielzeit 1937/38 am THEATER AN DER WIEN engagiert. Noch Anfang März 1938, wenige Tage vor dem ‘Anschluss’ Österreichs, spielte Ludwig Donath in einer Wiener Erstaufführung von Hugo von Hofmannsthals Das gerettete Venedig in der Inszenierung Walter Firners (geb. Walter Feinsinger, Wien 05.03.1905) u. a. mit dem 1890 in Berlin geborenen Schauspieler Fritz Delius. Am 8. März 1938 trat Ludwig Donath zusammen mit Albert und Else Bassermann in der Uraufführung des Stücks Schauspielschule von János Székely auf. Nach dem 'Anschluss' flohen Ludwig Donath, Walter Firner, Fritz Delius, Albert und Else Bassermann, und Janos Szekely aus Österreich in die Schweiz und von dort in die USA. Alfred Hitchcock besetzte neben Paul Newmann in seinem Thriller Torn Curtain 1966 Ludwig Donath. Er starb am 27.09.1967 in New York.

    • Tilla Durieux

      • Schauspieler*in
      geb. Ottilie
      * 1880, Wien
      † 1971, Berlin

      MK/VTh 19.11. und 16.12.1932, 08.–09.02.1933: Der Schatten von Dario Niccodemi. Übersetzung aus dem Italienischen von Harry Kahn Gastspiele Tilla Durieux mit Ensemble des Renaissance Theaters Berlin

      MK 11.04.1958: Die Stühle von Eugene Ionesco. Übersetzung aus dem Französischen von Lore Kornell, Regie: Hans Schweikart im Werkraumtheater, mit Tilla Durieux a. G., Peter Lühr

      Tilla Durieux kam in Wien am 18. August 1880 auf die Welt als Tochter der Pianistin und des Chemieprofessors Adelheid und Richard Godeffroy. Gegen den Willen ihrer Mutter machte sie ihre Schauspielausbildung in Wien und nannte sich Durieux nach dem Geburtsnamen du Rieux ihrer hugenottischen Großmutter. Von 1903 an bis zu ihrer Flucht 1933 aus Deutschland spielte sie große Rollen an Berliner Theatern, gleichzeitig engagierte sie sich vor dem Ersten Weltkrieg bei Arbeiter-Matineen. Sie war ihr ganzes Leben lang eine rebellisch widerständige Frau und Künstlerin. 1933 floh sie zusammen mit ihrem jüdischen Mann Ludwig Katzenellenbogen in die Schweiz, sie spielte an Theatern in Wien und Prag, 1935 floh sie mit ihrem Mann nach Kroatien. Er wurde 1941 in Saloniki von der Gestapo verhaftet, ins KZ Sachsenhausen deportiert und starb an den Folgen der Haft 1944 in Berlin.

      Tilla Durieux überlebte in Kroatien, sie kehrte 1952 nach Deutschland zurück, gastierte an Theatern in Berlin, 1958 auch an den Münchner Kammerspielen in Schweikarts Inszenierung von Ionescos Die Stühle. Ionesco selbst war zu dieser Premiere am 11. 04. 1958 im Werkraumtheater nach München gekommen „und zeigte sich einem teils faszinierten, teils amüsierten, teils höflich reservierten Publikum“.undefined

      1967 stiftete die große Theaterkünstlerin den Tilla-Durieux-Schmuck, der alle zehn Jahre an eine herausragende Schauspielerin verliehen wird. Zwei Schauspielerinnen der Münchner Kammerspiele wurden bisher damit ausgezeichnet – 1977 Gisela Stein und 1998 Annette Paulmann.

      Fotos:

      Szenenfoto „Der Schatten“ Renaissance Theater Berlin, Tilla Durieux und Rudolf Klein-Rogge, Fotograph: Rene Fosshag, Dezember 1932, Porträtphoto Tilla Durieux, Fotographin: Lotte Jacobi, 1932

      Porträtfoto Tilla Durieux, Fotographinnen: Nini u. Carry Hess, 192

      MK Programm: Münchner Kammerspiele im Schauspielhaus. Direktion: Otto Falckenberg Adolf Kaufmann. DAS PROGRAMM Dreizehnter Jahrgang 1932 Dezember-Heft. Redigiert von Heinrich Fischer. Mitteilungen des Theaters

    • Ernst Duschy

      • Schauspieler*in
      * 1896, Wien
      † 1941, Lódź

      MK 01.07.1930: Majestät lässt bitten von Rideamus (alias Fritz Oliven), Regie: Robert Forster-Larrinaga, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Bühnenbild: David Schneuer auf der Bühne des Volkstheaters u.a. mit Ernst Duschy, Otto Brüggemann

      Ernst Duschinsky kam als der ältere von zwei Söhnen einer Wiener jüdischen Familie am 15. Januar 1896 auf die Welt. Er begann seine erfolgreiche Bühnenlaufbahn in Wien mit dem Künstlernamen Ernst Duschy.

      Am 30. Juni 1930 meldete die Wiener Sonn- und Montagszeitung:

      „Ernst Duschy, der jugendliche Komiker des Augsburger Stadttheaters wurde von der Direktion der Münchner Kammerspiele für die Hauptrolle des musikalischen Lustspiels MAJESTÄT LÄSST BITTEN verpflichtet“.

      Es folgten Engagements in Berlin, u. a. am Metropoltheater. Bei der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten 1933 in Berlin war Ernst Duschy zurück in Wien, engagiert für Rollen in Produktionen von Karl Farkas und Fritz Grünbaum.

      Sein jüngerer Bruder, der Schauspieler und Bühnenautor Richard Duschinsky (Wien 23.07.1897 – 1990 Los Angeles / USA) floh aus Berlin in die Tschechoslowakei, zunächst ans Deutsche Theater in Mährisch-Ostrau, 1938 nach London.

      Ernst Duschy blieb in Wien, war vielbeschäftigt, zwischendurch auch am deutschen Theater in Mährisch-Ostrau engagiert. Nach dem NS-Anschluss Österreichs im März 1938 floh er aus Wien nach Prag. Am 21.10.1941 wurde er mit dem Transport B. Nr. 513 aus Prag nach Lódz deportiert und dort sofort nach der Ankunft am 24.10.1941 ermordet.

    • Ossip Dymov

      • Autor*in
      * 1878, Bialystok
      † 1959, New York

      MK 10.02.1923: NJU, Regie: Otto Falckenberg, mit Sybille Binder als Nju

      Ossip Dymow war ein russisch-jüdischer Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur. Sein wichtigstes und bekanntestes Werk NJU wurde bereits 1908 publiziert.

      1913 floh er aus Russland in die USA. An den Münchner Kammerspielen inszenierte das Stück NJU zum ersten Mal Erich Ziegel am 18.10.1913. In der Spielzeit 1923/24 inszenierte Otto Falckenberg

      Ossip Dymows einst in den Kammerspielen durchgefallenes tragisches Spiel von der unverstandenen „NJU“, gleichsam zum Abschied Sybille Binders, die es – im Gegensatz zu ihm – unhemmbar nach Berlin zog.

      Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch Verlag 1973, S. 163.

      1924 verfilmte Paul Czinner NJU mit Elisabeth Bergner, Emil Jannings und Conradt Veidt in den Hauptrollen. Czinner, Bergner und Veidt flohen 1933 aus Deutschland. Dymow kam 1931 nach Berlin, verfasste Drehbücher für deutsche Tonfilme, im Oktober 1932 verließ er Deutschland und kehrte nach New York zurück. Dort inszenierte er am Theater u. a. im Oktober 1933 sein neuestes Drama Germany Aflame.

    • Fritz Dünkelsbühler

      • Gesellschafter*in
      * 1897, Nürnberg
      † 1981, New York

      Dr. Fritz Dünkelsbühler stammte väterlicherseits aus einer Nürnberger jüdischen Juristenfamilie, sein Großvater Sigmund Dünkelsbühler war Anwalt und US-amerikanischer Vizekonsul. Fritz Dünkelsbühler war Bankier im Bankgeschäft „Heinrich & Hugo Marx und über diese Verbindung Gesellschafter der Münchner Theater GmbH geworden. Er emigrierte mit seiner Familie in die USA, änderte seinen Namen zu Fred Dunkels und starb im Juli 1981 in New York.

    • Blandine Ebinger

      • Schauspieler*in
      * 1899, Berlin
      † 1993, Berlin

      1923 an den Münchner Kammerspielen als Gast in der Titelrolle von Wedekinds Die Kaiserin von Neufundland; Regie: Forster-Larrinaga (UA 28.02.1923), Friedrich Hollaender schrieb die Musik dazu, Blandine Ebinger war mit ihm von 1919 bis 1926 verheiratet.1 930 spielte sie die Rolle einer Hinterhofsängerin in Hans Tintners Film Cyankali. 1933 übernahm sie die Leitung des TINGEL-TANGEL THEATER in Berlin. 1937 emigrierte sie in die USA. Ihre Tochter Philine (*1924) blieb nach der Emigration in den USA, sie war dort von 1941–1946 mit Georg Kreißler verheiratet. 1946 Remigration nach Europa, 1948 nach Berlin. Bis ins hohe Alter tritt sie als Sängerin auf.

    • Paul Eger

      • Autor*in
      * 1881, Wien
      † 1947, Luzern

      MK 30.12.1916: Adam, Eva und die Schlange, Regie: Hermann Sinsheimer

      Paul Eger war der Sohn einer Schweizer jüdischen Naturwissenschaftler–Familie. Er war Dramaturg, Regisseur, Theaterdirektor und schrieb selbst Theaterstücke. 1912 wurde er Generaldirektor des Hoftheaters Darmstadt, war 1918 bis 1926 Intendant am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, danach künstlerischer Berater der Bühnen Max Reinhardts in Berlin und von 1932 bis 1938 Direktor des Deutschen Theaters Prag. Paul Eger setzte sich dort für die Emigranten aus Deutschland ein. 1939 ging er ins Exil in die Schweiz.

    • Leonore Ehn

      • Schauspieler*in
      * 1888, Langenlois
      † 1978, Berlin

      In der Spielzeit 1917/18 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, in Falckenbergs erster Inszenierung seiner Direktionszeit, Premiere 29.09.1917, Shakespeares Das Wintermärchen in der Rolle der Hermione, Gemahlin des Leontes. In derselben Inszenierung spielt ihre Schauspielkollegin Eva Kessler spielt in ihrer ersten Rolle an den Kammerspielen die 1. Hofdame.

      Leonore Ehn emigrierte mit ihrem Mann Hans von Zedlitz (Berlin 1890–1948 Solothurn) Schauspieler und Regisseur, der als 'Halbjude' aus der RTK und der RFK ausgeschlossen wurde, und den beiden Kindern 1936 nach Wien, von dort wegen eines Filmangebots nach Moskau. 1937 wurde Hans von Zedlitz als deutscher Exilant interniert und nach sechs Monaten nach Deutschland deportiert. Auch Leonore Ehn kehrte nach Deutschland zurück. Nach erneuter Inhaftierung, diesmal durch die Gestapo, gelang es Hans von Zedlitz, ohne Familie, 1938 die Flucht in die Schweiz. Bis kurz vor seinem Tod war er als Regisseur und Schauspieler am Theater Biel-Solothurn.

      Leonore Ehn blieb mit ihrem Sohn Gerd von Zedlitz (1923–1945), Kinderdarsteller im Film, in Deutschland, selbst ohne Engagements. Sie starb im hohen Alter 1978 in Berlin.

    • Otto Eisenschitz

      • Übersetzer*in
      * 1863, Wien
      † 1942, KZ Theresienstadt

      MK 04.07.1913 Schöne Frau von Etienne Rey, Übersetzung aus dem Französischen: Otto Eisenschitz, Regie: Erich Ziegel, u. a. mit Miriam Horwitz, Harry Walden a. G.

      MK 27.03.1914 Der hässliche Ferante von Sabatino Lopez, Übersetzung aus dem Italienischen: Otto Eisenschitz, Regie: Paul Marx

      MK Juni 1929 Die beiden Herren der gändigen Frau von Felix Gandéra, Übersetzung aus dem Französischen: Otto Eisenschitz

      Otto Eisenschitz war ein polyglotter Literat aus den jüdischen Wiener Familien der Adler und Eisenschitz. An dem Münchner Kammerspielen wurden seine deutschen Bearbeitungen von drei französischen und italienischen Theaterstücken aufgeführt. Am 28. Juli 1942 wurde er zusammen mit seiner Frau Zerline (*15.02.1882) aus Wien mit dem Transport IV/6 Nr 662 nach Theresienstadt deportiert, der 79jährige wurde dort am 11. September 1942 ermordet. Zerline Eisenschitz wurde am 19. Oktober 1944 mit dem Transport ES.Nr. 55 aus Theresienstadt nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

    • Lotte Ellon-Jessner

      • Schauspieler*in

      In den ersten Monaten der Spielzeit 1932/33 an den Münchner Kammerspielen, in Falckenbergs Inszenierung der Uraufführung von Bruno Franks Der General und das Geld (05.10.1932).

      Lotte Ellon-Jessners Mutter war die Schwester Fritz Jessners, der in der Spielzeit 1917/18 im Ensemble der Münchner Kammerspiele war. Lotte war ihre Tochter aus erster Ehe, sie heiratete danach den eminenten Theaterregisseur Leopold Jessner (Königsberg 1887–1945 Los Angeles), der Lotte adoptierte. 1933 verließ Leopold Jessner mit Frau und Tochter Deutschland, gründete das Jessner-Ensemble und ging damit auf Europa-Tournee mit Auftritten in London, Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen. Lotte Jessner spielte in diesem Ensemble u. a. in Kabale und Liebe. Leopold Jessner trennte sich von seiner Familie, ging nach Palästina, von dort nach England und weiter in die USA. Er stirbt am 13.12.1945 in Los Angeles, bevor er im Auftrag des US-amerikanischen Außenministeriums in Deutschland mit einem Neuaufbau des deutschen Theaters beginnen konnte.

      Lotte Jessner und ihre Mutter emigrierten vor 1937 aus England in die USA.

    • Mia Engels-Glücksmann

      • Schauspieler*in

      In der Spielzeit 1929/30 – 1930/31 im Ensemble der Münchner Kammerspiele.

      Am Schauspielhaus Düsseldorf engagiert, war sie (ca. 1925–1928) zusammen mit Salka und Berthold Viertel, Kurt Reiss und Josef Glücksmann (1900–1963) der 1928–1931 als Dramaturg und Spielleiter an die Münchner Kammerspiele kam. Die beiden heirateten im Juli 1929. Von München gingen beide nach Hamburg, 1933 nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten flüchteten Josef und Mia Glücksmann aus Deutschland nach Wien. 1938 gelang es mit Affidavits Salka Viertel in die USA zu emigrieren. 1949 Remigration nach Österreich.

    • Annie Ernst-Schröck

      • Schauspieler*in
      * 1888, Wien
      † 1962, Buenos Aires

      In der Spielzeit 1919/20 – 1920/21 im Ensemble der Münchner Kammerspiele u. a. in der Rolle der Mutter in Falckenbergs Inszenierung von Paul Claudels VERKÜNDIGUNG (12.11.1919) mit Sybille Binder und Erwin Faber.

      1929–1933 am Städtischen Opernhaus Essen, aus 'rassischen Gründen' entlassen, 1936 aus der RTK ausgeschlossen, ging zurück nach Österreich und emigrierte 1937 in die Schweiz. Engagements ins Solothurn-Biel und St. Gallen.

      1939 Emigration nach Argentinien, Schauspielerin an Paul Walter Jacobs FREIE DEUTSCHE BÜHNE, bis zu ihrem Tod.

    • Erwin Faber

      • Schauspieler*in
      • Regisseur*in
      * 1891, Innsbruck
      † 1989, München

      In der Spielzeit 1916/17 erhielt der österreichische Schauspieler an den Münchner Kammerspielen sein erstes Engagement, er war im Ensemble bis zu seinem Wechsel in der Spielzeit 1920/21 ans Staatstheater. Als Gast an den Kammerspielen trat er in den beiden Brecht-Uraufführungen auf Trommeln in der Nacht (29.02.22) und Leben Eduards des Zweiten von England (18.03.1924) auf. 1922 heirateten er und die 1919 an die Kammerspiele engagierte österreichisch jüdische Schauspielerin Grete Jacobsen (Wien 08.10.1898–04.05.1989 München).

      1924 gingen beide nach Berlin. Nach Grete Jacobsens Berufsverbot 1933 wurde Erwin Faber von den Nationalsozialisten unter Druck gesetzt, sich von seiner jüdischen Frau zu trennen. Er verweigerte dieses Ansinnen. Mit Beginn der Spielzeit 1933/34 erhielt er ein Engagement am Schauspielhaus Düsseldorf. Dort trat er in Schillers Don Carlos (14.09.1933) auf als Philipp II. zusammen mit Peter Lühr in der Titelrolle, mit Constanze Menz als Elisabeth und Hanne Mertens als Prinzessin von Eboli. Erwin Faber und Grete Jacobsen halten gemeinsam dem Druck stand, das rettet sie vor Deportation und Ermordung. In der Spielzeit 1952/53 kehren beide auf die Bühne der Münchner Kammerspiele zurück. Von 1953–1988 gehört Erwin Faber zum Ensemble des Bayerischen Staatstheaters.

      Nach siebenundsechzigjähriger Partnerschaft sterben Erwin Faber und Grete Jacobsen am 4. Mai 1989 in München.

    • Maria Fein

      • Schauspieler*in
      * 1892, Wien
      † 1965, Zürich

      In den Spielzeit 1923/24 und 1925/26 gastierte sie an den Münchner Kammerspielen. 1935 wurde sie aus der RTK und der RFK ausgeschlossen, 1936 floh sie mit ihrer Tochter Maria Becker (Berlin 28.01.1920 – 05.09.2012 Uster/Schweiz nach Wien, nach dem 'Anschluss' am 13. März 1938 floh sie in die Niederlande und über Frankreich in die Schweiz. Am Schauspielhaus Zürich spielte sie u. a. in Tolstois Die Macht der Finsternis in der Regie von Leopold Lindberg zusammen mit Erwin Kalser, Ernst Ginsberg und ihrer Tochter. Maria Becker gastierte an den Münchner Kammerspielen in der Spielzeit 1971/72 in zwei Inszenierungen August Everdings.

    • Hans Feist

      • Übersetzer*in
      * 1887, Frankfurt
      † 1952, Berlin

      MK 13.12.1924 Sechs Personen suchen einen Autor von Luigi Pirandello, dt. Übersetzung: Hans Feist

      + Ein ruhiges Heim von Georges Courteline, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Otto Falckenberg

      MK 30.06.1927 Der Diktator von Jules Romains, dt. Übersetzung: Hans Feist, Gastspiel mit Albert Bassermann, Regie: Otto Stoeckel

      MK 05.07.1931 Amphitryon 38 von Jean Giraudoux, dt. Bearbeitung: Hans Feist, Gastspiel Elisabeth Bergner mit Ensemble

      MK 18.01.1933 Achtung! Frisch gestrichen von René Fauchois, dt. Übersetzung: Käthe Porada und Hans Feist, Regie: Richard Révy u. a. mit Frieda Richard a. G., Ilva Günten

      MK 21.03.1951 Die Dame ist nichts fürs Feuer von Christopher Fry, dt. Übersetzung: Hans Feist, Regie: Hans Schweikart

      Hans Feist kam am 20.04.1887 in Frankfurt am Main auf die Welt als jüngster von drei Söhnen des Kaufmanns Otto Feist (1847 – 1912) und seiner Frau Hermine Wollheim (1855 – 1933), die einer Berliner jüdischen Familie entstammte und eine bedeutende Porzellansammlerin war. Nach Medizinstudium und wissenschaftlichen medizinischen Veröffentlichungen wurde dieser kosmopolitische, polyglotte 'Theaterbesessene' (ein Wort Erika Manns) Übersetzer und Vermittler zeitgenössischer italienischer, französischer und englischer Theaterautoren. 1925 gab er die erste deutsche Gesamtausgabe der Werke Luigi Pirandellos heraus im Berliner Alf Häger Verlag, gedruckt bei dem österreichisch jüdischen Drucker, Übersetzer, Verleger Jakob Hegner, der 1938 aus Wien nach England floh. In den 1920er Jahren hatte Hans Feist Erika und Klaus Mann kennengelernt und war ein enger Freund der Mann-Familie geworden. Als Hans Feists Bruder Ernst kurz nach der Entlassung aus dem KZ Oranienburg an den Folgen der Haft im Januar 1939 starb, floh er in die Schweiz. Nach dem Ende der NS-Gewaltherrschaft remigrierte er nach Deutschland.

      Auf seinen plötzlichen Tod 1952 in Berlin während der deutschen Uraufführung des neuen Christopher Fry Stücks Moses in Hans Feists Übertragung schrieb Erika Mann in einem liebevollen Nachruf:

      „Er ist unersetzlich. Seine besten Übertragungen sind eigentlich dichterische Taten, die heute im deutschen Sprachgebiet durchaus ihres-gleichen suchen [...] Zwei Dinge gab es, zwei Begriffe, die ihm mehr bedeuteten, höher standen als alle Güter in der Welt: die Kunst (besonders wo sie Literatur war und Theater) und die Freundschaft.“

      Erika Mann: "Hans Feist zum Gedächtnis" (1952). In: Nachlass Erika Mann /Manuskripte. Aufgerufen über das Archiv der Monacensia https://www.monacensia-digital.de/mann/periodical/titleinfo/33292

    • Lion Feuchtwanger

      • Autor*in
      * 1884, München
      † 1958, Los Angeles
      • MK 05.03.1917 Der König und die Tänzerin (nach Kalidasa) (UA), Regie: W. von Gordon
      • MK 08.02.1918 Vasantasena (nach Sudraka) (UA), Regie: Otto Falckenberg
      • MK 07.12.1920 Der Amerikaner oder Die entzauberte Stadt (UA), Regie: Otto Falckenberg
      • MK 15.03.1922 Der Frauenverkäufer (nach Calderón) (UA), Regie: Rudolf Frank

      Lion Feuchtwanger war sowohl als Autor als auch dramaturgischer Berater Bertolt Brechts an den Münchner Kammerspielen tätig, vor allem in der Inszenierung Leben Eduards des Zweiten von England (18.03.1924). Nach Vortragsreisen im November 1932 in die USA und nach England kehrte er nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten nicht mehr nach München zurück, sondern ging ins Exil in die Schweiz und weiter nach Sanary-sur-Mer in Südfrankreich. Von November 1936 bis Februar 1937 befand er sich auf einer umstrittenen Reise in Moskau, bei der er sich den Vorwurf der politischen Instrumentalisierung durch Stalin zuzog. 1941 floh er mit seiner Frau Marta nach Internierung aus Frankreich über Spanien und Portugal in die USA. Er starb 74-jährig in Los Angeles.

    • Heinrich Fischer

      • Regisseur*in
      • Übersetzer*in
      • Dramaturg*in
      * 1896, Karlsbad, Tschechien
      † 1974, München

      Heinrich Fischer kam am 22. August 1896 als Sohn einer Karlsbader jüdischen Familie auf die Welt. Nach einem Jurastudium in Wien ging er 1920 als freier Autor nach Berlin, schrieb Gedichte, war Mitarbeiter der Weltbühne und wurde von Berthold Viertel für das Ensemble Die Truppe für Regiearbeiten engagiert. Nach dreijähriger Tätigkeit als Lektor im Drei Masken-Verlag wurde Heinrich Fischer an die Münchner Kammerspiele zur ersten Spielzeit 1926/27 im Schauspielhaus in der Maximilianstraße als Dramaturg verpflichtet, 1927/28 als Chefdramaturg. Sein Einfluss auf den Spielplan, auf die Gestaltung der Programmhefte und die Einrichtung einer STUDIOBühne für experimentelles künstlerisches Zeittheater haben die Kammerspiele nachhaltig geprägt und er geriet ins Visier der Nationalsozialisten in München, die Heinrich Fischer, dem Regisseur Julius Gellner und Falckenbergs Co-Direktor Adolf Kaufmannprogrammmäßig betriebenen Kulturbolschewismus, linksradikale und wohl blutsmäßig begründete philosemitische Einstellung“ (Völkischer Beobachter, München 08.03.1933) vorwarfen und schon vor der ‚Machtergreifung‘ ihre ‚Entfernung‘ betrieben, mit massiven Angriffen gegen die Inszenierungen von Ferdinand Bruckners Krankheit der Jugend (Studio 30.03.1927), Karl Kraus' Traumstück (Studio 01.03.1928).

      Im Juni 1928 wurde Heinrich Fischer nach Berlin ans Theater am Schiffbauerdamm als Co-Direktor und Chefdramaturg abgeworben. Am großen Erfolg der Uraufführung von Brecht/Weills Dreigroschenoper (31.08.1928) hatte er maßgeblichen Anteil. Zur Spielzeit 1931/32 kehrte er als Chefdramaturg zurück an die Münchner Kammerspiele. Sofort nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten floh er im Februar 1933 nach Prag, zusammen mit seiner Lebensgefährtin, der Tänzerin und Choreographin Senta Born (Berlin 1901 – 1967 Elwood / Melbourne), die noch im November 1932 am Volkstheater die letzte Inszenierung unter der Direktion Kaufmann/Falckenberg, die Benatzky/ Wolff/Zickel Operette Zur gold'nen Liebe choreographiert hatte.

      Von Februar 1934 bis April 1939 wirkte Heinrich Fischer als Leiter und Produktionsdramaturg des deutschsprachigen Senders Prager Deutsche Sendung. Nach der Okkupation der CSR floh er zusammen mit Senta Born nach London ins englische Exil. Beide arbeiteten für Bühnenproduktionen von emigrierten Theaterschaffenden, er als Regisseur und Texter, sie als Tänzerin auf der Bühne. Von 1941 – 1956 arbeitete Heinrich Fischer als Autor und Produzent bei der BBC.

      1956 kehrte er nach Deutschland zurück, beim Bayerischen Rundfunk arbeitete er als Fernsehdramaturg und fester Mitarbeiter, später auch Chefdramaturg der Fernsehabteilung. Von 1952 ab gab Heinrich Fischer die Werke von Karl Kraus als dessen Nachlassverwalter im Kösl Verlag heraus.

      Im Februar 1953 war er schon einmal aus London nach München gekommen und las im Theater Die kleine Freiheit in einer Matinee aus Werken von Karl Kraus.

      Am 16. März 1974 starb er im Alter von 77 Jahren in München. Seine Lebensgefährtin Senta Born war nach der Trennung 1948 aus England nach Australien gezogen, sie starb 1967 in Elwood / Melbourne.

    • Ladislas Fodor

      • Autor*in
      * 1898, Budapest
      † 1978, Los Angeles
      • MK 16.08.1930: Arm wie eine Kirchenmaus von Ladislas Fodor in der deutschen Bearbeitung von Siegfried Geyer. Gastspiel Erika von Thellmann 16.-18.08.1930
      • MK 26.02.1932: Kopf in der Schlinge von John von Bradley (alias Ladislas Fodor) in der deutschen Bearbeitung von Siegfried Geyer, Regie: Richard Révy
      • MK18.05.1932: Juwelenraub in der Kärtner Strasse von Ladislas Fodor und Siegfried Geyer

      Ladislas Fodor, Sohn einer ungarischen jüdischen Familie, schrieb in den 1920er Jahren mehrere Komödien, die Siegfried Geyer ins Deutsche übersetzte. Nach dem ‘Anschluss’ floh er aus Wien nach Frankreich und von dort in die USA. Ende der 1950er Jahre kehrte er nach Europa zurück.

    • Bruno Frank

      • Schauspieler*in
      * 1887, Stuttgart
      † 1945, Beverly Hills

      MK 17.12.1917 Die Schwester und der Fremde (UA), Regie: Otto Falckenberg

      MK 12.01.1922 Karussell, mit: Louis Verneuil/Bruno Frank, Regie: Rudolf Frank

      MK 28.05.1922 Das Weib auf dem Tiere (UA), Regie: Rudolf Frank

      MK 22.04.1927 Zwölftausend (UA), Regie: Otto Falckenberg

      MK 22.09.1930 Sturm im Wasserglas (UA), Regie: Josef Glücksmann

      MK 08.09.1931 Nina (UA), Regie: Ernst Held

      MK 05.10.1932 Der General und das Gold (UA), Regie: Otto Falckenberg

      MK 24.03.1933 Fanny von Marcel Pagnol in der deutschen Bearbeitung von Bruno Frank, Regie: Richard Révy

      Bruno Frank kam als Sohn einer Stuttgarter jüdischen Bankiersfamilie auf die Welt. Seit 1916 lebte er in Feldafing, seit 1926 in München. Zwischen 1917 und 1932 wurden fünf seiner Theaterstücke an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt. Einen Tag nach dem Reichstagsbrand (27./28.2.1933) floh er mit seiner Frau Liesl Frank–Massary in die Schweiz. Im Oktober 1937 verließen sie Europa und gingen ins Exil in die USA. 1938 wurde ihnen ihre deutsche Staatsbürgerschaft entzogen, die amerikanische erhielt Frank erst 1944, weil er seit 1942 vom FBI beobachtet wurde wegen seinen Kontakten zu einem linken mexikanischen Verlag. Bruno Frank starb in Beverly Hills am 20.06.1945.

    • Leonhard Frank

      • Autor*in
      * 1882, Würzburg
      † 1961, München

      MK 08.03.1929: Die Ursache (UA), Regie: Otto Falckenberg, im Studio

      Leonhard Franks Novelle Die Ursache zusammen mit weiteren kurzen Novellen gegen den Krieg erschien 1917 in der Schweiz unter dem Titel Der Mensch ist gut. Das Buch, verboten in Deutschland, wurde illegal eingeführt. Frank war in der Münchner Räterepublik Mitglied im Arbeiter- und Soldatenrat. In Berlin arbeitete er danach als freier Autor bis 1933. Die Geschichte und die Dialoge des Antikriegsfilms Niemandsland, der von den Nationalsozialisten sofort verboten wurde, stammten von ihm. Die beiden Regisseure, Victor Trivas und Georgy Zhdanov, waren junge jüdische Russen, beide emigrierten 1933 nach England und weiter in die USA, Zhdanov zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Else Schreiber, die 1916/17 im Ensemble der Münchner Kammerspiele war. Leonhard Frank floh 1933 über Zürich und London nach Paris, seine Bücher wurden in Deutschland verbrannt, er wurde aus der Preußischen Akademie ausgeschlossen und 1934 ausgebürgert. Mit der Besetzung der Deutschen in Frankreich wurde er in der Bretagne interniert. Es gelang ihm die Flucht über Spanien und Portugal 1940 in die USA. 1950 kehrte er nach Deutschland zurück. Ein Jahr nach seinem Tod (18.08.61) veranstalteten die MK im Werkraum mit seiner Witwe Charlott Frank eine Lesung aus seinen Werken.

    • Paul Frank

      • Autor*in
      * 1885, Wien
      † 1976, Los Angeles

      MK 06.08.1927: Monsieur Héléne von Siegfried Geyer und Paul Frank, Regie: Robert Forster-Larrinaga. Mit Therese Giehse, Heinz Rühmann u.a.

      MK 23.12.1929: Grand Hotel von Paul Frank. MK-Erstaufführung auf der Bühne des Volkstheaters, Regie: Richard Révy. MitTraute Carlsen, Julius Seger u. a.

      MK 05.12.1930: Geschäft mit Amerika von Paul Frank und Ludwig Hirschfeld. MK-Erstaufführung auf der Bühne des Volkstheaters, Regie: Rudolf Hoch. Mit Else Hermann u. a.

      20.12.1932: Essig und Öl von Siegfried Geyer und Paul Frank auf der Bühne des Volkstheaters

      Paul Frank, Sohn einer Wiener jüdischen Familie, war in den 1920er Jahren in Wien ein erfolgreicher Theaterautor mit Co-Autoren, u. a. mit Siegfried Geyer und Ludwig Hirschfeld. Früh wurde er als Drehbuchautor entdeckt und 1930 von Ufa-Direktor Erich Pommer nach Berlin geholt. Dort arbeitete er mit gefragten Co-Autoren zusammen (Franz Schulz, Prag 1897 – 1971 Muralto/Tessin, 1933 Flucht nach in die USA. Robert Liebmann, Prag 1890 – Juli 1942 Ermordung in Auschwitz), mit Schulz 1930 am Drehbuch zu dem legendären Spielfilm Die Drei von der Tankstelle. Fast gesamte künstlerische Team musste nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen. Dagegen war für Olga Tschechowa, Willy Fritsch und Heinz Rühmann dieser Film der Beginn ihrer Karriere, nicht unterbrochen in den zwölf Jahren der NS-Diktatur.

      Paul Frank kehrte zunächst zurück in seine Heimatstadt Wien, zusammen mit seiner Frau, der Photographin Edith Barakovich (Semlin/Belgrad 14.02.1896 – 11.12.1940 Casablanca). 1938 fliehen beide nach Frankreich, weiter über Spanien im Juni 1940 nachCasablanca. Dort warten sie auf ihre Einreisevisa für die USA.

      Als sie eintreffen, sind die Ausreisevisa der Vichy-Behörden abgelaufen – in dieser verzweifelten Situation nimmt sich Edith Barakovich das Leben. Paul Frank gelingt Monate später die Flucht in die USA. Seine Drehbuchentwürfe aber werden nie realisiert, er ist nun einer der vertriebenen erfolglosen europäischen Filmschaffenden in den USA, die von erfolgreicheren Emigranten mit einem für Kollegen eingerichteten European Film Fund unterstützt werden. Paul Frank stirbt 1976 im 91. Lebensjahr in Los Angeles.

    • Rudolf Frank

      • Direktor*in
      * 1886, Mainz
      † 1979, Basel

      Regisseur, Theaterkritiker, Schriftsteller. Ab der Spielzeit 1921/22 Oberspielleiter an den Münchner Kammerspielen und bis 1925 Direktionsstellvertreter Falckenbergs.

      In Franks 1960 veröffentlichten Autobiographie Spielzeit meines Lebens–Dem Andenken an die Vielen zu Unrecht Vergessenen schreibt er hochinteressant über diese Zeit an den Münchner Kammerspielen 1921–1925.undefined

      Danach Schriftsteller. Arbeit für Rundfunk und Film. 1933 Ausschluss aus der Reichstheater-, Reichsrundfunk- und Reichsschrifttumskammer. Sein Antikriegs–Roman Der Schädel des Negerhäuptlings Makaua wurde im Mai 1933 verbrannt. Das Buch wurde unter dem neuen Titel Der Junge, der seinen Geburtstag vergaß 1979 neu aufgelegt und mit Preisen ausgezeichnet. 1936 floh Frank nach Wien.

      „Warum ich erst 1936 emigrierte? Mein Gott, uns schien die ganze Hitlerei so grenzenlos albern, daß wir vor ihr nicht auskneifen wollten. An allen Dingen sehe ich immer erst das Komische, und vor dem Komischen hat man doch keine Angst! Im Sommer 1933 konnte ich noch mit dem blubbernden Komiker Wallburg und der Filmdiva Maurus eine Tournee ins Saarland und in die Schweiz unternehmen. Hätte mir in Zürich ein Engagement geblüht, ich hätte die Meinen herübergeholt, aber mir blühte nichts; die Blüten waren von anderen gepflückt, und als mir in Berlin das letzte Fleckchen künstlerischer Freiheit entzogen war, folgte ich meinem Kollegen Marland-Mendelsohn, arbeitete mit ihm in einem Reisebüro Achenbachstraße 38 und sah, mit welcher Verzweiflung Alte und Junge, Juden und Christen, Demokraten, Parteilose und Sozialisten dem Nazireich zu entrinnen suchten. Vom Schutzverband deutscher Schriftsteller waren die meisten, die besten verschwunden . . .“

      Rudolf Frank: Spielzeit meines Lebens. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2012, S. 338f.

      1937 Flucht nach Meran und weiter in die Schweiz, ein Flüchtling ohne Arbeitserlaubnis, Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft und seines Doktortitels. Unter Pseudonym weiter publizistisch tätig, von 1944 in der Region Basel geduldet, tätig als Autor, Übersetzer und Theaterkritiker bis zu seinem Tod 1979 in Basel.

    • Lilly Freud-Marlé

      • Schauspieler*in
      * 1888, Wien
      † 1970, London

      Über die Schauspielerin und Tochter von Sigmund Freuds Schwester Maria, Lilly Freud-Marlé, wissen wir bisher weniger als über ihren Mann, Arnold Marlé. Wir versuchen ihr gemeinsames Schicksal hier als Paar zu erzählen:

      Der Schauspieler Arnold Marlé (Prag 1887–1970 London), seit 1910 in München am Volkstheater, wurde zur Spielzeit 1915/16 von Adolf Kaufmann an die Münchner Kammerspiele verpflichtet, als Schauspieler und Regisseur. Er und Lilly Freud heirateten, ein Sohn wurde 1919 in München geboren, ein zweiter Sohn starb einen Tag nach der Geburt 1921. An den Münchner Kammerspielen in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Wie es euch gefällt spielte Arnold Marlé in der Rolle des Probsteins, seine Frau Lilly in der Rolle des Dritten Pagen, der Hymen darstellt. 1924 wurde Arnold Marlé von Erich Ziegel nach Hamburg geholt, wo er bis zu seiner letzten Spielzeit in Deutschland Schauspieler und Spielleiter am Deutschen Schauspielhaus war. 1930 adoptierten Lilly und Arnold Marlé die achtjährige Tochter von Lillys Schwester nach deren Tod.

      Im März 1933 floh die Familie nach Prag, im März 1939 weiter nach London.

    • Egon Friedell

      • Autor*in
      * 1878, Wien
      † 1938, Wien

      MK 24.02.1911: Soldaten leben im Frieden mit Alfred Polgar, Regie: Eugen Robert

      Nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten in Deutschland wurde von allen deutschen und österreichischen Verlagen die Veröffentlichung von Friedells Werken abgelehnt. Im Februar 1938 wurde Friedells Kulturgeschichte der Neuzeit verboten.

      Am 16. März 1938 entzog sich Friedell der Verhaftung in Wien durch die SA, indem er sich aus dem Fenster in den Tod stürzte.

    • Flora Fromm

      • Gesellschafter*in
      * 1859, Diespeck
      † 1942, KZ Theresienstadt

      Flora Fromm wurde am 21.07.1859 in Diespeck Kreis Neustadt an der Aisch geboren. Floras Eltern, Abraham Schönberg und Ernestine, geb. Stein, waren ein Kaufmannsehepaar in Diespeck in Franken. Welche Schulen sie besuchte und wie sie bis zu ihrer Hochzeit im Alter von 21 Jahren mit dem Kommerzienrat Gustav Fromm (1849 - 1916) am 9. August 1880 in Nürnberg gelebt hat, ist nicht bekannt.

      Sie wurde innerhalb von neun Jahren zwischen 1881 und 1890 Mutter von fünf Kindern: Else, geb. am 07.08.1881, Leo, geb. am 16.07.1883, Martha, geb. am 10.08.1884, die 1890 im Kindesalter starb, Heinrich, geb. am 30.03.1886 und Selma, geb. am 08.08.1890. Alle fünf Kinder kamen in Augsburg zur Welt, dem Sitz der Kaufmannsfamilie Fromm, die einen großen international vernetzten Hopfenhandel betrieb.

      Mitglieder der Familie Fromm gehörten zu den Mitgründern der Münchner Kammerspiele in der Augustenstraße 89 und wurden Gesellschafter der von Adolf Kaufmann und Dr. Leo Fromm gegründeten MÜNCHNER THEATER G.m.b.H. Sie schufen als Gesellschafter eine finanzielle Basis der Münchner Kammerspiele, von den Anfängen bis zur 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten waren sie wichtige Förderer dieses Privattheaters. Im einem Beitrag für das 'Neue Wiener Journal' am 11.02.1930 beschrieb Adolf Kaufmann das Besondere dieses kühnen Theaterwagnisses Münchner Kammerspiele so:

      Unser Theater ist eine gemeinnützige Bühne, nicht zum Verdienen geschaffen, in Anerkennung seiner Leistungen mit einer städtischen Subvention bedacht. Unser Publikum rekrutiert sich aus den intellektuellen Schichten, die sich für moderne Theaterkunst interessieren.

      Neues Wiener Journal 11.02.1930, siehe ANNO

      Flora Fromms Ehemann, Gustav Fromm, geboren am 14. November 1849 in Fischach bei Augsburg, war Hopfenhändler in der Familienfirma, die in Augburg seit 1872 schriftlich belegt ist, aber vermutlich bereits 1845 gegründet wurde. Seine beiden älteren Brüder David und Jacob bauten in München ab 1887 einen Filialbetrieb auf. Ab 1901 bildet Gustav Fromm zusammen mit seinem Neffen Adolf Fromm den Vorstand des Münchner Unternehmens „Joachim Fromm, Hopfen-Handlung. Beide werden Gesellschafter der Münchner Theater G.m.b.H.

      Gustav Fromm stirbt im September 1916, im Alter von 67 Jahren, zwei Monate nachdem Gustav und Floras ältester Sohn Leo (*16.07.1883) an der Kriegsfront in Frankreich vor Verdun gefallen war, kurz nach seinem 33. Geburtstag.

      Dr. Leo Fromm, promovierter Jurist in einer gemeinsamen Anwaltskanzlei mit seinem Studienfreund Adolf Kaufmann, war Mitgründer der Münchner Kammerspiele in der Augustenstraße 89 Aufsichtsratsvorsitzender und Gesellschafter der Münchner Theater G.m.b.H., so wie sein jüngerer Bruder Heinrich, sein Cousin Adolf und seine Mutter, die Kommerzienratsgattin Flora Fromm.

      Am 1. August 1917 fand in den Kammerspielen

      „zugunsten von Hinterbliebenen von Kriegsteilnehmern des königlichen ersten Feldartillerieregiments anläßlich des ersten Todesgedächtnistages des vor einem Jahre im Westen gefallenen Aufsichtsratsvorsitzenden der Münchner Kammerspiele Herrn Dr. Leo Fromm eine Aufführung statt von „KLEIN EYOLF“, ein Schauspiel von Henrik Ibsen in drei Akten. Unter gütiger Mitwirkung von Mirjam Horwitz und Erich Ziegel“. (Text des Theaterplakats)

      Flora Fromms erstgeborene Tochter Else heiratete Hugo Marx, der in München zusammen mit seinem Neffen Heinrich Marx ein Bankhaus führte, beide waren ebenfalls Gesellschafter der Münchner Theater GmbH und halfen immer wieder bei finanziellen Schwierigkeiten aus der Klemme, denn an Kapital waren die Münchner Kammerspiele immer knapp.

      Die Witwe Dr. Leo Fromms, Edith, geb. Degginger, wiederverheiratete Edith Frank, blieb Gesellschafterin auch nach ihrem Umzug nach Leipzig. Nach 1933 emigrierte sie über Holland nach Australien.

      Ihre und Leos Tochter Gertrud, verheiratete Laufer, wurde nach ihrer Flucht nach Paris mit ihrer noch nicht einjährigen Tochter in Drancy interniert und von dort nach Auschwitz deportiert und ermordet.

      Die 73jährige Familienälteste Flora Fromm zog 1932 aus Ausgburg zu ihrer Tochter Else und deren Mann Hugo Marx nach München in die Franz-Joseph-Str. 41. Sie war bis Ende 1932 Gesellschafterin der Münchner Theater GmbH zusammen mit den anderen Mitgliedern dieser Familie. Mit der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten übernahmen Regime-genehme Gesellschafter die Neue Münchner Theater GmbH, bevor die Münchner Kammerspiele im Januar 1939 eine städtische Bühne der "Hauptstadt der Bewegung" wurden.

      Die Wohnung in der Franz-Joseph-Straße musste im August 1938 aufgegeben werden. Die hochbetagte Flora Fromm wurde ins Israelitische Krankenheim in der Hermann-Schmidstraße 5 gebracht. Else und Hugo Marx lebten übergangsweise noch in der Tengstraße, bevor beiden noch 1941 die Flucht in die USA gelang.

      Flora Fromm wurde am 5. Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort am 25. Juni 1942 ermordet.

      Ein Haus in der Sonnenstraße 3 (heute 5), das ihr zusammen mit Adolf Fromm, dem Cousin ihrer Kinder, gehörte und Teil des Firmenvermögens war, wurde nach der Pogromnacht 1938 arisiert, der neue Besitzer war dann die „Großdeutsche Feuerbestattung“ mit Sitz in Berlin.

      Adolf Fromm konnte mit seiner Frau noch kurz vor Kriegsbeginn nach Brasilien fliehen, starb dort aber bereits 1943 mit 61 Jahren.

      Heinrich Fromm, seine Frau Helene, geb. Degginger und die drei Kinder konnten sich in die Emigration über Holland nach London retten.

      Die jüngste Tochter Flora Fromms, Selma und ihr Mann Ludwig Friedmann, die in Augsburg lebten, begingen am 7. März 1943, am Abend vor der Deportation, Suizid.

    • Leo Fromm

      • Gesellschafter*in
      • Anwälte
      • Mitbegründer*in
      * 1883, Augsburg
      † 1916, St. Mihiel

      Leo Fromm war eines der fünf Kinder der jüdischen Hopfenhändlerfamilie Gustav und Flora Fromm in Augsburg. Nach dem Jurastudium in München war er Sozius in der Anwaltskanzlei seines Studienkollegen Adolf Kaufmann. Beide waren Mitgründer der Münchner Kammerspiele; sie gründeten die Münchner Theater GmbH und schufen als Gesellschafter mit weiteren Mitgliedern der Familie Fromm eine finanzielle Basis der Münchner Kammerspiele bis zur sog. ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten 1933. Leo Fromm meldete sich im Frühjahr 1915 als Freiwilliger zum 7. Feldartillerie-Regiment. Er fiel am 27.07.1916 bei St. Mihiel / Verdun in Frankreich.

      Die Witwe Leo Fromms, Edith, geb. Degginger, wiederverheiratete Edith Frank, blieb Gesellschafterin der Münchner Theater GmbH, auch nach ihrem Umzug nach Leipzig. Nach 1933 emigrierte sie über Holland nach Australien.

      Leo und Edith Fromms Tochter Gertrud, geboren an 20.06.1915 in München, emigrierte am 15.06.1934 nach Frankreich, sie heiratete den in Polen am 25.01.1909 geborenen und aus Wien emigrierten Akademieprofessor für Klavier und Dirigieren Dr. Robin Laufer. Er kämpfte in einer polnischen Division der französischen Armee. Gertrud Laufer geb. Fromm wurde zusammen mit ihrer kleinen Tochter Hedwige Sylvienne (*Montpellier 11.01.1943) in Drancy interniert, von dort am 07.03.1944 mit dem 69. Konvoi nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ihr Mann, der in Montpellier unterrichtete und sich der Resistance angeschlossen hatte, wurde am 27.03.1944 mit dem 70. Konvoi von Drancy nach Auschwitz deportiert. Er überlebte unter abenteuerlichen Umständen. Nach dem Krieg arbeitete er im Auftrag der UN für den International Music Council der UNESCO in Paris und London, 1957 wurde er zum Direktor des San Francisco Conservatory of Music berufen und ging mit seiner zweiten Frau Eunice, einer englischen Diplomatin, in die USA. Er starb 1966.

      Leo Fromms Mutter Flora Fromm, Gesellschafterin der Münchner Theater GmbH bis Ende 1932, wurde am 5. Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort im KZ am 25. Juni 1942 ermordet. Für sie wird in den Münchner Kammerspielen ein Erinnerungszeichen angebracht werden.

      (s. Erinnerungszeichen, Kurzbiographie Flora Fromm)

    • Dr. med. Salomon Fuld

      • Theaterärzte
      * 1864, Mannheim
      † 1942, München

      Ärztliche Approbation 1890. Zuzug nach München 1890. Praxis in der Augustenstr. 90, ab dem 01.01.1917 in der Isabellastr. 13.

      Verheiratet mit: Gertraud Margarete, geb. Stavenow (Berlin 13.05.1875 – 11.04.1954 München)

      Gemeinsamer Sohn Johann Benedikt, geb. in München 16.04.1899 – ?

    • Gertrude Fuld

      • Fotograph*in
      * 1895, Mainz
      † 1996, Montreux

      Gertrude Fuld war die Tochter einer Mainzer jüdischen Anwaltsfamilie.

      Nach einer Lehre im Atelier des Porträt- und Architekturphotographen Eduard Wasow (Bremerhaven 1879–1944 München) – auch Grete Weil war bei Wasow in die Lehre gegangen vor ihrer Flucht nach Holland – und nach einer Ausbildung bis 1922 an der Staatlichen Höheren Fachschule für Phototechnik in München (dort wurden seit 1905 Frauen zur photographischen Ausbildung zugelassen) führte Gertrude Fuld von 1922–1933 ein eigenes Atelier für Porträt- und Theaterphotographie in der Franz-Joseph-Straße 7 (ATELIER FULD) in München. In dieser Zeit war sie auch Theaterphotographin der Münchner Kammerspiele.

      1933 flüchtete sie mit ihrem Lebensgefährten, dem Maler Jules Fehr (Aachen 24.04.1891–07.07.1971) nach Frankreich. Sie gründeten in Paris eine Photoschule, 1939 bei Kriegsbeginn mussten sie diese schließen und emigrierten in die Schweiz. In Lausanne wurde die Photoschule neu eröffnet als École Fehr und 1945 in die École des Arts et Métiers integriert. Sie wurde eine einflussreiche Lehrerin. Auch ihre Eltern und ihre ältere Schwester konnten aus Deutschland fliehen.

    • Ludwig Fulda

      • Autor*in
      * 1862, Frankfurt
      † 1939, Berlin

      MK 07.07.1915: Die Zwillingsschwester, Regie: Erich Ziegel

      MK 27.11.1927: Die Durchgängerin, Regie: Robert Forster-Larrinaga

      MK 24.09.1932: Die Schule der Frauen von Moliere in der deutschen Bearbeitung von Ludwig Fulda, Regie: Richard Révy

      Ludwig Fulda, Sohn einer Frankfurter jüdischen Bankiersfamilie, lebte ab 1884 als freier Schriftsteller, Bühnenautor und Übersetzer in München. Von 1925 an war er Co-Präsident des deutschen PEN-Clubs und ab 1926 Vorsitzender des Senats der Sektion für Dichtkunst in der Preußischen Akademie der Künste. Noch im April 1933 wurde ihm in Wien der Burgtheater-Ring verliehen. In Deutschland wurde er am 8. Mai 1933 aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen und mit Publikationsverbot belegt. Erfolglos bemühte er sich um ein Ausreisevisum für die USA. Am 30. März 1939 beging er in Berlin Suizid.

    • Jaro Fürth

      • Schauspieler*in
      geb. Jaroslav Edwin
      * 1871, Prag
      † 1945, Wien

      MK 17./25.01.1930: Hazard von Henry Bernstein. Deutsch von Rudolph Lothar Spitzer, Regie: Dr. Philipp Manning, Gastspieldirektion: Alfred Fischer, Berlin, mit Mady Christians, Ernst Deutsch, Helene Konschewska, Jaro Fürth, u. a.

      In Prag am 21. April 1871 als Sohn einer jüdischen Familie auf die Welt gekommen, nahm Jaroslav Fürth nach einem abgeschlossenen Jurastudium im Wien Schauspielunterricht. 1905 wurde er am Deutschen Volkstheater in Wien Mitglied des Ensembles. 1920 ging er nach Berlin, er spielte weiter Theater und gleichzeitig wurde er ein gefragter Stummfilmschauspieler. Berühmt wurde er durch seine Rolle des Hofrats Rumford in dem 1925 in Berlin gedrehten Spielfilm Die freudlose Gasse (Regie: W. G. Papst, Regie-Assistenz: Anatole Litvak) mit Greta Garbo als seine Tochter Grete, die in einem Bordell in Wien der Inflationszeit landet. Der Film beruhte auf der Bearbeitung des 1924 erschienenen Romans "Die freudlose Gasse" des politisch links engagierten jüdischen Wiener Autors und Journalisten Hugo Bettauer (1872 – 1925), der 1901 in München im Kabarett Die elf Scharfrichter in der Türkenstr. 28 (gegründet u. a. von Otto Falckenberg 1901) als einer der Henkersknechte mitwirkte.

      Am 26. März 1925 starb Hugo Bettauer an den Folgen eines rechtsradikalen Mordanschlags auf ihn. Sein 1922 erschienener Roman "Die Stadt ohne Juden", verfilmt 1924, und seine Ermordung wurden für Artur Landsberger der Anstoß zu dessen Roman Berlin ohne Juden (1925).

      Sofort nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten 1933 floh Jaro Fürth zusammen mit vielen österreichisch jüdischen Theater- und Filmschaffenden aus Berlin nach Wien. Dort wirkte er 1935 mit in dem Spielfilm Kleine Mutti (Regie: Hermann Kosterlitz (Berlin 1905 – 1988 Camarillo, USA), Drehbuch: Felix Joachimson).

      Nach dem 'Anschluss' Österreichs wurde er aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen. Am 15. Juli 1942 wurde er aus Wien ins KZ Theresienstadt deportiert. Am 8. Mai 1945 befreite die Rote Armee Theresienstadt. Jaro Fürth hatte überlebt, aber an den Folgen der Internierung starb er am 12. November 1945 in Wien.

    • Lucy Geldern

      • Schauspieler*in
      * 1887, Wien
      † 1956, Locarno

      Die als Lucia Goldberg geborene Wienerin legte sich als Schauspielerin den Namen Lucy Geldern zu und gehörte von April 1915 – November 1916 dem Ensemble der Münchner Kammerspiele an.

      Sie spielte u. a. in vier Inszenierungen Falckenbergs, Strindbergs Rausch, Gespenstersonate, Advent und Hofmannsthals Alkestis. Im Februar 1914 war ihr sechsjähriger Sohn gestorben, im Oktober 1914 ihr Mann, der Münchner Hofschauspieler und promovierte Germanist Bernhard von Jacobi (*1880) im Ersten Weltkrieg gefallen. Ab März 1917 ist sie bei Erich Ziegel an den Hamburger Kammerspielen engagiert, danach in Berlin am Volkstheater, in Dresden. Sie arbeitete als Dramaturgin, begann mit feuilletonistischen Arbeiten und literarischen Übersetzungen. 1934 flieht sie aus Nazi-Deutschland in die Schweiz. In den folgenden zwanzig Jahren schlägt sie sich als Journalistin und Übersetzerin unter ärmlichen Bedingungen durch. Sie stirbt 1956 an den Folgen eines Verkehrsunfalls.

    • Julius Gellner

      • Direktor*in
      • Regisseur*in
      * 1899, Saaz
      † 1983, London

      Julius Gellner war das neunte Kind einer böhmisch jüdischen Familie, die später nach Prag zog. In Prag machte Gellner zunächst eine Banklehre, bevor er zum Theater ging, 1918 nach Würzburg, Berlin und Düsseldorf. 1921 entdeckte ihn dort Otto Falckenberg und verpflichtete den 22-jährigen Schauspieler an die Münchner Kammerspiele.

      Bereits 1924 führte er zum ersten Mal Regie mit Grillparzers Die Jüdin von Toledo (28.09.1924), seit der Spielzeit 1925/26 war er Direktionsstellvertreter Falckenbergs und einer der prägenden Regisseure der Kammerspiele bis zu seiner letzten Inszenierung am 31. Januar 1933 an diesem Theater, Das Schwedische Zündholz, ein Stück des österreichischen Autors Ludwig Hirschfeld, der in Auschwitz ermordet wurde. Anfang März 1933, gewarnt vor seiner drohenden Verhaftung, floh Julius Gellner nach Prag. Bis zur Schließung des Deutschen Theaters in Prag am 31. Oktober 1938 war er dort Oberspielleiter. Am 29. August 1939 Flucht nach London, im Exil Arbeit für den deutschen Dienst der BBC, nach 1945 Theaterregisseur am Mermaid Theatre in London und am israelischen Nationaltheater Habimah in Tel Aviv.

      Nach dem Tod seiner Tochter Johanna (München 1926–November 1971 London) kümmerte er sich um seinen Enkel. Julius Gellner starb am 24.10.1983 in London.

      Julius Gellner, Heinrich Fischer und Adolf Kaufmann waren in den Augen der Nationalsozialisten in München, allen voran der Fraktionsführer der NSDAP im Stadtrat, Karl Fiehler, die drei 'kulturbolschewistischen Juden' im Direktorium der Münchner Kammerspiele, die entfernt werden mussten. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten meldete am 3. April 1933 der neue Anwalt Falckenbergs und der Münchner Kammerspiele, Dr. Zeno Diemer (NSDAP-Mitglied seit dem 1. März 1931) in einem Brief an den 1. Bürgermeister der Stadt, Karl Fiehler:

      „Die politische Entwicklung der letzten Wochen hat an den Kammerspielen grundlegende Aenderungen geschaffen. Durch die schon vorher vollzogene Entfernung des Direktors Kaufmann, ferner durch das mehr oder minder freiwillige Ausscheiden der jüdisch–orientierten Mitglieder (Direktor Gellner, Giehse, Fischer usw.) und durch die Zusammenarbeit mit dem Kampfbund für deutsche Kultur ist die weitere Entwicklung des Unternehmens im deutschen Sinne und für die Verbreitung deutscher Kultur gesichert ...“

      Stadtarchiv München KULA – 0226.

    • Valeska Gert

      • Schauspieler*in
      geb. Gertrud Valesca
      * 1892, Berlin
      † 1978, Kampen, Sylt

      Valeska Gert, Tochter einer Berliner jüdischen Kaufmannsfamilie. Bevor sie als exzentrisch avantgardistische Tänzerin und Tanzpantomimin Karriere machte, spielte sie an den Münchner Kammerspielen das Käthchen in Shakespeares Wie es euch gefällt (Premiere 21.01.1917) in Falckenbergs legendärer Inszenierung. Von den Nazis als ‘entartet’ verurteilt, floh sie 1933 nach England, nach Frankreich und 1939 in die USA. 1947 Remigration in die Schweiz, 1949 in die BRD.

    • Adrienne Gessner

      • Schauspieler*in
      * 1896, Maria-Schutz
      † 1987, Wien

      In der Spielzeit 1917/18 ist sie im Ensemble der Münchner Kammerspiele, spielt in Falckenbergs Inszenierungen von Shakespeares Das Wintermärchen und Bruno Franks Die Schwestern und der Fremde. Es folgten Engagements u. a. bei den Salzburger–, den Ruhr–Festspielen und in Wien. 1933 heiratete sie den Schriftsteller und Theaterregisseur Ernst Lothar (Brünn 25.10.1890–30.10.1974 Wien). Nach dem 'Anschluss' Österreichs emigrierte Ernst Lothar nach antisemitischen Angriffen mit seiner Frau in die Schweiz, von dort nach Paris und 1939 in die USA. Sie spielte Theater auf Tournee und am Broadway, er lehrte an der Universität Colorado. 1945 nahmen beide die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an, sie wollte in den USA spielen, auf seinen Wunsch aber kehrten beide 1946 nach Österreich zurück und konnten ihre Theaterarbeit wieder aufnehmen.

    • Siegfried Geyer

      • Autor*in
      * 1883, Marchegg
      † 1945,
      • MK 07.08.1927: Monsieur Héléne von Paul Frank und Siegfried Geyer, Regie: Richard Forster-Larrinaga. Mit Therese Giehse, Heinz Rühmann u. a.
      • MK 17.07.1928: Kleine Komödie, Regie: Julius Gellner. Mit Wieck, Schweikart, Révy, Rühmann
      • MK 16.08.1930: Arm wie eine Kirchenmaus von Ladislas Fodor in der deutschen Bearbeitung von Siegfried Geyer. Gastspiel Erika von Thellmann 16.-18.08.1930
      • MK 01.04.1931: Der Fratz von Barry Conners, in der deutschen Bearbeitung von Siegfried Geyer. MK-Erstaufführung auf der Bühne im Volkstheater. Regie: Rudolf Hoch. Bühne: David Scheuner. Mit Ilva Günthen, Otto Brüggemann u. a.
      • MK 26.02.1932: Kopf in der Schlinge von John von Bradley (alias Ladislas Fodor), in der deutschen Bearbeitung von Siegfried Geyer. Regie: Richard Révy
      • MK 18.05.1932: Juwelenraub in der Kärtner Strasse von Ladislas Fodor und Siegfried Geyer. Regie: Richard Ulrich
      • 20.12.1932: Essig und Öl von Siegfried Geyer / Paul Frank. Eröffnungspremiere im Volkstheater (nach der Trennung Münchner Kammerspiele und Volkstheater zum 1.12.1932). Musik: Robert Katscher (Wien 20.05.1894 – 1938 Flucht in die USA – 32.02.1942 gestorben in Los Angeles)
      • MK 20.01.1934: Der Fratz von Barry Conners, in der deutschen Bearbeitung von Siegfried Geyer. Regie: Eberhard Krumschmidt. Bühne: E. Sturm. Mit Käthe Gold, Heli Finkenzeller, Will Dohm u. a.

      Siegfried Geyerhahn kam als Sohn einer österreichischen jüdischen Kaufmannsfamilie auf die Welt. Nach einem Jurastudium in Wien begann er seine Theaterlaufbahn in Berlin. Seit 1922 leitete er in Wien u. a. die Neue Wiener Bühne und die Wiener Kammerspiele. Nach dem ‘Anschluss’ floh er nach Ungarn, dort wurde er 1940 verhaftet und interniert. Kurz vor Ende der NS-Herrschaft wurde er an der ungarisch-slowakischen Grenze erschossen.

      Ohne auf Siegfried Geyers Schicksal 1945 einzugehen, deutet Petzet in seiner Chronik an, dass er wusste, dass Siegfried Geyer nach der sog. ‚Machtergreifung‘ der Nazis in Deutschland in Gefahr war:

      Eberhardt Krumschmidt hatte auch mit seinen weiteren Inszenierungen immer Erfolg: dem bewährten englischen Vater-Tochter-Lustspielchen „Roxy“, gespielt von Käthe Gold und Will Dohm; das Stück wurde damals „DER FRATZ“ getauft und trotz des Bearbeiters Siegfried Geyer von den amtlichen Stellen toleriert.

      Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch Verlag 1973, S. 364.

      Auch auf Eberhardt Krumschmidts Schicksal geht Petzet mit keinem Wort ein.

    • Therese Giehse

      • Schauspieler*in
      * 1896, München
      † 1975, Zürich

      Von September 1926 bis Februar 1933 an den Münchner Kammerspielen im Schauspielhaus

      1. Januar 1933 Eröffnung des literarischen und politischen Kabaretts:

      D I E P F E F F E R M Ü H L E

      31. Januar 1933 Premiere in Ludwig Hirschfelds Das schwedische Zündholz, Therese Giehses letzte Rolle an den Kammerspielen vor ihrer Flucht. Der Autor Ludwig Hirschfeld wurde am 6. November 1942 von Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

      13. März 1933 Flucht in die Schweiz, zusammen mit Erika Mann, Klaus Mann, Sybille Schloß, Walter Mehring, Magnus Henning, 1. Oktober 1933 Neueröffnung der PFEFFERMÜHLE in Zürich. 1937 – 1966 am Schauspielhaus Zürich.

      1949–1952 Zusammenarbeit mit Weigel, Brecht und dem Berliner Ensemble.

      22. September 1949: Rückkehr als Gast an die Münchner Kammerspiele in Der Biber-Pelz, Regie: Peter Lühr. 1966 vertragliche Bindung an die MK.

    • Jean Gilbert

      • Komponist*in
      geb. Max
      * 1879, Hamburg
      † 1942, Buenos Aires

      MK 26.08.-18.09.1931: Dorinne und der Zufall. Lustspiel von Fritz Grünbaum und Wilhelm Sterk, Musik von Jean Gilbert, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Bühne: David Schneuer, Regie: Robert Forster-Larrinaga, Gastspiel Erika von Thellmann

      Max Winterfeld kam am 11. Februar 1897 auf die Welt als Sohn einer Hamburger jüdischen Kaufmannsfamilie mit Komponisten, Sängern und Kapellmeistern in der Verwandtschaft. Der Komponist Paul Dessau war einer seiner Cousins. Nach einem Musikstudium wurde er mit 18 Jahren Kapellmeister in Bremerhaven. Mit 20 schrieb er seine erste Operette und legte sich den Künstlernamen Jean Gilbert zu. Zwischen 1903 und 1933 entstanden 50 Werke, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in London, Paris, Madrid und Lateinamerika aufgeführt wurden. Eines seiner Markenzeichen waren seine Marschlieder – „er trieb diesem bei den Berlinern so beliebten Rhythmus den preußischen Stechschritt aus und versetzte ihn stattdessen in lässiges Schlendern“, schreibt Stefan Frey im Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit.undefined

      Von 1914 an war Gilbert auch als sein eigner Musiktheater-Unternehmer tätig mit eigenen Tournee-Ensembles und Bühnen in Bremen, Dresden, Hamburg und Frankfurt. Nach einem Bankrott 1926 übersiedelte er nach New York, kehrte aber wieder nach Berlin zurück. Als nach der 'Machtergreifung 'der Nationalsozialisten der Rest seines Vermögens eingezogen wurde, eine zunächst noch mögliche „offizielle“ Emigration mit hohen Steuerzahlungen und Schikanen verbunden gewesen wäre, nutzte er die Wiener Uraufführung seiner letzten Operette Die Dame mit dem Regenbogen als Chance, Deutschland zu verlassen.

      Mit seiner Frau, seinen drei Töchtern und zwei Söhnen – sein Sohn Robert Gilbert ein kreativer kongenialer Textdichter – ging er ins österreichische Exil. Von dort 1936 nach Barcelona ins spanische Exil, 1937 nach Paris und 1938 nach London.

      1939 erreichte er mit seiner Familie Buenos Aires. Dort übernahm er die Leitung des neu gegründeten Orchesters der Radiostation El Mundo. Am 20. Dezember 1942 starb er im Alter von 63 Jahren in Buenos Aires.

    • Ernst Ginsberg

      • Schauspieler*in
      * 1904, Berlin
      † 1964, Zollikon

      1924/25 wird Ernst Ginsberg als 20-Jähriger für zwei Spielzeiten ins Ensemble der Münchner Kammerspiele verpflichtet. Nach Engagements in Düsseldorf und Berlin ging er 1932 ans Landestheater Darmstadt. Dort werden 1933 alle jüdischen Mitglieder des Ensembles entlassen, zwei von ihnen waren ein paar Spielzeiten davor an den Münchner Kammerspielen gewesen, Grete Jacobsen und Ernst Ginsberg.

      Er flieht 1933 in die Schweiz, wird Mitglied des Züricher Schauspielhauses bis 1962, zwischendurch führte er Regie in Basel, von 1952–1961 wirkt er immer wieder als Schauspieler und Regisseur bei Intendant Kurt Horwitz am Münchner Residenztheater, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbindet.

    • Erich Glass

      • Übersetzer*in
      * 1907, Wien
      † 1995, London

      MK 18.04.1930: Die erste Mrs. Selby ('The first Mrs. Fraser') von St. John Ervine, Übersetzung aus dem Englischen: Erich Glass, Regie: Robert Forster-Larrinaga, u. a. mit Fritzi Massary a. G. in der Titelrolle

      MK 13.04.1932: Die erste Mrs. Selby von St. John Ervine, Übersetzung aus dem Englischen: Erich Glass, Neueinstudierung Regie: Robert Forster-Larrinaga, u. a. mit Hermine Körner a. G. in der Titelrolle

      Erich Glass kam am 16. Februar 1907 in Wien auf die Welt. Seine Biographie konnten wir bisher nicht rekonstruieren. In Dokumenten des englischen Handelsministerium taucht sein Name Eric Glass angliziert auf mit dem 4. Dezember 1995 als seinem Sterbedatum. Er war augenscheinlich nach dem NS-Österreich im März 1938 aus Wien nach London geflohen, er war damals erst 31 Jahre alt und gründete eine Theater-Agentur ERIC GLASS LIMITED als "Actors and Authors Agent". Aus einem weiteren Dokument geht hervor, dass nach seinem Tod die Agentur von Janet Ruth Glass (Date of birth: June 1937. Nationality: Australian) bis 7. September 2018 weitergeführt wurde

    • Rhea Glus

      • Choreograph*in
      * 1888, Breslau
      † 1971, B'nei Brak, Tel Aviv

      Die Tänzerin und Choreographin heiratete 1914 Sigbert Feuchtwanger, einen Cousin Lion Feuchtwangers und macht bei der Tänzerin Magda Bauer eine Ausbildung in künstlerischem Ausdruckstanz. In der Spielzeit 1919/20 wird sie an den Münchner Kammerspielen als Choreographin engagiert, u. a. für Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Sommernachtstraum (19.06.1920).

      1933 Berufsverbot für jüdische Künstler. Im August 1936 emigriert sie mit ihrem Mann nach Tel Aviv, der Sohn war bereits 1935 ausgewandert, er remigriert 1948.

      Rhea Glus kommt zu Besuch nach München, bleibt aber in Tel Aviv.

    • Josef Glücksmann

      • Regisseur*in
      • Dramaturg*in
      * 1900, Wien
      † 1963, Wien

      Österreichischer Schauspieler, Dramaturg und Regisseur. An den Münchner Kammerspielen Chefdramaturg, Regisseur in den zwei Spielzeiten 1928/29 – 1930/31. Als im November 1929 die Münchner Polizeidirektion die Aufführung von Ferdinand Bruckners Die Verbrecher nach der ersten Vorstellung verbot (Regie: Richard Révy, in einer Hauptrolle Therese Giehse), inszenierte Josef Glücksmann innerhalb von zwei Wochen ein Stück Flieg, roter Adler von Tirol. Am Schauspielhaus Hamburg (Deutsches Schauspielhaus) war er bis 1933 als Regisseur unter Vertrag; als allen jüdischen Mitarbeiter*innen dort im März 1933 gekündigt wurde, flüchtete er zusammen mit seiner Frau Mia Engels nach Wien, 1938 emigrierten sie in die USA. 1949 Remigration nach Wien, Regisseur am Volkstheater und Burgtheater.

      An den Kammerspielen hat er sich 1930 im August-Programmheft getraut, das Theater gegen die unterkomplex missgünstigen Theaterkritiker der Stadt zu verteidigen:

      „Wir sehen, dass die führenden Weltstadtkritiker die Macht, die ihnen gegeben ist, zur Austragung völlig privater Gegensätzlichkeiten benützen. Wir konstatieren vollkommenen Mangel an Objektivität, Partei-Einstellung, kleinliche Privatinteressen . . . Die Beurteilung der schauspielerischen Leistung und des bühnenmäßigen Gesamteindrucks ist im letzten Jahrzehnt in erschreckender Weise an ein traditionelles System von überlieferten Phrasen und abgenützten Adjektiven gebunden, das in seiner Eintönigkeit und Phantasielosigkeit allmählich unerträglich wird... Der Kritiker muß es verstehen, seine Leidenschaft für das Theater, denn ohne die wäre Kritik Stümperei, in Entdeckerlust, in Pädagogik, in Warnung, in Strenge, in Jubel zu verwandeln. Ihm muß der kleine Schauspieler so wichtig sein wie der Star, ihm muß die künstlerische Größe eines Blicks, einer Pause, einer Bewegung, eines Lächelns Anlaß genug sein, um sie sprachlich zu dokumentieren. Nur der Kritikertyp des Enthusiasten, des leidenschaftlichen Theaterliebhabers, der allem offen ist, der alles versteht, wenn er auch nicht alles verzeiht, ist imstande, das Theater wieder zum Schauplatz aller geistigen Interessen zu machen“. . .

      Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Kurt Desch 1973, S. 184f.

    • Heinz Goldberg

      • Regisseur*in
      * 1819, Königsberg (Kaliningrad)
      † 1969, Berlin

      Nach Studium und Promotion begann Goldberg eine Schauspielerlaufbahn in Frankfurt a.M. 1915 bis 1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg.

      Theaterregisseur, Drehbuchautor, Regisseur 1921/22 an den Münchner Kammerspielen. Er inszenierte dort Perikles von Tyrus von William Shakespeare.

      Danach schrieb er vor allem Drehbücher, 1930 zu Dreyfus, Regie: Richard Oswald, mit Fritz Kortner, Grete Mosheim, Erwin Kalser, Oskar Homolka u.a. 1931 das Drehbuch zu Danton, Regie: Hans Behrendt, mit Fritz Kortner in der Titelrolle. Sie alle flohen 1933 aus Deutschland.

      Goldberg floh nach Wien, 1936/37 war er kurz in Moskau, er arbeitete dort an einem Heinrich Heine-Projekt zusammen mit Walter Haenisch, der 1938 in Moskau zum Tode verurteilt und ermordet wurde. 1938 war Goldberg zurück in Wien und floh nach dem ‘Anschluss’ in die Schweiz und von dort nach Frankreich. 1939 Emigration nach London, 1956 Remigration nach Berlin (West).

    • Heinz Gordon

      • Autor*in
      * 1871, Tarnowitz (Tarnowskie)
      † 1944, KZ Theresienstadt

      MK 06.09.1923 Die Rutschbahn von Heinz Gordon & Kurt Goetz, Regie: Hans Leibelt, u. a. mit Grete Jacobsen

      Heinz Gordon kam am 17. Dezember 1871 im oberschlesischen Tarnowitz auf die Welt. Als junger Theaterschauspieler tingelte er an norddeutschen Bühnen, bevor er von 1902 an in Berlin als Darsteller und Bühnenautor sich einen Namen machte. Zwischendurch war er künstlerischer Direktor des Dresdner Central-Theaters. 1915 wurde dort seine Abgeordnetenkomödie 'M.d.R.' (Mitglied des Reichstags) uraufgeführt, 1919 am Deutschen Künstlertheater in Berlin das zusammen mit Kurt Goetz geschriebene Stück Die Rutschbahn u. a. mit Paul Morgan in einer Hauptrolle. Sein erstes Drehbuch schrieb er 1913 für den Stummfilm In Vertretung, bei dem er auch selbst mitspielte, sein letztes Drehbuch 1933 für den Tonfilm Kind, Ich freu mich auf dein Kommen, zusammen mit Franz Arnold, Emeric Pressburger, die beide nach England flohen, und mit Kurt Gerron, der auch Regie führte. Kurt Gerron floh wie Otto Wallburg, einer der Hauptdarsteller, in die Niederlande. 1944 wurden sie nach Theresienstadt deportiert, von dort weiter nach Auschwitz und dort ermordet. Die Komponisten der Filmmusik, Bronislau Kaper, Walter Jurrmann und der Liedtexter Fritz Rotter überlebten durch Flucht in die USA. Nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten waren zunächst die Dreharbeiten zu diesem Film am 15. März 1933 in Berlin noch begonnen werden, am 23. Juni 1933 wurde er in Berlin uraufgeführt, aber der junge Produktionsleiter und Nazi-Karrierist Erich von Neusser (Brünn 1902–1957 Wien) sorgte schon am 1. April 1933 für die 'Entfernung' des jüdischen Regisseurs Kurt Gerron.

      Heinz Gordon erhielt Berufsverbot, er blieb in Berlin. 1938 wurde er aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen. Am 21. September 1942 wurden er und seine Frau Selma mit dem Transport I/66 no. 7666 aus Berlin nach Theresienstadt deportiert. Selma Gordon wurde im November 1943, Heinz Gordon am 14. Juni 1944 dort ermordet.

      Sein Theaterstück Die Rutschbahn wurde im Juli 1936 noch einmal aufgeführt im Stadttheater Marienbad mit Otto Wallburg in einer Hauptrolle. Im März 1938 floh Wallburg aus Wien über Frankreich nach Amsterdam.

    • Franziska Graaff

      • Übersetzer*in
      * 1871, Berlin
      † 1955, Wassemaar

      MK 22.05.1915 KETTENGLIEDER ('Schakels'). Ein fröhliches Spiel am häuslichen Herd von Herman Heijermans, Übersetzung aus dem Niederländischen: Franziska de Graaff, Regie: Paul Marx, u. a. mit Annie Reiter, Lotte Fliess, Carl Götz a.G.

      Franziska de Graaff kam am 26.12.1871 in Berlin auf die Welt, als Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie. Als ihr Vater Samuel Levy 1888 starb, begann ihre Mutter Emilie (1839–1901) eine ausgebildete Lehrerin, als Schriftstellerin mit Büchern für junge Mädchen ('Frühlingsstürme – Erzählungen für erwachsene Mädchen, 1891) und als Feuilletonistin für die Familie zu sorgen. Franziska Levy lernte Ende der 1890er Jahre im politisch linken Milieu Berlins einen überzeugten holländischen Sozialisten kennen, den Blumenzwiebelzüchter und Floristen Willem de Graaf (1873 – 1959). Sie ging mit ihm nach Holland, sie heirateten, schlossen sich im Umkreis des Astronomen und Marxisten Anton Pannekoek (1873 – 1960) der sozialistischen SDAP an, später der kommunistischen Partei.

      Franziska de Graaff bewarb sich im Februar 1901 bei dem holländischen Schriftsteller Herman Heijermans (Rotterdam 1864 – 1924 Zandvoort) als Übersetzerin und arbeitete für ihn zehn Jahre lang als eine seiner autorisierten Übersetzer*innen seiner sozialrealistischen Theaterstücke ins Deutsche, die vor allem in Berlin mit großem Erfolg aufgeführt wurden.

      Franziska de Graaff-Levy, ihr Mann Willem de Graaff und ihre Kinder überlebten die NS-Gewaltherrschaft im besetzten Holland.

      Eine andere der deutschen Übersetzer*innen der Werke Hermann Heijermans, Regina Ruben, geb. Stern (30.07.1858 Bad Oenhausen – 07.05.1943) wurde im KZ-Sobibor ermordet.

    • Paul Graetz

      • Schauspieler*in
      * 1889, Berlin
      † 1937, Los Angeles

      MK 19.06.1914: 777 : 10 von Otto Schwartz / Carl Mathern. Regie: Nicol Albrecht, u. a. mit Ernst Stahl-Nachbaur, Paul Graetz a. G.

      Paul Graetz kam am 4. August 1889 in Berlin auf die Welt als Sohn einer Berliner jüdischen Kaufmannsfamilie. Sein Theaterdebüt gab er 1911 am Neuen Theater in Frankfurt/Main, 1916 engagierte ihn Max Reinhardt am Deutsche Theater in Berlin. Bei Reinhardt war er unter anderem am Kabarett Schall und Rauch beteiligt, er brachte dort Stücke von Kurt Tucholsky und Walter Mehring auf die Bühne. Ende der 1920er Jahre gehörte er zu den ersten Schauspielern, die im Tonfilm mitwirkten. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten floh er am 28. Februar 1933 nach England. Es gelang ihm zumindest kleinere Filmrollen zu übernehmen. Im Dezember 1935 emigrierte er in die USA, zunächst nach New York, dann weiter nach Hollywood.

      Er erhielt kleine Rollen in B-movies. Kurz vor Drehbeginn des Greta Garbo Films Maria Walewska, in dem er mitspielen sollte, verstarb er im Alter von erst 47 Jahren am 16. Februar 1937. Walter Mehring schrieb ihm in einem Nachruf:

      „Und dann hast du fortgemußt, wie so viele andere, von wegen Webfehler'. Paule, du, der waschechteste Beallina! Das war ja wohl gelacht, das war zum Heulen, wie sie dich aus der Innung ausgeschlossen haben. Dich, die 'eiserne Prachtschnauze'. Wie du verduften mußtest. ...“

      Walter Mehring: "Paul Graetz gestorben". In: Das Mitternachtstagebuch. Texte des Exils 1933–1935, hg. v. Georg Schirmers. Mannheim-Neckerau: Persona Verlag 2013.

      Auf seiner Sterbeurkunde wurde Gehirnschlag als Todesursache angegeben – seine Freunde waren sich aber sicher, Paul Graetz sei vor Heimweh an gebrochenem Herzen gestorben.

    • Bernhard Grün

      • Komponist*in
      * 1901, Startsch (Stařeč)
      † 1972, London

      VTH/MKOkt. 1932: Böhmische Musikanten. Singspiel. Angekündigt im MK Programm-Oktober-Heft 1932: Erstaufführung noch im Oktober 1932“, Musik: Bernhard Grün, Libretto: Julius Wilhelm und Peter Herz

      Der in der k.u.k. Monarchie im mährischen Startsch am 11. Februar 1901 geborene Bernard Grün studierte in Prag und Wien Jura, Philosophie und Musiktheorie, u. a. bei Alban Berg. 1928 feierte er einen ersten Erfolg mit einer 'Jazz-Operette Miss Chocolate. Die deutsche Uraufführung der Böhmischen Musikanten fand im Oktober 1930 in Leipzig statt. Im November 1932 feierte er einen großen Erfolg mit Musik um Susi an der Komischen Oper Berlin, das Buch zu dieser Operette schrieben Paul Frank und Peter Herz.

      Nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten 1933 arbeitete Bernard Grün in Prag und in Wien als Komponist und Dirigent, am 22. Februar 1936 wurde am Opernhaus Zürich seine Operette Gaby welturaufgeführt, der bei der Premiere anwesende Komponist und der Librettist Julius Wilhelm wurden gefeiert. Im Juni 1936 fand am Stadttheater Karlsbad die tschechoslowakische Erstaufführung von Gaby statt. Die Sängerin der Titelrolle, Vera Schwarz, und der Regisseur Kurt Heßky flohen nach dem ‚Anschluss‘ 1938 aus Österreich, Schwarz in die USA, Heßky nach Brasilien. Bernard Grün war bereits 1936 nach London emigriert und konnte dort seine Arbeit fortsetzen, u. a. als musikalischer Leiter dort am His Majesty's Theatre. Er erhielt die englische Staatsbürgerschaft und machte sich einen Namen als Autor musikhistorischer Werke, auch in englischer Sprache. Er starb am 28. Dezember 1972 in London.

      Anmerkung zur Vorstellung in den MK:

      Wir konnten noch nicht in Erfahrung bringen, ob diese angekündigte Produktion tatsächlich auch realisiert wurde auf der Bühne des Volkstheaters, und wenn nicht, aus welchen Gründen das Projekt abgebrochen wurde.

      Möglicherweise war Bernard Grün mit der deutschen Uraufführung seines neuen Werks am Leipziger Operettentheater, Premiere am 25.10.1932: Freut euch des Lebens zusammen mit den Librettisten Julius Wilhelm / Peter Herz und einer zweiten Uraufführung am10.11.1932 an der Komischen Oper Berlin von Musik um Susi zusammen mit Paul Frank und Peter Herz ausgelastet.

    • Fritz Grünbaum

      • Autor*in
      * 1880, Brünn (Brno)
      † 1941, KZ Dachau

      MK 26.08. –15.09.1931: Dorinne und der Zufall von Fritz Grünbaum und Wilhelm Sterk, Musik: Jean Gilbert, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Bühnenbild: David Schneuer, Regie: Richard Forster-Larrinaga, Gastspiel Erika v. Thellmann am Volkstheater

      Fritz Grünbaum kam am 7. April 1880 in Brünn auf die Welt als Sohn einer österreichisch jüdischen Kunsthändlerfamilie. Nach einem Jurastudium trat er 1906 zum ersten Mal in Wien als Conferencier und Kabarettist auf. Er begann Librettos und Kabarett-Texte zu schreiben, pendelte zwischen Wien und Berlin, trat dort im „Chat Noir“ auf. Nach Kriegsdienst an der italienischen Front im Ersten Weltkrieg kehrte er 1918 zurück als Oberleutnant, dekoriert und desillusioniert, und machte zunehmend politisches Kabarett, von 1921 an zusammen mit Karl Farkas, die beiden entwickelten die Doppelconference als Bühnenform. Nach zwei kurzen Ehen heiratete er 1919 Lilly Herzl. Vor 1933 trat er in Berlin auch in Filmen auf, verfasste Drehbücher, in Wien arbeitete er auf verschiedenen Kabarett-Bühnen. Nach der 'Machtergreifung' der Nazis 1933 wurden seine Texte in Wien politischer, am 10. März 1938, am Tag vor dem Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich, spielte er zum letzten Mal mit Karl Farkas im Wiener Theater-Kaberett Simplicissmus. Als er versuchte, zusammen mit seiner Frau in die Tschechoslowakei zu fliehen, wurden sie am 1. April 1938 an der Grenze zurückgewiesen. Am 24. Mai 1938 wurde er aus Wien ins KZ Dachau deportiert, im Oktober von dort nach Buchenwald verschleppt, zwei Jahre später entkräftet nach Dachau zurückgebracht, er starb dort, zu Tode geschunden, am 14. Januar 1941. Seine Frau Lilly konnte sich eine Zeitlang in Wien verstecken bei Paul und Elsa Klauber, die 1938 ihre 15jährige Tochter mit einem Kindertransport nach England geschickt hatten. Paul Klauber starb 1939, als ihm lebensnotwendige Medizin verweigert wurde. Elsa Klauber und Lilly Grünbaum wurden am 5. Oktober 1942 nach Maly Trostinec bei Minsk deportiert und vier Tage später dort ermordet.

      Fritz Grünbaum war auch ein renommierter Kunstsammler der Werke der österreichischen Moderne. Der Verbleib seiner Kunstwerke und seiner Bibliothek sind immer noch nicht aufgeklärt, nur wenige seiner Bilder wurden inzwischen an die Erben restituiert.

    • Alfred Grünwald

      • Autor*in
      * 1884, Wien
      † 1951, Forest Hills, New York

      MK/VTh 12.04.1930: EA Die Prinzessin und der Eintänzer

      Lustspiel in 5 Bildern von Alexander Engel und Alfred Grünwald, Regie: Erich Neisser, Bühne: Max Reuter, u. a. mit Maria Auffärber

      (Uraufführung am Akademietheater Wien 8. Januar 1930)

      Alfred Grünwald kam am 16. Februar 1884 in Wien auf die Welt als jüngstes von fünf Kindern einer jüdischen Hutfutterfabrikantenfamilie. Nach einem Volontariat in einem Pelzgeschäft zog es ihn zum Theater. Mit Julius Brammer (Sehraditz 1877 – Juanles–Pins 1943) schrieb er zunächst Texte für Kabaretts, ab 1909 Libretti für Operetten. In den 1920er Jahren arbeiteten die beiden höchst erfolgreich für die populären Komponisten dieser Zeit. Anfang der 1930er Jahre schrieb er zusammen mit Fritz Löhner-Beda (Wildenschwert 1883 – 1942 Auschwitz) die Libretti für Paul Abrahams Operetten. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten 1933 flohen alle diese Künstler aus Berlin, der Stadt ihrer größten Erfolge. Alfred Grünwald arbeitete in Wien weiter, 1938 sofort nach dem 'Anschluss' Österreichs wurde er von der Gestapo in Schutzhaft genommen. Seiner Frau Mita (geb. Minna Löwenstein, Wien *1889), die er als 19jährige Schauspielerin 1908 geheiratet hatte, gelang es, seine Freilassung zu erreichen. Alfred Grünwald floh mit Frau und Sohn über Brünn, Prag nach Zürich und Ende 1938 weiter nach Paris. Als 'feindlicher Ausländer' im September 1939 interniert, freigelassen 1940, flohen sie nach Casablanca und mit einem kanadischen Visum von Lissabon im September 1940 nach New York. Vor 1930 waren 10 Werke mit seinen Libretti am Broadway aufgeführt worden. Nach seiner Flucht konnte er nicht mehr an diese Erfolge anknüpfen. Er starb am 24. Februar 1951 in New York. Seine Frau zwei Jahre später. Ihre Tochter Meta (Wien 1911–1987 New York) war 1938 mit ihrem Mann aus Wien nach Frankreich und weiter in die USA geflohen.

      Ihr Sohn Henry A. Grunwald (Wien 1922 – 2005 New York) wurde Journalist, war Chefredakteur des TIME Magazine, von 1987–1990 US-amerikanischer Botschafter in Wien.

    • Walter Gynt

      • Schauspieler*in

      Nach einem ersten Engagement am Wiener Burgtheater 1914-1917 in der Spielzeit 1921/22 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. die Hauptrolle in Paul Kornfelds Die Verführung 27.07.1921), Regie: Erich Engel und in Rudolf Franks Inszenierung von Feuchtwangers Der Frauenverkäufer (15.03.1922) die Rolle des maurischen Verkäufers (Rudolf Frank schreibt in seiner Autobiographie SPIELZEIT MEINES LEBENS (1960) über seine Wiederbegegnung mit Gynt in Wien vor dem 'Anschluss'). Walter Gynt ging von München nach Berlin als Schauspieler zu Reinhardt und als Regisseur zu Leopold Jeßner. 1933 floh der „Nicht-Arier“ nach Frankreich, nach einem kurzen Engagement in Straßburg kehrte er nach Wien zurück. Im April 1937 stand er zusammen mit Paul Morgan auf der Bühne des SCALA Theaters. Wo und wie er die Jahre 1938-1945 überlebte, wissen wir noch nicht.

      Am 30. Dezember 1946 erscheint im WIENER KURIER eine Anzeige Schule für Schauspielkunst und Rezitation – Inhaber und Leiter Walter Gynt. In der Spielzeit 1949/50 inszeniert er sehr erfolgreich am Landestheater Salzburg, u. a. die Erstaufführung von Arnold Schwengelers Stück Der Fälscher (Mai 1950) mit Ernst Deutsch als Gast in der Rolle des Malers Han van Meegeren.

    • Ilva Günten

      • Dolly Haas

        • Schauspieler*in
        geb. Dorothy Clara Louise
        * 1910, Hamburg
        † 1994, New York

        MK 28.03.–1./2.04.1934: Scampolo von Dario Niccodemi

        Regie: Karl Ulrich (tatsächlich Hans Brahm), Gastspiel Dolly Haas und Ensemble

        Dolly Haas kam am 19. April 1910 in Hamburg auf die Welt. Sie war die Tochter einer Wienerin, Margarete Hansen, und des Hamburger Buchhändlers Charles Haas, der in England aufgewachsen war. Früh erhielt sie Ballettunterricht, ging nach dem Lyzeum im Alter von 17 Jahren nach Berlin und wurde an verschiedenen Kabarett- und Theaterbühnen engagiert. 1928 verpflichtete sie Max Reinhardt für Erich Engels Inszenierung von Felix Joachimsons Wie werde ich reich und glücklich (Musik: Mischa Spoliansky) u. a. mit Blandine Ebinger und Oskar Karlweis. 1930 drehte Anatole Litvak mit ihr Dolly macht Karriere. Bis 1933 spielte sie neben ihrer Theaterarbeit in vierzehn Spielfilmen, in elf die Hauptrolle. Zusammenarbeiten verbinden sie mit den Regisseuren Litvak, Thiele, Kortner, Kosterlitz u. a. Bei den Dreharbeiten in Paris 1932 zu der deutsch-französischen Co-Produktion Großstadtnacht (Musik: Karol Rathaus Liedtexte: Walter Mehring) begegnete sie dem Theater und Film-Dialogregisseur Hans Brahm. Er wurde ihr Mentor und Lebensgefährte. 1933/34 inszenierte er zum letzten Mal in Deutschland Dario Niccodemis Bühnenstück Scampolo, mit Dolly Haas in der Hauptrolle. Diese hatte sie bereits zuvor in der Verfilmung (Drehbuch: Billy Wilder, Max Kolpé, Felix Salten) mit großem Erfolg gespielt. Im März 1934 spielten sie das Stück am Schauspielhaus Zürich, zwei Tage später bei einem dreitägigen Gastspiel an den Münchner Kammerspielen.

        In Zürich wurde der deutsche jüdische Regisseur Hans Brahm ausdrücklich genannt, in München hielt die MK-Direktion die Nennung seines Namens offen- sichtlich für nicht mehr opportun. Hans Brahm floh 1934 nach England, Dolly Haas, die selbst nicht jüdisch war, folgte ihm, als sie den immer virulenteren Antisemitismus und die offenen Angriffe gegen ihre jüdischen Schauspielkollegen als unerträglich empfand. Er setzte in England seine Filmarbeit fort, drehte mit ihr Broken Blossom (1936) und zusammen emigrierten sie in die USA. Dort drehte er Filme für Columbia und 20th Century Fox, ihr gelang der Einstieg in den Film in Hollywood nicht. Sie trennten sich, Dolly Haas ging nach New York und dort schaffte sie den Sprung an den Broadway. Ihr US-amerikanisches Bühnendebut machte sie in Erwin Piscators Inszenierung Der Kreidekreis (1941). 1943 heiratete sie den Karikaturisten Al Hirschfeld. Sie wurde danach auch für Filmrollen engagiert, Alfred Hitchcock besetzte sie 1953 in I Confess. 1987 wirkte sie in Rosa von Praunheims Dokumentarfilm Dolly, Lotte und Maria mit. Der Film widmet sich den Lebenslinien der Schauspielerinnen Dolly Haas, der in Erika Manns Pfeffermühle engagierten und 1933 aus Deutschland geflohenen Tänzerin Lotte Goslar und der Choreographin Maria Ley, Witwe Erwin Piscators.

        Dolly Haas starb im Alter von 84 Jahren am 16. September 1994 in New York.

      • Paul Ben Haim

        • Komponist*in
        geb. Paul
        * 1897, München
        † 1984, Tel Aviv

        MK 04.06.1925 Troilus und Cressida von William Shakespeare, Regie: Otto Falckenberg, Musik: Paul Frankenburger

        Paul Frankenburger kam in München als Sohn einer jüdischen Anwaltsfamilie auf die Welt. Nach dem Abitur am Wilhelms-Gymnasium studierte er in München Komposition und Klavier, war Assistent von Bruno Walter und Hans Knappersbusch. In Augsburg am Stadttheater war er Kapellmeister von 1924 bis 1931. Er wurde nach anti-semitischen Anfeindungen entlassen. Paul Frankenburger emigrierte im November 1933 nach Tel Aviv und änderte seinen Nachnamen in Ben-Haim.

        Für die Inszenierung Troilus und Cressida, zu Otto Falckenbergs legendärer ersten Inszenierung des Shakespeare–Dramas 1925, damals noch in der Augustenstraße, komponierte Paul Frankenburger die Musik. Das Stück wurde von Falckenberg noch ein zweites Mal an den Münchner Kammerspielen inszeniert, als Festvorstellung (Premiere 17. 10.1936) zum 25jährigen Bestehen der Münchner Kammerspiele. Auf dem Theaterzettel dieser zweiten Inszenierung 1936 im Schauspielhaus in der Maximilianstraße aber tauchte der Name Paul Frankenburger nicht mehr auf. Der Komponist der Bühnenmusik war jetzt Ludwig Kusche (geb. 1901), die musikalische Leitung hatte Hans Jörn (geb.1906), beide waren Mitglieder der NSDAP.

        2009 zeigte das Jüdische Museum Münchenin der Ausstellung ORTE DES EXILS 02 MINCHEN VE ' TEL AVIV biographische Porträts emigrierter jüdischer Münchner Künstler*innen des Malers Ludwig Schwerin und der drei Mitarbeiter*innen der Münchner Kammerspiele: Tänzerin und Choreographin Rhea Glus, Bühnenbildner David Schneuer und Komponist Paul Frankenburger / Paul Ben-Haim. 2022 macht das Ben-Haim-Forschungszentrum der Hochschule für Musik und Theater München Leben und Werk des vor 125 Jahren in München geboren Komponisten in einer Veranstaltungsreihe zugänglich und erlebbar.

        Verweise:

        https://mw.hmtm.de/index.php/ben-haim-forschungszentrum.

      • Max Hansen

        • Schauspieler*in
        geb. Max Josef
        * 1897, Mannheim
        † 1961, Kopenhagen

        MK 20.01.1932: Dienst am Kunden von Curt Bois und Max Hansen, Regie: Hans Deppe. Dreitägiges Gastspiel Curt Bois mit Ensemble der Komödie Berlin

        Max Hansen kam 22.12.1897 in Mannheim auf die Welt als Sohn einer dänischen Schauspielerin und eines ungarisch jüdischen Schauspielers. In den 1920er Jahren nach einer Gesangsausbildung in Wien und ersten Auftritten dort in Kabaretts ging er nach Berlin. Dort wurde er u.a. von Max Reinhardt engagiert. Er spielte in Stummfilmen und machte erste Schellack-Plattenaufnahmen. Als Sänger, Schauspieler und Kabarettist war er Gründungsmitglied des Berliner Kabarett der Komiker 1924. Berühmt wurde er durch seine Spott-Chansons gegen Hitler und die Nazis. 1931 schrieb er zusammen mit Curt Bois das schnell populär gewordene Lustspiel Dienst am Kunden, bei der Uraufführung in der Komödie Berlin trat er gemeinsam mit Curt Bois auf. Beim Gastspiel in den Münchner Kammerspielen war er nicht mit auf der Bühne. Der Einstieg in den Tonfilm gelang ihm mühelos. Bei der Premiere am 8. September 1933 in Berlin des Films Das häßliche Mädchen (Regie: Henry Kosterlitz, Drehbuch: Felix Joachimson und Henry Kosterlitz), mit Dolly Haas und Max Hansen in den Hauptrollen, kam es zu Nazi-Ausschreitungen gegen jüdische Künstler des Films. Hansen floh nach Wien, konnte dort seine erfolgreiche Bühnenarbeit fortsetzen. Nach dem NS-Anschluss Österreichs floh er 1938 nach Kopenhagen. Seine Versuche, nach dem Ende der NS-Gewaltherrschaft in Deutschland und in Österreich seine abgebrochene Erfolgskarriere wieder fortzusetzen, scheiterten. Er kehrte nach Kopenhagen zurück und starb dort im Alter von 63 Jahren im November 1961.

      • Paul Hardtmuth

        • Schauspieler*in
        * 1888, Berlin
        † 1962, London

        MK 05./06.07.1931: Amphytrion 38 von J. Giraudoux und DER KREIS von W.S. Maugham, Gastspiel Elisabeth Bergner und Ensemble, u. a. mit Paul Hardtmuth, Karlheinz Jaffé, Ernst Ginsberg

        Paul Hardtmuth kam am 2. Juli 1888 auf die Welt als Sohn einer Berliner jüdischen Familie. In der ersten – deutschen – Hälfte seines Lebens spielte auf Theaterbühnen und Anfang der 1920er Jahre in mehreren Stummfilmen. Unter welchen Gefährdungen nach der ‚Machtergreifung‘ der Nazis 1933 er noch in Deutschland blieb, wissen wir nicht. Im März 1935 war er nach Wien geflohen, er konnte dort am Neuen Theater in der Praterstraße ein Stück (Schwarze Wolken) von W. R. Chesterton inszenieren und darin auch die Hauptrolle spielen, im Oktober 1935 inszenierte er am selben Theater Melchior Lengyels Stück Taifun. Wann er nach England floh, wissen wir nicht. Seitdem galt er als „a British actor“.

        Im englischen Exil konnte er seine Arbeit als Schauspieler beim Film fortsetzen. 1949 spielte er in Carol Reeds berühmtem Film The Third Man die Rolle des Hotel-Portiers Hartmann, 1951 zusammen mit Oskar Werner in dem Film The Wonder Kid. Er starb am 5. Januar 1962 im Londoner Stadtteil Hampstead.

      • Gustav Hartung

        • Schauspieler*in
        geb. Gustav Ludwig
        * 1887, Bartenstein (Bartoszyce)
        † 1946, Heidelberg

        MK 03.08.1921: Kean von Kasimir Edschmid. UA. 25.05.1921 im Theater Darmstadt. Regie: Intendant Gustav Hartung, Gastregisseur der MK Inszenierung: Gustav Hartung, Bühne u. Kostüme: Theodor Caspar Pilartz, u. a. mit Gertrud Kanitz, Berthe Reuscher, Rahel Sanzara

        Gustav Hartung kam am 30. Januar 1887 im ostpreußischen Bartenstein (Bartoszyce) auf die Welt. Nach einer Ausbildung bei Max Reinhardt in Berlin wurde er 1913/14 Regisseur am Schauspielhaus Bremen, von 1914 – 1920 am Schauspielhaus Frankfurt am Main.

        Dort entwickelte er sein Markenzeichen der zeitgenössisch expressionistischen Inszenierungen, u. a. mit Uraufführungen von Stücken Paul Kornfelds, Carl Sternheims und Fritz von Unruhs. 1920 – 1924 arbeitete er als Intendant am Landestheater Darmstadt.

        Seine Kritiker und gewaltsame Ausschreitungen von Seiten nationalistischer und völkischer Gruppen erzwangen seine Entfernung aus Darmstadt. Danach inszenierte er in Köln, Düsseldorf, übernahm 1927 – 1930 von Theodor Tagger die Leitung des Renaissancetheaters in Berlin, er inszenierte dort u. a. die Uraufführung von dessen Stück Krankheit der Jugend. 1931 wurde er erneut Intendant in Darmstadt, gegen massive Proteste des konservativen, deutschnationalen Darmstädter Bürgertums, der rechten Presse und der Nationalsozialisten. Nach der NS-Machtergreifung weigerte er sich, jüdische und politisch widerständige Schauspieler*innen zu entlassen, er selbst floh am 14. März 1933 in die Schweiz.

        Im April 1933 griff er in einer Radioansprache „Über die Situation der Theater im Dritten Reich“ (Landessender Beromünster 03.04.1933) die neuen Machthaber in Deutschland scharf an. Als Gast inszenierte er zunächst am Stadttheater Basel, dann am Schauspielhaus Zürich. Seine Wahl 1934 zum Direktor des Stadttheaters Basel wurde auf Druck der Fremdenpolizei, des Schweizer Schriftstellerverbands, des Tonkünstlerverbands und der deutschen Gesandtschaft widerrufen.

        Im Februar 1936 wurde er aus Deutschland ausgebürgert und war damit staatenlos geworden. 1937 wurde er Oberregisseur am Stadttheater Basel, 1939 erzwang die NS-Reichstheaterkammer seinen Rücktritt. Als Gastregisseur konnte er weiter inszenieren und Meisterkurse für Schauspiel am Basler Konservatorium leiten. Nach einer anonymen Denunziation wegen angeblicher sittlicher Verfehlungen wurde er entlassen und interniert. 1945 kehrte Gustav Hartung nach Deutschland zurück und leitete die Kammerspiele Heidelberg, bis zu seinem Tod im Alter von 59 Jahren am 14. Februar 1946.

        Quellen:

        Hannes Heer, Sven Fritz, Heike Drummer und Jutta Zwilling: Verstummte Stimmen – Die Vertreibung der „Juden“ und „politisch Untragbaren“ aus den hessischen Theatern 1933 bis 1945. Berlin: Metropol Verlag 2011.

        Thomas Blubacher: „Gustav Hartung". In: Theaterlexikon der Schweiz, hg. v. Andreas Kotte. Zürich: Chronos 2005, S. 800f. Aufrufbar über: https://tls.theaterwissenschaft.ch/wiki/Gustav_Hartung

      • Annemarie Hase

        • Schauspieler*in
        * 1900, Berlin
        † 1971, Berlin

        1922 Engagement an den Münchner Kammerspielen, u. a. in der Rolle des Rolf in Arnold Bronnens Vatermord (13.06.1922) und in der Rolle der Marie in der UA von Brechts Trommeln in der Nacht (29.09.1922), beide Stücke in der Regie Falckenbergs. In den 1920er Jahren war sie in Berlin eine der Kabarettistinnen, für die Hollaender, Tucholsky, Kästner u. a. Texte schrieben. Im September 1931 war sie die Originalinterpretin des politisch-satirischen Songs An allem sind die Juden schuld von Friedrich Hollaender in dessen Berliner TINGEL-TANGEL THEATER.

        Nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten hatte sie 1933 Auftrittsverbot wegen ihrer Herkunft aus einer evangelisch getauften jüdischen Familie. Sie trat in den Jüdischen Kulturbund ein, als die Repressionen unerträglich wurden, verließ sie 1936 Deutschland und ging ins Exil nach England. 1940 wurde sie von der BBC engagiert für den „Ätherkrieg“ gegen das NS-Regime.

        1947 remigrierte sie nach Berlin. Sie konnte dort ihre Bühnenlaufbahn als Theaterschauspielerin wiederaufnehmen, u. a. mit Brecht und Weigel am Berliner Ensemble.

        Mit dem illusionslosen Blick der politisch engagierten, jüdischen Remigrantin auf das Deutschland nach der Naziherrschaft sagte sie:

        „Sieben Jahre künstlerische Arbeit mit Brecht sind heute in Westdeutschland keine gute Empfehlung. Da gibt es eine geheiligte Blutgemeinschaft derjenigen, die im Dritten Reich dran waren und die Brecht nicht als großen Dichter, sondern als unerwünschten Politiker sehen“.

        Katalog zur Ausstellung „1945: Jetzt wohin? Exil und Rückkehr…nach Berlin?“, Verein Aktives Museum am Martin Gropius Bau, Berlin, 1995.

      • Walter Hasenclever

        • Autor*in
        * 1890, Aachen
        † 1940, Internierungslager Les Milles

        MK 1916/17, geplant, durfte nicht aufgeführt werden: Der Sohn von Walter Hasenclever. In der Spielzeit 1916/17 wollte Hermann Sinsheimer dieses Stück Hasenclevers inszenieren, ein Zensurverbot machte es unmöglich

        MK 04.02.1921: Jenseits von Walter Hasenclever, Regie: Berthold Viertel

        MK 30.09.1930: Napoleon von Walter Hasenclever, Regie: Julius Gellner

        Nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten wurden Walter Hasenclevers Werke verboten, nach der Bücherverbrennung im Mai 1933 aus den öffentlichen Bibliotheken entfernt. Hasenclever ging ins Exil nach Nizza. Zweimal interniert als „feindlicher Ausländer“, nahm er sich in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni 1940 im Internierungslager Les Milles bei Aix-en-Provence das Leben.

      • Otto Eduard Hasse

        • Schauspieler*in
        * 1903, Obersitzko (Obrzycko)
        † 1978, Berlin

        MK 1930/31 – 1938/39: Mitglied des Ensembles der Münchner Kammerspiele als Schauspieler und Regisseur. O.E. Hasse spielte an den MK in 86 Inszenierungen, in zehn führte er Regie.

        MK 30.09.1930: Napoleon greift ein von Walter Hasenclever. Regie: Julius Gellner, O. E. Hasse als Filmregisseurin seiner ersten Rolle an den MK

        MK 06.11.1930: Hamlet von William Shakespeare. Regie: Otto Falckenberg, O. E. Hasse als Horatio in seiner ersten Rolle bei Falckenberg

        MK 11.11.1933: Hier bin ich – hier bleib ich von Ian Hay, deutsche Bearbeitung von Julius Berstl. Regie: O.E. Hasse, seine erste Regiearbeit an den MK

        MK 20.09.1938: Cäsar und Cleopatra von Bernard Shaw. Regie: O.E. Hasse, seine vorletzte Regiearbeit an den MK

        MK 20.10.1938: Mamsell Sewastiza von Jon San-Giorgiu. Regie: O.E. Hasse, seine letzte Regiearbeit an den MK

        MK 25.12.1938: Mein Freund Jack von W.S. Maugham. Regie: E.F. Brücklmeier, O.E. Hasse als Jack Straw in seiner letzten Rolle an den MK

        Otto Eduard Hasse kam am 11. Juli 1903 in Obersitzko (Obrzycko) an der Warthe in der Nähe von Posen (heutiges Polen) als Sohn eines Schmieds und Eisenwarenhändlers auf die Welt. In seinen Unvollendeten Memoiren schreibt Hasse über sein Elternhaus: „Klo auf dem Hof, bei Petroleumlicht aufgewachsen, wo man die Wölfe als Haustiere benutzte“. (O.E. Hasse, Unvollendete Memoiren, S. 14)

        Nach abgebrochenem Jurastudium wurde er an der Max-Reinhardt-Schule in Berlin zum Schauspieler ausgebildet. Als er im Februar 1929 an den Vereinigten Theatern in Breslau den Riccaut in Minna von Barnhelm in einer Inszenierung Max Ophüls spielte, sah ihn dort Otto Falckenberg und engagierte ihn von der Spielzeit 1930/31 an für die Münchner Kammerspiele. Wolfgang Petzet würdigte O.E. Hasse noch zu Lebzeiten 1973 in seiner Chronik, wobei er dessen Ausgrenzung und Gefährdung nur andeutete:

        „In der ersten Nazizeit bis 1939 war er eine der Säulen des Theaters, nicht nur als Schauspieler, auch als Regisseur und zuverlässiger Freund Otto Falckenbergs, bis er gezwungen war, nach Berlin zu gehen. Nach Kriegsende ist er dann durch seine Offiziersgestalten im Film (er war nie Soldat, obgleich ihm etwas Soldatisches im besten Sinn zu eigen war) einer der populärsten deutschen Schauspieler geworden“.

        Wolfgang Petzet: Die Münchner Kammerspiele. 1911–1972. München: Desch Verlag 1973, S. 224.

        Zu Beginn der Spielzeit 1938/39 inszenierte O.E. Hasse das Bernard Shaw Stück Cäsar und Cleopatra. In einer 'Vormerkung' des NS-Oberbürgermeisters Karl Fiehler, datiert vom 25. Februar 1939, nach einer Unterredung mit Hitler über die Renovierung und Finanzierung der Münchner Kammerspiele notierte Fiehler:

        „Der Führer sagte mir, er sei jetzt einige Male im Schauspielhaus gewesen; er habe die Aufführung 'Cäsar und Cleopatra', die er vorher in Berlin gesehen habe, sich in München angeschaut und habe feststellen können, daß die Münchener Aufführung der Berliner Aufführung weitaus überlegen sei. Er habe weiterhin die Vorstellung von 'Mein Freund Jack' besucht, die eine ganz besonders entzückende in jeder Einzelheit gewesen sei. Er hob dabei wiederholt hervor, daß Falckenberg ein ganz großes Genie sei, und daß es daher ein Wahnsinn wäre, wenn München diesen Mann vergrämen würde . . .“

        Stadtarchiv München, Dokument KULA – 0220

        Am 20. Januar 1939, denselben Tag, an dem Hitler anordnete, dass die Münchner Kammerspiele das Theater der Hauptstadt der Bewegung mit Falckenberg als Direktor werden sollten, wurde O.E. Hasse von der Gestapo verhaftet und in Stadelheim inhaftiert. Er war von einem jungen SS-Mann, der ganz offensichtlich als Spitzel auf ihn angesetzt worden war, der Vergehen gegen §175 StGB bezichtigt worden. Der §175 galt in Deutschland seit 1872 und noch bis 11.06.1994. Der Direktor des Kulturamts Max Reinhard setzte sich im Auftrag des Oberbürgermeisters Fiehler beim Staatsanwalt dafür ein, dass „der Fall Hasse“ unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wurde und daß „tunlichst nichts in die Presse kommt“.

        Zehn Jahre später, am 8. Juni 1949 wurde Max Reinhard im Spruchkammerverfahren als „Minderbelasteter“ eingestuft, nachdem der MK-Chefdramaturg Wolfgang Petzet zu Reinhards Entlastung bezeugte: dass Reinhard „mit der Gestapo verhandelt hat und es fertigbrachte, dass zwei politisch Verfemte (Hasse und Hanne Mertens) nicht weiter verfolgt wurden“. (Stadtarchiv München, Dokument KULA – 0295).

        Im April 1939 wurde O.E. Hasse mit zwei Monaten Gefängnis bestraft, die Strafe war durch die Untersuchungshaft abgegolten. Verhandlungen aus München mit dem Ständetheater in Prag bewirkten, dass er im Herbst 1939 dort zunächst als Regisseur weiterarbeiten konnte. Jedoch nach erneuter Denunziation wurde er entlassen, nicht aber aus der Reichskulturkammer ausgeschlossen. An großen Bühnen durfte er nicht auftreten und nicht in Kriegsfilmen mitwirken. Unter welchen Gefährdungen er die NS-Zeit überlebte, und wer eine schützende Hand über ihn hielt, ist nicht geklärt.

        Nach dem Ende der NS-Gewaltherrschaft konnte er seine Theaterarbeit fortsetzen und eine deutsche Filmkarriere beginnen. Internationalen Erfolg hatte er, als 1952 Alfred Hitchcock auf der Grundlage eines Drehbuchs von George Tabori den Film I confess mit Montgomery Clift und Ann Baxter in Hauptrollen drehte, spielten O.E. Hasse und Dolly Haas das deutsche Emigrantenpaar Otto und Alma Keller. O. E. Hasse starb am 12. September 1978 in Berlin.

        Eine O.E. Hasse-Stiftung vergibt jährlich, in Kooperation mit der Akademie der Künste Berlin, einen dotierten Preis zur Förderung junger Schauspieler*innen.

        1997 wurde Thomas Schmauser ausgezeichnet, 2012 Anna Drexler und 2019 Julia Windischbauer, alle drei im Jahr der Auszeichnung im Ensemble der Münchner Kammerspiele.

      • Elisabeth Hauptmann

        • Übersetzer*in
        • Autor*in
        * 1897, Peckelsheim
        † 1973, Berlin

        MK 20.07.1929 Die Dreigroschenoper (The Beggars'Opera) nach dem Englischen des John Gay, übersetzt von Elisabeth Hauptmann. Deutsche Bearbeitung von Bert Brecht, Inszenierung: Hans Schweikart

        MK Januar 1930 Wiederaufnahme

        MK August 1931 Gastspiel Carola Neher in Schweikarts Inszenierung

        Elisabeth Hauptmann arbeitete nach einer Ausbildung zur Lehrerin zunächst auch in diesem Beruf, bevor sie 1922 nach Berlin ging, dem ein Jahr jüngeren Bertolt Brecht begegnete und seine Mitarbeiterin wurde. Zwischen 1924 und 1930 war sie am allen Brecht-Stücken beteiligt. Ihr Anteil an Brechts Dreigroschenoper ging noch über ihre Entdeckung des John Gay Werks und ihre Übersetzung aus dem Englischen hinaus. 1929 trat sie in die KPD ein, 1933 flüchtete sie nach Paris und von dort 1934 in die Vereinigten Staaten nach St. Louis/Missouri zu ihrer dort verheirateten Schwester. Als Brecht im November 1935 zum ersten Mal nach New York reiste zur Inszenierung von Gorkis Die Mutter, arbeitete sie wieder kurzzeitig mit ihm zusammen. 1940 erhielt sie die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. 1948 kehrte sie nach Deutschland zurück, nach Ostberlin. Sie arbeitete als Dramaturgin bei der DEFA, wurde bei Suhrkamp für die Edition der Werke Brechts engagiert, trat 1949 der SED bei, ab 1954 war sie Dramaturgin am Berliner Ensemble und arbeitete wieder im Brecht-Kollektiv mit. Sie übersetzte Brechts Werke in Zusammenarbeit mit Eric Bentley ins Englische. Am 20. April 1973 starb sie in Berlin.

      • Jakob Hegner

        • Übersetzer*in
        * 1882, Wien
        † 1962, München

        MK 12.11.1919: Verkündigung von Paul Claudel, Übersetzung aus dem Französischen: Jakob Hegner, Regie: Otto Falckenberg, u.a. mit Sybille Binder, Erwin Faber

        Jakob Hegner kam am 25. Februar 1882 in Wien als Sohn einer österreichisch jüdischen Familie auf die Welt. Auf dem Gymnasium war Stefan Zweig einer seiner Mitschüler. Nach einem studium generale in Leipzig und einem Italienaufenthalt gründete er seinen ersten Verlag Jacques Hegner in Berlin. Von 1910 an lebte er in neuen Gartenstadt Hellerau bei Dresden, gründete seinen zweiten Verlag, in dem er u. a. die ersten Übersetzungen der Werke Paul Claudels veröffentlichte. 1918 gründete er die 'Hellerauer Druckerei' mit typographischem Qualitätsanspruch. Pirandellos Deutsche Gesamtausgabe – hrsg. von Hans Feist wurde 1925 dort gedruckt.

        1919 war Hegner zum Protestantismus konvertiert, 1935 konvertierte er zum Katholizismus. 1936 wurde er aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen. Er verließ Deutschland, kehrte nach Wien zurück. Gründete wieder einen Verlag. 1938 floh er nach England. Nach dem Ende der NS-Gewaltherrschaft und nach Kriegsende ging er in die Schweiz, er gründete weitere Verlage und lebte in Basel und Lugano. Für sein übersetzerisches Werk (u. a. Paul Claudel, Georges Bernanos) erhielt er 1961 den Johann-Heinrich-Voß-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. Jakob Hegner starb am 24. September 1962 in Lugano. Er wurde auf dem Haidhauser Friedhof in München beerdigt.

      • Ernst Held

        • Regisseur*in
        geb. Heinrich Ernst Ludwig

        Regisseur und Dramaturg an den Münchner Kammerspielen, in der Spielzeit 1930/31 mit drei Inszenierungen, die Spielzeit 1931/32 eröffnete er mit der Uraufführung des Stücks Nina von Bruno Frank und inszenierte bis Februar 1932 drei weitere Stücke. Aus der Schweiz hatte er das Angebot, als Oberspielleiter ans Schauspielhaus Zürich zu gehen.

        In Wolfgang Petzets Erzählung der Münchner Kammerspiele heißt es zu Ernst Held und seinem Abschied aus München:

        „Auch der Anfang der nun beginnenden Spielzeit der Katastrophen (1932/33) verlief noch programmgemäß. Einige neue Verträge werden abgeschlossen. Statt des begabten jungen Regisseurs und Dramaturgen Ernst Held,der einer Einladung nach Moskau folgte, arbeiten jetzt Carl Theodor Glock (er wird noch Kammerspiel-Geschichte machen) und Dr. Edgar Weil, dem seine Stellung in der Dramaturgie... alsbald zum Verhängnis wird.“

        Wolfgang Petzet: Theater. Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Kurt Desch 1973, S. 237.

        Petzets Erzählung von Helds „Einladung nach Moskau“ erschien 1973. Durch Zufall stießen wir auf ein 2006 Buch, in dem kleinen Berliner Lichtig-Verlag erschienen, mit dem Titel:

        „Die DDR feiert Geburtstag und ich werde Kartoffelschäler. Als Arzt und „Agent“ im „Kommando X“ des MfS“ (168 Seiten). Ein autobiographisches Buch, der Autor: Anatol Rosenbaum.

        Im Dezember 1968 wird der damals 29-jährige Autor, ein Ost-Berliner Kinderarzt, von der Staatssicherheit verhaftet. Aufgrund der Denunziation eines westdeutschen Stasi-Spitzels flog er bei dem Versuch auf, in Prag an bundesrepublikanische Pässe zu gelangen, die ihm, seiner Frau und dem gemeinsamen 5jährigen Sohn die Flucht in den Westen ermöglichen sollten. Stattdessen wird er zwei Jahre lang in Stasi-Gefängnissen weggesperrt, 1970 entlassen, er arbeitet wieder als Kinderarzt. 1975 wird er durch Vermittlung von Herbert Wehner für 250.000 DM „freigekauft“ und übersiedelt nach West-Berlin.

        Der Autor Anatol Rosenbaum ist ein Sohn kommunistischer Eltern, die aus großbürgerlichen, jüdischen Familien in Hamburg stammten. Sein Vater, Heinrich Ernst Ludwig Rosenbaum (*1903), Sohn eines Hamburger Privatbankiers, war in den 1920er Jahren ein junger Theaterregisseur an den Hamburger Kammerspielen, die 1918 gegründet wurden von Erich Ziegel, der von April 1913 bis August 1919 Direktor der Münchner Kammerspiele in der Augustenstraße 89 war.

        Anatol Rosenbaums Mutter Nelly Hahlo war eine Tochter des jüdischen Hamburger Holzfabrikanten Philipp Hahlo. Sie schloss sich in den 1920er Jahren der Hamburger KPD unter Ernst Thälmann an. Nach ihrer Hochzeit 1930 mit Heinrich Ernst Ludwig Rosenbaum setzte Nelly durch, dass das Privatbankhaus der Familie Rosenbaum der KPD geschenkt wurde. Außerdem brachte sie ihren Mann dazu, 1930 den Namen Rosenbaum abzulegen, weil er zu jüdisch klinge. Beide nahmen den Namen Held an (die ersten Buchstaben der drei Vornamen H + E + L und D von 'Darling', wie die Mutter später ihrem Sohn erklärte).

        Der junge Theaterregisseur Heinrich Ernst Ludwig Rosenbaum nannte sich jetzt Ernst Held und kam 1930 als Dramaturg und Regisseur an die Münchner Kammerspiele. Im Frühjahr 1932 erhielt er ein Angebot, als Oberspielleiter ans Schauspielhaus nach Zürich zu gehen, als seine Frau Nelly wegen Mitgliedschaft in einer konspirativen Zelle der KPD verhaftet worden war. Die Anklage lautete „Hochverrat und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“. Gegen Auflagen und eine hohe Kaution bekam der Kammerspiele-Regisseur seine Frau wieder frei, zwei Tage später verließen Nelly und Ernst Held München und flohen nach Moskau. Wolfgang Petzet vermerkt: "[I]m Herbst 1932, Brief aus Moskau mit guten Wünschen zum Jahreswechsel 1932/33" (Theater, S. 252). In Moskau wird 1939 ihr Sohn Anatol geboren.

        1949 kehren Ernst, Nelly und Anatol Held nach Deutschland zurück, sie gehen nach Ost-Berlin, Ernst Held wird Funktionär in der Kulturverwaltung der DDR, er vermittelt Bertolt Brecht und Helene Weigel einen Privatvertrag für das 1949 gegründete Berliner Ensemble. Ernst Held stirbt 1954 an den Spätfolgen eines Schlaganfalls, den er 1950 erlitt. 2005 nimmt Anatol Held den Namen Rosenbaum an, den seine Eltern 1930 abgelegt hatten.

      • Jenó Heltai

        • Autor*in
        geb. Eugen
        * 1871, Budapest
        † 1957, Budapest

        MK 21.11.1914: Die Modistin, Regie: Paul Marx. Mit Annie Reiter in der weiblichen Hauptrolle

        Der ungarisch jüdische Autor, Journalist und Theaterdirektor war ein polyglotter, europäischer Kosmopolit, der durch Emigration von Budapest nach Frankreich und England der NS-Verfolgung entkommen konnte. Nach 1945 kehrte er nach Budapest zurück. An den Münchner Kammerspielen wurde sein Stück Die Modistin in der Inszenierung von Paul Marx aufgeführt (Premiere 21.11.1914) mit Annie Reiter in der weiblichen Hauptrolle.

      • Maria Herbot

        • Schauspieler*in
        * 1897, München
        † 1957, München

        In den Spielzeiten 1925/26 und 1928/29 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, zusammen mit ihrem Mann, Heinz Rühmann (1902–1994). Die beiden waren seit August 1924 verheiratet. Maria Bernheim gab ihre Bühnenkarriere auf, angeblich um 'Privatregisseurin' ihres Mannes zu sein.

        1938 ließ sich Rühmann von seiner jüdischen Ehefrau scheiden, mit Rat und Tat Goebbels wurde sie ins schwedische Exil geleitet, heiratete den schwedischen Schauspieler Rolf von Nauckhoff (Stockholm 1909–1968 München) und war mit der schwedischen Staatsbürgerschaft geschützt vor Abschiebung. Im MK–Narrativ wird ihre Biographie ausgeblendet.

      • Géza Herczeg

        • Autor*in
        * 1888, Nagykanizsa
        † 1954, Rom
        • MK 28.05.1930: Ja Peter von Géza Herczeg und Robert Forster-Larrinaga, Regie: Robert Forster-Larrinaga
        • MK 16.04.1934: Hundert Tage von Benito Mussolini u. G. Forzano in der deutschen Bearbeitung von Géza Herczeg, Regie: Georg Kiesau. 01.-05.08.1934 Gastspiel von Gustav Gründgens an den Münchner Kammerspielen in dieser Inszenierung in der Rolle des Polizeiministers Fouché

        Géza Herczeg war der Sohn eines ungarisch jüdischen Gutsbesitzers. Nach einem Jurastudium in Budapest arbeitete er als Journalist für ungarische, österreichische, deutsche und italienische Tageszeitungen, in den 1920er Jahren als Redakteur und Herausgeber Wiener Zeitungen. Seit 1928 war er freier Bühnenautor, zusammen mit Robert Forster-Larrinaga und Karl Farkas. Nach dem 'Anschluss Österreichs' emigrierte er in die USA, zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Leontine Konstantin, die in der Spielzeit 1926/27 als Gast an den Münchner Kammerspiele auftrat, die beiden waren seit 1924 verheiratet. Herzceg arbeitete in Los Angeles und in New York als Drehbuchautor.

      • Lala Herdmenger

        • Tänzer*in
        * 1899, Wien
        † 1966,

        MK 21.01.1917: Wie es euch gefällt von William Shakespeare. Regie: Otto Falckenberg, mit Lala Herdmenger als tanzende Schäferin

        MK 12.04.1917: Tanzabend 'zum Nationaltag der Deutschen Bühnen für die 6. Kriegsanleihe' ausgerichtet von Lisa Kresse gemeinsam mit Valeska Gert und Lala Herdmenger

        Lala Herdmenger kam als Tochter einer Wiener jüdischen Familie auf die Welt, eine der beiden jüngeren Schwestern der Schauspielerin Lili Herdmenger, die 1917/19 dem Ensemble der Münchner Kammerspiele angehörte. Otto Falckenberg engagierte die jugendliche Tänzerin Lala Herdmenger für die Rolle der tanzenden Schäferin im Schlusstableau seiner legendären Inszenierung von Shakespeares Wie es euch gefällt, die über 180mal an den Münchner Kammerspielen aufgeführt wurde. In Petzets/Falckenbergs Auto-/Biographie Mein Leben, mein Theater schwärmt Falckenberg immer noch von dieser Tänzerin:

        „[...] Der Schluß des letzten Aktes endlich wurde völlig in Musik, Tanz, Jubel aufgelöst. Dann verloren sich die lachenden Stimmen und farbigen Lichter der Paare mehr und mehr in den Tiefen des sommernächtlichen Waldes, bis nur noch ein schleierumwehtes Wesen – die zauberhaft schlanke, sechzehnjährige Lala Herdmenger – im Mondschein silbern aufleuchtete und erlosch“.

        Otto Falckenberg: Mein Leben, mein Theater, hg. v. Wolfgang Petzet. München: Zinnen 1944.

        Auf Seite 193 des Buches wird Lala Herdmenger in einer Aquarellzeichnung von Rolf von Hoerschelmann gezeigt, auf Seite 397 wird sie noch einmal namentlich genannt, zusammen mit den beiden Tänzerinnen Valeska Gert und Lisa Kresse. Als das Buch 1944 veröffentlicht wurde, waren die beiden jüdischen Tänzerinnen Valeska Gert und Lala Herdmenger nicht mehr in Deutschland, Lisa Kresse hatte seit 1934 Berufsverbot, weil sie mit einem jüdischen Mann verheiratet war, der in einem KZ ermordet wurde.

        Als Max Reinhardt im Dezember 1919 im Großen Schauspielhaus im Berlin das Kabarett Schall und Rauch eröffnete, findet sich im Dezember-Programm auch der Name Lala Herdmenger neben den Bühnenkünstler*innen Blandine Ebinger, Fiedrich Hollaender, Lotte Stein, Paul Graetz.

        Sie spielte zu Beginn der 1920er Jahre in zwei Spielfilmen mit, 1932 wurde sie im Stadttheater Salzburg als Tänzerin gefeiert, es heißt, der Schauspieler und Regisseur Robert Forster-Larrinaga (1879–1932) sei in zweiten Ehe nach 1926 mit Lala Herdmenger verheiratet gewesen. Wann und wo sie nach 1932 wieder heiratete, wissen wir nicht. Als ihre ältere Schwester Lili, die mit ihrem Mann 1946 aus dem englischen Exil nach Österreich zurückgekehrt war, im Juni 1966 starb, trauerten laut Todesanzeige vom 15. Juni 1966 in Wien mit Lilis Mann ihre beiden Schwestern Frieda Herdmenger und Lala Waltz. Unter welchen Gefährdungen und wo Lala Herdmenger (Waltz) die NS-Gewaltherrschaft überlebte, wissen wir nicht.

      • Lili Herdmenger

        • Schauspieler*in
        * 1896, Wien
        † 1966, Wien

        MK 28.04.1917: Von morgens bis mitternachts von Georg Kaiser. Regie: Otto Falckenberg, mit Erwin Faber, Emilia Herdmenger, Erwin Kalser, Lilly Freud

        MK 18.05.1917: Die Brandstätte von August Strindberg. Regie: Otto Falckenberg mit Erwin Faber, Lili Herdmenger, Lotte Stein

        MK 01.08.1917: Klein Eyolf von Henrik Ibsen. Regie: Erich Ziegel

        MK 28.09.1917: Ein Wintermärchen von William Shakespeare. Regie: Otto Falckenberg mit Erwin Faber, Emilia Herdmenger, Eva Kessler

        MK 27.10.1917: Die Koralle von Georg Kaiser. Regie: Otto Falckenberg mit Fritz Jessner, Erwin Faber, Emilia Herdmenger

        MK 17.12.1917: Die Schwestern und der Fremde von Bruno Frank. Regie: Otto Falckenberg

        MK 08.02.1918: Vasantasena von Sudraka / Lion Feuchtwanger. Regie: Otto Falckenberg, Musik: Felix Lederer, Titelrolle Sybille Binder, mit Fritz Jessner, Erwin Faber, Emilia Herdmenger, Lotte Stein, Martin Berliner, Paul Kalbeck u. a.

        MK 18.04.1918: Kinder des Zufalls von Eugen Albu. Regie: Paul Kalbeck

        MK 31.08.1918: Anne Pedersdotter von Wierg-Jensen / Vollmöller. Regie: Karl Vollmöller

        MK 04.02.1919: Arbeit von Siegfried Giedion. Regie: Paul Marx

        MK 01.04.1919: Der Maskenschnitzer von Fernand Crommelynck. Regie: Otto Falckenberg mit Sybille Binder, Erwin Kalser, Martin Berliner, Arnold Marlé, Erwin Faber, Emilia Herdmenger

        Emilia Herdmenger kam am 2. Juni 1896 als älteste von drei Töchtern einer Wiener jüdischen Familie auf die Welt. Nach ihrer Schauspielausbildung und ersten Engagements in Wien kam sie nach München und gehörte 1917–1919 dem Ensemble der Münchner Kammerspiele an. Es heißt, sie sei damals die Verlobte Erwin Fabers gewesen, jedenfalls wohnten beide in der Georgenstr. 86. Ihre Schauspielkunst wurde regelmäßig in den Feuilletons der Wiener Zeitungen gerühmt. Die jüngere Schwester Lala Herdmenger wurde Tänzerin und tanzte eine Schäferin in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Wie es euch gefällt (21.01.1917). Sie tauchte 1919 in Berlin auf in Max Reinhardts Theaterbühne Schall und Rauch.

        Emilia Herdmenger trennte sich offenbar von Erwin Faber, kehrte nach Wien zurück, nannte sich von da an Lili und heiratete den gleichaltrigen Elektroingenieur und aktiven Kommunisten Gustav Hamerschlag (Wien 29.06.1896 – 20.06.1966 Wien). Er war der jüngere Bruder Mimi Hamerschlags, die den Schriftsteller und Dramaturgen Otto Zoff heiratete und sich als die renommierte Übersetzerin Mimi Zoff einen Namen machte. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten 1933 in Deutschland stand Lili Herdmenger im September 1933 an der Wiener Komödie mit den aus Deutschland geflohenen Traute Carlsen und Alexander Granach zusammen auf der Bühne.

        Nach dem NS-Anschluss Österreichs 1938 floh Gustav Hamerschlag mit Lili nach London. Sie kehrten 1946 zurück nach Österreich. Sie starb in Wien am 14. Juni 1966, ihr Mann nur wenige Tage später am 20. Juni 1966. Lilis Schwester Lala überlebte die NS-Zeit, wir wissen aber nicht wo und unter welchen Gefährdungen.

      • Georg Hermann

        • Autor*in
        * 1871, Berlin
        † 1943, KZ Auschwitz

        Georg Borchardt war das jüngste von sechs Kindern einer Berliner jüdischen Familie. Mit dem 1906 erschienenen Roman Jettchen Gebert wurde er ein populärer Romancier, das Werk wurde für die Bühne adaptiert und danach verfilmt, von Richard Oswald mit Conrad Veidt in einer Hauptrolle, beide emigrierten 1933. Georg Hermann war 1909 Mitgründer des Schutzverbandes Deutscher Schriftstellerund dessen erster Vorsitzender. 1933 wurden seine Bücher verbrannt, er emigrierte nach Holland. Am 16. November 1943 wurde er aus dem Lager Westerbork nach Auschwitz deportiert und sofort nach der Ankunft ermordet.

        Im Narrativ der Münchner Kammerspiele wird die Inszenierung von Jettchen Gebert, eines sentimentalen Familienblatt-Romans“, als „Falckenbergs erste reguläre Inszenierung“ dokumentiert, die es „doch auf neunundzwanzig Wiederholungen brachte“, schreibt Wolfgang Petzet.undefined Das Schicksal des Schriftstellers Georg Herman Borchardt wird nicht erwähnt.

      • Else Herrmann

        • Schauspieler*in
        * 1899, Berlin
        † 1957, London

        Else Herrmann war in der Spielzeit 1930/31 Mitglied des Ensembles der Münchner Kammerspiele im Schauspielhaus und im Volkstheater.

        Sie kam 1899 in Berlin zur Welt als älteste von drei Töchtern des Apotheker-Ehepaars Hans Heinrich Hermann (Halle 1863 – 1927 Streitberg/Oberfranken) und Sophie geb. Kohn (Nürnberg 1877 – Berlin 1947). Else Herrmann machte eine Schauspielausbildung in Wien an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in der Klasse des eminenten Theatermannes Rudolf Beer (1885–1938), der nach dem 'Anschluss' Österreichs, verhaftet und schwer misshandelt, sich das Leben nahm.

        1928/29 wurde Else Herrmann für das Ensemble der Wiener KOMÖDIE engagiert, die Wiener Zeitschrift DIE BÜHNE veröffentlichte 1928 eine Porträtaufnahme von ihr der Photographin Trude Geiringer (Wien 1890 – 1981 Larchmont/Arkansas USA). Im Oktober 1928 spielte Else Herrmann eine Hauptrolle in Arnold Ridleys Bühnenstück Nordexpress 133 ('The Wrecker') in der Inszenierung Otto Ludwig Premingers (Witznitz/Bukowina 1905–1986 New York), der 1935 in die USA emigrierte und dort einer der großen Filmregisseure wurde. In der Spielzeit 1930/31 gehörte Else Herrmann dem Ensemble der Münchner Kammerspiele im Schauspielhaus und im Volkstheater an.

        Sie spielte in fünf Produktionen u. a. in Richard Révys Inszenierung von Pension Schöller zusammen mit Therese Giehse, Mia Engels, Kurt Horwitz und Karl Kyser, die alle 1933 Deutschland verlassen mussten. Else Herrmann kehrte nach Wien zurück, noch im Februar 1935 spielte sie zusammen mit Erich Ziegel in dem hochpolitischen, semi-dokumentarischen Stück Hohes Gericht von Firner / Flandrak in der Regie von Josef Glücksmann. Walter Firner und Josef Glücksmann, zusammen mit seiner Frau Mia Engels, flohen 1938 in die USA. Am 28. Juli 1936 trat Else Herrmann noch einmal in einem Gastspiel im Stadttheater Marienbad auf. Danach floh sie nach London ins Exil.

        Ein Bruder ihrer Mutter war bereits 1933 aus Nürnberg nach London geflohen.

        Else Herrmanns Mutter wurde zusammen mit ihrer Tochter Gertrud (Berlin *1904) 1943 aus Berlin nach Theresienstadt deportiert, sie überlebte das Konzentrationslager, starb aber an den Folgen der Haft 1947. Gertrud wurde im Konzentrationslager ermordet. Die jüngste Tochter Dorothea (Berlin *1906), eine Buchhändlerin, überlebte die NS-Gewaltherrschaft, sie starb hochbetagt 2001 in Berlin.

        Else Herrmann starb am 31. Dezember 1957 in London. Über ihr Leben in den zwei Jahrzehnten ihres englischen Exils haben wir noch nichts in Erfahrung bringen können.

      • Peter Herz

        • Autor*in
        * 1895, Wien
        † 1987, Wien

        VTH/MK Oktober 1932: Böhmische Musikanten. Singspiel. Angekündigt im MK Programmheft Oktober 1932: „Erstaufführung noch im Oktober 1932“, Musik: Bernhard Grün, Libretto: Peter Herz und Julius Wilhelm

        Peter Herz kam am 18. Januar 1895 in Wien auf die Welt. Nach dem Studium an der Akademie für Musik in Wien, danach einer kurzen Bankbeamtentätigkeit, war er Mitschöpfer der ersten Wiener Revuen für verschiedene Kabaretts und Theater. Als Librettist arbeitete er kongenial für die Komponisten der Wiener Operetten Leo Ascher, Edmund Eysler, Leo Fall, Bruno Granichstaedten und Bernard Grün, deren Werke von den Nationalsozialisten verboten wurden. Nach dem NS-Anschluss Österreichs flohen Ascher und Granichstaedten nach New York, Eysler tauchte unter und wurde versteckt, Leo Fall starb 1925, seine beiden Brüder, die Komponisten Richard und Siegfried wurden von den Nazis ermordet. Peter Herz floh 1938 über Zürich und Paris nach London. 1941 gründete er in London den Blue Danube Club als deutschsprachige Kleinkunstbühne,nach 1945 arbeitete er auch als Auslandskorrespondent u. a. für die Zeitungen Neues Österreich und Die Presse. Nach seiner Rückkehr nach Wien schrieb er Feuilletons, Drehbücher, Hörbücher und Rundfunksendungen. 1962 veröffentlichte er den Roman Man hat's nicht leicht, 1985 seine Autobiographie Gestern war ein schöner Tag. Liebeserklärung eines Librettisten an die Vergangenheit, in der diese Sätze stehen:

        "Ein alter Herr wie ich neigt eher dazu, mit den Jahren alles wegzuschieben, wegzudenken, was unvergessen bleiben muß, nie vergessen werden darf.Aber leider ... In Wien wird es mir bei allem Vergessen wollen weiter noch zu Ohren gebracht, denn auch ein schwerhöriger Alter wie ich muß öfter Aussprüche von echten Wienern mit bekanntlich goldenem Herzen hören, wie zum Bespiel: 'Der Hitler hat schon recht g'habt, als er ..."

        Peter Herz: Gestern war ein schöner Tag. Liebeserklärung eines Librettisten an die Vergangenheit. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1986.

      • Kurd Erich Heyne

        • Schauspieler*in
        • Regisseur*in
        • Autor*in
        * 1906, Braunschweig
        † 1953, Luzern

        MK/VTh 15.03.–28.03.1932: Hier irrt Goethe, Akademisches Brettl „Die vier Nachrichter“ und Ensemble, Literarische Posse mit Musik in 3 Akten, Text: Kurd Erich Heyne, Helmut Käutner, Bobby Todd, Literarische Beratung: Kurd E. Heyne, u. a. mit Kurd E. Heyne, Bobby Todd

        Kurd Erich Heyne kam am 3. Oktober 1906 in Braunschweig auf die Welt. Nach Studien der Philologie, Musik- und Theaterwissenschaft in Göttingen, Berlin und München gründete er 1930 zusammen Helmut Käutner, Werner Kleine und Bobby Todd das Kabarett Die vier Nachrichter. 1932 feierten sie große Erfolge mit der Persiflage auf die Feierlichkeiten des Goethe-Jahres, sie gastierten damit auch am Schauspielhaus Zürich. Nach dem Verbot der Gruppe durch Goebbels, dem Ausschluss aus der Reichstheaterkammer 1935, aus der Reichsmusikkammer und der Reichsschrifttumskammer 1937 emigrierte Heyne 1938 in die Schweiz. Von 1938 – 1961 war er am Stadttheater Basel engagiert als Schauspieler, Regisseur und Autor von Singspielen, Operetten, Revuen und bunten Abenden. Er starb am 5. Mai 1961 in Luzern.

      • Hugo Hirsch

        • Komponist*in
        * 1884, Birnbaum (Miedzychód)
        † 1961, Berlin

        MK 02.06.1931: Fräulein Mama. Lustspiel nach Louis Verneuil von Richard Kessler, Musik von Hugo Hirsch, Regie: Hugo Schrader, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Bühne: David Schneuer. Erstaufführung im Volkstheater mit großem Erfolg Juni/Juli 1931

        Hugo Hirsch kam am 12. März 1884 in Birnbaum / Posen auf die Welt. Nach seinem Musikstudium am Konservatorium in Stettin und danach in Berlin komponierte er Vaudeville-Operetten und Schlager, mit denen er neben Jean Gilbert und Walter Kollo zu einem „Altmeister“ der Berliner Operette wurde. 1924 wurde eines seiner sehr erfolgreichen Stücke über ein Jahr lang am Londoner Shaftesbury Theatre gespielt.

        1925 wurden in Berlin vier 'Hirsch-Uraufführungen' gespielt im Theater am Schiffbauerdamm, im Operettentheater am Schiffbauerdamm, im Lessingtheater und im Deutschen Künstlertheater. Unmittelbar nach der 'Machtergreifung' der Nazis 1933 floh Hugo Hirsch mit seiner Frau Tilly (1887–1978) nach London. Unter welchen Gefährdungen die beiden in England, Belgien und Frankreich überlebten, wissen wir nicht. Nach dem Ende der Naziherrschaft kehrten sie auf Bitte Ernst Reuters 1949 nach Berlin zurück. Anfang der 1950er Jahre wurden zwei seiner Operetten verfilmt. 1952 Der Fürst von Pappenheim – 1927 schon einmal verfilmt mit Curt Bois in der Titelrolle – und 1953 Die tolle Lola – ebenfalls schon einmal verfilmt 1927 mit Lilian Harvey in der Titelrolle. Danach fast vergessen, starb Hugo Hirsch am 16. August 1961 in Berlin.

        2012 erschien im Verlag Hentrich&Hentrich (Berlin/Leipzig) in der Reihe Jüdische Miniaturen von Hartmut Bartmuss, Hugo Hirschs Wer wird denn weinen.

      • Max Hirschberg

        • Anwälte
        * 1883, München
        † 1964, New York

        Anwalt der Münchner Kammerspiele zusammen in der gemeinsamen Kanzlei Dr. Hirschberg – Dr. Loewenfeld – Dr. Regensteiner in München, Kaufingerstraße 30, danach Briennerstraße 9. Dr. Elisabeth Kohn trat Ende 1928 in die Kanzlei ein.

        Max Hirschberg war Sohn einer Münchner jüdischen Kommerzienratsfamilie. Er war SPD-Mitglied und politischer Verteidiger, wie Adolf Kaufmann und Philipp Loewenfeld. Hirschberg geriet früh ins Visier der Nationalsozialisten durch seine Strafverteidigung Felix Fechenbachs, dem Sekretär Kurt Eisners, und des Münchner Post Redakteurs Martin Gruber in zwei politischen Prozessen. Erfolgreich vertrat er juristisch Karl Kraus gegen das NS-Kampfblatt VÖLKISCHER BEOBACHTER, als Kraus nach der Aufführung seines Traumstücks im Studio der Münchner Kammerspiele im März 1928 auf übelste Weise von Wilhelm Weiß, Chef vom Dienst des VÖLKISCHEN BEOBACHTER, angegriffen worden war.

        Am 10. März 1933 wurde Max Hirschberg als einer der ersten politischen Gefangenen in München verhaftet und fünfeinhalb Monate im Gefängnis in der Corneliusstraße „in Schutzhaft“ weggesperrt. 1934 floh er mit seiner Familie nach Mailand, 1938 wurde er ausgebürgert, 1939 entzog ihm die LMU den Doktorgrad, im März 1939 emigrierte er nach New York. 1944 wurde er US-amerikanischer Staatsbürger, bis ins hohe Alter als Anwalt und Autor aktiv.

        Er starb im 81. Lebensjahr am 21.06.1964 in New York. Posthum wurde seine Autobiographie veröffentlicht: MAX HIRSCHBERG, Jude und Demokrat. Erinnerungen eines Münchner Rechtsanwalts 1883 bis 1939,bearbeitet von Reinhard Weber, R.Oldenbourg Verlag,München 1998.

        In München ist seit 2002 der Max-Hirschberg-Weg (Schwanthalerhöhe) nach ihm benannt.

      • Ludwig Hirschfeld

        • Autor*in
        * 1882, Wien
        † 1942, KZ Auschwitz
        • MK 04.12.1930 Geschäft mit Amerika von Paul Frank und Ludwig Hirschfeld MK-Erstaufführung auf der Bühne des Volkstheaters, Regie: Rudolf Hoch, u. a. mit Else Hermann
        • MK 31.01.1933 Das schwedische Zündholz, Regie: Julius Gellner, mit Therese Giehse, Richard Révy u. a.

        Sofort nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten in München flüchtete Therese Giehse am 13. März 1933 in die Schweiz. Ihre Rolle der Haushälterin Johanna übernahm Lisl Karlstadt. Julius Gellner entkam der Verhaftung durch Flucht nach Prag.

        Ludwig Hirschfeld war ein österreichisch jüdischer Schriftsteller, Übersetzer und einer der großen Wiener Feuilletonisten. Bei seinen Bühnenstücken und Libretti arbeitete er u. a. mit Paul Frank, Rudolf Oesterreicher und Karl Farkas zusammen. Unmittelbar nach dem 'Anschluss' Österreichs im März 1938 wurde Ludwig Hirschfeld wie viele seiner Kolleg*innen verhaftet und acht Wochen lang im KZ Dachau interniert. Durch Einsatz von Freunden und seiner Frau gelang die Freilassung, man ließ die Nazis in dem Glauben, Ludwig Hirschfeld sei das Opfer einer Verwechslung geworden. Zusammen mit seiner Frau Elly (*1891) und Tochter Eva (*1920) floh er nach Frankreich, Sohn Herbert (*1921) war schon im März 1938 vorausgeschickt worden. Es folgten vier schwierige Jahre in der Emigration in Westfrankreich im Arrondissement Saint-Nazaire am Atlantik. Im Herbst 1942 wird die ganze Familie verhaftet, der Sohn wird mit dem Transport Nr. 30 am 9. September 1942, die Familie mit dem Transport Nr. 42 am 6. November 1942 von Drancy nach Auschwitz deportiert und dort Ende 1942 ermordet. Der Sohn wird in einem Außenarbeitslager von Auschwitz, im KZ Blechhammer, 1944 erschossen. Mit demselben Transport Nr. 42 war auch der Direktor der Münchner Kammerspiele Benno Bing von Drancy nach Auschwitz deportiert und am 21. Dezember 1942 dort ermordet worden.undefined

        Kein Wort davon im bisherigen Narrativ der Münchner Kammerspiele, stattdessen:

        Der Spielplan der ersten Monate nach der „Machtergreifung“ war, als sei diese überhaupt nicht geschehen: während des Faschings wurde vierunddreißigmal „Charleys Tante“ mit Will Dohm gespielt; dann zwölfmal die nette französische Kunstfälscher-Komödie 'Achtung! Frisch gestrichen!' von René Fauchois (mit Frieda Richard als Gast), vierundvierzigmal gar 'DAS SCHWEDISCHE ZÜNDHOLZ'von Ludwig Hirschfeld . . . Nunmehr dachte Falckenberg also nach, wie wohl im April nationalsozialistische Machtergreifung mit seinem eigenen Geschmack und der Tradition der Kammerspiele zu vereinen wäre.

        Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch-Verlag 1973, S. 254.

      • Stefan Hock

        • Übersetzer*in
        * 1877, Wien
        † 1947, London

        MK 16.02.1927: Die Gefangene von Edouard Bourdet, Übersetzung aus dem Französischen: Stefan Hock, Gastspiel der Reinhardt-Bühnen Berlin-Wien in München

        Nach Germanistikstudium in Wien und Berlin, Promotion und Habilitation war Stefan Hock von 1919 – 1934 Dramaturg am Wiener Burgtheater, Regisseur an Max Reinhardts Deutschem Theater in Berlin und in der Josefstadt Wien. 1934/35 war er zusammen mit Paul Barnay Direktor des Raimund Theaters in Wien und war Regisseur bei Reinhardts Tourneen in den USA und in Großbritannien. Er übersetzte englische, französische, italienische und russische Theaterstücke ins Deutsche. Nach dem NS-Anschluss Österreichs floh Stefan Hock 1938 nach London. Dort arbeitete er als Schauspiellehrer und organisierte Theaterfestivals in Schottland.

        Von Edouard Bourdet wurde am 10.09 1929 ein zweites Stück inszeniert – Soeben erschienen, Regie: Julius Gellner. Dieses Stück übersetzte Bertha Zuckerkandl aus dem Französischen ins Deutsche.

      • Friedrich Hollaender

        • Komponist*in
        * 1896, London
        † 1976, München

        Münchner Kammerspiele 28.02.1923: Die Kaiserin von Neufundland von Frank Wedekind, mit Blandine Ebinger, Carola Neher, Kurt Horwitz, Regie: Robert Forster-Larrinaga, Musik: Friedrich Hollaender

        Friedrich Hollaender kam als Sohn einer Berliner jüdischen Familie von Komponisten und Theatermenschen in London auf die Welt. Er studierte Klavier am Stern'schen Konservatorium in Berlin. Nach dem ersten Weltkrieg wurde er Mitgründer des legendären Kabaretts 'Schall und Rauch' zusammen mit Kurt Tucholsky, Klabund, Walter Mehring, Mischa Spoliansky, Joachim Ringelnatz und Blandine Ebinger, mit ihr war er ein paar Jahre verheiratet. 1933 emigrierte er nach Paris und in die USA. 1955 remigrierte er nach Deutschland und lebte bis zu seinem Tod in München.

      • Oskar Homolka

        • Schauspieler*in
        * 1998, Wien
        † 1978, Tunbridge

        In der Spielzeit 1923/24 im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Am 18.03.1924, u. a. in der Rolle des Mortimer in der Uraufführung von Brechts Das Leben Eduard II. von England (18.03.1924).

        1933 Rückkehr nach Österreich zusammen mit seiner Frau Grete Mosheim.

        1934 Emigration zusammen nach England und weiter 1938 in die USA. 1951 Remigration nach Österreich, Rolle des Dorfrichter Adams in Kleists Der zerbrochene Krug bei den Salzburger Festspielen, Regie: Berthold Viertel, in der Rolle der Marthe Rull: Therese Giehse

      • Franz Horch

        • Kurt Horwitz

          • Schauspieler*in
          * 1897, Neuruppin
          † 1974, München

          1919 als 21-Jähriger an die Münchner Kammerspiele, zusammen mit seiner späteren Frau Adele Leschka, bis 1933 Mitglied des Ensembles.

          Juli 1933 Flucht zusammen mit Frau und Tochter in die Schweiz.

          Bis 1952 Arbeit als Schauspieler und Regisseur an den Theatern in Zürich und Basel.

          1952 Remigration nach München, Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels bis 1958.

        • Mirjam Horwitz

          • Schauspieler*in
          • Regisseur*in
          * 1889, Berlin
          † 1967, Hamburg

          April 1913 – August 1916 Schauspielerin an den Münchner Kammerspielen, zusammen mit ihrem Mann Erich Ziegel, Regisseur und Direktor der MK. Ab 1916/17 in Hamburg am Deutschen Schauspielhaus, 1918 bis 1926 zusammen mit Erich Ziegel Leitung der Hamburger Kammerspiele, danach bis 1933 Theaterleiterin, 1933 Aufführungsverbot aufgrund ihrer jüdischen Herkunft. 1934 Flucht nach Wien, zusammen mit ihrem Mann. Der Generalintendant des Staatlichen Schauspielhauses Gustav Gründgens holt Erich Ziegel mit Beginn der Spielzeit 1936/37 nach Berlin, als Regisseur, Dramaturg und Schauspieler. Mirjam Horwitz kommt mit ihm, da er sich dem Druck widersetzt und sich nicht scheiden lässt von seiner jüdischen Frau. Er kann sie so schützen, aber Mirjam Horwitz bleibt jegliche Auftrittsmöglichkeit bis zum Ende der NS-Herrschaft verwehrt. Im Sommer 1945 entschließen sich beide, ihre Theaterarbeit in Wien fortzusetzen. Zunächst an den Kammerspielen dort und von 1946–1950 am Theater DIE INSEL, Erich Ziegel als Direktor und beide auf der Bühne. Nach seinem Tod ging sie als Schauspielerin und Regisseurin nach Berlin.

        • Heinrich Ilgenstein

          • Autor*in
          * 1875, Memel (Klaipėda)
          † 1946, Gentilino
          • MK 22.07.1911: Fiat Justitia mit Lothar Goldschmidt (1862 – 1931), Regie: Eugen Robert
          • MK 31.01.1914: Kammermusik, Regie: Paul Marx

          Heinrich Ilgenstein saß 1910 ein halbes Jahr lang in Untersuchungshaft im Gefängnis Moabit wegen des Verdachts der Majestätsbeleidigung. Er emigrierte zusammen mit seiner Frau in die Schweiz noch vor der ‘Machtergreifung’ der Faschisten. Als sein jüdischer Verleger in Berlin, Erich Reiß, 1938 nach dem Novemberpogrom im KZ Sachsenhausen interniert wurde, betrieb Ilgenstein von der Schweiz aus mit Erfolg Reiß’ Ausreise in die USA. Reiß half nach Kriegsende den Ilgensteins bei der Einbürgerung in die Schweiz.

        • Grete Jacobsen

          • Schauspieler*in
          * 1898, Wien
          † 1989, München

          In der Spielzeit 1919/20 kam Grete Jacobsen aus Wien ins Ensemble der Münchner Kammerspiele und blieb bis Sommer 1925, bevor sie mit ihrem Mann, dem Schauspieler und Regisseur Erwin Faber (Innsbruck 21.06.1891–04.05.1989 München) nach Berlin ging. Die beiden heirateten 1922. 1932/33 war sie am Hessischen Landestheater Darmstadt engagiert. 1933 verhängten die Nationalsozialisten über die österreichisch jüdische Schauspielerin ein Berufsverbot und ihr Mann wurde unter Druck gesetzt, sich von seiner jüdischen Ehefrau scheiden zu lassen. Erwin Faber widersetzte sich diesem Ansinnen. Er wurde ins Ensemble des Schauspielhauses Düsseldorf engagiert, Grete Jacobsen kam mit und überlebte durch die Unbeugsamkeit ihres Mannes. In der Spielzeit 1952/53 kehrten beide auf die Bühne der Münchner Kammerspiele zurück, Grete Jacobsen spielte in Hilperts Inszenierung von Raimunds Der Bauer als Millionär (23.04.1953), Erwin Faber in Kortners Inszenierung von Tennessee Williams Die tätowierte Rose (24.02.1953). Sie starben nach siebenundsechzigjähriger Partnerschaft am 4. Mai 1989 in München.

        • Ilja Jacobson

          • Kapellmeister*in

          Münchner Kammerspiele 1926/27 – 1927/28 – 1928/29: Kapellmeister des Theaters

          MK 19.09.1926: Dantons Tod von Georg Büchner (Eröffnungspremiere im Schauspielhaus), Regie: Otto Falckenberg, Musik und musikalische Leitung: Ilja Jacobson

          MK 05.11.1927: Liebes-Leid und Lust von William Shakespeare, Regie: Otto Falckenberg, Musik: Christian Lahusen, Musikalische Leitung: Ilja Jacobson

          MK 26.11.1928: Lulu von Frank Wedekind, Regie: Otto Falckenberg, Musik: Ilja Jacobson

          Ilja Jacobson emigrierte 1933 nach Palästina. Am 9. November 1933 findet in Tel Aviv ein Orchesterkonzert statt. Dirigent ist: Ilja D. Jacobson undefined

        • Karlheinz Jaffé

          • Schauspieler*in
          * 1902, Hamburg
          † 1974, London

          MK 05./06.07.1931: Amphytrion 38 von J. Giraudoux und DER KREIS von W. S. Maugham. Gastspiel Elisabeth Bergner und Ensemble, u. a. mit Karlheinz Jaffé, Paul Hardtmuth, Ernst Ginsberg

          Karlheinz Jaffé kam am 21. März 1902 als Sohn einer Hamburger jüdischen Arztfamilie auf die Welt. Nach Theaterlehrjahren in Hamburg, Wiesbaden und Kassel kam er nach Berlin. Nach der 'Machtergreifung' der Nazis konnte er unter dem angenommenen Namen Frank Alwar noch am Renaissance-Theater weiterspielen, 1936 floh er mit seiner Familie nach London. Es gelang ihm dort, zunächst mit deutschsprachigen Stücken seine Theaterarbeit fortzusetzen, 1937 wurde er an einem Londoner Westend-Theater engagiert. In der zweiten Hälfte seines Lebens wurde er Filmschauspieler. 1947 wurde er britischer Staatsbürger. Er starb in London am 12. April 1974.

        • Heinrich Jalowetz

          • Komponist*in
          * 1882, Brünn (Brno)
          † 1946, Black Mountain, North Carolina

          MK 01.03.1928: Traumstück von Karl Kraus, Musik: Heinrich Jalowetz, Regie: Julius Gellner, Musikalische Leitung: Ilja Jakobson, Erstaufführung im Studio, u. a. mit Therese Giehse, Kurt Horwitz, Guido Török

          Heinrich Jalowetz wurde am 03.12.1882 in Brünn geboren. Nach dem Studium der Musikwissenschaft an der Universität in Wien, wobei er gleichzeitig Schüler von Arnold Schönberg (Wien 1874–1951 Los Angeles, USA) und Alexander von Zemlinsky (Wien 1871–1942 Larchmont/New York, USA) war, wirkte er von 1909/10 an als Komponist und Dirigent an den Theatern in Regensburg, Danzig, Stettin, Prag, an der Volksoper Wien und ab 1925 an der Kölner Oper. Nach der 'Machtergreifung' der Nazis floh er 1933 mit seiner Frau Johanna (geb. Groag, 1885–1966), einer Gesangspädagogin, und der jüngsten Tochter Lisa (geb. 1920 in Prag, gest. 2013 in New York) nach Reichenberg in der Tschechoslowakei. Die 23jährige Tochter Trude (geb. 1910 in Danzig, gest. 1976 in San Francisco) floh nach Holland. Nach dem 'Anschluss' Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland im März 1938 flüchtete Heinrich Jalowetz mit seiner Frau über Holland und Kanada in die USA. Bis zu seinem Tod im Februar 1946 arbeitete er als Hochschullehrer am Black Mountain College. Trude heiratete den Bauhaus–Photographen Paul Guermonprez, der sich dem holländischen Widerstand anschloss, 1944 von der Gestapo verhaftet und ermordet wurde. Sie emigrierte 1947 in die USA und wurde eine renommierte Textilkünstlerin. Lisa Jalowetz, die bereits mit 15 Jahren in Wien an der Kunstgewerbeschule eine Ausbildung begann und dort eine Klasse für Bühnen- und Filmgestaltung besuchte, in Verbindung mit dem Max Reinhard Seminar, gelang 1938 wie ihren Eltern die Flucht in die USA. Sie setzte am Black Mountain College ihre Studien fort. In New York begegnete sie dem 1923 aus Kiew in die USA emigrierten Bühnenbildner und Künstler Boris Aronson (Kyiv 1898–1980 New York).

          Die beiden wurden zusammen „for thirty-five years a legendary, collaborative husband–wife team that created extraordinary, inventive sets for the Broadway theater“, wie Marc Aronson, der Sohn der beiden es als Hommage an seine Eltern formuliert und einen großen Satz hinzufügt:

          „Yet their legacy extends even further back – to Lisa's own family, the Jalowetzes, who were at the epicentre of European modernism, and who eventually fled Hitler's Europe to contribute to the American avant–garde“.

          Das Wiener Museum am Karlsplatz zeigte von 11.01.2018 bis 13.01.2019 in der Ausstellung Fluchtspuren – Flucht europäisch erzählen die Geschichte einer jungen Frau, deren Leben in Wien des Jahres 1938 eine radikale Wende genommen hatte: „Eine unterbrochene Karriere. Theaterskizzen von Lisa Jalowetz“.

        • Fritz Jessner

          • Schauspieler*in
          * 1889, Stolp (Słupsk)
          † 1946, Boston

          In der Spielzeit 1917/18 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Das Wintermärchen(29.09.1917) in der Rolle des Cleomenes und in Falckenbergs Inszenierung von Georg Kaisers Die Koralle (27.10.1917)in der Hauptrolle Der Sohn.

          Von 1925–1933 war er Oberspielleiter, ab 1928 Intendant am Preußischen Landestheater Königsberg, bis zur sog. ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten. Im Sommer 1933 konnte er in Straßburg inszenieren, er ging nochmal zurück nach Berlin als Oberspielleiter des Theaters des Jüdischen Kulturbundes, 1936 emigrierte er in die Schweiz und von dort 1940 in die USA. Er unterrichtete u. a. an der Yale University im Rahmen eines 'honorary research scholarship'.

          Fritz Jessner, in erster Ehe verheiratet mit der Hamburger jüdischen Schauspielerin Lilli Schmahl (gest. 05.05.1942 in Hamburg). Lilli Schmahls Mutter Antonie Thiele-Schmahl wurde am 05.05.1943 nach Theresienstadt deportiert und dort am 29.06. 1943 ermordet. Fritz Jessner und Lilli Schmahl haben zusammen zwei Töchter: Hannelore Jessner (geb. in Hamburg am 30.03.1915) und Eva Jessner (geb. in Hamburg 12.02.1917).

          In zweiter Ehe war Fritz Jessner seit 1928 mit der jüdischen Ärztin und Kinderanalytikerin Lucie Jessner geb. Ney (Frankfurt 1896–Washington 1979) verheiratet. Sie hatte Literaturwissenschaft studiert und promoviert, bevor sie zur Medizin wechselte und in Königsberg den 19-jährigen jüdischen Philosophiestudenten Hans Pollnow heiratete. Die beiden trennten sich, er studierte Medizin und wurde Kinderpsychiater. 1933 vermittelte er Lucie Jessner eine Stelle an einer psychiatrischen Klinik in Bern, sie emigrierte in die Schweiz, bevor Fritz Jessner 1936 nachkam. Hans Pollnow emigrierte 1933 nach Frankreich, kämpfte 1940 in der französischen Armee, wurde 1943 von der Gestapo verhaftet und ins KZ Mauthausen deportiert. Am 21. Oktober 1943 wird er „auf der Flucht erschossen“. Lucie Jessner lehrt als Professorin für Psychiatrie an der University of North Carolina und an der Georgetown University in Washington.

          Hannelore Jessner wird Schauspielerin, 1933 emigriert sie nach Holland. Sie überlebt Internierung in Westerbork und Deportation ins KZ Bergen-Belsen, lebte danach in Casablanca. 1992 stirbt sie in Paris. Eva Jessner emigriert in die USA, sie stirbt 2016.

        • Felix Joachimson

          • Autor*in
          * 1902, Hamburg
          † 1992, Los Angeles

          MK 24.01.1931: Wie werde ich reich und glücklich, Musik: Mischa Spoliansky Regie: Rudolf Hoch

          Felix Joachimson kam als Sohn einer Hamburger jüdischen Familie auf die Welt. Nach einem Jurastudium begann er in Berlin Bühnenstücke zu schreiben. Sein erstes Stück Fünf von der Jazzband inszenierte Erich Engel am Staatlichen Schauspielhaus.

          1930 wurde mit Wie werde ich reich und glücklich erstmals eine seiner Komödien verfilmt, von Max Reichmann, der 1933 emigrierte. Als es am 8. September 1933 bei der Premiere des Films Das häßliche Mädchen (Drehbuch: Felix Joachimson, Regie: Hermann Kosterlitz) zu antisemitischen Krawallen kam, im Vorspann die Namen der beiden bereits verschwiegen wurden, emigrierten sie nach Budapest und Wien. Kosterlitz ging 1936 in die USA und drehte als Henry Koster Filme, Felix Joachimson emigrierte 1937 in die USA, schrieb als Felix Jackson Drehbücher und arbeitete als Filmproduzent.

        • Albrecht Joseph

          • Regisseur*in
          * 1901, Frankfurt
          † 1991, Los Angeles

          Albrecht Joseph inszenierte an den Münchner Kammerspielen Zuckmayers Der Fröhliche Weinberg (Premiere 09.02.1926). Der Sohn einer Frankfurter jüdischen Anwaltsfamilie, begann als Regieassistent u. a. von Leopold Jessner in Berlin, befreundet mit Zuckmayer wurde er an den MK mit dieser Inszenierung beauftragt, die auf organisierte, heftige Proteste von Nazis traf. 1929 promovierte Albrecht Joseph an der LMU bei dem Literaturhistoriker Fritz Strich, Berater der Münchner Kammerspiele und während der NS-Zeit im Exil in der Schweiz. 1933 floh Joseph nach Österreich, von dort 1938 nach Italien, Frankreich, England und 1939 in die USA. Die nächsten fünfzig Jahre lebte er beruflich und privat ein sehr bewegtes Leben.

        • Jakov Jushny

          • Regisseur*in
          • Schauspieler*in
          * 1883, Odessa
          † 1938, Prag

          MK 24., 25. und 26.04.1931: Der blaue Vogel. Jakov Jushny's Theater mit neuem Programm. Vier Gastspiele im Schauspielhaus.

          Jakov Jushny kam 1883 in Odessa auf die Welt und wuchs in Vilnius auf. Nach der Oktoberrevolution emigrierte er nach Berlin und gründete zusammen mit anderen russischen Theaterkünstlern, der Schauspielerin Tamara Duvan, dem Schauspieler Isaak Duvan-Torzoff und dem Regisseur André Andrejew – das Emigranten-Theater DER BLAUE VOGEL. In ihren Programmen kombinierten sie moderne Theaterszenen, Tanz, Parodien russischer Lieder und satirische Nummern. Von 1923 an ging Jakov Jushny mit der Theater-Truppe auf Tournee in ganz Europa.

          1931 trat Jakov Jushny mit dem Blauen Vogel an drei Abenden in den Münchner Kammerspielen auf.

          Nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten 1933 konnte Der blaue Vogel noch in den Niederlanden auftreten. 1936 geriet Jakov Jushny auf die schwarze Liste des RSB ('Reichssender Berlin'), dies bedeutete ein Aufnahme- und Sendeverbot.

          1937 gastierte die Künstlertheater-Truppe in Österreich. Am 16. Oktober 1938 nahm sich Jakov Jushny in Prag das Leben.

        • Harry Kahn

          • Georg Kaiser

            • Autor*in
            * 1878, Magdeburg
            † 1945, Ascona

            MK 28.04.1917: Von Morgens bis Mitternachts (UA), Regie: Otto Falckenberg

            MK 29.10.1917: Die Koralle (UA), Regie: Otto Falckenberg

            MK 01.03.1919: Claudius, Regie: Paul Kalbeck

            MK 13.06.1919: Der Brand im Opernhaus, Regie: Erich Ziegel

            MK 05.01.1924: Nebeneinander, Regie: Bernhard Reich

            MK 26.01.1926: Der mutige Seefahrer, Regie: Hans Schweikart

            MK 11.08.1927: Papiermühle, Regie: Hans Schweikart

            MK 24.09.1928: Oktobertag, Regie: Hans Schweikart

            MK 05.02.1930: 2 Kravatten, Regie: Robert Forster-Larrinaga

            Georg Kaiser war zwischen 1921 und 1933 der meistgespielte Dramatiker in Deutschland. Allein an den Münchner Kammerspielen werden von 1917 bis 1930 neun seiner Stücke inszeniert. Unmittelbar nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten wurden die drei Premieren seines neuen Stücks Der Silbersee am 18. Februar 1933 in Erfurt, Magdeburg und Leipzig durch Protestdemonstrationen und Boykottdrohungen gestört. Danach wurde kein Stück von Kaiser mehr aufgeführt. Im Mai 1933 wurde er aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen. 1938 flüchtete er über Amsterdam in die Schweiz ins Exil. Am 2. November 1940 inszeniert der junge Schweizer Regisseur Franz Schnyder, der 1939 als Gastregisseur an den Münchner Kammerspielen arbeitete, die Uraufführung von Kaisers Der Soldat Tanaka.

            Am 4. Juni 1945 stirbt Georg Kaiser im Exil.

          • Paul Kalbeck

            • Schauspieler*in
            • Regisseur*in
            • Direktor*in
            * 1884, Obernigk (Oborniki Śląskie)
            † 1949, Bern

            Schauspieler, Regisseur. Ab der Spielzeit 1917/18 an den Münchner Kammerspielen, ab 1920 Oberspielleiter, inszenierte Stücke u. a. von Wedekind, Strindberg, Nestroy. 1921 nach Wien. Gründete dort eine Schauspielschule, aus der das Reinhardt-Seminar hervorging. Nach dem ‘Anschluss’ 1938 Emigration in die Schweiz, nach dem Ende des NS–Regimes Rückkehr nach Wien.

          • Erwin Kalser

            • Schauspieler*in
            • Regisseur*in
            * 1883, Berlin
            † 1958, Berlin

            Erwin Kalser war promovierter Germanist, bevor er nach ersten Theatererfahrungen mit einer Wandertruppe am 10. Januar 1911 bei der Eröffnung des Lustspielhauses in der Augustenstraße 89 ('Zum großen Wurstel') in Robert Eugens erster Produktion mit auf der Bühne stand, zum letzten Mal nach elf Jahren an den Kammerspielen in der Hauptrolle des Chlestakov in Falckenbergs Inszenierung von Gogols Der Revisor am 24. Juli 1922. Seine erste Regiearbeit an den MK war die Uraufführung von Otto Zoffs Stück Kerker und Erlösung am 1. Januar 1918. Seine Inszenierung von Frank Wedekinds Schloss Wetterstein am 6. Dezember 1919 war von organisierten widerwärtigen antisemitischen Protesten begleitet. Von den 18 Mitgliedern der Kammerspiele auf dem Programmblatt der Uraufführung müssen 1933 sechs der Schauspieler*innen aus Deutschland fliehen – Regisseur Erwin Kalser, die Schauspieler*innen Sybille Binder, Kurt Horwitz, Arnold Marlé, Hans Tintner und Direktor Benno Bing.

            1922 ging Erwin Kalser mit seiner Frau Irma von Cube, Schauspielerin, Schriftstellerin und Drehbuchautorin und dem 1920 in München geborenen Sohn nach Berlin. Er arbeitete dort als Theaterschauspieler, Regisseur und auch als Darsteller in Tonfilmen.

            1933 floh er mit Frau und Sohn in die Schweiz und arbeitete am Schauspielhaus Zürich. 1939 emigrierte er in die USA, vor ihm 1936 seine Frau mit dem Sohn.

            1946 remigrierte er in die Schweiz, zurück ans Schauspielhaus in Zürich. 1952 kehrte er nach Deutschland zurück, bis zu seinem Tod 1958 Mitglied des Ensembles der Staatl. Schauspielbühnen Berlin. Irma von Cube-Kalser starb 1977 in Los Angeles. Der Sohn Konstantin Kalser, Filmproduzent und Regisseur, starb 1994 in New York.

          • Ernst Kamnitzer

            • Regisseur*in
            * 1885, Allenstein (Olsztyn)
            † 1946, Fribourg

            MK 30.04.1921: Mirandolina von Carlo Goldoni. Regie: Ernst Kamnitzer, u. a. mit Elisabeth Bergner

            Ernst Kamnitzer kam am 20. Oktober 1885 in Allenstein (heute Olsztyn) als Sohn einer deutschen jüdischen Familie auf die Welt. Wir kennen bisher nur einzelne Mosaiksteine seiner Biographie.

            Ernst Kamnitzer begann in jungen Jahren, Bühnenstücke zu schreiben, die in Leipzig und Berlin veröffentlicht wurden, darunter das Lustspiel Die Nadel (1915 S. Fischer, Berlin) nach einer Idee, die ihm der befreundete Carl Sternheim überließ. In den 1920er Jahren kam er nach München und gab u. a. eine vierbändige Ausgabe der Werke von Novalis heraus, eine zwölfbändige Werkausgabe Alessandro Manzonis, zusammen mit Hermann Bahr. 1920 porträtierte ihn Ludwig Meidner, der zusammen mit seiner Frau, der Malerin Else Meidner, von den Nazis mit Berufsverbot verfolgt, nach England floh.

            Ernst Kamnitzer floh nach Paris, dort verfasste er im Mai 1936 ein Lebensdokument, indem er einen ausführlichen Fragebogen für die American Guild for German Cultural Freedom in New York ausfüllte, der im Deutschen Exilarchiv in Frankfurt erhalten ist. Wir wissen nicht, wo und unter welchen Gefährdungen er die NS-Zeit überlebte. Er starb am 10. Oktober 1946 in Fribourg in der Schweiz.

          • Oskar Karlweis

            • Schauspieler*in
            * 1894, Hinterbrühl (Wien)
            † 1956, New York

            MK 27.01.1929: Parforce von Alexander Lernet-Holenia. Regie: Robert Forster-Larrinaga mit Oskar Karlweis a.G., Gina Falckenberg, Richard Révy u. a.

            MK 02.02.1929: Pariser Luft von Meilhac u. Halévy, dt. Bearbeitung Peter Scher, Regie: Otto Falckenberg, Musik: nach J. Offenbach bearbeitet von Karl Solomon mit Oskar Karlweis a. G., Therese Giehse, Kurt Horwitz, Otto Brüggemann

            MK 02.05.1932: Ein entzückender Mensch von Jean de Létraz, Übersetzung: Berth Ebelsbacher, Musik: Erwin Straus, Gesangstexte: Dr. Leo Straus u. Erwin Straus, Bühne: Hermann Krehan. Eine Inszenierung der komíschen Oper Berlin. Gastspiel mit Oskar Karlweis und Ensemble, u.a. Traute Carlsen Mo 2. – Do 5. Mai 1932 an den Münchner Kammerspielen auf der Bühne des Volkstheaters

            Oskar Karlweis kam am 10. Juni 1894 in Hinterbrühl bei Wien auf die Welt als Sohn des österreichisch jüdischen Bühnenautors Carl Karlweiss. Nach dem Gymnasium und einem nur kurz beschnupperten Jurastudium begann er als Schauspieler 1912 am Stadttheater Wien. Nach seinem Kriegsdienst im ersten Weltkrieg engagierte ihn Max Reinhardt 1919 ans Theater in der Josefstadt. Bis zur 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten 1933 war sein Theatermittelpunkt Berlin mit Gastspielen im ganzen deutschsprachigen Raum. 1921 drehte er mit dem Regisseur Wilhelm Thiele seinen ersten Spielfilm, den Stummfilm Lya's beste Rolle, produziert von der Münchner Ankenbrand Firma. 1930 drehte er wieder mit Wilhelm Thiele den Tonfilm Die drei von der Tankstelle, ein Film, dessen gesamtes künstlerisches Team 1933 aus Deutschland fliehen musste. Jedoch für die beiden Co-Stars von Oskar Karlweis, Willy Fritsch und Heinz Rühmann war dieser Film der Beginn ihrer Filmkarriere in der NS-Zeit. Oskar Karlweis floh nach Wien und spielte dort sehr erfolgreich Theater. Sofort nach dem NS-'Anschluss' Österreichs floh er, zusammen mit Karl Farkas (bis 1931 Direktor am Wiener Stadttheater), am 17. März 1938 nach Brünn und über Prag nach Paris. Am 17. Mai 1939 betrat er im Théatre Pigalle die Bühne in Leurs Majestés, der französischen Fassung der Wiener Erfolgsoperette Die Hofloge. Das Libretto schrieb Karl Farkas. Nach 55 Vorstellungen war „cette piece la derniere comédie musicale représentée à Paris avant la déclaration de guerre du 3 septembre 1939“. In der in Paris erscheinenden österreichischen Exilanten-Zeitschrift Nouvelles D'Autriche Heft 5 Juni 1939 schrieb der am 12. März 1933 aus Wien nach Ungarn, Italien und Paris geflohene eminente Kulturjournalist Ludwig Ullmann (Wien 1887 – 1959 New York) über

            „Oskar Karlweis als pariser Schauspieler [...] Er spricht französisch als jene zweite Muttersprache des Europäers, die dem Bildungs- wie dem Freiheitstrieb der geistigen Menschen aller Nationen unentbehrlich schien. Ohne ein Pathos, das hier Anlass wie Persönlichkeit ablehnen, soll die Bedeutung des tapferen Versuches unterstrichen werden, mit dem ein Schauspieler dem grotesken Völkerhass der Unduldsamkeit entgegentretend, sich zur frohen und weisen Verbrüderung der Sprache wie der Herzen bekennt“.

            1940 floh Oskar Karlweis zusammen mit Karl Farkas und Friedrich Torberg über die Pyrenäen nach Lissabon und von dort nach New York. Er lernte Englisch und 1944 gelang ihm ein enormer Erfolg am Broadway in der Rolle des vor den Nazis flüchten- den Juden in Franz Werfels Jakobowsky und der Oberst. In der in New York erscheinenden österreichischen Exilanten-Zeitschrift „Austro American Tribune – Anti-Nazi Monthly“ No 12 May 1944 schrieb Ludwig Ullmann mit dem Titel „The Triumph of Oskar Karlweis“ einen großartigen kategorialen Essay über Theater, Schauspielkunst und Emigration, eine Hommage an einen großen Schauspieler:

            „ [...] Verändert dieser Fall Oskar Karlweis, die Eroberung des Broadway durch einen genial ahnungslosen Newcomer, nicht vielmehr das gesamte Problem des geistigen Emigranten? Ist er nicht uns Allen eine Bestätigung, die sich amerikanisieren wollen nicht durch seufzend beflissene Nachahmung, sondern durch Leistung, Gesinnung, Empfindung und Persönlichkeit? [...] “

            1948 kehrte Oskar Karlweis zum ersten Mal nach Wien zurück, er blieb ein erfolgreicher Bühnenschauspieler zwischen New York, Wien und Berlin. 1949 erhielt er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Er erlitt, erst 61 Jahre alt, einen tödlichen Herzinfarkt 1956 in New York.

          • Kurt Katch

            • Schauspieler*in
            geb. Isser
            * 1893, Grodno
            † 1958, Los Angeles

            1925/26 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in der Titelrolle von Büchners Woyzeck in der Inszenierung Hans Schweikarts (16.6.1925) mit Helene Weigel in der Rolle der Marie, und in zwei Shakespeare Inszenierungen Falckenbergs, als Ajax in Troilus und Cressida (04.06.25) und als der Schreiner in Ein Sommernachtstraum (20.12.1925). Danach spielte er in Berlin, Wien und seit der Spielzeit 1929/30 an den Städtischen Bühnen Frankfurt, bis zum 22. Mai 1933, als er Berufsverbot an deutschen Bühnen erhielt. Er schloss sich noch dem Jüdischen Kulturbund an, spielte unter der Regie Karl Loewenbergs in Nathan der Weise in Berlin, 1937 emigriert er über Paris in die USA. In Kino- und Fernsehfilmen wurde er immer wieder als Nebendarsteller engagiert.

          • Adolf Kaufmann

            • Direktor*in
            * 1883, Mainz
            † 1933, Wien

            Der Sohn einer Mainzer jüdischen Kaufmannsfamilie war Mitgründer der Münchner Kammerspiele, einer der Anwälte der MK, Aufsichtsratsvorsitzender und einer der Gesellschafter der Münchner Theatergesellschaft GmbH, von September 1924 – November 1932 der administrative Direktor der Münchner Kammerspiele.

            Als gemäßigter Sozialist und SPD-Mitglied war er zusammen mit den beiden politischen Strafverteidigern Dr. Philipp Loewenfeld und Dr. Max Hirschberg bereits in der Räterepublik engagiert, die drei führten zusammen eine Anwaltssozietät. Loewenfeld und Hirschberg waren 1929-1932 auch Justitiare der Münchner Kammerspiele. Alle drei waren von Beginn der 1920er Jahre an im Visier der Münchner Nationalsozialisten. Alle drei flohen 1933 aus Deutschland, Adolf Kaufmann im März 1933 nach Österreich. Im September 1933 entzog ihm der bayerische Justizminister Dr. Hans Frank die Zulassung. Adolf Kaufmann starb, an Lungenkrebs erkrankt, im jüdischen Spital in Wien am 21. November 1933. Der dritte der drei Brüder, Leo Kaufmann, wurde im August 1942 mit dem ersten Deportationszug aus Frankfurt nach Theresienstadt verschleppt und dort am 9. Juni 1944 ermordet. Der älteste der drei Brüder, der Kunsthistoriker Dr. phil. Max Kaufmann (Mainz 18.06.1876 – 29.12.1938 Bendorf-Sayn), starb im Alter von 61 in der jüdischen Jacoby'schen Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf-Sayn unter ungeklärten Todesumständen.

          • Eva Kessler

            • Schauspieler*in
            * 1894, München
            † 1944, Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar

            Nach dreijähriger Schauspiel-Ausbildung an der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst, Engagements am Burgtheater in Wien 1913/14, am Hoftheater Dresden und am Schauspielhaus Düsseldorf 1916/17 war Eva Kessler in der Spielzeit 1917/18 Mitglied des Ensembles der Münchner Kammerspiele. Ihre erste Rolle war in Falckenbergs erster Inszenierung als künstlerischer Direktor der Kammerspiele, in Shakespeares Das Wintermärchen, die Rolle der 1. Hofdame in Sizilien. Die Rolle der Hermione spielte ihre Kollegin Leonore Ehn.

            Eva Kessler konnte ihre vielversprechend begonnene Arbeit als Schauspielerin konnte nicht fortsetzen. Nach einem Sturz in der Staatsbibliothek, verursacht durch einen epileptischen 'Absence-Vorfall' begann für sie eine heillose Krankengeschichte. Stationäre Behandlungen in den Heil- und Pflegeanstalten Eglfing-Haar und Hall in Tirol wechselten mit Aufenthalten bei Freundinnen in Oberbayern. Am 18. November 1940 wurde sie erneut in Eglfing-Haar aufgenommen. Nach systematischem Nahrungsentzug betrug die Gewichtsabnahme Eva Kesslers seit ihrer Aufnahme 25,5 kg, als sie am 20. November 1944 im 'Hungerhaus Eglfing E22' starb. Als offizielle Todesursache vermerkte der Psychiater Franz Sendtner 'Status epilepticus'.

            In diesem 'Hungerhaus Eglfing E22' war am 28. September 1944 nach systematischem Nahrungsentzug die Schauspielerin Emmy Rowohlt gestorben.

          • Helene Konschewska

            • Schauspieler*in
            * 1902,
            † 1968, Rottach-Egern

            MK 17.,18. und 25.01.1930: Hazard von Henry Bernstein, Deutsch von Rudolph Lothar, Regie: Philipp Manning, Gastspiel Mady ChristiansErnst Deutsch und Berliner Ensemble, mit Helene Konschewska in der Rolle der Marquise von D.

            Helene Konschewska war in den 1920er Jahren als junge Schauspielerin an Theatern in Berlin, Wien, Prag und Leipzig auf der Bühne. Im Dezember 1929 wurde sie für die Mady Christians – Ernst Deutsch Tournee im gesamten deutsch-sprachigen Raum engagiert, die im Januar 1930 auch an den Münchner Kammerspielen gastierte.

            Nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten 1933 floh sie nach England.

            Wir haben bisher noch nicht mehr über das Leben dieser Schauspielerin in Erfahrung bringen können.

          • Leopoldine Konstantin

            • Schauspieler*in
            * 1886, Brünn (Brno)
            † 1964, Wien

            In der Spielzeit 1926/27 gastiert sie an den Münchner Kammerspielen. Sie hatte in Berlin bei Max Reinhardt debütiert, 1916 ging sie nach Wien.

            1924 heiratete sie den ungarisch jüdischen Autor Géza Herczeg, sie spielte in Stummfilmen in Berlin, 1935 kehrte sie nach Österreich zurück, Konstantin und Herczeg trennten sich. 1938, nach dem ‘Anschluss’ emigriert er in die USA, sie nach England. Nach dem Tod ihres Sohnes bei einem Bombenangriff auf London emigriert auch sie in die USA. In Hitchcocks Berüchtigt spielt sie die große Nebenrolle der Anna Sebastian. 1948 remigriert sie nach Österreich.

          • Lore Kornell

            • Übersetzer*in
            geb. Lucie
            * 1895, Posen
            † 1981, München

            MK 11.04.1958: Erziehung eines Autors oder Der Hirt und sein Chamäleon ('L'Impromptu de l'Alma ou La caméléon du berger')

            +

            Die Stühle ('Les chaises') von Eugene Ionesco, Übersetzung aus dem Französischen: Lore Kornell, Regie: Hans Schweikart u. a. mit Tilla Durieux, Peter Lühr. Deutsche Erstaufführung im Werkraum der Kammerspiele in Anwesenheit des Autors bei der Premiere

            Lucie Kirschner, kam am 29.12.1895 in Posen in einer jüdischen Familie auf die Welt. Nach dem Schulabschluss machte sie zunächst eine Ausbildung zur Sprachenlehrerin. 1913 zog sie nach Berlin und studierte dort am Sternschen Konservatorium Klavier und Musiktheorie, nahm privat Gesangsunterricht und ergänzte ihre Ausbildung mit Kursen an der Schauspielschule des Deutschen Theaters. Unter dem Künstlerinnen-Namen Lore Kornell begann sie kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs eine Gesangskarriere als Konzert-, Oratorien- und Liedsängerin. Ihr Repertoire umfasste Lieder in deutscher, englischer, italienischer und französischer Sprache, vor allem auch aus dem Bereich der Alten Musik. Sie trat auch international auf, in Warschau, Moskau und Paris. Sofort nach der ‚Machtergreifung‘ der Nazis 1933 wurde sie ausgegrenzt, im August 1935 wurde sie aus der Reichmusikkammer ausgeschlossen, im August 1938 floh sie nach Frankreich. Im Mai 1940 wurde sie im Internierungslager Gurs als „unerwünschte Ausländerin“ interniert, wieder freigelassen überlebte sie illegal mit Hilfe von Freunden. 1942 wurden ihre Eltern, die seit 1919 in Berlin lebten, ins KZ Theresienstadt deportiert und dort ermordet.

            Nach der Befreiung Frankreichs ging Lore Kornell zunächst nach Paris, wo sie nach dem erzwungenen Ende ihre erfolgreiche Karriere als Sängerin nicht fortsetzen konnte. Sie begann ein ganz neues Berufsleben als Journalistin und Übersetzerin, sie machte sich einen Namen als Vermittlerin zwischen verschiedenen Kulturen und Sprachen, als Übersetzerin der Avantgarde der französischen Theaterautoren, sie wurde die deutsche Stimme Eugene Ionescos. Im Mai 1956 kehrte sie nach Deutschland zurück, ließ sich in München nieder, wo sie am 1. Februar 1981 starb.

            Das Institut für Historische Musikwissenschaft der Universität Hamburg erinnert an Lore Kornell im Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen.undefined

          • Paul Kornfeld

            • Autor*in
            * 1889, Prag
            † 1941, Ghetto Litzmannstadt/Lódź

            MK 27.07.1921: Die Verführung, Regie: Erich Engel

            Paul Kornfeld kam als Sohn einer Prager jüdischen Unternehmersfamilie auf die Welt. 1914 verließ er seinen literarischen Freundeskreis in Prag und zog nach Frankfurt, wo 1917 am Schauspielhaus sein Erstlingswerk Die Verführung uraufgeführt wurde. 1917 wurde das Stück auch für Falckenbergs erste Spielzeit 1917/18 an den Münchner Kammerspielen als eine von fünf Erstaufführungen moderner Dramatik „Das jüngste Deutschland“ angekündigt. Kornfeld arbeitete als Dramaturg bei Reinhardt in Berlin und in Darmstadt. 1930 wurde sein Drama Jud Süss, uraufgeführt am Theater am Schiffbauerdamm, sein größter Bühnenerfolg. Im Dezember 1932 ging er nach Prag und kehrte wegen der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten nicht mehr nach Deutschland zurück. Ende Oktober 1941 wurde er durch die SS verhaftet und ins Ghetto Lódź deportiert. Er überlebte dieses Lager nicht. Als Todesdatum gilt der 25.04.1942, Todesursache: ‘Typhus’.

          • Fritz Kortner

            • Schauspieler*in
            geb. Fritz Nathan
            * 1892, Wien
            † 1970, München

            Im Dezember 1925 Gastschauspieler an den Münchner Kammerspielen in Arnolt Bronnen Ostpolzug (01.12.1925), Gastregie: Hanns Meissner.

            1933 Flucht nach Prag, Wien, Paris, 1934 nach London, 1937 in die USA. 1947 Remigration nach Deutschland, Wolfgang Langhoff hatte ihn für den Winter ans Deutsche Theater in Ostberlin eingeladen. Als US-amerikanischer Staatsbürger durfte er nicht im sowjetischen Sektor arbeiten. Kortners erste Regiearbeit nach der Remigration war die Uraufführung seines Stücks Donauwellen an den Münchner Kammerspielen(Premiere: 15.02.1949), die erste von insgesamt siebzehn Inszenierungen an diesem Theater. Seine letzte Inszenierung an den Münchner Kammerspielen war die UA (07.12.67) von Martin Walsers Die Zimmerschlacht.

            Fritz Kortner stirbt am 22. Juni 1970 in München.

          • Leopold Kramer

            • Schauspieler*in
            • Regisseur*in
            * 1869, Prag
            † 1942, Wien

            Leopold Kramer, der Sohn einer Prager jüdischen Kaufmannsfamilie trat 1913 als Gast vom Deutschen Volkstheater Wien zum ersten Mal an den Münchner Kammerspielen auf in Eugen Roberts Inszenierung des Ferenc Molnár Stücks Das Märchen vom Wolf (Premiere 05.02.1913). Von 1918–1927 war er Direktor und Oberregisseur der Deutschen Landestheaters Prag. Er spielte in mehr als einem Dutzend Stummfilmen, darunter in drei des Regisseurs Mihály Kertész (=Michael Curtiz)und ab 1930 auch in Tonfilmen. Er gastierte an deutschen Theatern als Schauspieler und Regisseur, im Juni 1932 an den Münchner Kammerspielen, wieder mit einem Stück von Ferenc Molnár, diesmal mit Jemand (Premiere 02.06.1932), bei dem er Regie führte und auf der Bühne stand.

            Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten gastierte er außerhalb Deutschlands auf deutschsprachigen Bühnen, 1935–1938 war er erneut Theaterdirektor, diesmal an den Vereinigten Deutschen Theatern in Brünn, bis die Nazis ein Berufsverbot gegen ihn verhängten. Er war seit 1900 mit der österreichischen Schauspielerin Josefine Glöckner (1874–1954) verheiratet, beide zogen sich nach Wien zurück, Leopold Kramer starb am 29.10.1942, seine Frau am 9.03.1954.

          • Karl Kraus

            • Hermann Krehan

              • Bühnenbildner*in
              * 1890, Weimar
              † 1972, Würzburg

              MK 2. und 5. Mai 1932: Ein entzückender Mensch von Jean de Letrar. Gastspiel Oskar Karlweis und Ensemble. Eine Inszenierung der Komischen Oper Berlin, Musikalische Leitung: Erwin Straus, Bühnenbilder: Hermann Krehan. Aufführungen im Volkstheater

              Hermann Krehan kam am 13. November 1890 in Weimar auf die Welt. Über seinen familiären Hintergrund wissen wir noch nichts. Nach seinem Studium der Architektur an der Technischen Universität Hannover arbeitete er ab 1919 in Berlin als Bühnenbildner für die Theater von Meinhardt, Bernauer, Reinhardt und an der Städtischen und an der Komischen Oper. Als Schauspieler wirkte in mehreren Spielfilmen mit, u. a. in Berlin – Alexanderplatz (1931), Kuhle Wampe (1932) und in Max Ophüls zweiter Regiearbeit Die verliebte Firma im gleichen Jahr. Krehans Beziehungen zu US-amerikanischen Bühnen gehen zurück bis ins Jahr 1927, als seine Ausstattung von Goldonis Der Diener zweier Herren mit dem Max Reinhardt – Gastspiel nach New York kam. Nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten floh er 1933 aus Deutschland zunächst nach Österreich, trat dort als Conferencier, auch als Schnellzeichner auf und nannte sich nun Henri Martin Crayon. Sein Weg im Exil führt ihn zu Bühnenarbeiten nach Belgien, in die Niederlande, Italien, Frankreich, in die USA, nach Schweden, Dänemark und England. Sein Länderwechsel entzieht sich einer chronologischen Rekonstruktion. Nach dem Ende der NS-Gewaltherrschaft arbeitete er zunächst in Stockholm und dann in New York. 1962 kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete als gefragter Bühnenbildner u.a. in Hamburg und Hannover, in Antwerpen, Aarhus und Genf. Er starb am 19. November 1972 in Würzburg.

            • Lisa Kresse

              • Tänzer*in
              * 1895, München
              † 1966, München

              MK 05.03 .1917: Der König und die Tänzerin von Lion Feuchtwanger Regie: Wolff von Gordon, Bühne: Leo Pasetti und Lisa Kresse in der Rolle der Malavika, die Tänzerin

              MK 12.04.1917: Am Nationaltag der deutschen Bühnen für die 6. Kriegsanleihe Tanzabend, u. a. mit Valeska Gert, Lala Herdmenger und Lisa Kresse

              MK 08.02.1918: Vasantasenas von Lion Feuchtwanger, Regie: Otto Falckenberg, Musik: Felix Lederer, Bühne und Kostüme: Leo Pasetti, Lisa Kresse in der Rolle der Vasantasenas

              Lisa Kresse kam am 16.03.1895 in München auf die Welt, als Tochter des Xylographen und Kunstmalers Oswald Kresse (1858–1928) und seiner Frau Maria. Sie nahm Schauspielunterricht bei Ernst von Possart und Prof. Franz Jacobi, es zog sie aber zum Ausdruckstanz, fasziniert von der aus Riga stammenden Else von Carlsberg, die unter dem orientalisierenden Künstlernamen „Sent M’Ahesa“ erstmals 1909 in München zu sehen war. Im November 1916 trat Lisa Kresse zusammen auf mit der damals an den Münchner Kammerspielen engagierten Schauspielerin und Tänzerin (1892–1978). Für zwei Spielzeiten 1917 bis 1919 wurde auch Lisa Kresse an den Kammerspielen engagiert, ihr Debüt gab sie im März 1917 in Lion Feuchtwangers Der König und die Tänzerin in der Rolle der Tänzerin Mavika. Für eine zur ihrer Eigenwerbung im Privatdruck erstellte Broschüre schrieb Feuchtwanger einen hymnisch schwärmenden Beitrag mit dem Titel: ,,Wenn die Kresse tanzt". Am 25. Juni 1919 heiratete sie in München den ,,Studierenden der Chemie" Paul Julius Adolf Bernhard (geb. 18.09. 1892), Sohn einer Berliner jüdischen Kaufmannsfamilie, die Ehe wurde aber schon am 17. Januar 1921 wieder geschieden.

              1920 spielte sie in acht Stummfilmen mit, die alle in München gedreht wurden, u. a. in Die Frau auf der Schildkröte, Regie: Toni Attenberger und in Das Geheimnis des Buddha, Regie: Anton Mayring. In den 1920er Jahren war Lisa Kresse eine auf europaweiten Tourneen gefeierte Tänzerin.

              Ende 1928 wurde sie bei einem Kutschenunfall schwer verletzt, konnte ihre Bühnenkarriere nicht fortsetzen und gründete eine Ballettschule. Im Oktober l93l trat sie noch einmal zusammen einer von Willi Cronauer gegründeten Theatertruppe Schauspiel der Gegenwart im Steinicke-Saal in Schwabing auf in der Komödie vom Sterben, wie das NEUE WIENER JOURNAL an 21.10.1931 berichtete.

              Nach der Machtergreifung der Nazis wurde ihr jede künstlerische Tätigkeit verboten, wegen ihrer Heirat mit einem jüdischen Mann. Paul Bernhard wurde im Februar 1940 in Berlin verhaftet, im KZ-Sachsenhausen in Schutzhaft gesperrt, von dort im September 1940 ins KZ-Dachau, im Juli 1941 ins KZ Buchenwald deportiert und am 2. März 1942 zusammen mit 80 Häftlingen, alle durch Zwangsarbeit krankgeschunden, nach Bernburg ,,überführt" und dort ermordet, Opfer der 'Sonderbehandlung „14f13“. Todesdatum laut dem Totenbuch Buchenwald ist der 18.03.1942. Lisa Kresse arbeitete in einer chemischen Fabrik, wurde von den Nazis in eine Heeres-Lehrschmiede zwangsverpflichet, heiratete im Dezember 1944 den Münchner Musiker Franz Waginger, der kurz darauf verstarb, ihre Wohnung in der Hohenzollernstraße wurde beim Abwurf einer Fliegerbrandbombe zerstört. Nach dem Ende der NS-Herrschaft, sie war 1945 fünfzig Jahre alt, versuchte sie irgendwie zu überleben. Ende der 1995er Jahre suchte sie der Lokalredakteur der Süddeutschen Zeitung Franz Freisleder in einer verfallenden Gartenhütte in Gröbenzell bei München auf und veröffentlichte am l8. Dezember 1958 ein berührendes Lebensportrait dieser Künstlerin, die im Schwabinger Krankenhaus am 27. Januar 1966 starb, verarmt und vergessen.

              In Otto Falckenbergs zusammen mit Wolfgang Petzet verfasster Autobiographie Mein Theater – Mein Leben, veröffentlicht 1944, erzählen die beiden vom „Aufstieg des neuen Kunsttanzes … Die Jahre unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg waren plötzlich von einem Schwarm reizender und hochbegabter junger Tänzerinnen erfüllt, die alle auf ein leidenschaftlich am Tanz interessiertes, breites Publikum rechnen konnten“.

              Erwähnung finden auch die Namen von drei Tänzerinnen, die an den Münchner Kammerspielen zwischen 1916 und 1919 engagiert waren:

              „Lala Herdmenger tanzte die Elfe im Finale von 'Wie es euch gefällt', Lisa Kresse trat in ‚Vasantasena‘ auf. Valeska Gert, die als Schauspielerin begann, spielte das komische Käthchen in 'Wie es euch gefällt'.“

              Otto Falckenberg: Mein Leben – Mein Theater. Hg. v. Wolfgang Petzet. München u. a.: Zinnen 1944, S. 397f..

              Petzet und Falkenberg erzählen auch vom plötzlichen Desinteresse an dieser Kunstform: ,,Und ebenso rasch, wie sie am Himmel aufgestiegen, versanken die zahllosen Namen wieder vor den Augen eines müde gewordenen Publikums“.

              Mit keinem Wort erwähnen sie jedoch, dass die beiden jüdischen Bühnenkünstlerinnen Valeska Gert und Lala Herdmenger nach der Machtergreifung der Nazis aus Deutschland fliehen mussten und dass Lisa Kresses künstlerische Arbeit durch ein Berufsverbot unmöglich gemacht wurde.

            • Eberhard Krumschmidt

              • Regisseur*in
              * 1902, Berlin
              † 1956, New York

              Theaterregisseur, Theater- und Filmschauspieler, an den Münchner Kammerspielen Regisseur 1933/34.

              Eberhard Krumschmidt begann seine Bühnenlaufbahn 1919 in Flensburg. Von 1929 bis 1931 war er Regisseur und Schauspieler am Stadttheater Augsburg, bis 1933 am Theater in Bern. Nach seinen Inszenierungen an den MK wurde er Oberspielleiter am Landestheater Neustrelitz. Als er sich weigerte, den geforderten ‘Ariernachweis’ zu erbringen und aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen werden sollte, entschließt er sich zur Emigration und flieht am 16. Oktober 1937 über Rotterdam nach New York. Am 15.02.1944 wird er US-amerikanischer Staatsbürger.

            • Karl Kyser

              • Schauspieler*in
              * 1891, Wien
              † 1951, Wien

              1929/30 – Dezember 1932 / Januar 1933 im Ensemble der Münchner Kammerspiele u. a. in der Rolle des Polonius in Shakespeares Hamlet (06.11.1930), Regie: Otto Falckenberg.

              Kysers letzte Rollenbesetzung an den MK war in Falckenbergs Inszenierung von Hauptmanns Die Ratten (Premiere 6. Dezember 1932). Am 3. Januar 1933 wurde in der Wiener Tageszeitung DER TAG für den 24.01.1933 die Premiere der Uraufführung von Richard Duschinskys Kaiser Franz Josef I. von Österreich im Raimund Theater, Regie: Dr. Preminger angekündigt mit Sybille Binder als Kaiserin Elisabeth und Karl Kyser ('aus München'). Die 25. Aufführung lobte DER TAG am 16. Februar 1933. Die 50. Aufführung die ILLUSTRIERTE KRONEN ZEITUNG am 5. März 1933. Am 14. April 1933 meldete die Wiener Tageszeitung DIE STUNDE, dass Karl Kyser für die Spielzeit 1933/34 an das Deutsche Volkstheater in Wien verpflichtet worden sei. Im April 1933 spielte er den Kaiphas in einem großen Passionsspiel Golgotha in der Arena des Zirkus Renz zusammen mit Hans Schweikart in der Rolle des Christus.

              Im Narrativ der MK „reisten Therese Giehse zusammen mit Erika Mann, ebenso wie Karl Kyser und Sybille Schloß rechtzeitig in die Schweiz.“undefined

              Tatsächlich aber war Karl Kyser im Januar 1933 bereits in Wien, er kehrte nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten nicht mehr nach München zurück. Er blieb in Wien, war ein gefragter, von der Theaterkritik immer wieder gerühmter Schauspieler, und trat bis unmittelbar vor dem ‘Anschluss’ Österreichs an den Wiener Theatern auf, auch immer wieder mit Mitarbeiter*innen der Münchner Kammerspiele, die wie er Deutschland verlassen hatten. Seine letzten drei Hauptrollen vor dem 13. März 1938 spielte er Anfang Februar 1933 in der Uraufführung von Georg Rendls Elisabeth Kaiserin von Österreich mit Sybille Binder in der Titelrolle im Theater SCALA, am 19. Februar 1933 (Premiere) in der Urauführung von Leopold Marchards Der Bridgekönig in der Regie von Heinrich Schnitzler, zusammen mit Else Bassermann, am 8. März 1933 in einem Gastspiel des Volkstheaters in der SCALA in der Uraufführung von János Székelys Komödie Schauspielschule zusammen mit Albert + Else Bassermann und Ludwig Donath.

              Noch im März 1938 flohen Sybille Binder, Heinrich Schnitzler, Albert + Else Bassermann, Ludwig Donath und János Székely in die Schweiz.

              Karl Kyser ist für sieben Jahre wie verschollen.

              Am 20. Juni 1945 berichtet die Tageszeitung NEUES ÖSTERREICH, dass nach „sieben Jahren Ruhe des Kirchhofes in den Gefilden des Politischen Kabaretts“ in der Wiener Renaissancebühne das 'Politische Theater-Kabarett' Alois Wagners und seines Mitautors Derka neu eröffnet hat, mit im Ensemble: Kurt Kyser.

              Am 18. August 1945 meldet NEUES ÖSTERREICH:

              „Karl Kyser am Wiener Künstlertheater. Professor Harald Bratt hat den bekannten Wiener Schauspieler K a r lK y s e r , der in den letzten sieben Jahren nicht auftreten durfte und als Deichgräber sein Dasein fristete, als Schauspieler und Regisseur an das Wiener Künstlertheater verpflichtet. In der männlichen Hauptrolle des Eröffnungsstückes DAS HOTEL DER EMIGRATION wird Karl Kyser sein Engagement antreten.“

              Neues Österreich, 18. August 1945

              Er wurde wieder Mitglied des Ensembles des Theaters in der Josefstadt, im August 1948 stand er beim gefeierten Gastspiel Albert und Else Bassermanns in den Kammerspielen – in Wien – mit ihnen auf der Bühne zusammen mit Mirjam Horwitz-Ziegel und Erich Ziegel. Am 25. Februar 1949 meldete der WIENER KURIER:

              „Karl Kyser scheidet vom Theater Der bekannte Wiener Schauspieler Karl Kyser, der in der Nazizeit zu Straßenarbeiten gezwungen worden war und sich dadurch sein schweres Herzleiden zuzog, hat eine solche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes erlitten, daß ihm von den Ärzten dauernd die Ausübung seines Berufs verboten wurde.“

              Wiener Kurier, 25. Februar 1949.

              Karl Kyser stirbt am 9. August 1951 im Alter von 59 Jahren in Wien.

            • Hermine Körner

              • Hedwig Lachmann

                • Übersetzer*in
                * 1865, Stolp (Słupsk)
                † 1918, Krumbach

                MK 21.05.1921 Das Postamt ('The Post Office') von Rabindranath Tagore einzig autorisierte deutsche Übersetzung von Hedwig Lachmann und Gustav Landauer, Regie: Otto Falckenberg, u. a. mit Elisabeth Bergner, Grete Jacobsen, Arnold Marlé

                Hedwig Lachmann kam am 29.08.1865 im pommerischen Stolp als Tochter einer jüdischen Kantorsfamilie auf die Welt, wuchs in Kulmbach/Schwaben auf und wurde bereits mit fünfzehn in Augsburg examinierte Sprachlehrerin. Sie arbeitete als Erzieherin und Sprachlehrerin in England und in Ungarn, 1889 zog sie nach Berlin und publizierte ihre ersten Literatur-Übersetzungen aus dem Ungarischen und Englischen. 1899 begegnete sie Gustav Landauer (Karlsruhe 07.04.1870 – 02.05.1919 ermordet in München-Stadelheim), Schriftsteller, Dramaturg, und anarchistischer Kommunist. 1903 heirateten die beiden.

                1917 zogen Hedwig und Gustav Landauer mit ihren drei Töchtern aus Berlin nach Krumbach. Dort erkrankte Hedwig an einer Lungenentzündung infolge der spanischen Grippe, sie starb am 21. Januar 1918. Gustav Landauer wurde Ende 1918 Dramaturg am Schauspielhaus Düsseldorf, dort war am 16. Mai 1918 die deutsche Erstaufführung von Tagores Bühnenstück Das Postamt inszeniert worden.

                Unmittelbar nach Kriegsende und zu Beginn der Novemberrevolution wurde Gustav Landauer von Kurt Eisner nach München geholt („Was ich von Ihnen möchte, ist, dass sie durch rednerische Betätigung an der Umbildung der Seelen mitarbeiten.“) Nach der gewaltsamen Niederschlagung der Münchner Räterepublik durch reaktionäre Freikorpsverbände wurde Landauer am 1. Mai 1919 verhaftet und am nächsten Tag im Gefängnis Stadelheim ermordet.

                1919 zog der Kurt Wolff Verlag von Leipzig nach München. In diesem Verlag erschienen 1921 im 3. Band der Gesammelten Werke Rabindranath Tagores Hedwig Lachmanns und Gustav Landauers Übersetzungen der zwei Theaterstücke Das Postamt und Der König der dunklen Kammer. Der Verleger Kurt Wolff (1887–1963), dessen Mutter einer jüdischen Familie entstammte, war 1938 nach Frankreich geflohen, wurde zwischenzeitlich interniert, floh 1940 in die USA.

                Die 1902 geborene Tochter Gudula Landauer wurde Cembalistin, heiratete den US-amerikanischen Pianisten Henry Clay, überlebte mit ihm in Berlin die NS-Gewalt-herrschaft, sie starb 1946 in New York. Die 1906 geborene Tochter Brigitte Landauer heiratete den russisch-jüdischen Arzt Pavel N. Peschkowsky, 1938 floh die Familie in die USA, der 1931 in Berlin geborene Sohn Michael, wurde später Filmregisseur Mike Nichols. Charlotte Landauer (1894–1927), die Tochter Gustav Landauers aus der ersten Ehe, heiratete im Frühjahr 1922 den Chemiker Dr. Max Kronstein (1895–1992), der mit der gemeinsamen Tochter Marianne der NS-Verfolgung entkommen konnte und 1938 in die USA floh.

              • Christian Lahusen

                • Komponist*in
                * 1886, Buenos Aires
                † 1975, Überlingen

                MK 27.03.1920: Don Gil von den grünen Hosen von Tirso de Molina, Regie: Otto Falckenberg, Musik: Christian Lahusen

                MK 15.07.1921: Lysistra von Aristophanes, Regie: Otto Falckenberg, Musik und Choreographie: Christian Lahusen

                MK 05.11.1927: Liebes-Leid und -Lust von William Shakespeare, Regie: Otto Falckenberg, Musik: Christian Lahusen

                MK 25.06.1931: Die Freier von Joseph v. Eichendorff, Bühnenbearbeitung: Otto Zoff, Regie: Otto Falckenberg, Musik: Christian Lahusen

                In Buenos Aires geboren, zur Schulbildung nach Deutschland geschickt, studierte Christian Lahusen am Leipziger Konservatorium Komposition. 1918 wurde er als Kapellmeister und Komponist für Bühnen und Ballettmusiken an die Münchner Kammerspiele verpflichtet. Ab 1920 arbeitete er freiberuflich für die Kammerspiele und andere Bühnen. 1919 heiratete er Rahel Hermann. 1930/31 zog die Familie dicht an die Schweizer Grenze nach Überlingen, um der antisemitischen Gefährdung von Lahusens jüdischer Frau zu entkommen. 1941 erteilte ihm die Reichsmusikkammer Aufführungs- und Unterrichtsverbot, weil er sich weigerte, sich von seiner 'nicht-arischen' Frau scheiden zu lassen. Es gelang ihm, sie mit einem argentinischen Pass zu schützen.

              • Irene Lamond

                • Schauspieler*in
                geb. Irene Elisabeth
                * 1908, Berlin

                MK 1927/ 28 Mitglied des Ensembles der Münchner Kammerspiele

                MK 05.11.27: Die Buhlschwester von J.M.R. Lenz. Regie: Otto Falckenberg, u. a. mit Irene Lamond, Ruth Hellberg

                +

                Liebes Leid und Lust von William Shakespeare, Regie: Otto Falckenberg, Musik: Christian Lahusen, Musikalische Leitung: Ilja Jacobson, u. a. mit Irene Lamond, Ruth Hellberg, Gina Falckenberg, Grete Jacobsen, Kurt Horwitz, Richard Révy

                MK 20.12.27: Die beständige Gattin von W.S. Maugham, deutsche Übertragung: Mimi Zoff, Regie: Richard Forster Larrinaga, u. a. mit Fritz Delius a.G. von den Reinhardt Bühnen Wien, Richard Révy, Therese Giehse, Julius Seger, Irene Lamond, Ruth Hellberg

                MK 14.01.28: Peer Gynt von Henrik Ibsen, Regie: Richard Révy, Musikalische Leitung: Ilja Jacobson u. a. mit Kurt Horwitz, Guido Török, Julius Seger, Irene Lamond, Anna Ernst-Zeise, Ruth Hellberg

                MK 31.03.28: Einbruch von R.A. Roberts und Arthur Landsberger, Regie: Kurt Reiss a. G. vom Schauspielhaus Düsseldorf, u. a. mit Irene Lamond

                MK 16.04.28: Flucht (Escape) von John Galsworthy/ Deutsch v. Leon Schalit, Regie: Kurt Reiss a.G. Vom Schauspielhaus Düsseldorf, u. a. mit Therese Giehse, Ruth Hellberg, Gina Falckenberg, Irene Lamond, Richard Révy, JJulius Seger, Guido Török

                Irene Lamond kam am 6. Juni 1908 in Berlin auf die Welt, Tochter der jüdischen Wiener Schauspielerin Irene Trietsch (Wien 1875 – 1964 Bern) und des schottischen Konzertpianisten Frederic Lamond (Glasgow 1868 – 1948 Stirling UK), die 1904 geheiratet hatten. Aus dem Scheinwerferlicht, das auf ihre berühmten Eltern gerichtet war, taucht die Tochter als 18jährige auf der Bühne des Theaters in Jena in der Spielzeit 1926/27 auf und debütiert dort mit Erfolg in der Titelrolle des Bernard Shaw Stücks Cäsar und Cleopatra. In der folgenden Spielzeit 1927/28 wird sie für das Ensemble der Münchner Kammerspiele engagiert. Gleichzeitig mit Irene Lamond kommen Ruth Hellberg (*1906) und Gina Falckenberg (*1907) ans Theater. Falckenbergs Tochter aus erster Ehe, so urteilt Wolfgang Petzet rückblickend

                „war – charakteristischerweise – in München die einzige Anfängerin, deren Talent der große Vater nicht zu erwecken vermochte, während sie sich später in Berlin zu einer attraktiven Salondame mit Hintergründen entfaltete.“

                Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch 1973, S. 197.

                Zur Beurteilung Irene Lamonds lässt Petzet den 'Talente–Erwecker' selbst zu Wort kommen:

                „Das temperamentvollste Mädchen, das ich je in meinem Leben sah”, sagte Falckenberg über sie, und das will etwas heißen. „Wenn sie mehr Disziplin gehabt hätte, wäre sie eine große Schauspielerin geworden, aber es war unmöglich, mit ihr zu arbeiten“.

                Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch 1973, S. 194.

                Über Ruth Hellberg aber kommt Petzet Jahrzehnte später immer noch ins Schwärmen:

                „[...] mit schräg stehenden Mandelaugen und den Bewegungen einer kostbaren Siamkatze, besaß sie genau das, was FALCKENBERG an einer Frau – von ihrer Begabung abgesehen – schätzte. Zudem war sie ungewöhnlich klug und geschmackvoll, eine Vereinigung von Intelligenz und Gefühl: die leiseste Anordnung des Regisseurs sofort erfassend und wiedergebend…“.

                Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch 1973, S. 192.

                Petzet sagt nicht dazu, dass Falckenberg damals aus dem Kreis der jungen Schauspielerinnen die 21jährige Ruth Hellberg als seine Muse und Lebensabschnittsgeliebte ausgewählt hatte, bevor er sie nach einer MK–Spielzeit weiterziehen ließ.

                Irene Lamond wurde für die nächste MK–Spielzeit nicht mehr verpflichtet.

                Im September 1930 wird sie Ensemble-Mitglied am Neuen Deutschen Theater in Prag. Sie spielt u. a. in Hofmannsthals Der Schwierige die Antoinette Hechingen, sowie in einer Neueinstudierung der Dreigroschenoper die Jenny – ein gemeinsamer Auftritt mit ihrer Mutter in einem Wedekind-Stück wird geplant. Im Oktober 1930 berichtet das Prager Tagblatt, dass sie geheiratet habe, am 4. November 1930 berichtet das Pilsener Tagblatt:

                „Irene Lamond, die unter den Schauspielerinnen des 'Deutschen Theaters' eine Sonderstellung – durch ihre außergewöhnliche Bühnen-Begabung für das Groteske, für die Dämonie des Gemeinen – besitzt, verläßt auf eigenes Ansuchen das Theater, da man ihr keine Rollen zuteilte, bzw. die Rollen, die ihr zukamen, andern, in dieser Richtung minder befähigten Schauspielerinnen gab. Daß die Direktion sich diese Künstlerin sang- und klanglos entgehen läßt, ist unbegreiflich“.

                Pilsener Tagblatt vom 4. November 1930

                Am 6. März 1931 trat sie in Prag mit einem Vortragsabend „zugunsten der Deutschen Frauenliga für Frieden und Freiheit“ im Mozarteum auf, bei dem sie Gedichte und Prosastücke von Goethe, Heine, Claudius, Tolstoi, Victor Hugo und Dehmel vortrug. Sie wurde mit dem Namen Irene Bender–Lamond angekündigt.

                Wir wissen nicht, ob der 1905 in Lemberg geborene und dort am Konservatorium ausgebildete Sänger (Bass) Edward Bender, der in der Spielzeit 1933/34 neues Mitglied des Deutschen Theaters in Prag wurde, Irene Lamonds Mann war. Er starb am 1. August 1944 in Warschau. Wir wissen ebenso noch nicht, wo, mit wem zusammen und unter welchen Gefährdungen Irene Lamond die NS-Gewaltherrschaft in Europa erlebte, ob sie der Verfolgung entfliehen konnte. Ihre Mutter hatte Deutschland 1933 verlassen, lebte mit ihrem Mann auf dessen Landsitz in Schottland, der weiter Konzerte in Europa gab, bis kurz vor seinem Tod 1948. Irene Triesch-Lamond zog 1960 in die Schweiz, 1964 nahm sie sich vor ihrer drohenden Erblindung das Leben.

              • Peter Michael Lampel

                • Autor*in
                * 1894, Schönborn
                † 1965, Hamburg

                MK 20.02.1929: Revolte im Erziehungsheim, Regie: Julius Gellner, im Studio

                Lampel, im ersten Weltkrieg Fliegeroffizier, danach Kämpfer in einem Freikorps, trat 1922 in die NSDAP und SA ein. Er wurde Kunstmaler, arbeitete als Lehrer und Jugendhelfer. 1928 führte eine linke Gruppe junger Schauspieler sein Stück Revolte im Erziehungsheim im Thalia-Theater in Berlin auf, ein spektakulärer Erfolg. Seit 1930 war er Mitglied des P.E.N. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten wurden 1933 seine Bücher und Bilder verboten. Er wurde kurzzeitig verhaftet, als Homosexueller geächtet. 1936 emigrierte er in die Schweiz, von dort nach ‚Niederländisch-Indien‘ (heute Indonesien) und 1939 in die USA. 1949 kam er zurück nach Deutschland und lebte als freier Schriftsteller in Hamburg.

              • Max Landa

                • Schauspieler*in
                geb. Markus Max
                * 1873, Minsk
                † 1933, Bled

                MK 24./25.11.1930: Ein idealer Gatte ('An Ideal Husband') von Oscar Wilde, neu übertragen von Bruno Frank. Regie: Dr. Eugen Robert mit Max Landa, Traute Carlsen, Paul Marx u. a., Gastspiel an den Münchner Kammerspielen auf der Bühne des Volkstheaters-Gastspieldirektion: Alfred Fischer, Berlin

                Max Landa wurde am 24. April 1873, im selben Geburtsjahr wie Otto Falckenberg, als Sohn einer jüdischen Familie in Minsk (damals Russisches Kaiserreich, heute Belarus) geboren. Nach Gymnasium und Handelsakademie in Wien nahm er Schauspielunterricht und begann seine Bühnenkarriere bei Wandertheatern, bevor er 1900 nach Berlin ans Deutsche Theater kam und danach ans Breslauer Theater. Seine enorm erfolgreiche Stummfilmkarriere begann er 1911, in den 1920er Jahren hatte er eine eigene Max Landa-Film GmbH. 1927 heiratete er die junge Bühnen– und Filmschauspielerin Margot Walter (Potsdam 04.10.1903 – 26.04.1994 London).

                Ihm, dem gefeierten Stummfilmstar gelang nicht mehr der Einstieg in den Tonfilm. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten 1933 war Max Landas Karriere und auch die Karriere seiner Frau schlagartig zu Ende. Sie hatte 1929 – 1932 mit Filmregisseuren gearbeitet, die 1933 aus Deutschland fliehen mussten: Robert Wohlmuth (Wien 1902 – 1987 Palm Beach, USA), Henry Kosterlitz (Berlin 1905 – 1988 Camarillo, USA), Friedrich Zelnik (Czernowitz 1885 – 1950 London), Hans Behrendt (Berlin 1889 – August 1942 aus Drancy deportiert nach Auschwitz und dort ermordet). Max und Margot Landa flüchteten 1933 nach Jugoslawien, am 9. November 1933 nahm er sich in Bled, fünfzig Kilometer nordwestlich von Ljubljana, das Leben. Seine Frau floh weiter nach England, sie wirkte dort 1938 noch in einem Film mit. Über ihr Leben im Exil ist nichts bekannt. Sie starb am 26. April 1994 im Alter von neunzig Jahren in Camden, London.

              • Martha Landau-Flanz

                • Schauspieler*in
                * 1885, Kolín

                MK 1923/24: Mitglied des Ensembles der Münchner Kammerspiele

                MK 20.08.1923: Frau Warrens Gewerbe ('Mrs Warren's Profession) von Bernard Shaw, dt. Übersetzung Siegfried Trebitsch, Regie: Richard Forster-Larrinaga, mit Martha Landau-Flanz in der Rolle der Kitty Warren, Albert Steinrück a. G. (dieses Stück wurde zwischen August 1923–März 1924 dreißig Mal gespielt)

                Martha Flanz kam im böhmischen (heute tschechischen) Kolín als jüngstes von vier Kindern einer jüdischen Familie auf die Welt. Wir kennen bisher nur einzelne Puzzle-Teile ihrer Biographie. Als junge Schauspielerin taucht sie zum ersten Mal als Ensemble-Mitglied an Max Reinhardts Kleinem und Neuem Theater Berlin auf, als Reinhardt im Mai und Juni 1905 zu einem Gesamtgastspiel ans Theater an der Wien mit insgesamt zehn seiner Inszenierungen kam. Am Schauspielhaus Düsseldorf wird Martha Flanz 1907 als Mitglied des Ensembles engagiert. Sie ist für zwei Spielzeiten 1907/08 – 1908/1909 viel beschäftigt. Als im Juli 1917 ihre Mutter Sophie Flanz auf dem israelitischen Friedhof in Strasnice/Prag beerdigt wird, wird Martha auf der Traueranzeige zusammen mit ihrem Mann Boleslav Landau, Privater, Zürich als Martha Landau, Private, Zürich genannt. An den Münchner Kammerspielen ist sie in der Spielzeit 1923/24 als Mitglied des Ensembles engagiert und gibt ihr sehr erfolgreiches Debüt in der Titelrolle des Bernard Shaw Stücks Frau Warrens Gewerbe. Die nächsten zwei Jahre tritt sie in Wien in verschiedenen Produktionen auf, ohne festes Engagement: Im September 1924 im Wiener Konzerthaus in einer Inszenierung von Ernst Barlachs Der tote Tag in der Regie von Albrecht Viktor Blum. Im Mai 1925 spielte Martha in zwei Strindberg-Inszenierungen an den Kammerspielen in Wien, inszeniert von Dr. Franz Horch, dem Dramaturgen, Übersetzer und Literaturagenten, der 1938 nach New York floh. Er übersetzte aus dem Französischen das Armont/Gerbidon Stück Madame hat Ausgang, welches Josef Glücksmann im August 1930 an den Münchner Kammerspielen inszenierte. Im Februar 1926 trat Martha Landau wieder im Wiener Konzerthaus auf als Sprecherin der Nemesis in Byrons Dramatischem Gedicht Manfred mit der Musik Robert Schumanns. Am 19. Juni 1931 meldete die WIENER ALLGEMEINE ZEITUNG unter der Überschrift „Wiener Schauspielerinnen im Ausland“, dass Hans Ziegler (Karlsruhe 1879 – 1961 Wien), der Direktor des deutschsprachigen Theaters im polnischen Bielsko/Bielitz, „Frau Martha Flanz zu Gastspielen und Fräulein Jadzia Landau auf ein Jahr an sein Theater engagiert hat“. Die Identität Jadzia Landau ist nicht abschließend geklärt.

                Martha Landau–Flanz war zu diesem Zeitpunkt 46 Jahre alt. Wir wissen nicht, wo und unter welchen Gefährdungen sie und ihre Familie die Zeit der NS-Gewaltherrschaft erlebt haben, ob sie überlebt haben.

              • Artur Landsberger

                • Autor*in
                * 1876, Berlin
                † 1933, Berlin

                MK 31.03.1928: Einbruch, Regie: Kurt Reiss

                Artur Landsberger kam als Sohn einer Berliner jüdischen Familie auf die Welt. Nach einem Jurastudium schrieb er Theaterstücke, Drehbücher und wurde einer der meist gelesenen Romanautoren der Zeit. 1925 veröffentlichte er den Roman Berlin ohne Juden, eine Satire auf antisemitische Propaganda, 1929 Die Unterwelt von Berlin. Nach den Aufzeichnungen eines ehemaligen Zuchthäuslers, mit einer Schlussbetrachtung Max Alsbergs, des politischen Berliner Verteidigers, der für die Münchner Kammerspiele als Anwalt gegen das Verbot von Bruckners Die Verbrecher aktiv war und dessen Stück Voruntersuchung an den Kammerspielen uraufgeführt wurde. Artur Landsberger war als gesellschaftskritischer Autor früh ins Visier der Nationalsozialisten geraten. Am 4. Oktober 1933 stirbt er in Berlin durch Suizid.

              • František Langer

                • Autor*in
                * 1888, Prag
                † 1965, Prag

                MK 14.11.1927: Peripherie, Regie: Otto Falckenberg

                MK 17.02.1930: Ein Kamel geht durch das Nadelöhr, Regie: Josef Glücksmann

                MK 31.03.1931: Die Bekehrung des Ferdys Pistoria, Regie: Julius Gellner

                František Langer war ein tschechischer jüdischer Schriftsteller, Militärarzt und Publizist. Nach der deutschen Besetzung der Tschechoslowakei floh er zuerst von Prag nach Polen, weiter nach Frankreich und nach England. Dort organisierte er das Sanitätswesen der tschechischen Exilarmee. Nach dem Krieg kehrte er in seine Heimat zurück. Seine Bücher wurden jetzt dort verboten, im Ausland blieb er populär.

              • Andreas Latzko

                • Autor*in
                * 1876, Budapest
                † 1943, Amsterdam

                MK 21.04.1911: Hans im Glück + Heinrich Mann, Die Unschuldige + Gert Hartenau-Thiel, Die Insulinde, Regie: Eugen Robert

                Nach der Niederschlagung der Bayerischen Räterepublik wurde der pazifistische österreichische Schriftsteller aus Bayern ausgewiesen. 1933 wurden seine Bücher von den Nationalsozialisten verbrannt. Er starb am 11.09.1943 im Exil in Amsterdam, wohin er bereits 1931 gegangen war.

              • Felix Lederer

                • Komponist*in
                * 1877, Prag
                † 1957, Berlin

                MK 08.02.1918: Vasantasena nach Sudrakas von Lion Feuchtwanger. In der Titelrolle: Sybille Binder, Regie: Otto Falckenberg, Musik: Felix Lederer

                Felix Lederer wurde am 25. Februar 1877 in eine jüdische Familie in Prag hineingeboren. Nach dem Studium der Komposition an den Konservatorien in Prag und Wien wurde er als Kapellmeister u. a. ans Stadttheater Bremen 1908, ans Nationaltheater Mannheim 1910 und als Generalmusikdirektor nach Saarbrücken 1922 berufen. Ab 1931 wurde er dort von Nationalsozialisten als Jude angefeindet. Durch seine Ehe mit der Nicht-Jüdin Dora Deetzen überlebte Lederer die Verfolgung und entging der Deportation. 1945 bot ihm die Stadt Saarbrücken an, in seine alte Position zurückzukehren. Im Frühjahr 1946 erhielt er in Berlin eine Professur für Dirigieren.undefined

              • Miriam Lehman-Haupt

                • Schauspieler*in
                * 1904, Berlin
                † 1981, New York

                In der Spielzeit 1922/23 an den Münchner Kammerspielen in Falckenbergs Inszenierung von A.Ch. Swinburnes Chastelard (15.06.1923). Im MK-Narrativ ist keine Zeile zu lesen über ihre Rolle, ihre Person, die Biographien ihrer Familie. Der Vater der Schauspielerin, der Altorientalist und Althistoriker Carl Friedrich Lehmann-Haupt (Hamburg 11.03.1861–24.07.1938, Innsbruck) stammte mütterlicherseits aus einer jüdischen Hamburger Familie, sein Vetter, der Hamburger Oberbaudirektor Gustav Leo und dessen Frau wurden im September 1944 wegen staatsfeindlicher Betätigung im Konzentrationslager Fuhlsbüttel eingesperrt, er überlebte die Haft nicht, als ihm seine lebensnotwendigen Medikamente verweigert wurden. Die Mutter der Schauspielerin war die Schriftstellerin Therese Haupt (Stettin 12.02.1864–29.11.1938) Miriams Bruder Hellmut E. Lehmann-Haupt (Berlin 04.10.1903– 11.03.1992 Columbia/ Missouri) Buchwissenschaftler und Kunsthistoriker, emigrierte 1929 in die USA, 1936 wurde er US-Staatsbürger, 1944/45 arbeitete er im US Office of War Information in London, 1945 ging er mit der Information Control Division nach Deutschland und arbeitete in Berlin für die Monument, Fine Arts and Archives Section. Miriams Vater war von 1918 bis zu seiner Emeritierung 1932 Inhaber des Lehrstuhls für Alte Geschichte an der Universität Innsbruck. Nach dem 'Anschluss' Österreichs im März 1938 geriet der zuvor in der Innsbrucker Universitätswelt hoch Verehrte aus 'rassischen Gründen' zunehmend in universitäre Isolation. Am 24. Juli 1938 starb der Vater, nicht ausgeschlossen, dass er aus Angst vor Verfolgung in den Freitod flüchtete. Am 29.11.1938 beging die Mutter Suizid.

                Die jüdische Abstammung des Vaters wurde auch noch nach seinem Tod erfragt. So das Schreiben des Rektors der Universität Innsbruck, Harold Steinacker an das Gaurechtsamt Innsbruck vom 10. Oktober 1939:

                „Auf Ihre telephonische Anfrage von heute betreffend die Abstammung der Kinder und des Herrn Geheimrates Professor Dt. CarlLehmann–Haupt teilt Ihnen das Rektorat folgendes mit: 1. Geheimrat Prof. Dr. Lehmann-Haupt war schon seit 1932 Ruheständler und daher wurde er zur Vorlage des Ahnennachweises beim Rektorate nicht verpflichtet.2. Nach unserem Wissen war die Frau rein arisch und auch er wohl nicht Volljude, woraus sich die Folgerungen für die Kinder ergeben.Für alle Fälle wollen wir aber darauf aufmerksam machen, dass die Tochter Miriam einen Engländer geheiratet hat und der Sohn mit einer Schottin verheiratet ist und in New York lebt.Der Rektor: H.St.“

                Miriam Lehmann–Haupt spielte nach ihrem MK–Engagement in Darmstadt, Leipzig, bei Max Reinhardt in Wien am Theater in der Josefstadt, in Berlin im Theater unter den Linden. In Leontine Sagans Film Mädchen in Uniform (1931) spielte sie eine der Erzieherinnen. Am 10. August 1933 melden die INNSBRUCKER NACHRICHTEN, dass „Fräulein Miriam Lehmann-Haupt, die Schauspielerin sich am 10. Juli d.J. In New York mit dem bekannten jungen englischen Porträtmaler Kenneth Green vermählt hat“. Green (Hoddesdon/ Hertfordshire 25.02.1905–13.05.1986 London) wurde tatsächlich ein renommierter Maler, eines seiner gerühmten Bilder hängt in der National Portrait Gallery in London, das Doppelporträt Peter Pears Benjamin Britten aus dem Jahr 1943.

                Ob und wann Miriam Green mit ihrem Mann nach London ging, ob die beiden Söhne dort geboren wurden, wann die beiden sich trennten, haben wir noch nicht herausgefunden. In den 1960er Jahren tritt sie am Broadway auf, 1981 stirbt sie in New York.

                1928 wird in der Zeitschrift Quer 12/1928 ein Photo der jungen Schauspielerin veröffentlicht von Rolf Mahrenholz (1902–1991), dem Berliner Photographen. Er emigrierte 1938 nach London.

              • Marija Leiko

                • Schauspieler*in
                * 1887, Riga
                † 1938, Moskau

                Am 19. Februar 1917 an den Münchner Kammerspielen in Heinrich Manns Madame Legros als Gastschauspielerin vom Deutschen Theater Berlin. Regie: Hermann Sinsheimer.

                1924/25 an den MK in Stücken von Shakespeare, Strindberg, Goethe, Zweig.

                1933 Rückkehr nach Riga, 1938 Verhaftung in Moskau und Ermordung wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer faschistischen lettischen Organisation. 1957 wurde sie posthum offiziell rehabilitiert.

              • Menyhért Lengyel

                • Autor*in
                * 1880, Balmazújváros
                † 1974, Budapest

                MK 26.03.1912: Die Zarin mit Lajos Biró, Regie: Paul Schwaiger

                MK 17.05.1920:Taifun

                Lengyel war ein ungarischer Dramatiker, Journalist und Kritiker. 1919 ging er nach Berlin, München und Weimar, er schloss Freundschaft mit Ernst Lubitsch. 1933 emigrierte er mit seiner Familie nach England, 1935 in die USA. Lubitsch verfilmte mit dem Titel Sein oder Nichtsein Lengyels Noch ist Polen nicht verloren. 1960 kehrten die Lengyels nach Europa zurück.

              • Dela Leschka

                • Schauspieler*in
                geb. Adele
                * 1893,
                † 1951, Zürich

                Dela Leschka wurde nach ihrer dreijährigen Schauspielausbildung an der Wiener k.u.k. Akademie für darstellende Kunst 1912 an die Volksbühne und 1914 an das Burgtheater engagiert. Von dort wurde sie 1919 aus Wien an die Münchner Kammerspiele verpflichtet, im gleichen Jahr aus Berlin der Schauspieler Kurt Horwitz (Neuruppin 21.12.1897 – 14.02.1974 München).

                Die beiden heirateten, in Künstlerbiographien ihres vier Jahre jüngeren Mannes wird ihr Name erwähnt. In der Chronik der Münchner Kammerspiele wird ihre selbstlos dienende Rolle für die künstlerische Entwicklung ihres Mannes gelobt:

                „Zu seinem anderen Leben gehörte eine Schauspielerehe von seltener Harmonie mit Dela Leschka, die im selben Jahr wie er an die Kammerspiele verpflichtet wurde. Sie stammte aus einer deutsch-mährischen Familie, kam aus Wien, war eine Sentimentale mit viel Charakter und hatte mit Lieschen Humprecht in Leopold Wagners wieder aufgeführter Sturm-und-Drang-KINDSMÖRDERIN ihren größten Erfolg. Dann aber wurde sie ganz Hausfrau und Familienmutter, war dabei völlig zufrieden und brauchte die Bühne nicht mehr. Auf die Laufbahn ihres Mannes wirkte sie weiterhin günstig ein, arbeitete viel mit ihm und da sie zunächst die bereits Fortgeschrittene war, konnte sie ihm wesentlich helfen.“

                Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch Verlag 1973, S. 135.

                Im Juli 1933 emigriert Adele Horwitz mit ihrem Mann und Tochter Ruth (München 1921 – 2014 München) in die Schweiz. Adele Horwitz stirbt 1951 in Zürich. Kurt Horwitz remigriert 1952 nach München und übernimmt die Intendanz des Bayerischen Staatsschauspiels. Er stirbt am 14.02.1974 in München.

              • Wilhelm Lichtenberg

                • Autor*in
                * 1892, Wien
                † 1960, Basel

                MK/VTh06.05.1932: Eva hat keinen Papa, Erstaufführung, Lustspiel in 3 Akten von Wilhelm Lichtenberg, Bühnenbild: David Schneuer, Regie: Rudolf Hoch, u. a. mit Julius Seger, Otto Marx

                Wilhelm Lichtenberg kam am 1. Januar 1892 als Sohn einer Wiener jüdischen Familie auf die Welt. Er begann in jungen Jahren als Schauspieler an den Stadttheatern in Olmütz, in Linz und in Teplitz-Schönau, in den 1920er Jahren arbeitete er auch als Regisseur u. a. am Breslauer Stadttheater. Daneben war er als Schriftsteller produktiv, ein „Spezialist humorvoller Satire“. Er verfasste Libretti, Hörspiele und Theaterstücke, die vor 1933 auf vielen Bühnen auch in Deutschland inszeniert wurden, nach 1933 weiter mit Erfolg auf Bühnen im deutschsprachigen Raum, u. a. 1936 in Orells Wunderschau am Theater in Teplitz-Schönau, in einer Hauptrolle mit Otto Marx, der 1933 aus München dorthin geflohen war.

                Nach dem NS-'Anschluss' Österreichs 1938 floh Wilhelm Lichtenberg mit seiner Familie in die Schweiz. Erst 1942 erhielt er dort eine eingeschränkte Arbeitsbewilligung. Sein Plan, über Frankreich in die USA zu emigrieren, zerschlug sich. Erst später gelang es ihm, sich in der Schweiz als Lustspiel-Autor etablieren.

                Er starb am 26. September 1960 in Basel.

              • August Liebmann Meyer

                • Autor*in
                * 1885, Darmstadt
                † 1944, KZ Auschwitz

                August L. Mayer, Sohn einer Darmstädter jüdischen Fabrikantenfamilie, war seit 1920 Kurator der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und Professor für Kunstgeschichte an der Universität München. Er galt als der bedeutendste deutschsprachige Kenner der spanischen Malerei des 16.-18. Jahrhunderts, hochgeachtet in Spanien und ganz Europa. Bei seinen Forschungen entdeckte und übersetzte er ein Theaterstück Don Gil de las Calzas Verdeseines spanischen Dramatikers, Gabriel Téllez (ca.1580–1648) aka Tirso de Molina, das Otto Falckenberg an den Münchner Kammerspielen zweimal inszenierte: Don Gil von den Grünen Hosen (27.03.1920) mit Sybille Binder in der Titelrolle der Donna Juana, alias Don Gil und Grete Jacobsen in der Rolle der Donna Ines, damals mit ausdrücklicher Nennung des Übersetzers August L. Mayer* auf dem Theaterzettel. Bei Falckenbergs zweiter Inszenierung von Don Gil von den Grünen Hosen(07.02.1939) mit Paula Denk in der Titelrolle und Annemarie Rothe als Donna Ines, lebte August Liebmann Mayer mit seiner Familie bereits drei Jahre im Exil in Frankreich, auf dem Theaterzettel war 1939 sein Name entfernt. Jetzt war der deutsche Text eine 'freie Nachdichtung von Johannes von Guenther'. Von Guenther (Mitau/Kurland 1886–1973 Kochel), Schriftsteller, Übersetzer und Verleger, hatte im Oktober 1933 zusammen mit weiteren 87 Schriftstellern das 'Gelöbnis treuester Gefolgschaft' für Hitler unterschrieben.

                August Liebmann Mayer konnte zunächst in Frankreich als freier Gelehrter weiterarbeiten, Anfang 1941 wurde er und seine Familie interniert, seine Frau starb im August 1941. Er wurde am 03.02.1944 von der Gestapo verhaftet, nach Drancy verschleppt, von dort am 07.03.1944 mit dem Konvoi 49 nach Auschwitz deportiert und am 12.03.1944 ermordet. Im Jahr 2017 restituierten die Bayerischen Gemäldesammlungen vier der Familie 1933 geraubte Gemälde an die in den USA lebende hochbetagte Angelika Mayer, geboren in München am 21.02.1930, die Tochter von Aloisia und August Liebmann Mayer.

                Petzet erwähnt August L. Mayers Name in seiner Geschichte der Münchner Kammerspiele nur nebenbei, sein Schicksal ist ihm kein Wort wert.

                1920 war Tirso de Molina eine Entdeckung von August L. Mayer, der sich auch um die Würdigung El Grecos verdient gemacht hat, und von Johannes von Guenther. Dieser Balte von gewaltigen körperlichen Ausmaßen, ein Kenner und Übersetzer vor allem der russischen Literatur, war ein sehr geschickter Dramaturg, mit einem unfehlbaren Blick für das auf der Bühne Wirksame und seit langem einer jener freundschaftlichen Berater Falckenbergs im Hintergrund.

                Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch Verlag 1973, S. 145.

              • Ferdinand Lion

                • Autor*in
                * 1883, Mülhausen
                † 1968, Kilchberg

                MK 08.12.1927: Zwischen Indien und Amerika, Regie: Julius Gellner

                Ferdinand Lion war Autor, Opernlibrettist u. a. für Hindemith und Verlagslektor. 1933 emigrierte er aus Berlin in die Schweiz, lebte zwischendurch in Frankreich im Benediktinerkloster Ligugé, später in La Roche-sur-Foron bei Annecy. 1946 kehrte er nach Zürich zurück.

              • Philipp Loewenfeld

                • Anwälte
                * 1887, München
                † 1963, New York

                Anwalt in der gemeinsamen Kanzlei seit 1919 zunächst mit Adolf Kaufmann, dann mit Dr. Max Hirschberg und Dr. Ludwig Regensteiner von 1928 bis zur ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten im Januar/Februar 1933 Anwalt der Münchner Kammerspiele.

                Philipp Loewenfeld war Sohn einer Münchner jüdischen Jura-Professorenfamilie. Nach Jurastudium und freiwilligem Militär-und Kriegsdienst war er von 1919 an Anwalt in der gemeinsamen Kanzlei mit Adolf Kaufmann und Max Hirschberg, beide wie er Mitglieder der SPD und politische Verteidiger. Loewenfeld arbeitete im Auftrag Kurt Eisners am Entwurf der ersten demokratischen Verfassung im Freistaat mit, zusammen mit Kaufmann war er nach der Ermordung Eisners Delegierter der gemäßigten Sozialisten bei den Verhandlungen der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte im Frühjahr 1919. Ihre Kanzlei kümmerte sich fürsorglich um Ernst Toller während dessen fünfjähriger Festungshaft. Von 1928 bis zur ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten war die Kanzlei Dr. Hirschberg – Dr. Loewenfeld – Dr. Regensteiner – Dr. Elisabeth Kohn die Anwaltskanzlei der Münchner Kammerspiele.

                Als im September 1932 der VÖLKISCHE BEOBACHTER mit einer photographischen Abbildung des Türschilds der Kanzlei Dr. Max Hirschberg – Dr. Philipp Loewenfeld – Dr. Ludwig Regensteiner – Dr. Elisabeth Kohn und der antisemitischen Hetz-Bildunterschrift „Zum Kapitel: Verjudung des Anwaltsstandes“ diese vier politisch exponierten Anwälte angriff, gelang es Philipp Loewenfeld, diesen Angriff abzuwehren. undefined

                Am 11. März 1933 floh Philipp Loewenfeld sofort nach der Verhaftung seines Freundes und Sozius Max Hirschberg in die Schweiz, 1938 emigrierte er mit seiner Frau und den drei Töchtern nach New York. Er starb dort am 3. November 1963. Unter dem Titel Recht und Politik in Bayern zwischen Prinzregentenzeit und Nationalsozialismus. Die Erinnerungen von Philipp Loewenfeld, hrsg. von Peter Landau/Rolf Rieß wurde 2004 posthum die sorgfältig kommentierte Ausgabe seiner politischen Erinnerungen (1914–1933) veröffentlicht.

                In München ist seit 2006 kurz vor der Donnersberger-Brücke, „von der Landsberger Straße nach Norden, nach Osten abknickend zurück nach Süden und nach ca 30m endend“ undefinedundefined die Philipp-Loewenfeld-Straße nach ihm benannt.

              • Sidonie Lorm

                • Schauspieler*in
                * 1887, Friedeck (Frýdek-Místek)

                Sidonie Lorm begann als Schauspiel-Elevin 1906 in Berlin bei Max Reinhardt am Deutschen Theater. Zur Spielzeit 1911/12 kam sie mit Eugen Robert nach München ins Theater in der Augustenstraße 89 und gehörte dem Ensemble der Münchner Kammerspiele als ein wesentliches Mitglied für fünf Spielzeiten bis 1916 an. Danach setzte sie ihre Karriere als Schauspielerin in Berlin fort. Im Februar 1933 kehrte sie noch einmal an die Münchner Kammerspiele zurück für ein Gastspiel mit Alexander Moissi und Paul Marx in der Komödie Bernard Shaws mit dem Titel Zu wahr um schön zu sein in der deutschen Übersetzung von Siegfried Trebitsch, der 1933 derNS-Verfolgung durch Flucht aus Deutschland entging, so wie auch Alexander Moissi, Paul Marx und Sidonie Lorm.

                Sidonie Lorm ging nach Wien und setzte dort ihre Theaterarbeit fort, in Ensembles der Wiener Kammerspiele, des Theaters an der Wien und im Stadttheater. Nach dem 'Anschluss' Österreichs floh sie nach Frankreich. Am 3. Juli 1939 trat sie im Théatre Pigalle in Paris auf bei einem Gedächtnisabend für Joseph Roth, der am 27. Mai 1939 im Exil in Frankreich gestorben war. Über ihr weiteres Schicksal haben wir bisher noch nichts in Erfahrung bringen können.

              • Hermann Ludwig

                • Komponist*in
                * 1896, Berlin
                † 1976, Buenos Aires

                MK 1930/1931 – 1932/1933: 1. Kapellmeister der Münchner Kammerspiele und des Volkstheaters

                Hermann Ludwig Schlesinger kam am 31. Januar 1896 als Sohn einer Berliner jüdischen Kaufmannsfamilie auf die Welt. Nach einem Studium des Klavierspiels, des Dirigierens und der Musiktheorie am Sternschen Konservatorium in Berlin verpflichtete ihn der musikalische Oberspielleiter der Berliner Reinhardt-Bühnen, Klaus Pringsheim, als Dirigent. Von 1925–1928 war er Kapellmeister am Münchner Volkstheater und gleichzeitig Orchesterleiter bei Emelka, der Münchner Lichtspielkunst AG und des Kammerorchesters des Bayerischen Rundfunks. Die nächsten zwei Jahre leitete er in Berlin das Orchester des UFA-Palast am Zoo. Zur Spielzeit 1930/31 wurde Hermann Ludwig als 1. Kapellmeister der Münchner Kammerspiele und des Volkstheaters verpflichtet. Nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten durfte er seinen Künstlernamen nicht mehr führen. Nach organisierten Protesten gegen den „jüdischen Dirigenten“ im Mai 1934 wurde er fristlos entlassen. Während der nächsten beiden Jahre versuchte er bei Veranstaltungen der jüdischen Kulturbünde in Danzig, Breslau, Köln u. a. und als Dozent an einer jüdischen privaten Musikschule in Berlin seine Arbeit fortsetzen zu können. Im September 1936 engagierte ihn der in die Schweiz geflohene Choreograph Bruno Arno (geboren als Bruno Arno 1902 in Hamburg) als Dirigent seines Balletts für Aufführungen in der Schweiz und in den Niederlanden. 1937 flüchteten beide nach Argentinien und konnten ihre künstlerische Arbeit in Buenos Aires fortführen in der europäisch jüdischen Emigranten Community. Bruno Arno kehrte 1955 nach Deutschland zurück, Hermann Ludwig erwarb die argentinische Staatsbürgerschaft.

                Er starb am 6. September 1978 in Buenos Aires. Fast seine gesamte Familie war in Theresienstadt, in Maly Trostinec bei Minsk und in Auschwitz ermordet worden.

              • Paula Ludwig

                • Soufflage
                • Schauspieler*in
                * 1900, Altenstadt
                † 1974, Darmstadt

                MK 11.06.1920: Hahnenkampf (UA) von Heinrich Lautensack, Regie: Rudolf Wiltschek, u. a. mit Erwin Faber, Ellie Nérac, Lisl Neumann, Paula Ludwig in der Rolle des Fräulein Agnes

                MK 1921/1922 Souffleuse an den Münchner Kammerspielen

                Paula Ludwig kam am 5. Januar 1900 in Altenstadt bei Feldkirch als Tochter eines Orgelbauschreiners auf die Welt. Nach der Trennung ihrer Eltern und dem frühen Tod ihrer Mutter zog sie mit ihren Geschwistern zum Vater in Breslau. Dort besuchte sie die Breslauer Dichterschule. Mit 17 Jahren brachte sie einen Jungen zur Welt und zog als junge, alleinerziehende Mutter 1917 nach München. An der Kunstakademie stand sie Malern und Bildhauern Modell, verkehrte in Literaten – und Künstlerkreisen, näher bekannt wurde sie mit dem MK Theaterregisseur Robert Forster-Larrinaga, mit Hermann Kasack, der 1919 ihr erstes Buch Die selige Spur herausgab und mit dem Biene Maja Autor Waldemar Bonsel. 1923 zog sie mit ihrem Sohn nach Berlin und lebte dort als Modell, Malerin, Muse und Dichterin. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten 1933, als ihr Freund Bonsel sich als bekennender Antisemit den neuen Machthabern anbiederte, wurde ihr Deutschland unheimlich, ihre Emigration führte sie 1934 nach Österreich, 1935 erschien in einem Berliner Verlag ihr Prosaband Traumlandschaft, der sofort nach der Veröffentlichung verboten wurde. Im März 1938 floh sie über die Schweiz nach Paris, von dort über die Pyrenäen nach Spanien, im Dezember 1940 von Lissabon ins Exil nach Brasilien, wo ihre ältere Schwester seit 1936 lebte. Wo und unter welchen Gefährdungen ihr Sohn, der Fotograf geworden war, die NS-Zeit überlebte, wissen wir nicht. Er kam 1946 zu ihr nach Brasilien. 1953 kehrten beide nach Europa zurück. Ihre dichterische Tätigkeit war in Vergessenheit geraten. 1958 erschien im Verlag Langewiesche-Brandt Verlag, Ebenhausen, der Band Gedichte. Eine Auswahl aus der Zeit von 1920 – 1958, für den sie 1962 mit dem Georg Trakl – Preis ausgezeichnet wurde. 1972 bekam sie in Wien den Preis des Österreichischen Schriftstellerverbandes verliehen. Sie starb am 27. Januar 1974 in Darmstadt.

                In München-Moosach zweigt von der Dachauerstraße ein kurzer Paula-Ludwig-Weg ab, in unmittelbarer Nähe zum kurzen Hans-Beimler-Weg und zum kurzen Alfred-Andersch-Weg.

              • Alexander László

                • Komponist*in
                * 1895, Budapest
                † 1970, Los Angeles
                • Münchner Kammerspiele 20.12.1925: Ein Sommernachtstraum von William Shakespeare, Regie: Otto Falckenberg, Musik und musikalische Leitung: Alexander László
                • Münchner Kammerspiele 05.02.1930: 2 Kravatten von Georg Kaiser, Regie: Robert Forster-Larrinaga, Musik: Alexander László / Mischa Spoliansky

                Bis Mitte der 1920er Jahre lebte und arbeitete Alexander László in Starnberg, ging dann nach Berlin, nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten verließ er Deutschland, zunächst nach Budapest und emigrierte dann in die USA.

              • Sabatino López

                • Autor*in
                * 1867, Livorno
                † 1951, Mailand

                MK 27.03.1914: Der hässliche Ferante, deutsche Erstaufführung von Sabatino López, Übertragung ins Deutsche: Otto Eisenschitz, Regie: Paul Marx

                Sabatino López kam am 10. Dezember 1867 in Livorno auf die Welt. Die väterliche sephardische Familie stammte von der iberischen Halbinsel und hatte sich Ende des 16. Jahrhunderts in Livorno niedergelassen. Nach einem Literaturstudium, Promotion und journalistischen Arbeiten wurde er Lehrstuhlinhaber für italienische Literatur in Bologna. 1889 wurden seine ersten Theaterstücke aufgeführt. In den 1920er und 1930er Jahren war ein sehr populärer, erfolgreicher italienischer Bühnenautor. 1938 erließ die faschistische Regierung Italiens Rassengesetze, die ihn als 'Juden' ausgrenzten, von allen Bühnen verbannten und Publikationsverbot verhängten. Im September 1943 floh er mit seiner Familie in die Schweiz. Nach dem Ende der NS-Gewaltherrschaft in Europa kehrte er nach Mailand zurück, konnte wieder veröffentlichen und nahm seine Zusammenarbeit mit dem Corriere della sera wieder auf. Er starb in Mailand am 27. Oktober 1951.

                Wolfgang Petzet erwähnt in seiner Geschichte der Kammerspiele diese Inszenierung:

                „Das spanische Lustspiel des Sabatino Lopez, „Der häßliche Ferrante“ ist eine lustige Groteske . . .“

                Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch Verlag 1973, S. 69.

                Kein Wort zu den Schicksalen von Sabatino López oder Otto Eisenschitz und Paul Marx in der Zeit der NS-Gewaltherrschaft.

              • Anna Asja Lācis

                • Schauspieler*in
                * 1891, Līgatne
                † 1979, Riga

                Nach einer Schauspielausbildung in Moskau und ersten Regiearbeiten in einem proletarischen Kindertheater und einem Arbeitertheater in Riga ging Anna Lācis 1922 nach Berlin. Sie lernte dort Walter Benjamin, Bertolt Brecht und den Regisseur und Theatertheoretiker Bernhard Reich kennen. Als dieser für die Spielzeit 1923/24 als Oberspielleiter an die Münchner Kammerspiele verpflichtet wurde, ging sie mit. Für die Probenarbeit zur Uraufführung Das Leben Eduards des Zweiten von England wurde sie Brechts Assistentin und sie spielte auch selbst mit.

                1924 gingen Lācis und Reich nach Berlin, sie spielte dort unter seiner Regie, 1925 gingen sie nach Riga, 1926 nach Moskau und arbeiteten an Theatern und beim Film. Beide waren von 1933 an dort einerseits sicher vor Verfolgung der Nationalsozialisten, andererseits der stalinistischen Repression ausgesetzt. Lācis wurde 1938 verhaftet und zu zehn Jahren Zwangsarbeit in Arbeitslagern in Kasachstan verurteilt wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer faschistischen lettischen Organisation.

                Über Reichs Schicksal in diesen zehn Jahren in der Sowjetunion ist seiner Autobiographie nichts zu entnehmen. Nach Lācis Freilassung 1948 gingen beide nach Riga zurück, zusammen aktiv mit Regiearbeiten, Theaterleitung und theoretischen Arbeiten über Theater. 1955 wird Anna Lācis offiziell rehabilitiert.

                Auf der 17. documenta wurde in Athen/Kassel 2017 die Installation: „Anna 'Asja' Lacis (1891 – 1979) Archiv- und Dokumentationsmaterial“ gezeigt.

              • Erika Mann

                • Schauspieler*in
                * 1905, München
                † 1969, Zürich

                14. Mai 1927: Gastspiel in Klaus Manns Revue zu Vieren mit Erika und Klaus Mann, Pamela Wedekind und Gustav Gründgens an den Münchner Kammerspielen, 1 Nachtvorstellung. 12. November 1930: Premiere im Studio der Münchner Kammerspiele Geschwister von Klaus Mann, Regie: Richard Révy mit Erika Mann, Therese Giehse u. a. 1931 in der Rolle des Fräulein von Attems in Leontine Sagans Spielfilm Mädchen in Uniform.

                1. Januar 1933: Eröffnung von Erika Manns literarisch-politischem Kabarett DIE PFEFFERMÜHLE in München

                13. März 1933: Flucht in die Schweiz, Oktober 1933: Neueröffnung DIE PFEFFERMÜHLE in Zürich ,1935–1936 Europa–Tourneen, 1937–1951 Exil in den USA.

                1951 Remigration in die Schweiz

              • Heinrich Mann

                • Autor*in
                * 1871, Lübeck
                † 1950, Santa Monica
                • MK 10.01.1911: Varieté (Eröffnung 'Lustspielhaus') + Friedrich Freksa, Die Dame im Kamin + A.L. Brody, Der alte Fürst, Regie: Eugen Robert
                • MK 21.04.1911: Die Unschuldige, + Andreas Latzko Hans im Glück + Gert Hartenau-Thiel, Insulinde, Regie: Eugen Robert
                • MK 19.02.1917: Madame Legros, Regie: Hermann Sinsheimer
                • MK 24.03.1917: Der Tyrann + Varieté, Regie: Hermann Sinsheimer
                • MK 21.01.1927: Das gastliche Haus, Regie: Erwin Piscator

                Heinrich Mann wurde 1931 Präsident der Sektion Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste. 1932 und 1933 unterzeichnete er zweimal den "Dringenden Appell zur Aktionseinheit" der KPD und der SPD gegen die Nationalsozialisten. Kurz vor dem Reichstagsbrand im Februar 1933 verließ er Deutschland und floh nach Frankreich. Am 14. Februar 1933 wurde er aus der Akademie der Künste ausgeschlossen, im August 1933 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, 1940 floh er über Spanien und Portugal in die USA. 1949 wurde er zum Präsidenten der Deutschen Akademie der Künste in Berlin-Ost gewählt, er starb, vor seiner geplanten Rückkehr nach Deutschland, am 13. März 1950 in Santa Monica.

              • Klaus Mann

                • Autor*in
                * 1906, München
                † 1949, Cannes
                • MK 20.10.1925 Anja und Esther (UA), Regie: Otto Falckenberg
                • MK 12.11.1930 Geschwister (UA), Regie: Richard Révy

                Klaus Mann floh am 13. März 1933 aus Deutschland nach Paris, in den nächsten Jahren wurde er ein kämpferischer Literat gegen den Nationalsozialismus als Exilant an wechselnden Orten in Europa und den USA. Bereits im Herbst 1934 wurde er ausgebürgert. Im September 1938 emigrierte er in die USA; er und seine Eltern folgten Erika Mann, die bereits 1937 emigriert war. 1943 wurde er US-amerikanischer Staatsbürger, vorher und nachher, wie seine Schwester, vom FBI kommunistischer Kontakte verdächtigt. Am 21. Mai 1949 nahm er sich in Cannes das Leben.

              • Lucie Mannheim

                • Schauspieler*in
                * 1899, Köpenick, Berlin
                † 1976, Braunlage

                An den Münchner Kammerspielen in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Sommernachtstraum(19.06.1920) als Gast aus Berlin in der Rolle des Puck.

                1922 holte der Berliner Intendant Leopold Jessner Lucie Mannheim zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dem Regisseur Jürgen Fehling ans Preußische Staatstheater. Sie trat dort bis 1933 auf. Fehling wurde in der NS-Zeit auf die Führer-Liste der 'Gottbegnadeten Künstler' genommen. Die jüdische Theaterkünstlerin Lucie Mannheim emigrierte 1933 in die Tschechoslowakei und 1934 nach England, Jessner 1933 nach Holland, Belgien, England und 1937 weiter in die USA. Lucie Mannheim erhielt die englische Staatsbürgerschaft. 1953 remigrierte sie nach Deutschland, 1963 wurde ihr der Titel 'Berliner Staatsschauspielerin' verliehen.

              • Dr. med. Julian Marcuse

                • Theaterärzte
                * 1862, Posen
                † 1942, KZ Theresienstadt
                • Studium der Medizin in Würzburg
                • Ärztliche Approbation 1889
                • Facharzt für Nerven und innere Krankheiten
                • 1913 bis 1924 Leiter des Sanatoriums Ebenhausen
                • Praxis in der Pfeuferstraße 20/2 bis 1935
                • Mitglied der USPD, aktiv im Vorstand des Vereins sozialistischer Ärzte

                Über seinen ersten Kontakt zu den Anwälten Adolf Kaufmann und Philipp Loewenfeld unter ziemlich dramatischen Umständen berichtet Loewenfeld in seinen Erinnerungen im Kapitel V. Abschnitte 'Morde der Freikorps' – Eingreifen gegen Erschießungen' in München im Mai 1919:

                “[E]in hochgeschätzter Münchner Anwaltskollege (Adolf Kaufmann) kam auf mein Büro, um meine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es handelte sich um einem mir bekannten sehr begabten Münchner Mediziner (Dr. Julian Marcuse), der ein persönlicher Freund von Toller und anderen Revolutionären war und politisch den unabhängigen Sozialdemokraten zugehörte. ... Der Kollege berichtete mir, er sei soeben davon verständigt worden, dass im Treppenhaus des Gebäudes, in dem der Mediziner seine Wohnung hatte, drei Soldaten eines Freikorps säßen und auf die Frage nach dem Zweck ihres Erscheinens, gesagt hätten, sie hätten Auftrag, auf den Mediziner zu warten und ihn totzuschlagen . . . .”

                Philipp Loewenfeld: Recht und Politik in Bayern zwischen Prinzregentzeit und Nationalsozialismus: Die Erinnerungen von Philipp Loewenfeld. Hg. v. Peter Landau. (Münchener Universitätsschriften - Juristische Fakultät 2004), S. 339ff.

                Die beiden Anwälte erreichten durch Intervention beim bayerischen Reichswehrgruppenkommando, dass der Mediziner München heil verlassen konnte.

                Dr. Julian Marcuse wurde am 29.7.1942, drei Tage vor seinem 80. Geburtstag aus München nach Theresienstadt deportiert.

                Julius Seger, der Schauspieler an den Münchner Kammerspielen, war zwölf Tage vorher, am 17. Juli 1942, nach Theresienstadt deportiert worden. Zwischen dem 01. und 31. Juli 1942 wurden in zwölf Transporten sechshundert jüdische Frauen, Kinder und Männer aus München deportiert.

              • Grete Maren

                • Schauspieler*in
                geb. Margarete Johanna
                * 1912, München

                VTh/MK 03.11.1932: Zur gold'nen Liebe, Operette in vier Bildern (UA 16.10.1931 Komische Oper Berlin), die letzte Premiere am Volkstheater unter der Direktion Otto Falckenberg – Adolf Kaufmann, Musik: Ralph Benatzky, Libretto: Willi Wolff und Martin Zickel, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Choreographie: Senta Born, Bühne: David Schneuer, Regie: Felix Basch a. G., in einer weiblichen Hauptrolle: Grete Maren a. G.

                Margarete Hinterauer kam am 12. Februar 1912 in München-Haidhausen auf die Welt als Tochter einer katholischen Kaufmannsfamilie. Sie scheint schon in ihrer Lyzeums-Zeit den Wunsch gehabt zu haben, unbedingt Tänzerin zu werden. Sie nahm Tanzunterricht und legte sich für die Bühne den Namen Grete Maren zu. Mit sechzehn schloss sie die Schule ab, trat als Tänzerin im Deutschen Theater in München auf. Durch Zufall kam sie in Kontakt mit einem Agenten der Revue-Direktoren Emil und Artur Schwarz und wurde von ihnen nach Breslau ans Schauspielhaus und nach Dresden ans Zentraltheater engagiert. Nach Revue–Tourneen in Deutschland wurde die 16jährige im November 1928 in Wien am Stadttheater als Tänzerin engagiert, im Frühjahr 1929 auch für die Revuebühne FEMINA des Theaterleiters Vilmos Gyimes, zunächst als eine der sechs Tänzerinnen und bald für Prosasketche zusammen mit dem Schauspieler Fritz Steiner. Für diese Bühne schrieb ab 1928 der Wiener Autor und Komponist Hugo Wiener die Programme zusammen mit dem Librettisten Kurt Breuer. Zu Beginn der Spielzeit 1929/30 verpflichtete der Wiener Theaterdirektor Josef Jarno die immer noch erst 17jährige Grete Maren als Schauspielerin an die Renaissance Bühne. Ihre erste große Rolle spielte sie in dem französischen Bühnenstück Die Madame im Schlafcoupé in der deutschen Übertragung von Siegfried Geyer, inszeniert von Josef Jarno. Im Dezember 1929 gastierte sie mit dem Wiener Novitätenensemble, u. a. mit Lilia Skala, am Theater Pilsen in Ferdinand Bruckers Krankheit der Jugend, das Stück. Im Studio der Münchner Kammerspiele wurde das Stück im April 1927 von Heinrich Fischer und Julius Gellner inszeniert .

                Im Juli/August 1930 gastierte Theaterdirektor Jarno mit seinem Ensemble und seiner Frau, der Volksschauspielerin Hansi Niese, für die Sommertheaterwochen in Bad Ischl. Grete Maren, die im Ensemble mit dabei war, wurde am 31. August 1930 vormittags auf offener Straße durch fünf Revolverschüsse lebensgefährlich verletzt, die der an der Wiener KOMÖDIE engagierte 32jährige deutsche Schauspieler Kurt Daehn im Eifersuchtswahn auf die 18jährige abfeuerte, als sie ihre fatale Liaison mit dem psychopathischen und gewalttätigen Mann beenden wollte. Grete Maren überlebte den Anschlag nach Notoperation und stand Anfang November 1930 wieder auf der Bühne des Renaissance Theaters in einer Inszenierung Josef Jarnos. Kurt Daehn wurde Anfang Dezember 1930 in einem aufsehenerregenden Prozess zu zwei Jahren Kerkerhaft verurteilt.

                Zu Beginn des Jahres 1931 wirkte Grete Maren in ihrem ersten und einzigen Spielfilm mit: Die Blumenfrau von Lindenau = Sturm im Wasserglas nach dem Theaterstück von Bruno Frank, Drehbuch u. a. Walter Schlee, Liedtexte Peter Herz.

                Am 13. November 1931 debütierte die 19jährige an der Volksbühne Berlin in Schnitzlers Der Grüne Kakadu. Zusammen im Ensemble mit Gina Falckenberg. Im November 1932 gastierte sie in München am Volkstheater in der letzten Produktion unter der Direktion Adolf Kaufmann und Otto Falckenberg.

                Danach wurde sie ans Theater Bern engagiert in Hauptmanns Vor Sonnenuntergang. Der Korrespondent des Neues Wiener Journal berichtete am 20.12.1932:

                „[...]Grete Maren, mit Recht von Kritik und Publikum außergewöhnlich gerühmt, zart ergreifend, liebenswert jung und doch stark und fesselnd in echten Tönen.“

                Neues Wiener Journal vom 20.12.1932

                Kurt Daehn war bereits im Juni 1931 begnadigt worden. Im Kerker hatte er eine schmale larmoyante Rechtfertigungsschrift „Schauspieler-Tragödie“ verfasst. Die ein Salzburger Verlag publizierte. Daehn ging nach Berlin zurück, kündigte eine Verfilmung seines Werkes an, die aber nie realisiert wurde. Stattdessen wurde er überraschend für Friedrich Hollaenders Tingel-Tangel Theater im Keller des Theaters im Westen engagiert. Im September 1931 stand er in der Revue Spuk in der Villa Stern und im Dezember 1931 in der Revue Allez Hopp auf der Bühne zusammen u. a. mit Annemarie Hase und Ruth Albu.

                Nach der ‚Machtergreifung‘ der Nazis 1933 floh das gesamte künstlerische Personal dieser Revue–Truppe aus Deutschland, mit Ausnahme dieser zwei Schauspieler:

                Hans Hermann Schaufuss, der 1944 in die Gottbegnadeten-Liste Goebbels aufgenommen wurde, und Kurt Daehn, der im Juli 1933 als NSDAP-Mitglied und SA-Führer in München aufgetaucht war und in Frankfurt zum NS-Theaterkommissär des Frankfurter Schauspiels ernannt wurde. Einen Zeitungsbericht im Österreichischen Abendblatt vom 24. Juli 1933, er verfolge Grete Maren „weiter mit seiner Liebe“ ließ er dementieren. Später arbeitete er als Regisseur am Deutschen Theater Prag in der annektierten Tschechoslowakei, wie der Völkische Beobachter regelmäßig berichtete.

                Grete Maren gelang es, ihre Theaterarbeit außerhalb NS-Deutschlands fortzu-setzen. Im Mai 1933 engagierte sie Direktor Oskar Basch an die Stadttheater Karlsbad und Marienbad, wo sie u.a. in einer Inszenierung von Shakespeares Der Kaufmann von Venedig (Regie: Adolf Schütz) zusammen mit Fritz Kortner im August 1933 auf der Bühne stand.

                Im September 1933 verabschiedete sich die 21jährige von ihren Eltern und meldete sich am 17.09.33 amtlich in München ab „nach U.S.A.“. Greta Maren versuchte in New York als Schauspielerin beruflich Fuß zu fassen.

                Am 24. Juli 1934 berichtete die NEW YORK TIMES:

                GRETA MAREN HEADS CAST

                "ALL PARIS KNOWS' has gay premiere of a play by the late Alfred Savoir, adapted from the French by John van Druten in the Old Red Barn Theatre at LOCUST VALLEY, Long Island, New York"

                „[...] A capacity audience of 500 members of society who have country homes on the North Shore greeted Miss Greta Marenon her first appearance in an English – speaking play and applauded her in the role of Maika, a Russian refugee who rises to fame on the Paris stage. ... Miss Maren, speaking with a fascinating but faint accent, looks the part of the Russian peasant. She formerly played in Vienna [...] “

                Im Herbst 1934 sollte Greta Maren ihr Broadway-Debüt in der Hauptrolle eines weiteren Alfred Savoir Stücks Sexes and Sevens geben. Dieses war von dem britischen Librettisten Arthur Wimperis (der im September 1940 den Untergang der durch ein deutsches U-Boot versenkten 'City of Benares' überlebte, wie auch Thomas Manns Tochter Monika) ins Englische übertragen worden. Aber, wie die NEW YORK TIMES in drei Artikel ausführlich berichtete, verhinderte der 'Council of the Actors Equity Association’, dass die ausländische Schauspielerin vor Ablauf einer sechsmonatigen Beschäftigungssperre nach einem Bühnenengagement ein nächstes Engagement antreten durfte, obwohl sich der eminente New Yorker Anwalt und Förderer der Künste, Paul D. Cravath, für sie einsetzte.

                NEW YORK TIMES Sept. 26, 1934

                „Broadway barred to Alien Actress – Equity Council refuses to permit debut of Greta Maren in new Play – She must wait 6 Months“

                NEW YORK TIMES Oct. 3, 1934

                „Cravath goes to aid of Vienna Actress – In vain asks Equity Council to waive Employment Rule for Greta Maren“

                NEW YORK TIMES Oct. 5, 1934

                „Play dispute settled – Margot Grahame replaces Greta Maren in 'Sexes and Sevens'“

                Im April 1935 gelang Greta Maren schließlich das Debüt am Broadway, sie spielte neben James Stewart (1908–1997) in der Rolle des Carl die weibliche Hauptrolle der Claire in A Journey by Night, in einer englischen Bearbeitung von Arthur Goodrich des Stücks Die Reise nach Preßburg. Leo Perutz hatte das Stück zusammen mit Paul Frank geschrieben, es war am 4. Dezember 1930 am Theater in der Josefstadt in Wien uraufgeführt worden, inszeniert von Emil Geyer (geb. Emil Goldmann 29.11.1872 in Brünn, ermordet in Mauthausen am 12.10.1942), mit Lili Darvas und Adrienne Gessner in den weiblichen Hauptrollen. Die Inszenierung am Shubert Theater New York wurde nach sieben Aufführung (16.–20 April 1935) abgesetzt, als „critical failure“ nach enttäuschenden Reviews nicht nur in der NEW YORK TIMES. Die US-amerikanischen Theaterkritiker konnten mit dem Stück nichts anfangen. Am selben Theater war davor das Stück Escape Me Never von Margaret Kennedy von Januar – April 1935 insgesamt 96mal aufgeführt worden, u. a. mit der aus Nazi-Deutschland geflohenen Elisabeth Bergner in der weiblichen Hauptrolle.

                Wir haben bisher noch nicht herausgefunden, wie es Greta Maren in so kurzer Zeit nach ihrer Ankunft in New York gelungen war, als Theaterschauspielerin an renommierten Bühnen engagiert zu werden, wir wissen auch noch nicht, was sie in den folgenden fünf Jahren machte. Im Sommer 1940 erscheint „a young Viennese actress Greta Maren in the lead“ an einer Kultbühne, dem 'Westport Country Playhouse' in Connecticut in einem Stück von Samuel Nathaniel Behrman Serena Blandish.

                Am 8. Mai 1942 heiratete Greta Maren Hinterauer in New York den zwei Jahre älteren US-Amerikaner Herbert M. Alexander (01.09.1910 – 23.11.1988), Sohn von Max und Therese (geb. Rothschild) Alexander, von 1942 – 1946 second lieutenant der US-Air Force, danach ein innovativer Taschenbuch-Verleger, "building a reputation as a shrewd negotiator for reprint rights", unter anderem als Direktor und Vizepräsident des großen Verlagshauses Simon & Schuster. Als er 1988 im Alter von 78 starb, schrieb die NEW YORK TIMES in einem Nachruf am 24.11.1988: "He is survived by a son, Thomas P. Alexander, of Manhattan".

                Über Greta Marens Biographie von ihrem dreißigsten Lebensjahr an wissen wir bisher noch nichts.

                Quellen:

                Stadtarchiv München

                EWK-65-H-122: Einwohnermeldekarte für Margarete Johanna Hinterauer, geboren am 12.02.1912 in München, Kartenanlage am 6.10.28

                DE – 1992 – ZA – P – 0325 – 30: Telegramm-Zeitung 2.+3.9.1930 ''Der Mordversuch an Grete Maren“

                DE – 1992 – ZA – 17246: Volkstheater/Münchner Kammerspiele 1932

                AustriaN Newspapers Online, aufgerufen über: https://anno.onb.ac.at/

                Internet Broadway Database, aufgerufen über https://www.ibdb.com/

                NEW YORK TIMES archive online, aufgerufen über https://www.nytimes.com

              • Arnold Marlé

                • Schauspieler*in
                • Regisseur*in
                * 1887, Prag
                † 1970, London

                Seit 1910 in München, wechselte Arnold Marlé zur Spielzeit 1915/16 vom Volkstheater an die Münchner Kammerspiele als Schauspieler und später auch als Regisseur. Er gehörte dem Ensemble bis 1924 an. Er heiratete die Schauspielerin und Kollegin an den MK, Lilly Freud (1888–1970), die Tochter von Sigmund Freuds Schwester Maria. 1924 holte ihn Erich Ziegel an die Hamburger Kammerspiele und als Schauspieler und Oberspielleiter war er dann am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg bis März 1933. Mit seiner Familie floh er nach Prag und im März 1939 emigrierten sie zusammen nach England.

              • Heinrich Marx

                • Gesellschafter*in
                * 1872, Mönchsroth
                † 1947, New York

                Heinrich und Hugo Marx' Väter, Lazarus und Samuel Marx, betrieben zusammen in Nördlingen ein Eisenwaren- und Hopfengeschäft. Heinrichs Schwester Sophie (1863 – 1927) heiratete 1882 den Juristen Dr. Theodor Loewenfeld, eines ihr vier Kinder war der Rechtsanwalt und politische Verteidiger Dr. Philipp Loewenfeld. Zusammen mit seinem Vetter Hugo Marx gründete er 1908 das Bankhaus Heinrich & Hugo Marxin der Maffeistr. 4/Theatinerstr. 7. Er hatte 1906 in München die 1887 in Landau geborene Alice Scharff geheiratet, die beiden hatten keine Kinder. 1931 meldeten sich beide in München ab mit der Begründung „auf Reisen“. Sie kehrten nicht wieder zurück, lebten in der Schweiz und emigrierten im April 1938 über Le Havre in die USA.

              • Otto Marx

                • Schauspieler*in
                * 1910, München
                † 1967, Hackensack

                MK 24.10.1929: Trojaner – eine Sekundanerrevolte von Curt Corrinth, Regie: Richard Révy. Mit Karl Kyser, Kurt Horwitz, Julius Seger, Otto Marx u. a.

                MK 10.10.1931: Raunacht von Richard Billinger, UA. Regie: Otto Falckenberg. Mit Therese Giehse, Elsa Moltzer, Sibylle Schloß, Otto Marx u. a.

                MK/Volkstheater 07.01.1932: Der Mustergatte von Avery Hopwood. Regie: Richard Révy. Mit Heinz Rühmann, Elsa Moltzer, Otto Marx u. a.

                MK 20.01.1932: Liliom von Franz Molnardt, von Alfred Polgar. Regie: Kurt Held. Mit Max Pallenberg, Therese Giehse, Sibylle Schloß, Otto Marx u. a.

                MK 26.02.1932: Kopf in der Schlinge von Ladislos Fodor. Regie: Richard Révy. Mit Sibylle Schloß, Kurt Horwitz, Otto Marx u. a.

                MK 07.04.1932: Vom Teufel geholt von Knut Hamsun. Regie: Otto Falckenberg. Mit Hermine Körner, Kurt Horwitz, Sibylle Schloß, Otto Marx u. a.

                MK/ Volkstheater 15.04.1932: Die Welt ohne Männer von A. Engel und J. Horst. Regie: A.Fischer-Marich. Mit Sibylle Schloß, Otto Marx u. a.

                MK/Volkstheater 06.05.1932: Eva hat keinen Papa von Wilhelm Lichtenberg. Regie: Rudolf Hoch. Bühne: David Schneuer. Mit Julius Seger, Otto Marx u. a.

                MK ab 04.05.1932: Die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht. Regie: Hans Schweikart. Im Gastspiel mit Carola Neher, mit Otto Marx in der Rolle des Filc.

                MK 02.09.1932: Donnerstag, 17. April von Ludwig Zilahy. Regie: Richard Révy. Mit Sybille Binder a.G. , Kurt Horwitz, Otto Marx u. a.

                MK 29.10.1032: Der grosse Bariton von Ditrichstein / Hatton. Regie: Richard Révy. Mit Else und Albert Bassermann a. G., Kurt Horwitz, Karl Kyser, Julius Seger, Otto Marx u.a.

                MK 06.11.1932: Die Heimkehr des Olympiasiegers von Sin Dbad. Regie: Richard Révy. Mit Kurt Horwitz,Otto Marx, Julius Seger, Ilva Günten, Karl Kyser u.a.

                MK 21.11.1932: Robinson soll nicht sterben von Friedrich Forster Regie: Julius Gellner. Musikalische Leitung: Herrmann Ludwig. Mit Therese Giehse, Karl Kyser, Ilva Günten, Otto Marx u. a.

                MK Dez/Jan 1932/33: Der Biberpelz von Gerhart Hauptmann. Regie: Richard Révy. Mit Therese Giehse, Ilva Günten, Kurt Horwitz, Otto Marx u.a.

                Im Programmheft März 1933 der Münchner Kammerspiele wurden zwei Neuinszenierungen mit allen Rollenbesetzungen angekündigt:

                MK 17.03.1933: Der Lampenschirm von Kurt Goetz. Regie: Hugo Schrader. Mit Ilva Günten, Juana Sujo, Julius Seger, Otto Marx u.a.

                MK 24.03.1933: Fanny von Marcel Pagnol, dt. von Bruno Frank. Regie: Richard Révy. Mit Marianne Hoppe a.G., Ilva Günten, Juana Sujo, Otto Marx u.a .

                Am 9. März 1933 ergriffen die Nationalsozialisten in München die Macht. Sofort danach flohen Julius Gellner, Heinrich Fischer und Otto Marx in die Tschechoslowakei, Therese Giehse, Erika Mann, Sybille Schloß in die Schweiz. Am Tag der ersten Premiere war Otto Marx längst außer Landes und er kehrte nie mehr zurück. Sein Schicksal wird in der bisherigen Erzählung der Münchner Kammerspiele mit keinem Wort erwähnt.

                Otto Marx kam am 8. Mai 1910 in München auf die Welt als jüngster der drei Söhne des jüdischen Bankiers Hugo Marx (Nördlingen 30.10.1873 – 15.09.1945 Hackensack, New Jersey, USA) und seiner Frau Else geb.Fromm (Augsburg 07.08.1881– ? Hacken-sack), sie war die älteste Tochter von Gustav und Flora Fromm.

                Hugo Marx gründete 1908 in München zusammen mit seinem Vetter Heinrich Marx (Mönchsroth 01.04.1872 – 02.03.1947 New York) das Bankhaus Heinrich & Hugo Marx. Beide waren Mitgründer und Gesellschafter der Münchner Theater GmbH, beide waren Theater-Mäzene der Münchner Kammerspiele, Hugo Marx unterstützte 1935 – 1938 finanziell auch das Theater in Teplitz-Schönau.

                Heinrich Marx und seine Frau Alice hatten keine Kinder, 1931 schied er aus dem Bankhaus aus, die beiden zogen in die Schweiz, im April 1938 flohen sie über Le Havrein die USA. Hugo und Else Marx hatten drei Kinder, ein Sohn starb im frühen Kindesalter (Walter München 01.10.1907 – 1908 München), der erstgeborene Sohn Karl (München 6.3.1903 – 11.06.2001 Hastings-on-Hudson, New York, USA) wurde nach Volkswirtschaftsstudium und Promotion Mitinhaber der Bank, im November 1938 wurden Vater Hugo und Sohn Dr.Karl Marx von den Nazis verhaftet und im KZ Dachau festgehalten. Ihre Bank wurde im Dezember 1938 liquidiert, Karl floh mit seiner Familie 1939 nach New York, Elses Mutter Flora Fromm war 1932 zu ihrer Tochter und Hugo Marx gezogen, 1938 war sie ins israelitische Krankenheim gebracht worden. Hugo und Else Marx gelang 1940/41 die Flucht über Spanien nach New York. Flora Fromm wurde im Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet.

                Der jüngste Sohn Otto Marx wurde Theaterschauspieler. Mit 19 Jahren trat er im Oktober 1929 in einer Richard Révy-Inszenierung des Curt Corrinth Stücks Trojaner als einer der Sekundaner zum ersten Mal an den Münchner Kammerspielen auf. In den Spielzeiten 1931/32 und 1932/33 war er ein ziemlich vielbeschäftigtes Mitglied des MK-Ensembles bis zu seiner Flucht Anfang März 1933.

                In Wolfgang Petzets umfänglicher Erzählung Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911 – 1972 kommt kein Schauspieler Otto Marx an den Münchner Kammerpielen vor. Nur auf Seite 569 in der Anmerkung Nr. 68 zu Kapitel 7 'Direktion Falckenberg im Schauspielhaus 1926 – 1932' (tatsächlich jedoch handelt es sich um die 'Direktion Otto Falckenberg – Adolf Kaufmann') gibt es einen Hinweis auf Hugo Marx und seinen Sohn Otto. Petzet zitiert dort aus einem Brief „in den uns die Witwe des expressionistischen Schriftstellers und Malers Karl Jakob Hirsch, Frau Ruth Gassner-Hirsch, freundlicherweise Einblick gewährte“, in dem „der frühere Hauptbuchhalter des Bankhauses Heinrich und Hugo Marx, Karl Pfab, schreibt:

                ''. . .Herr Hugo Marx ist in Sachen Kammerspiele niemals als Mäzen in Erscheinung getreten. Im Gegenteil, er wollte gar nicht wissen lassen, dass er seinen Sohn Otto in leitende Position in die Kammerspiele bringen wollte; nur Eingeweihte wussten Bescheid . . .Das Bankgeschäft Heinrich und Hugo Marx , nicht die Herren Marx privat,ist immer wieder mit Krediten eingesprungen. Daß es ein Verlustgeschäft war, können Sie sich denken. Ein Teil der Kredite war von Herrn Hugo Marx gegenüber seinen Kompagnons verbürgt; Herr Hugo Marx hat die Verluste mit den anderen Teilhabern der Firma . . . privat geregelt. (Etwa 1954) sollte ich Nachforschungen über die Liquidation der Münchner Theater GmbH anstellen. Beim Registergericht in München konnte nur ein Hinweis gefunden werden, bestehend aus einer einzigen Zeile, daß eine Münchner Theater GmbH überhaupt einmal existiert hat; alle sonstigen Unterlagen sind durch den Bombenkrieg verbrannt . . .“

                Wolfgang Petzet: "Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München, Desch-Verlag 1973, S. 240.

                Diese Anmerkung Nr. 68 bezieht sich auf eine Passage, in der Petzet sich auf eine unerhört schäbige, gehässige und diffamierende Weise auslässt über Adolf Kaufmann, Mitgründer der Münchner Kammerspiele, Gesellschafter, Justitiar, administrativer Direktor dieses Theaters, ein jüdischer Sozialdemokrat, der seit der Räterepublik die Hassfigur der Nazis in München war:

                „Eigentlich ist es mehr als sonderbar, daß es (im Herbst 1932) der gemeinsamen Anstrengung von Staat, Stadt, der öffentlichen Meinung und des Ensembles bedurfte, um Falckenbergs Stellung an den Kammerspielen zu erhalten und zu festigen, deren Inbegriff ja seine Kunst und Persönlichkeit war. Zur Erklärung dieses merkwürdigen Phänomens und der folgenden Ereignisse bedarf es einer Analyse der des öfteren erwähnten finanziellen und organisatorischen Verhältnisse dieses Theaters. Ihre Kompliziertheit und schließliche Verworrenheit entsprach dem Charakter des Protagonisten hinter den Kulissen, des Rechtsanwalts Adolf Kaufmann, Anteilseigner, seit acht Jahren geschäfts-führender Direktor und von Beginn der Kammerspiele an Syndikus, Mitglied des Aufsichtsrates und sehr bald dessen Vorsitzender. Seine unbeschränkte Machtvollkommenheit beruhte auf dieses Doppelfunktion und auf dem unerschütterlichen Vertrauen, dessen er sich bei den übrigen Geldgebern und Aufsichtsräten, wie dem Hopfengroßhändler Heinrich Fromm und Bankier Hugo Marx erfreuen konnte. Für sie ( die nicht ohne einen lobenswerten, wenngleich naiven und dann doch auch 'geschäftlich denkenden', mäzenatischen Ehrgeiz waren) genoß er das Ansehen eines Retters ihres Geldes vor den Ambitionen des ersten Kammerspieldirektors Eugen Robert und eines in den schlimmsten 'Durststrecken' der Kammerspielgeschichte immer neue Geldquellen (zum Beispiel den ständigen städtischen Zuschuß von 30 000 Mark) erschließenden Zauberkünstlers. . . . Um seine wunderbaren Transaktionen zu vernebeln, gründete er im Laufe seiner Geschäftsführer-Tätigkeit gleich vier Gesellschaften . . .“

                Den 'früheren Hauptbuchhalter des Bankhauses Heinrich und Hugo Marx, Karl Pfab', der im Gegensatz zu allen Mitgliedern der jüdischen Marx–Familie, allen Kompagnons und Teilhabern ganz offensichtlich als 'reinrassiger' Münchner Bürger nicht versuchen musste, sein Leben zu retten vor der Verfolgung der Nazis, betrachtet Petzet als glaubwürdigen Sachverständigen. Er fügt zu Karl Pfabs zynisch-gehässiger Darstellung noch eine ungehörige Behauptung hinzu:

                „Man kann sich gut vorstellen, wie Adolf Kaufmann die Hoffnungen von Hugo Marx zwecks immer neuer Kredite nährte, während er ernstlich nie daran dachte, sie zu erfüllen“.

                Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch Verlag 1973. S. 569.

                Es findet sich kein einziges Wort im bisherigen Narrativ der Münchner Kammerspiele über die Schicksale der Gesellschafter*innen dieses Theaters und ihrer Familien in der Zeit des NS-Gewaltregimes.

                Otto Marx, der im März 1933 in die Tschechoslowakei geflohen war, wurde von Curth Hurrle (1903–1987), beide kannten sich aus München, ans Theater im nord-böhmischen Brüx (heute Most) engagiert, das Hurrle leitete. Als 1935 Hurrle Intendant in Teplitz-Schönau wurde, nahm er Otto Marx als Schauspieler, Dramaturg und Regisseur mit. Gleichzeitig waren am Theater in Teplitz Walter Gynt, als Schauspieler und auch als Regisseur, und P. Walter Jacob, der 1938 nach Argentinien floh und dort ein deutsches Exiltheater eröffnete. Aus Dokumenten des P. Walter-Jacob Archivs wissen wir, dass Otto Marx' Vater, der Bankier Hugo Marx, das Theater in Teplitz-Schönau, an dem sein Sohn im Exil arbeiten konnte, mit subventionierte. Otto Marx inszenierte u. a. Frantisek Langers Komödie Das Kamel geht durch das Nadelöhr im März 1936, das Josef Glücksmann an den Münchner Kammerspielen im März 1930 auf die Bühne gebracht hatte. Im April 1938 inszenierte P. Walter Jacob in Teplitz Marcel Pagnols Komödie Fanny mit Otto Marx, der im März 1933 vor der Premiere dieses Stücks an den Kammerspielen aus München fliehen musste. Seine letzte Theater-Rolle überhaupt war im April 1938 die Rolle des Christophe Dudgeon in Bernard Shaws Der Teufelschüler. Danach flohen alle jüdischen Schauspieler*innen aus Teplitz nach Prag. Erst 1940 gelang es Otto Marx, ein Visum für Santo Domingo zu bekommen, er floh nach Italien und von dort in die Dominikanische Republik. Am 5. Mai 1941 kam er in New York an. Nach dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg gehörte er der US-Army an bis zur Kapitulation Deutschlands. Nach dem Krieg gelang Dr. Otto Marx eine amerikanische Universitäts-Karriere als Professor für deutsche Sprache und Literatur, für Spanisch und lateinamerikanische Geschichte. Er starb im November 1967 im Alter von 57 an den Folgen einer ALS-Erkrankung (ALS = amyotrophe Lateralsklerose).

              • Paul Marx

                • Regisseur*in
                • Schauspieler*in
                • Dramaturg*in

                Nach ersten Engagements in Berlin, Düsseldorf und Zürich kam der Schauspieler Paul Marx 1913 an die Münchner Kammerspiele. Am 31.1.1914 inszenierte er als seine erste Regiearbeit Heinrich Ilgensteins Kammermusik. Für vier Spielzeiten wirkte er an den MK als Regisseur, Dramaturg und Schauspieler (MK 1913/14 – 1915/16, eine Spielzeit am Schauspielhaus, MK 1918/19). Danach war er Spielleiter in Hamburg und Berlin. 1933 floh er in die Tschechoslowakei und arbeitete als Schauspieler und Regisseur am Deutschen Theater in Mährisch-Ostrau und in Wien bei Erich Ziegel. 1938 floh er in die USA, Arbeit an deutschen Exiltheatern.

              • Fritzi Massary

                • Schauspieler*in
                geb. Friederika
                * 1882, Wien
                † 1969, Los Angeles

                In der Spielzeit 1930/31 spielte sie als Gast an den Münchner Kammerspielen in der neuesten Komödie des irischen Dramatikers und Theaterprofessors St. John Ervine (Belfast 1883–1971 London) Die erste Mrs. Selby (Originaltitel: The First Mrs. Frazer, 1929), Regie: Robert Forster Larrinaga (Premiere: 18.04.1930).

                Sie wurde nach ihrem Debüt 1900 in Hamburg eine gefeierte Operettensängerin ('die Massary'). 1917 heiratete sie den Schauspielkollegen und großen Charakterkomiker Max Pallenberg, der von 1927/28–1932 wiederholt an den Münchner Kammerspielen gastierte. Als 1932 Massary's Auftritte in Berlin in der Operette Eine Frau, die weiss was sie will des österreichisch jüdischen Komponisten Oscar Straus und des österreichisch jüdischen Librettisten Alfred Grünwald von SA-Schlägern mit antisemitischen Sprechchören gestört werden, fliehen Massary und Pallenberg aus Deutschland nach Wien. Pallenberg kommt im Juni 1934 bei einem Flugzeugabsturz nahe Karlsbad ums Leben, Massary emigriert über die Schweiz und Frankreich 1939 in die USA, zu ihrer Tochter Liesl Pallenberg (1903–1979), die mit dem Autor Bruno Frank (1887–1945) verheiratet war. Die beiden waren im Februar 1933 aus München in die Schweiz geflohen und 1937 in die USA emigriert.

                Massary lebte ohne Comeback in Beverly Hills.

              • Hanns Merck

                • Schauspieler*in
                geb. Johann August
                * 1885, Bremen
                † 1967, Nürnberg

                Hanns Merck war in der Spielzeit 1913/14 und 1914/15 im Ensemble der Münchner Kammerspiele und gilt als ein Mitbegründer 1913 dieser Münchner Kammerspiele. Als Regisseur und Theaterdirektor arbeitete er von 1921 bis Oktober 1932 am Intimen Theater in Nürnberg. Im Mai 1921 inszenierte er Wedekinds Schloss Wetterstein,das Stück, das im Dezember 1919 in den Kammerspielen von antisemitischen Protesten gestört wurde. Die Rolle der Effie von Gystrow, die in München Sybille Binder spielte, spielte in Nürnberg die junge Berliner jüdische Schauspielerin Ernestine Costa. Sie und Hanns Merck heirateten. Im Sommer 1924 inszenierte Merck an den Münchner Kammerspielen als Gastregisseur ein Schnitzler und ein Wedekind Stück mit Costa als Gastschauspielerin. Im Oktober 1932 wurde Hanns Merck auf Druck der NSDAP in Nürnberg ('der Jude habe zu viele jüdische SchauspielerInnen beschäftigt') als Theaterdirektor entlassen, offiziell-amtlich wegen 'Misswirtschaft'. 1933 floh er nach Prag und von dort nach Holland. 1947 versuchte er eine Neugründung des Intimen Theaters in Nürnberg.

                Im Narrativ der Münchner Kammerspiele ist von diesen Biographien Hanns Mercks und Ernestine Costas kein Wort zu lesen. Bisher.

              • Hanne Mertens

                • Schauspieler*in
                * 1909, Magdeburg
                † 1945, KZ Neuengamme

                Hanne Mertens gehörte vom 1. September 1938 – 17. Februar 1943 dem Ensemble der Münchner Kammerspiele an.

                Nach ihrer Ausbildung an der Staatlichen Schauspielschule Berlin unter Leitung Leopold Jessners, nach Engagements in Berlin, Düsseldorf und wieder Berlin engagierte Otto Falckenberg 1938 die damals 29-jährige Schauspielerin an die Münchner Kammerspiele mit einem Vertrag für drei Spielzeiten 1938/39 – 1940/41, der im November 1940 für weitere zwei Spielzeiten 1941/42 – 1942/43 verlängert wird. Am 1. November 1938 steht Hanne Mertens zum ersten Mal in einer Inszenierung Falckenbergs auf der Bühne der Kammerspiele in der Rolle der Lady Milford in Kabale und Liebe und wird von der Münchner Theaterkritik als außergewöhnliche Schauspielerin wahrgenommen und gerühmt. Falckenberg besetzt Hanne Mertens noch in zwei seiner Inszenierungen (in der Rolle der Elisabeth in Schillers Maria Stuart, Premiere 20. Februar 1940 und in der Rolle der Hippolyta in Shakespeares Sommernachtstraum , Premiere 18. November 1940), danach nicht mehr, da er sie in seinen Inszenierungen nicht für die geeignete Darstellerin hält. Es kommt zu einer heillosen Entfremdung zwischen dem Intendanten und der selbstbewussten jungen Schauspielerin, die es augenscheinlich an vorbehaltloser Bewunderung fehlen lässt für Falckenberg, der 1939 den Titel Staatsschauspieldirektor erhalten hat.

                Hanne Mertens spielt 1941/1942 noch markante Rollen bei drei Regisseuren. 1941 wird sie zusammen mit ihrer Schauspielkollegin Signe von Scanzoni bei der Gestapo anonym angezeigt wegen „defätistischer Gesänge“. Am 27. Januar 1943 werden aus einer Mappe „Hanne Mertens im Kulturamt Az. 1159“ Briefe „entnommen für Gestapo“, die sie an die Intendanz geschrieben hat. Am 17. Februar 1943 bittet Hanne Mertens, ihren Dienstvertrag „fristlos zu lösen“, die Direktoren Falckenberg und Waldeck „entsprechen diesem Ersuchen“. Hanne Mertens verlässt München und nimmt ein Engagement am Thalia–Theater in Hamburg an.

                Im Januar 1945 wird sie in Hamburg von zwei Gestapo-Spitzel denunziert wegen „wehrkraftzersetzenden Gesangs“ in privater Runde, am 6. Februar 1945 auf offener Straße verhaftet, im Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel verhört, misshandelt, am 20. April 1945 zusammen mit 70 Gefangenen ins KZ Neuengamme verschleppt und in der Nacht des 22. April 1945 ermordet. Hanne Mertens wurde 36 Jahre alt.

                Am 25. Juni 2020 wurden am Eingang der Münchner Kammerspiele im Schauspielhaus in der Maximilianstraße 26 – 28 fünf Erinnerungszeichen angebracht für fünf Menschen, die an den Kammerspielen gewirkt hatten und ermordet wurden: Edgar Weil, Hans Tintner, Benno Bing, Julius Seger und Emmy Rowohlt. Ein sechstes Erinnerungszeichen sollte angebracht werden für Hanne Mertens. Die Stadt bat darum, von diesem Erinnerungszeichen für Hanne Mertens abzusehen, da Vorwürfe im Raum stünden, diese Schauspielerin habe den Intendanten Otto Falckenberg bei der Gestapo denunziert wegen dessen Unterstützung einer jüdischen Schauspiellehrerin.

                Durch aufwändige Recherchen haben Janne und Klaus Weinzierl im Stadtarchiv und im Staatsarchiv in München, Johannes Grossmann im Staatsarchiv der Hansestadt Hamburg Dokumente entdeckt, die diesen Vorwürfen gegen Hanne Mertens, die im Echokammer–Narrativ der Münchner Kammerspiele (Petzet 1973, Euler 1979, Pargner 2005, Clemens 2012) immer wieder fortgeschrieben worden sind, jegliche Grundlage entziehen.

                Die Dekonstruktion dieses MK-Echokammer–Narrativs „Der Fall Hanne Mertens“ und die Rekonstruktion und Dokumentation „Hanne Mertens in München“ werden auf dieser Website veröffentlich werden.

              • Richard Metzl

                • Schauspieler*in
                * 1870, Prag
                † 1941, Paris

                MK 01./02.09.1930: Der Diener zweier Herren von Carlo Goldoni. Zwei Gastspielabende der Salzburger Festspiele 1930, Regie: Max Reinhardt mit seinem Ensemble, u. a. mit Richard Metzl in der Rolle des Brighella

                Richard Metzl kam als das jüngere von zwei Kindern einer Prager jüdischen Kaufmannsfamilie am 20. April 1870 auf die Welt und wuchs in Wien auf. Seine Laufbahn als Schauspieler begann er in Karlsbad und Salzburg. Dort am Stadttheater lernte er auch den drei jüngeren Max Reinhardt kennen. 1910 ging er nach Berlin und arbeitete als Schauspieler und Regisseur an Reinhardts Theatern. Mit der Gründung der Salzburger Festspiele 1920 wurde er Reinhardts Direktionssekretär und trat auch in Reinhardts Inszenierungen in Salzburg auf. Nach der NS-Annexion Österreichs 1938 flüchtete er nach Paris. Er verstarb dort am 31. Oktober 1941.

                In Salzburg verlegte am 19. April 1913 Gunter Demnig zwei Stolpersteine zur Erinnerung an Richard Metzl und Max Reinhardt.

              • Max Meyerfeld

                • Übersetzer*in
                * 1875, Gießen
                † 1940, Berlin

                MK 31.10.1913: Justiz von John Galsworthy, Übersetzung aus dem Englischen: Max Meyerfeld, Regie: Philipp Manning

                Max Meyerfeld wurde 1875 in Gießen geboren. Seine Eltern, der Mehl- und Landproduktenhändler Levi Meyerfeld und Auguste geb. Friedberger, starben früh, die Mutter als Max zwei, der Vater, als Max zwölf Jahre alt war. Er wuchs bei Verwandten auf. An den Universitäten Gießen und Straßburg studierte er Anglistik und Musikwissenschaft. In Berlin promovierte er 1898 über den Dichter Robert Burns. Er schrieb Theater-, Film- und Musikkritiken, u. a. in der Neuen Rundschau und der Neuen Züricher Zeitung.

                Er war der erste Übersetzer Oscar Wildes ins Deutsche.

                Max Meyerfeld war mit Alfred Kerr (1867 – 1948) befreundet und ein regelmäßiger Gast in Kerrs Familie. Judith Kerr (1923 – 2019) sprach in einem Vortrag „Eine eingeweckte Kindheit“, den sie am 7. Oktober 1990 im Renaissance Theater in Berlin hielt, sehr liebevoll über Max Meyerfeld:

                „Er kam immer am ersten Weihnachtsfeiertag, an dem mein Vater auch Geburtstag hatte. Er war wohl mein liebster Onkel, aber er war kein Verwandter, sondern ein Freund meines Vaters. Max Meierfeld hieß er. Wir nannten ihn Onkel Meierfeld. Ein ewiger Junggeselle, liebenswürdig, etwas pedantisch und ein begabter Übersetzer. Hat Shaw und, ich glaube, auch Oscar Wilde ins Deutsche übersetzt.Aber das wußten wir natürlich damals nicht. Wir kannten ihn nur als jemanden, der oft zu uns kam und uns verwöhnte. Er liebte Tiere. Wir auch, aber wir hatten nicht viel Glück mit ihnen. … Am Liebsten ging er mit uns in den Zoo. Da wußte er alles. Ich hatte das Gefühl, er kannte jedes Tier persönlich. Ich hatte damals gerade Dr. Dolittle gelesen und wünschte mir sehr, ich könnte, wie Dr. Dolittle, die Sprache der Tiere verstehen. Er sagte: 'Bis du erwachsen bist' – das schien damals tausend Jahre entfernt – 'bis du erwachsen bist, haben wir's vielleicht gelernt'. Manchmal schien es mir beinah, als hätte er es schon damals gekonnt. Er ist zurückgeblieben, als wir ausgewandert sind."

                Judith Kerr: Eine eingeweckte Kindheit. Berlin, London: Argon Verlag 1990, S. 32

                Alfred Kerr floh am 15. Februar 1933 nach Prag, von dort nach Lugano, seine Frau und die beiden Kinder kamen am 4. März 1933 dorthin nach, zusammen ging es weiter nach Zürich, Paris und London. Gegen Max Meyerfeld verhängten die Nationalsozialisten ein Publikations- und Berufsverbot. Judith Kerr schreibt:

                "Ich weiß nicht, ob er Deutschland nicht verlassen wollte oder ob er es später nicht mehr konnte. Aber er hat mir jahrelang Postkarten geschrieben, immer mit Bildern von Tieren drauf. Der Zensur wegen traute er sich nicht, an meinen Vater zu schreiben, aber in den Postkarten nannte er ihn 'Tante Adele' und schickte ihm immer Grüße und Botschaften. Auf der letzten Postkarte, die ankam, schrieb er: 'The more I see of men, the more I love animals'. Erst nach dem Krieg haben wir erfahren, daß er sich, als er als Jude nicht mehr in den Zoo gehen durfte, das Leben genommen hat.“

                Judith Kerr: Eine eingeweckte Kindheit. Berlin, London: Argon Verlag 1990, S. 32

                Max Meyerfeld nahm sich am 3.10.1940 in Berlin Schönefeld das Leben.

              • Alexander Moissi

                • Schauspieler*in
                * 1879, Triest
                † 1935, Wien

                28.09.1924 als Gastschauspieler an den Münchner Kammerspielen in Grillparzers Die Jüdin von Toledo, Regie: Julius Gellner. Am 01.06.1927 als Gastschauspieler in Ibsens Gespenster, Regie: Richard Révy, mit Therese Giehse und Ernst Deutsch als Gästen. 1933 Flucht aus Deutschland. Er war schon Jahre davor immer wieder antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. Am 22. März 1935 starb Alexander Moissi in Wien an einer Lungenentzündung. Bei der Trauerfeier legte der Schauspieler Albert Bassermann den Iffland-Ring auf den Sarg Moissis, da er an ihn als sein Nachfolger für diese Auszeichnung gedacht hatte.

              • Ferenc Molnár

                • Autor*in
                * 1878, Budapest
                † 1952, New York

                MK 05.02.1913: Das Märchen vom Wolf, Regie: Eugen Robert

                MK 06.04.1931: Das Märchen vom Wolf, Regie: Josef Glücksmann, Bühnenmusik: Herrmann Ludwig

                MK09.12.1925: Theater, Regie: Adolf Wohlbrück

                MK 30.03.1929: Olympia, Regie: Robert Forster-Larrinaga

                MK 20.01.1932: Liliom, in der deutschen Bearbeitung von Alfred Polgar. Regie: Ernst Held, u. a. mit Therese Giehse, Sybille Schloß und als Gast Max Pallenberg. Alle emigrierten 1933.

                MK 02.06.1932: Jemand, Regie: Leopold Kramer, als Gast

                Molnár floh 1937 vor den Nationalsozialisten in die Schweiz, am 31. Dezember 1939 emigrierte er in die USA. Er schrieb dort weiter Theaterstücke, Drehbücher und Romane, schwere Depressionen eines Überlebenden in der erzwungenen Fremde und der Selbstmord seiner Lebensgefährtin zernichteten den Schriftsteller. Er stirbt nach einer Operation am 1. April 1952 in New York.

              • Elsa Moltzer

                • Schauspieler*in

                In der Spielzeit 1931/32 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in der UA von Richard Billingers Rauhnacht, Regie: Otto Falckenberg (Premiere 10.10.31) in der Rolle der Fischerstochter Brigitta.

                In der Ausgabe der LA SEMANA ISRAELITA (Jüdische Wochenschau) vom 8.11.1940 wird aus Buenos Aires berichtet:

                „Man feierte mit drei Schauspielerinnen, die hier lange nicht mehr auf der Bühne standen: Hedy Crilla-Schlichter, Gissie Henckell und Elsa Moltzer.”

                La Semana Israelita (8.11.1940), Buenos Aires

                Der nach Buenos Aires emigrierte Theaterleiter Paul Walter Jacob veröffentlichte 1950 „ZEHN JAHRE FREIE DEUTSCHE BÜHNE IN BUENOS AIRES 1940 – 1950“ (Año del Libertador General San Martin, 1950). Demnach stand Elsa Moltzer dort u. a. 1943 in einem Stück von Kaufmann / Hart Der Mann, der zum Essen kam auf der Bühne, zusammen mit einem Ensemble emigrierter deutscher und österreichischer Schauspieler*innen, darunter auch Annie Ernst-Schröck, die 1919–1921 im Ensemble der Münchner Kammerspiele war und 1939 nach Argentinien emigrierte. Nach 1945 remigrierte Elsa Moltzer nach Europa. 1957/58 und 1958/59 war sie am Wiener Volkstheater engagiert. 1962 kehrte sie als Gast zurück an die Münchner Kammerspiele für Erwin Piscators Inszenierung der Flüchtlingsgespräche von Bertolt Brecht im Werkraumtheater zusammen mit Werner Finck und Willy Reichert.

              • Carl Morburger

                • Übersetzer*in
                geb. Josef
                * 1875, Brünn (Brno)

                MK 07.04.1932: Vom Teufel geholt von Knut Hamsun, Übersetzung aus dem Norwegischen: Carl Morburger (1910), Regie: Otto Falckenberg, u. a. mit Hermine Körner a. G., Richard Révy, Kurt Horwitz, Sybille Schloß, Otto Marx

                Josef Schlossberger kam am 1. März 1875 als Sohn einer jüdischen Familie in Brünn auf die Welt. Als Schriftsteller und Übersetzer aus dem Norwegischen (u. a. Hamsun) und aus dem Schwedischen (u. a. Strindbergs Das Band, Ellen Keys Die junge Generation, autorisierte Übersetzung 1913) veröffentlichte er unter dem Pseudonym Carl Morburger. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts lebte und arbeitete er in Wien, Zürich, Lausanne und Stockholm. Seine biographischen Spuren – zwischen und unter seinem Geburtsnamen und seinem Autorennamen – haben wir bisher noch nicht rekonstruieren können.

              • Paul Morgan

                • Schauspieler*in
                * 1886, Wien
                † 1938, KZ Buchenwald

                In der Spielzeit 1921/22 wird Paul Morgan im Sommer 1922 an den Münchner Kammerspielen für vier Produktionen als Gastschauspieler aus Berlin verpflichtet.

                Er spielt in zwei Inszenierungen Rudolf Franks, in ausverkauften Nachtvorstellungen einer Komödie Verneuils zusammen mit Grete Jacobsen und in einem Kriminaldrama des Hausautors der Kammerspiele, Bruno Franks Das Weib auf dem Tiere zusammen mit Sybille Binder. Falckenberg besetzt ihn in Gogols Stück Der Revisor mit Erwin Kalser, Marie Ferron, Liesl Neumann und Kurt Horwitz. Mit Horwitz spielt Morgan auch in der Advokatenkomödie Die Causa Kayser der beiden Wiener Autoren Stärk/Eisler. Zurück in Berlin spielt er Theater, Kabarett und in Stummfilmen, auch in Elisabeth Bergners letztem Stummfilm Fräulein Else.

                1933 verlassen Paul Morgan und seine Frau, die Schauspielerin und Autorin Josa Morgan, Deutschland und kehren über die Schweiz nach Wien zurück. Im Februar 1938 steht Paul Morgan in einer Uraufführung von Schütz/Farkas Dixie im THEATER AN DER WIEN auf der Bühne. Am 22. März 1938 wird er von der Gestapo verhaftet, am 31. Mai 1938 in das KZ Dachau und Ende September 1938 in das KZ Buchenwald deportiert. Dort stirbt er, zu Tode geschunden, am 10. Dezember 1938. Seine Frau flieht im November 1938 nach London und emigriert 1941 in die USA.

              • Grete Mosheim

                • Schauspieler*in
                * 1905, Berlin
                † 1986, New York

                Tochter einer Berliner jüdischen Arztfamilie, Schauspielausbildung bei Max Reinhardt, seit 1922 Ensemblemitglied am Deutschen Theater in Berlin 1930 in Hans Tintners Spielfilm Cyankali in der weiblichen Hauptrolle der jungen schwangeren Frau Hete Fent.

                1933 Flucht nach Österreich zusammen mit ihrem Mann, dem Schauspieler Oskar Homolka, der an den Münchner Kammerspielen in Brechts Das Leben Eduards II. von England (18.03.1924)den Mortimer spielte.

                1934 Emigration nach England und weiter 1938 in die USA, ab 1952 Rückkehr nach Deutschland zu Theater–Gastspielen.

                19.01.1969 als Gast an den Münchner Kammerspielen im Werkraumtheater

                Deutsche EA Edward Albee KISTE UND WORTE DES VORSITZENDEN MAO TSE-TUNG, Regie: Ulrich Heising. 05.01.1972 als Gast an den Münchner Kammerspielen Deutsche EA Edward Albee ALLES VORBEI, Regie: August Everding.

              • Jaques Natanson

                • Autor*in
                * 1901, Asnieres-sur-Seine
                † 1975, Le Bugue

                MK 04.06.1928: Coeur Bube, Regie: Leontine Saganundefined

                Der französische Bühnenautor wurde mit Beginn des Tonfilm-Zeitalters ein gefragter Dialoge-Schreiber und Drehbuchautor in Kooperation mit Filmregisseuren, ab 1939 mit dem aus Deutschland emigrierten Max Ophüls bei dessen letzter französischen Arbeit vor dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich: Von Mayerling bis Sarajewo. Während der deutschen Besetzung musste Natanson als französischer Jude untertauchen; Max Ophüls, der deutsche Jude, der an den Münchner Kammerspielen 1932 als Spielleiter engagiert war, flüchtete 1941 in die USA, kehrte 1949 nach Paris zurück und arbeitete wieder mit Natanson zusammen in den drei Filmen Der Reigen, Pläsir, und Lola Montez.

              • Carola Neher

                • Schauspieler*in
                * 1900, München
                † 1942, Straflager Sol-Ilezk

                Carola Neher begann auf der Theaterbühne 1920–1922 am Theater Baden-Baden, in der Spielzeit 1922/23 wurde sie an den Münchner Kammerspielen engagiert. Nach Breslau und einem ersten großen Erfolg in einer Klabund Uraufführung in Meißen begann sie in Berlin 1926 die Zusammenarbeit mit Brecht. 1929 übernahm sie die Rolle der Polly in der Dreigroschenoper. An den Münchner Kammerspielen gastierte sie damit im August 1931 und 1932. Nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten emigrierte sie mit ihrem Mann Anatol Becker nach Prag und 1934 nach Moskau. Im November 1934 wurde ihr die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen. Im Juli 1936 wurden Carola Neher und Anatol Becker als potentiell verdächtige Politemigranten aus dem Westen verhaftet und als 'trotzkistische Agenten' angeklagt. 1937 wurde Becker ermordet, Carola Neher wurde zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt. Am 26.06.1942 starb sie im Lager Sol-Ilezek an Typhus.

                Im Narrativ der Münchner Kammerspiele gibt es noch keinen Versuch einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Schicksal Carola Nehers als Verfolgte zweier Diktaturen. Petzets Urteil über die Schauspielerin ist unsäglich zynisch:

                „Die Schwester des Bühnenbildners Caspar Neher,“ (die beiden waren nicht verwandt) „der damals bereits mit Bert Brecht an ' Leben Eduards des Zweiten' arbeitete, schien zunächst ebenso schön und attraktiv wie unbegabt. Erst die fanatische Liebe von Julius Gellner (und später Klabunds) hat – nach dem Urteil Otto Falckenbergs – sie zur Schauspielerin erzogen. So wurden ihr großer Berliner Erfolg in der Uraufführung der 'Dreigroschen-Oper' und ihre späteren faszinierenden Gastspiele im Schauspielhaus möglich.Mit dem Kommunismus verfuhr sie leider wie mit ihren sonstigen Liebhabern; sie flirtete zugleich mit seinen monarchistischen Rivalen. Doch Stalin besaß dafür kein Verständnis und ließ sie wie andere revolutionäre Schwärmer aus Deutschland bei einer seiner „Säuberungsaktionen“ in Moskau umbringen.

                Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch Verlag 1973, S. 162.

                Weiterführende Literatur: Vered/Müller/Scherbakowa/Reznikova (Hrsg.) CAROLA NEHER – gefeiert auf der Bühne, gestorben im Gulag – Kontexte eines Jahrhundertschicksals. Berlin: Lukas Verlag 2016.

              • Alfred Neumann

                • Autor*in
                • Dramaturg*in
                * 1895, Lautenburg (Lidzbark)
                † 1952, Lugano

                MK 29.03.1927: Der Patriot, Regie: Julius Gellner

                Alfred Neumann kam als Sohn eines jüdischen Holzindustriellen im westpreußischen Lautenburg auf die Welt. In München arbeitete er als Verlagslektor und freier Autor. In der Spielzeit 1918/19 war er Dramaturg an den Münchner Kammerspielen. Sein Theaterstück Der Patriot, an den Kammerspielen erstaufgeführt, wurde von Ernst Lubitsch 1928 in Los Angeles auch verfilmt. 1933 emigrierte Alfred Neumann nach Italien, Florenz, 1938 von dort nach Südfrankreich, Nizza, und 1941 nach Los Angeles, wo er US-amerikanischer Staatsbürger wurde. 1949 kehrte er nach Europa zurück, zunächst nach Florenz. Sein künstlerischer Nachlass ist im Literaturarchiv Monacensia in München aufbewahrt.

              • Lisl Neumann

                • Schauspieler*in
              • Elisabeth Neumann-Viertel

                • Schauspieler*in
                * 1900, Wien
                † 1994, Wien

                1920 gibt 'Liesl' Neumann ihr Bühnendebut an den Münchner Kammerspielen in Falckenbergs Inszenierung Don Gil von den Grünen Hosen(27.03.1920). Sie gehört dem Ensemble bis 1922 an. Danach geht sie nach Berlin. 1933 verlässt sie Deutschland, von Wien emigriert sie nach England und 1938 in die USA. 1947 remigriert sie mit ihrem Mann Berthold Viertel, den sie im Exil kennengelernt hatte, nach Deutschland. Sie kehrt auf die Theaterbühne zurück und spielt in Kino- und Fernsehfilmen bis ins hohe Alter.

              • Käthe Nevill

                • Schauspieler*in
                * 1892, Breslau
                † 1972, Gauting, München

                Ihre Theaterkarriere begann sie in Max Reinhardts Ensemble in Berlin. Sie begegnete dort ihrem ersten Mann, dem Schauspieler Hans Schweikart (Berlin 1895–1975 München). Im Mai 1923 gingen beide an die Münchner Kammerspiele. Er wurde Regisseur an den MK, sie gründete eine eigene Schauspielschule, er heiratete 1930 die Schauspielerin Maria Nicklisch, sie heiratete den Schriftsteller und Übersetzer Erich Noether und emigrierte mit ihm 1933 nach Italien und von dort nach Palästina. 1951 kehrten sie nach Deutschland zurück, sie arbeitete als Schauspiellehrerin und stellvertretende Leiterin an der Otto-Falckenberg-Schule.

              • Dr. med. Moritz Nußbaum

                • Theaterärzte
                † 1935, Konstanz

                Nach München zugezogen aus Duisburg 01.01.1920. Adresse u. a. Nußbaumstraße 12. Ärztliche Approbation 1923. Praktischer Arzt mit Geburtshilfe. Praxis 1933/34 in der Ludwigstraße 11/0

                Heirat am 11.07.1930 in München mit Irmgard, geb. Seemann, gesch. Nestmann, geb. 04.09.1903. Die Ehe galt als ‘Mischehe’.

                Dr. Moritz Nußbaum war auch der erste Trainer einer deutschen Wasserball-Nationalmannschaft, 1926 bei der 1. Europameisterschaft in Budapest (3. Platz),1928 bei den Olympischen Spielen in Amsterdam (Olympiasieg).

                1930 veröffentlichte er ein „Lehrbuch des Wasserballspiels“.

                1933 „bekennt sich der DSV auf seiner Ostertagung zum Arierprinzp. Alle Juden, und dazu gehörte auch Moritz Nußbaum, wurden von ihren leitenden Stellen im Verband entfernt und durften auch nicht mehr an repräsentativen Veranstaltungen und Vertretungen in Erscheinung treten. Das Amt des Sekretärs im FINA-Wasserballrat muß er abgeben. Danach verliert sich seine Spur.....“undefined

                Auf dem Israelitischen Friedhof in Konstanz steht ein Grabstein:

                Dr. med. Nußbaum Leutn. de. Res. München 1893 – 1935

                Laut Eintrag im standesamtlichen Sterberegister* der Stadt Konstanz, nach Angabe des Verwaltungsdirektors des Sanatoriums, Ernst Luschka, verstarb Dr. Moritz Nußbaum, praktischer Arzt, 42 Jahre 6 Monate, wohnhaft in München, Ludwigstraße 11, am 16. September 1935 vormittags um sieben dreiviertel Uhr zu Konstanz Sanatorium Konstanzer Hof. Die Umstände seines Todes sind ungeklärt.undefined

                Dr. med. Nußbaum ist einer von sieben Theaterärzten, die zwischen 1911/12 – 1932/33 an den Münchner Kammerspielen wirkten. 1926/27 – 1930/31 wird in den Bühnenjahrbüchern auch Dr. med. Fritz Bogner, Steinsdorfstr. 20/0 genannt. Im Unterschied zu den sieben jüdischen Theaterärzten konnte er in München auch nach der 'Machtergreifung' der Nazis seinen Beruf weiter ausüben.

                (Stadtadressbuch München-AB-1941 – Bogner Friedr. Dr. med. San. rat. prakt. Arzt Steinsdorfstr.20/0 F 21891. 9 – 11 u. 3 – 5, Mo u. Do auch 6 – 7)

              • Ellie Nérac

                • Schauspieler*in

                In den Spielzeiten 1919/20–1923/24 Engagement an den Münchner Kammerspielen, u. a. Rolle der Carmen in der UA von Brechts Trommeln in der Nacht (22.09.1922) Regie: Otto Falckenberg. 1933 Flucht mit ihrem Lebensgefährten Franz Schoenberner in die Schweiz, weiter nach Frankreich, 1941 in die USA.

                Schoenberner (Berlin 1892–1970 Teaneck New Jersey) war als Nachfolger Hermann Sinsheimers 1929 bis März 1933 Chefredakteur des SIMPLICISSIMUS. 1946 veröffentlichte er in New York den ersten Teil seiner Erinnerungen Confessions of a European Intellectual (dt. 1964).

              • Fritz Oliven

                • Autor*in
                * 1874, Breslau
                † 1956, Porto Allegre

                MK/VTh 01.07.1930: Majestät lässt bitten, Erstaufführung, Musikalisches Lustspiel in 3 Akten von Rideamus, Musik von Walter Kollo, Musikalische Leitung: Kapellmeister Hermann Ludwig a. G., Regie: Robert Forster-Larrinaga, Bühnenbild: David Schneuer, u. a. mit Ernst Duschy, Otto Brüggemann

                MK/VTh 24.11.1931: Frauen haben das gern Erstaufführung, Musikalischer Schwank in drei Akten, von Franz Arnold und Arnold Bach, Gesangstexte von Rideamus, Musik von Walter Kollo, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Bühnenbild: David Schneuer, Regie: Walter Lantzsch, u. a. mit Ilva Günten, Sybille Schloss, Otto Brüggemann (am 6. Januar 1932 zum 44. Mal aufgeführt)

                Fritz Oliven kam am 10. Mai 1974 als Sohn einer Breslauer jüdischen Familie auf die Welt. Unter dem Pseudonym Rideamus wurde der in Berlin lebende Jurist Dr. Fritz Oliven einer der erfolgreichsten deutschen Humoristen des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts. Der Kabarettist, Librettist und Aufsichtsratsmitglied der ersten GEMA ist heute fast unbekannt. Als Lyriker, Librettist und Revuedichter arbeitete er mit Oscar Straus (Wien 1870 – Flucht 1939 nach Paris,New York – 1854 Bad Ischl), Walter Kollo (geb. Elimar Kollodzieyski in Neidenburg 1878 – 1940 Berlin) und Eduard Künneke (Emmerich 1885 – 1953 Berlin) zusammen und textete für die Haller–Revuen (Erwin Haller Berlin 1871 – Flucht 1933 nach Wien – 1943 London).

                Marlene Dietrich machte seine Liedtexte bekannt. Im privaten Leben war er, wie es seine Biographin Ute-Christiane Hauenschild formuliert, ein „zurückhaltender Bonvivant und gutmütiger Familienmensch an der Seite einer starken Ehefrau, der Bankierstochter Leonie Meyer.“

                Fritz Oliven emigrierte mit seiner Familie 1939 nach Brasilien. 1951 erschien seine Autobiographie Rideamus. Von ihm selber. Die Geschichte eines heiteren Lebens. Er starb am 30. Juni 1956 im Alter von 82 in Porto Allegre.

              • Max Ophüls

                • Spielleiter*in
                geb. Max
                * 1902, Saarbrücken
                † 1956, Hamburg

                Max Ophüls war an den Münchner Kammerspielen Spielleiter, zusammen mit Hans Schweikart, für einen Teil der Spielzeit 1931/32.

                Ophüls, Sohn einer Saarbrücker jüdischen Textilkaufmannsfamilie, begann als Schauspieler in Aachen und am Wiener Burgtheater. Dort lernte er die Schauspielerin Hilde Wall (1894–1980) kennen, die beiden heirateten 1926. Als Regisseur wurde ihm in Wien nach antisemitischen Protesten gekündigt, er inszenierte danach in Breslau und Berlin. 1932 drehte er seinen ersten erfolgreichen Spielfilm Liebelei. Im März 1933 emigrierte er mit Frau und Sohn Marcel (geb. 1927 in Frankfurt) nach Paris, 1938 wurden sie französische Staatsbürger, 1941 flüchteten sie in die USA, 1949 kehrte die Familie Ophüls nach Paris zurück, Max Ophüls setzte sein Werk fort als bedeutender Filmregisseur.

              • Max Pallenberg

                • Schauspieler*in
                * 1877, Wien
                † 1934, Karlsbad, Tschechien

                Von 1927/28 – 1931/32 gastierte Max Pallenberg immer wieder auf der Bühne der Münchner Kammerspiele.

                Nach seiner Schauspielausbildung und Engagements als Operettenkomiker in Wien wurde er 1914 von Max Reinhardt nach Berlin verpflichtet und wurde ein auch international gefeierter Charakterdarsteller. Hugo von Hofmannsthal schrieb für ihn die Titelrolle in der 1923 uraufgeführten Komödie Der Unbestechliche. Seit 1917 war er mit der Sängerin und Schauspielerin Fritzi Massary verheiratet. Nach antisemitischen Störaktionen von SA-Schlägern bei Massarys Auftritten in Berlin flohen beide aus Deutschland nach Wien.

                Max Pallenberg starb am 26. Juni 1934 bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Karlsbad. Massary emigrierte über die Schweiz und Frankreich 1939 in die USA zu ihrer Tochter, die zusammen mit ihrem Mann, dem Autor Bruno Frank im Februar 1933 aus München in die Schweiz geflohen und 1937 in die USA emigriert war.

              • Otto Pick

                • Übersetzer*in
                * 1887, Prag
                † 1940, London

                MK 14.12.1927: Peripherie von František Langer, Übersetzung aus dem Tschechischen: Otto Pick, Regie: Otto Falckenberg

                MK 17.03.1930: Ein Kamel geht durchs Nadelöhr von František Langer, Übersetzung aus dem Tschechischen: Otto Pick, Regie: Josef Glücksmann, u. a. mit Therese Giehse, Richard Révy

                Otto Pick kam am 22. Mai 1887 in Prag in einer deutsch-böhmisch-jüdischen Familie auf die Welt. Er wuchs zweisprachig auf, mit Deutsch und Tschechisch als seine zwei Muttersprachen. Nach der Schule arbeitete er zunächst als Bankbeamter, dann bei den Herausgebern der Herder-Blätter Willy Haas und Norbert Eisler. Vor dem Ersten Weltkrieg gehörte er zum Kreis um Franz Kafka, Max Brod und Franz Werfel. Nach der Gründung der Tschechoslowakei arbeitete er von 1921 bis 1939 als Feuilleton-Redakteur der Prager Presse. 1939 floh er nach London, er starb dort ein Jahr später. Er war einer der wichtigsten Übersetzer und Vermittler zeitgenössischer tschechischer Autoren im deutschen Sprachraum.

              • Theodor Caspar Pilartz

                • Bühnenbildner*in
                * 1887, Köln
                † 1955, Köln

                MK 03.08.1921: Kean von Kasimir Edschmid (nach Alexandre Dumas). UA 25.05.1921 am Theater Darmstadt, Regie: Gustav Hartung a. G. Intendant Theater Darmstadt, Bühne u. Kostüme: Theodor Pilartz a. G. vom Theater Darmstadt, u. a. mit Kanitz, Reuscher, Sanzara

                Theodor Pilartz kam am 21.02.1887 in Köln auf die Welt. Im November 1908 immatrikulierte der 21jährige sich an der Akademie der bildenden Künste in München für das Fach Bildhauerei. Im August 1918 hatte er eine erste Werkausstellung in der Galerie Caspari in der Brienner Straße 52.

                1919 war er Autor der damals bedeutendsten Kulturzeitschrift Bayerns, der Monatszeitschrift „Der Weg“. Während der Münchner Rätezeit setzte sich „Der Weg“ für eine sozialistische Gesellschaftsordnung ein und publizierte Schriftsteller und bildende Künstler, die sich zu Revolution und Sozialismus bekannten.

                Nach der Ermordung Kurt Eisners am 21. Februar 1919 entstand ein revolutionärer Künstlerrat als Teil des Zentralrats. Als Mitglied im „Aktionsausschuss revolutionärer Künstler Münchens“ war Pilartz Leiter des Kommissariats Bildhauerei, bevor der Aktionsausschuss sich im Mai 1919 nach der Einnahme Münchens durch die „Weißen Truppen“ auflöste. Als er Anfang Mai von Weißgardisten verhaftet wurde, versuchte Hermann Eßwein, der Theater- und Kunstkritiker der „Münchner Post“, Pilartz mit dessen Erklärung am 8.5.1919, er gehöre keiner politischen Partei an und verfolge im Aktionsausschuss revolutionärer Künstler ausschließlich künstlerische Ziele, seine Freilassung zu erwirken. Im Herbst 1919 stellte er in einer Galerie in Frankfurt (Zinglers Kabinett für Kunst- und Bücherfreunde) 13 Skulpturen aus, zusammen mit Paul Klee und Fritz Schaefler, die mit ihm in München Mitglieder des Aktionsausschusses revolutionärer Künstler gewesen waren.

                1920 wurde er als Bühnenbildner am Landestheater Darmstadt engagiert, das Gustav Hartung von 1920–1924 und dann noch einmal von 1931–1933 als Intendant und entschiedener Verfechter der modernen, internationalen Kunst, gegen den Widerstand des deutsch-nationalen Bürgertums der Stadt zu einem führenden Theater der Republik machte. Als die Premiere von Kean am 25. Mai 1921 von Mitgliedern des rechtsextremen Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes gesprengt werden sollte, konnte die Theaterleitung mit Unterstützung des Darmstädter Gewerkschaftsführers Wilhelm Leuschner und seiner 'politischen Schutzorganisation' eine Sprengung verhindern.

                1922/23 wurde Pilartz als gefragter Bühnenbildner zu Gastaufträgen ans Große Schauspielhaus in Berlin eingeladen, u. a. im November 1922 für eine Inszenierung von Strindbergs Luther, bei der Richard Révy Regie führte. Nach vier Jahren in Darmstadt arbeitete er an Theatern in Lille, Düsseldorf, Köln und bis 1933 in Berlin.

                Wir wissen nicht, wo und unter welchen Gefährdungen Theodor Pilartz in den Jahren der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten lebte. Der Kölner Kunstsammler Josef Haubrich, der selbst NS-Repressalien ausgesetzt war, weil er sich weigerte, sich von seiner jüdischen Ehefrau scheiden zu lassen, unterstützte Pilartz u. a. durch Ankauf von zwei seiner Skulpturen, einer Büste des russischen Schauspielers Wladimir Sokoloff, der 1933 nach Paris und weiter in die USA floh, sowie einer Büste des österreichischen Zeichners Benedikt Fred Dolbin (geb. Pollak), der nach dem Ausschluss 1933 aus der Reichspressekammer in die USA floh.

                Theodor Caspar Pilartz starb am 29. Juni 1955 in Köln.

                Quellen:

                Sebastian Peters: Die Galerie Caspari in München, 1913 – 1939. Netzwerke und Handlungsspielräume einer jüdischen Kunsthändlerin im Nationalsozialismus. Masterarbeit im Sommersemester 2016 LMU München. Gutachter: Magnus Brechtken. Aufgerufen über https://doi.org/10.5282/ubm/epub.41213.

                Die Galerie Caspari wurde 1913 gegründet von Georg Caspari (1878-1930). Nach dem Unfalltod Caspari 1930 übernahm seine Frau Anna Caspari die Galerie und führte sie bis zur „Entjudung der Kunsthandlung Caspari“ 1939 weiter. Am 20.11. 1941 wurde sie nach Kaunas deportiert und dort am 25.11.1941 ermordet.

                Justin Hoffmann: Der Expressionist Fritz Schaefler, S. 16-23, aufgerufen über: https://www.schaefler.de/museum/fritz/sonstiges/kataloge/Dateien/j_hoffmann.pdf.

                Katalog Lenbachhaus München 10.11.1993 – 9.01.1994: Süddeutsche Freiheit – Kunst der Revolution in München 1919, bearbeitet von Justin Hoffmann, hg. v. Helmut Friedel. München 1993, S.177

                Hannes Heer, Sven Fritz, Heike Drummer und Jutta Zwilling: Verstummte Stimmen – Die Vertreibung der „Juden“ und „politisch Untragbaren“ aus den hessischen Theatern 1933 bis 1945. Berlin: Metropol Verlag 2011, S. 20–30.

                Theodor Caspar Pilartz: Büste Wladimir Sokloff vor 1929/ 1934, Büste Dolbin 1930 / 1935, aufgerufen über https://museum-ludwig.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/

              • Erwin Piscator

                • Regisseur*in
                * 1893, Greifenstein
                † 1966, Starnberg

                Theaterregisseur, im Herbst 1925 zwei Inszenierungen an den MK noch in der Augustenstraße – Hans Johst Die fröhliche Stadt(16.09.1925) und August Strindberg Rausch(10.11.1925), an den MK im Schauspielhaus Das gastliche Haus von Heinrich Mann (21.01.1927). 1927 – 1931 entwickelte er sein Theater an der Piscator- Bühne am Nollendorfplatz in Berlin. Nach finanziellen Problemen ging er in die Sowjetunion, wurde dort bei seinen Arbeiten von Anfang an wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ überwacht, emigrierte 1936 nach Frankreich und von dort in die USA. 1951 Remigration nach Berlin, Intendant der Freien Volksbühne 1962–1966. Er inszenierte noch zweimal an den Münchner Kammerspielen,1959 Schillers Don Carlos und im November 1960 Sternheims '1913'. Er war ein entschiedener Verfechter eines politischen Theaters:

                Aus Mangel an Phantasie erleben die meist-en Menschen nicht einmal ihr eigenes Leben, geschweige denn die Welt. Sonst müss-te die Lektüre eines einzigen Zeitungsblattes genügen, um die Menschheit in Aufruhr zu bringen. Es sind also stärkere Mittel nötig. Eines davon ist das THEATER.

                Programm Piscatorbühne 1927

                Nach seiner Rückkehr 1951 nach Deutschland war sein zentrales Anliegen die Auseinandersetzung mit dem allgegenwärtigen Vergessen-Wollen. Er inszenierte die Uraufführung Die Ermittlung von Peter Weiss am 19. Oktober 1965 an der Freien Volksbühne Berlin.

              • Bertha Pogson

                • Übersetzer*in
                * 1858, Hamburg

                MK 24.07.1927: Der Mustergatte, „Fair and warmer“ 1915 von Avery Hopwood, Übersetzung aus dem US-amerikanischen Englisch: Bertha Pogson, Regie: Richard Révy, u. a. mit Heinz Rühmann

                Bertha Heinemann kam am 3. März 1858 als Tochter einer Hamburger jüdischen Familie auf die Welt. Sie heiratete den britischen Diplomaten George Ambrose Pogson (30.12.1853 – 23.08.1914), der von 1880 bis 1914 britischer Konsul in Hamburg war und im August 1914 offenbar im Urlaub in Puerto Rico verstarb und dessen Namen sie annahm.

                Bertha und George Pogson hatten zwei Söhne, geboren 1887 und 1890. Wir wissen bisher noch nichts Weiteres über Bertha Pogsons Leben in Hamburg oder im Ausland. Sie wäre 75 Jahre alt gewesen, die Söhne 46 und 43 Jahre, als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen.

                Avery Hopwood (Cleveland 28.05.1882 – 01.07.1928 Juan-les-Pins/franz. Riviera, Tod im Urlaub in Frankreich) war ein US-amerikanischer Dramatiker des Jazz Age der 1920er Jahre. Sein Bühnenstück Fair and warmer verfilmte 1937 – deutscher Titel Der Mustergatte – Wolfgang Liebeneiner (1905–1985) mit Heinz Rühmann (1902–1994) und Heli Finkenzeller (1911–1991) in zwei Hauptrollen. Alle drei hatten ihre Karriere an den Münchner Kammerspielen begonnen, Liebeneiner und Rühmann vor 1933, Finkenzeller, bei Falckenberg ausgebildet, von der Spielzeit 1933/34 an. Alle drei machten während der NS-Zeit Karriere beim Film, nach dem Ende der NS-Gewaltherrschaft schloss sich eine sehr erfolgreiche bundesrepublikanische Karriere an.

              • Alfred Polgar

                • Autor*in
                * 1873, Wien
                † 1955, Zürich
                • MK 24.02.1911: Soldaten leben im Frieden mit Egon Friedell, Regie: Eugen Robert
                • MK 20.01.1932: Liliom von Ferenc Molnár, in der deutschen Bearbeitung von Alfred Polgar, Regie: Ernst Held

                In den 1920er Jahren lebte Alfred Polgar überwiegend in Berlin. Nach der ‘Machtergreifung’ des NS-Regimes floh der linksliberale jüdische Antifaschist Polgar Anfang März 1933 nach Prag. Am 10. Mai 1933 wurden auch seine Bücher verbrannt. Beim 'Anschluss Österreichs' im März 1938 waren Polgar und seine Frau gerade in Zürich. Wegen fehlender Arbeitserlaubnis flohen sie nach Paris, 1940 weiter in die USA. 1949 kehrten sie in die Schweiz zurück.

              • Käthe Porada

                • Übersetzer*in
                geb. Käthe Anna
                * 1891, Berlin
                † 1985, Antibes

                MK 18.01.1933 ACHTUNG! FRISCH GESTRICHEN! von René Fauchois, Übersetzung aus dem Französischen: Käthe Porada u. Hans Feist, Regie: Richard Révy, u. a. mit Ilva Günten, Frieda Richard a.G.

                Käthe Porada kam am 02.12.1891 in Berlin zur Welt als Tochter einer großbürgerlich jüdischen Berliner Familie. Sie heiratete 1911 den Wiener Großindustriellen Dr. Alfred Rapoport, Edler von Porada (Wien 1876–1962 New York) aus einer jüdischen Juristenfamilie. Die Ehe wurde Anfang 1920 geschieden, die beiden Töchter wuchsen beim Vater in Wien auf, die ältere, Edith, studierte Orientalistik und promovierte in Wien. 1938 flohen beide Töchter mit ihrem Vater über Frankreich in die USA, Edith Porada (Wien 1912 – 1994 Honolulu) wurde eine Doyenne der vorderasiatischen Archäologie.

                Käthe Porada arbeitete als Journalistin für die Frankfurter Zeitung, 1928 ging sie als Korrespondentin nach Paris, veröffentlichte 1932 Mode in Paris, (über das das Börsenblatt f.d. Deutschen Buchhandel am 13. Mai 1932 schreibt: „ein selten reizvolles Buch, eine fesselnde Lektüre“ ) und übersetzte französische Bühnentexte. In Paris wurde sie eine wichtige Gefährtin des Ehepaars Max Beckmann, der Maler kannte sie aus Frankfurt, wo sie seine Ausstellungen kuratiert hatte. Von 1924 stammt Beckmanns Bildnis Käthe von Porada. 1937 half sie den Beckmanns beim Umzug aus Paris ins Amsterdamer Exil. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs fand sie Aufnahme bei Freunden in Monte Carlo. Sie entging der NS-Verfolgung während der Besetzung Frankreichs. Am 1. Mai 1985 starb sie hochbetagt in Antibes, Provence-Alpes-Cote d'Azur.

              • Klaus Pringsheim

                • Komponist*in
                * 1883, München
                † 1972, Tokyo

                Klaus Pringsheim war der Zwillingsbruder Katja Manns, der Frau Thomas Manns. Von 1919–1925 war er musikalischer Leiter der Max Reinhardt Bühnen in Berlin, dort komponierte er die Musik für Falckenbergs Inszenierung Herodes und Mariamne von Friedrich Hebbel am Deutschen Theater in Berlin, Premiere 19.9.1921.

                Früh reagierten Kritiker in Rezensionen seiner Konzerte mit antisemitisch motivierten Vorbehalten. Bereits 1931 verließ er deshalb Deutschland und nahm an der Kaiserlichen Musikakademie Tokyo eine Professur für Klavier, Dirigieren und Komposition an. 1937 wurde er dort aus politischen Gründen entlassen. 1944 verlor er die deutsche Staatsangehörigkeit und kam als „feindlicher Ausländer“ in Internierungshaft. 1945 emigrierte er in die USA zur Familie seiner Zwillingsschwester Katja. 1951 kehrte er nach Tokyo zurück.

              • Hans Pössenbacher

                • Schauspieler*in
                * 1895, Graz
                † 1979, München

                Der in Graz als Sohn einer Münchner Schauspielerin und eines russischen Arztes geborene Hans Pawlow nahm nach seiner Schauspielausbildung und den ersten Engagements, u. a. in Pilsen 1927/28 (zusammen mit Else Herrmann) und 1930/31 am Stadttheater Regensburg, dort auch bereits als Regisseur, den Namen seiner Mutter 1933 an und nannte sich von nun an Hans Pössenbacher. Im Narrativ der Kammerspiele sei er von 1947 bis 1969 Ensemblemitglied des Theaters gewesen:

                „[I]n 95 Rollen stand er auf der Bühne. Uns bleibt die Erinnerung an einen unverwechselbaren Darsteller, dessen Name über Jahrzehnte hinweg für das Publikum mit dem Begriff „Münchner Kammerspiele“ eng verbunden war“.

                MK Programmheft 1979 im Stadtarchiv. Akte "KAM 1296".

                Tatsächlich war Hans Pössenbacher bereits 1935 an die Münchner Kammerspiele 'vorübergehend' verpflichtet worden und spielte u. a. in zwei Inszenierungen Falckenbergs, in Max Mells Das Spiel von den deutschen Ahnen (07.05.1935) und in Alois Johannes Lippls Der Passauer Wolf (07. 11.1935). In den Spielzeiten 39/40 – 41/42 war er am Schauspielhaus Graz als Spielleiter und Schauspieler engagiert. In den Jahren 1943 bis 1945 war er dreizehn Monate lang als politischer Häftling in einem österreichischen Konzentrationslager eingesperrt, nach Denunziation wegen 'wehrkraftzersetzender' Briefe an Freunde an der Front. In einem in der oben genannten Akte* enthaltenen Dokument vom 24. September 1948

                „bescheinigt der Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte, dass Hans Pössenbacher, geb. 14.7.95, wohnhaft in München, Franz-Josef- Str.19/I zu den anerkannt politisch Verfolgten gehört, unter Nr. 1693 in München registriert ist und eine Haftdauer von 13 (Dreizehn) Monaten nachweisen kann“.

              • Karol Rathaus

                • Komponist*in
                * 1895, Ternopil
                † 1954, Flushing (New York)

                MK 29.11.1930: Die Ehe von Alfred Döblin im Studio. Polizeiverbot, Regie: Otto Falckenberg / Julius Gellner, Musik: Karol Rathaus

                Karol Rathaus studierte Komposition in Wien und Berlin bei Franz Schreker. Er komponierte Symphonien, eine Oper, Filmmusiken und unterrichtete Komposition und Musiktheorie an der Berliner Hochschule für Musik. 1933 emigrierte er nach Paris, von dort nach London und 1938 nach New York. Am Queens College erhielt er eine Professur für Komposition. In Deutschland wurden seine Kompositionen als „entartet“ mit Aufführungsverbot belegt.

              • Ludwig Regensteiner

                • Anwälte
                * 1889, Augsburg
                † 1974, Cranston

                Anwalt in der gemeinsamen Kanzlei, politischer Verteidiger seit 1921 mit Adolf Kaufmann (bis 1928), Dr. Max Hirschberg, Dr. Philipp Loewenfeld, Dr. Elisabeth Kohn trat Ende 1928 in die Kanzlei ein. Mit ihnen Anwalt der Münchner Kammerspiele 1928 bis zur ‘Machtergreifung’ der Nazis.

                Regensteiner war der Sohn einer jüdischen Fabrikantenfamilie, seine Mutter eine geborene Marx aus Nördlingen. Ihr jüngerer Bruder Hugo Marx gründete mit dem Verwandten Heinrich Marx in München das Bankhaus Heinrich und Hugo Marx. Beide waren Gesellschafter der Münchner Theater GmbH und Mäzene der Münchner Kammerspiele und des Augsburger Theaters. 1920 hatte Ludwig Regensteiner Alice Nathan (*1899–1994) geheiratet, die Tochter einer Augsburger jüdischen Unternehmersfamilie. 1937, nach dem Tod seiner Mutter, emigrierten sie mit ihren drei Kinder in die USA, wo er für ein Chemieunternehmen arbeitete. Er starb 1974 in Cranston, Rhode Island.

                Dr. Elisabeth Kohn (München 11.02.1902 – 25.11.1941 ermordet in Kaunas) trat nach Promotion 1924 und Zulassung als Rechtsanwältin im November 1928 in die Kanzlei Hirschberg – Loewenfeld – Regensteiner ein. Im August 1934 wurde sie mit Berufsverbot belegt. Am 20. November 1941 wurde sie zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester, der Malerin Maria Luiko mit dem ersten Transport jüdischer Frauen, Kinder und Männer aus München nach Kaunas deportiert und dort ermordet.

              • Hans José Rehfisch

                • Autor*in
                * 1891, Berlin
                † 1960, Scuol
                • MK 24.04.1928: Der Frauenarzt von Hans J. Rehfisch, Regie: Richard Révy. Mit Therese Giehse, Kurt Horwitz u. a.
                • MK 12.08.1938: Wasser für Canitoga von Georg Turner (alias Hans J. Rehfisch), Regie: Friedrich Domin. (Ab dem 01.09.1938 wurde die Rolle der Winnifred Gardener, die zunächst von Annemarie Faber du Faur gespielt wurde, mit Hanne Mertens besetzt. Es war ihre erste Rolle an den Münchner Kammerspielen).

                Hans José Rehfisch wurde nach Jurastudium und Promotion in Berlin und Grenoble zu einem der vielgespielten Dramatiker der Weimarer Republik. Bereits vor 1933 tauchte im 'Völkischen Beobachter' sein Name auf einer Liste ‚unerwünschter’ jüdischer Schriftsteller auf. 1933 flieht er nach Wien. Aufgrund erfolgreicher Theaterproduktionen unter diversen Pseudonymen lassen ihn die Austrofaschisten unbehelligt. 1936 emigriert er nach London, nach seiner Ausbürgerung 1939 begründet er mit anderen in London eine kulturelle Vereinigung deutschsprachiger Emigranten. Bevor er 1950 nach Deutschland remigriert, lehrt er in New York als Dozent an der New School for Social Research. Er schreibt weiter kritische Zeitstücke. 1960 stirbt er während eines Sanatoriumsaufenthalts in der Schweiz.

                Pseudonyme: Georg Turner, René Kestner, Sydney Phillips, H.G. Tennyson Holmes

              • Bernhard Reich

                • Regisseur*in
                • Oberspielleiter*in
                * 1894, Prerau/Olmütz
                † 1972, Riga

                „Die Münchner Kammerspiele boten mir 1923 den Posten des Oberspielleiters an. Ende August traf ich in München ein. Dort erfuhr ich, daß die Kammerspiele auch Brecht als Regisseur engagiert hatten. Ich war ärgerlich. Nach all dem, was ich bislang über ihn wußte, dürfte er kein angenehmer Kollege werden... Irgendwie bekam ich die Fahnen zu „Leben Eduard des Zweiten von England“ in die Hand, las und war überwältigt... Dieser Brecht begann mich zu interessieren. Wochen später. Meine Frau, Anna Lacis, und ich saßen im Englischen Garten. Brecht und seine Frau, die schöne Marianne gingen vorbei, blieben stehen. ... Anna hatte in Moskau studiert, sie kannte das neue russische Theater. Brecht fragte sie aus ... Brecht gefiel das offenbar, denn er machte meiner Frau den Vorschlag, als seine Assistentin an der Inszenierung mitzuarbeiten. Sie nahm den Vorschlag an.“

                Bernhard Reich: Im Wettlauf der Zeit. Erinnerungen aus fünf Jahrzehnten deutscher Theatergeschichte. Berlin 1970, S. 231–278.

                Bernhard Reich ging mit seiner Frau Anna Lācis, Schauspielerin, Theaterregisseurin, Theaterleiterin nach der Spielzeit an den MK nach Berlin, 1925 nach Riga, 1926 nach Moskau. Von 1933 an dort einerseits sicher vor Verfolgung der Nationalsozialisten, andererseits der stalinistischen Repression ausgesetzt, Anna Lācis wurde 1938 verhaftet und bis 1948 in Arbeitslagern in Kasachstan interniert. Über Lācis' und sein eigenes Schicksal in diesen Jahren ist Bernhard Reich in seiner Autobiographie sehr wortkarg. Als Brecht Mai 1941 mit Familie auf Stippvisite in Moskau ist, kommt es zu einer kurzen Begegnung Reichs mit Brecht im Hotel 'Metropol':

                „Brechts erste Frage galt Anna Lazis, Man hatte ihm wohl schon von unserem Unglück erzählt. Und da seine Freundschaft eine tätige war, erklärte er sich sofort bereit, bei einem ihm bekannten Sowjetbotschafter zu intervenieren“.

                Bernhard Reich: Im Wettlauf der Zeit. Erinnerungen aus fünf Jahrzehnten deutscher Theatergeschichte. Berlin 1970, S. 377.

                Bernhard Reich und Anna Lācis gingen nach ihrer Freilassung 1948 nach Riga zurück und waren dort beide zusammen aktiv in der Theater- und Regiearbeit, und als Theatertheoretiker.

              • Max Reinhardt

                • Regisseur*in
                * 1873, Baden, Niederösterreich
                † 1943, New York

                Max Reinhardt, im gleichen Jahr wie Otto Falckenberg geboren, war ein eminenter Theaterregisseur und Direktor in Berlin 1902 – 1933. Anfang September 1930 gastierte Max Reinhardt für zwei Abende an den Münchner Kammerspielen mit seiner legendären Salzburger Festspiele–Inszenierung von Goldonis Der Diener zweier Herren, im Mai 1931 erneut für einen Abend, dazu mit seiner Inszenierung von W.S. Maughams Farce Victoria in der autorisierten Übersetzung von Mimi Zoff. Im August 1931 inszenierte Max Reinhardt als Gastregisseur an den Münchner Kammerspielen Goethes Stella (Premiere 2. September 1931) mit dem Ensemble und Helene Thimig und Agnes Straub als Gäste. 1933 floh Max Reinhardt zusammen mit Helene Thimig aus Berlin nach Wien, sie heirateten 1935. 1937 emigrierten sie in die USA. Seit 1940 US-amerikanischer Staatsbürger, starb Max Reinhardt im Alter von 70 in New York am 31.10.1943.

                „Auch er war der Todeskrankheit Emigration erlegen, denn man nenne es, wie man wolle, Herzschlag oder Selbstmord, die Herzen derer, die in der Ferne plötzlich zu schlagen aufhörten, die Seelen jener, die fernmüde zu sterben sich entschlossen, waren tödlich verbraucht“,

                Ernst Lothar: Das Wunder des Überlebens, Wien: Paul Zsolnay Verlag, 3. Aufl. 2020.

                schrieb der Autor und Theaterregisseur Ernst Lothar zum Tod des ins Exil vertriebenen großen Theaterdirektors Max Reinhardt in seinen 1960 erschienenen Erinnerungen „Das Wunder des Überlebens“ – neu erschienen im Paul Zsolnay Verlag Wien, 3. Aufl. 2020, mit einem Nachwort von Daniel Kehlmann. Ernst Lothar (Brünn 1890–1974 Wien) floh 1938 aus Wien zusammen mit seiner nichtjüdischen Frau, der Schauspielerin Adrienne Gessner in die USA, im Juni 1946 remigrierten sie nach Wien, Ernst Lothar von den US-amerikanischen Militärbehörden beauftragt mit der 'Entnazifizierung' österreichischer Theaterschaffender in Salzburg und Wien.

              • Hans Reisiger

                • Übersetzer*in
                geb. Walter Ernst
                * 1884, Breslau
                † 1968, Garmisch-Patenkirchen

                MK 06.03.1929: Journey’s End (1928) undefined, Die andere Seite von Robert Cedric Sherriff (1896 – 1975), Übersetzung aus dem Englischen: Hans Reisiger, Regie: Otto Falckenberg, u. a. mit Ewald Balser, Wolfgang Liebeneiner, Richard Révy

                Hans Reisiger kam am 22.10.1884 in Breslau als Sohn eines Postbeamten auf die Welt. Nach dem Abitur an einem humanistischen Gymnasium und ein paar Semestern Jura und Philosophie an den Universitäten Berlin und München entschied er sich für ein Leben als freier Schriftsteller und polyglotter Übersetzer von englischen, französischen, italienischen literarischen Werken und Schriften politischer Denker ( u. a. Defoe, Conrad, Kipling, Meredith, H. G. Wells, Walt Whitman, Flaubert, Saint-Exupéry und Carlo Sforza, Gandhi, Lytton-Strachey und Harold Nicholson.) 1929 übersetzte er Robert C. Sherriffs Antikriegsdrama Journey's End, das am 9. Dezember 1928 in London uraufgeführt wurde mit dem damals 21jährigen Laurence Olivier in der Rolle des Captain Stanhope. Am 6. September 1929 hatte das Stück in der deutschen Übersetzung Hans Reisiger Premiere an den Münchner Kammerspielen in der Inszenierung Otto Falckenbergs. Das Stück wurde ein großer Bühnenerfolg in der gesamten Spielzeit 1929/30. Die Kostüme zur MK Inszenierung lieferte die Berliner Firma Theaterkunst Hermann J. Kaufmann. 1936 wurde Kaufmann von den Nazis gezwungen, sein weltweit renommiertes Unternehmen zu verkaufen, er floh aus Deutschland und starb 1942 im Exil in Brüssel.

                Hans Reisiger war seit 1913 ein Hausfreund der Familie Thomas und Katja Manns. 1933 verboten die Nationalsozialisten sein 1930 im Dresdener List Verlag erschienenes Buch Unruhiges Gestirn über Richard Wagner. Im März 1938 nach dem 'Anschluss Österreichs' wurde Reisiger in Tirol verhaftet. Am 26. März 1938 schrieb Klaus Mann aus Küssnacht/Zürich an seinen Onkel Heinrich Mann in Nizza:

                „Die Unglücksbotschaften, die täglich aus Wien einlaufen, sind grauenvoll. Selbst ein so harmloser, unpolitischer, um Grunde eher konservativer 'rein- arischer' Mann wie unser Freund Hans Reisiger, ist eingesteckt worden: er sitzt in Innsbruck, wir sind sehr besorgt, die Freundschaft mit unserem Hause kann ihm jetzt verhängnisvoll werden ...“

                Klaus Mann: Briefe und Antworten 1922 – 1949. Hg. v. Martin Gregor Dellin. Hamburg: Rowohlt 1991.

                Am 22. April 1938 bat Klaus Mann seinen Vater Thomas Mann in den USA, Möglichkeiten zu sondieren, Reisiger „an einer University oder sonst irgendwie unterzubringen ... ich meine, man müsse alles dafür tun, um den Armen zur Emigration zu bestimmen. Wenn er 'drin' bleibt, geht er ganz kaputt ...“.

                Thomas Mann antwortet am 12. Mai 1938 aus New York merkwürdig distanziert, ja ablehnend:

                „...Die Wochen der Gefangenschaft werden gräßlich genug gewesen sein, aber irgendwie auch überwältigend, und nun in Berlin, als Arier und vollgültiger Volksgenosse, wird er allmählich finden, daß alles doch eigentlich ganz anders ist, als wir Emigranten es uns vorstellen, wird sein deutsches Herz entdecken und einsehen, daß man doch schließlich nach Deutschland gehört. Ich fürchte, es wird so kommen. Wir werden ihn vielleicht mal wiedersehen (er hat ja einen Paß), aber uns bald nicht mehr recht mit ihm verständigen können.“

                Klaus Mann: Briefe und Antworten 1922 – 1949. Hg. v. Martin Gregor Dellin. Hamburg: Rowohlt 1991.

                Am 1. Juni 1938 schreibt Klaus Mann aus der Schweiz an seine Mutter Katia Mann in New York mit größerer Empathie für den nicht-jüdischen Freund der Familie:

                „Was übrigens Reisi“ [Hans Reisiger] betrifft, so scheint es ja nicht ganz so melancholisch um ihn zu stehen, als erst anzunehmen war ... es ist wohl mehr seine Unentschlossenheit und seine Angst vor der Fremde – nicht so sehr die neuentdeckte Liebe zum Vaterland – was ihn an der Abreise hindert ...“

                Klaus Mann: Briefe und Antworten 1922 – 1949. Hg. v. Martin Gregor Dellin. Hamburg: Rowohlt 1991.

                Hans Reisiger blieb in Deutschland. Wo und unter welchen Gefährdungen er die Jahre bis zum Ende der NS-Herrschaft überlebte, wissen wir noch nicht. Er arbeitete danach als Literaturlektor und Übersetzer, er wurde Mitglied des PEN, Mitbegründer und Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

                Er starb am 29. April 1968 in Garmisch-Partenkirchen.

              • Kurt Reiss

                • Regisseur*in
                • Schauspieler*in
                * 1903, Zweibrücken
                † 1960, Hamburg

                Regisseur an den Münchner Kammerspielen 1928/29 mit fünf Inszenierungen:

                MK 31.01.1928: Einbruch von R. A. Roberts / A. Landsberger, u. a. mit Heinz Rühmann

                MK 24.08.1928: Flucht von John Galsworthy, u. a. mit Therese Giehse, Ernst Deutsch

                MK 09.10.1928: Die Schule von Utznach von Carl Sternheim, u. a. mit Maria Byk

                MK 10.12.1928: Prinzessin Huschewind von F. P. Buch, u. a. mit Edith Schultze-Westrum, Dorothea Wieck und Heinz Rühmann

                MK 13.01.1929: Vettern von Rudolf Schneider-Schelde, u. a. mit Maria Byk, Kurt Horwitz, Révy und Heinz Rühmann.

                Als Schauspieler trat er an den Kammerspielen u. a. auf in Falckenbergs Uraufführung von Leonhard Franks Die Ursache im Nachtstudio (08.03.29) zusammen u. a. mit Therese Giehse, Kurt Horwitz, Richard Révy; im Sommer 1931 als Gast u. a. zusammen mit Albert Bassermann in Die Grosse Woche in Baden-Baden(25.07.31).

                Kurt Reiss kam als junger Regisseur und Schauspieler vom Nationaltheater Mannheim und vom Schauspielhaus Düsseldorf an die Kammerspiele, von dort ging er nach Frankfurt ans Neue Theater des österreichisch jüdischen Theaterdirektors Arthur Hellmer, der nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten Deutschland verließ, zunächst nach Wien ging und 1938 nach England emigrierte.

                Als deutscher Staatsbürger mit zwei jüdischen Großeltern wurde Kurt Reiss als ‘Halbjude’ / ‘Mischling I. Grades’ aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen und stand von 1933–1945 unter Berufsverbot. Zusammen mit seiner ‘halbjüdischen’ Frau, Ute Troje, mit der er in zweiter Ehe verheiratet war, überlebte Reiss auf einer kleinen Hühnerfarm in Hamburg-Rissen, nach Repressalien und Beschlagnahmungen gesundheitlich schwer angeschlagen. Nach dem Tod seiner zweiten Frau heiratete er im August 1951 die Schauspielerin und Sängerin Anne Mary Braun (*15.08.1915 New York), die Tochter der Schauspielerin Gertrude Botz und des Opernsängers Carl Braun (Meisenheim 1886–1960 Hamburg), der 1912–1917 an der New Yorker MET engagiert war.

                Carl Braun war 1932 Mitglied der NSDAP geworden und im antisemitischen Kampfbund für deutsche Kultur in Groß-Berlin und in der Reichsmusikkammer aktiv. Seine Karriere als Sänger beendete er 1935. Anne Marys Bruder Hermann Braun, 1917 auch in New York geboren, wurde nach der Rückkehr der Familie nach Deutschland ebenfalls Schauspieler, arbeitete zunächst in Bochum und dann in Berlin am Theater, u. a. bei Gründgens, und wurde als junger blonder Mann für den Film entdeckt, ab 1937 in Hauptrollen völkisch nationalistischer Streifen (wie etwa Kampfgeschwader Lützow 1940/41 u. a. mit Hannes Keppler, der zu der Zeit im Ensemble der Münchner Kammerspiele war). Hermann Braun verlor wegen regimekritischer Äußerungen seine UK ('unabkömmlich')-Stellung, wurde eingezogen, an die Front geschickt und fiel im Januar 1945 in der Nähe von Lódź.

                Kurt Reiss arbeitete nach dem Ende der Naziherrschaft als Hörspielregisseur für den Norddeutschen Rundfunk. Er wurde ein renommierter Experimenteur neuer Formen des Hörspiels. Bis zu seinem Tod im Januar 1960 wiesen die Hamburger Behörden jegliche Wiedergutmachungsansprüche zurück.

              • Annie Reiter

                • Schauspieler*in

                Von Mai 1914 – August 1916 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, sie spielte in Inszenierungen Erich Ziegels, Paul Marx und Otto Falckenbergs.

                Sie kam zusammen mit Mela Schwarz an die MK, sie wohnten zunächst auch zusammen in der Theresienstraße 78. In der Spielzeit 1916/17 war sie am Schauspielhaus in der Maximilianstraße engagiert. Später war sie am Neuen Theater in Frankfurt engagiert bei Arthur Hellmer (geb. Thomasdorf, Österreich 1880, 1938 nach England emigriert, 1946 remigriert, gest. 1961 in Hamburg).

                1933 flieht Annie Reiter nach Prag, wurde dort am Deutschen Theater engagiert und spielte im Oktober 1933 in Julius Gellners Inszenierung von Ibsens Gabriel Borkman die Frau Borkmanns. Gellner war im März 1933 aus München nach Prag geflüchtet.

                1935 geht Annie Reiter sie nach Wien, in der Spielzeit 1936/37 engagiert sie der aus Deutschland geflüchtete Arthur Hellmer an das THEATER AN DER WIEN.

                Im Februar 1938 tritt Annie Reiter zum letzten Mal in Wien auf, in Karl Farkas' Inszenierung seines Stücks Dixie im THEATER AN DER WIEN zusammen u. a. mit Paul Morgan. Er wurde im Mai 1938 ins KZ Dachau und von dort ins KZ Buchenwald deportiert, das er nicht überlebte. Annie Reiter emigrierte 1938 in die USA.

                Über die beiden Schauspielerinnen Jenny Spielmann und Annie Reiter heißt es im Narrativ der Münchner Kammerspiele:

                „Annie Reiter und Jenny Spielmann dürften attraktive Damen und gute Schauspielerinnen gewesen sein.“

                Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch-Verlag 1973, S. 65.

                Kein Wort zu den beiden Schicksalen.

              • Berthe Reuscher

                • Schauspieler*in
                geb. Huberta

                In der Spielzeit 1920/21 – 1925/26 war Berthe Reuscher im Ensemble der Münchner Kammerspiele, gleichwohl ist über ihre Biographie kein Wort zu lesen im MK–Narrativ. Im Oktober 1920 spielte sie Phoebe, die Schäferin, in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Wie es euch gefällt; im April 1921 übernahm sie in Falckenbergs Ein Sommernachtstraum die Rolle der Hippolyta, die bis dahin Hilde Wall gespielt hatte. 1926 ging sie nach Berlin, 1931 heiratete sie den Volkswirtschaftler und Schriftsteller Hanns Heimann (Breslau 1879–1965 Quito/Ecuador), Sohn einer Breslauer jüdischen Kaufmannsfamilie. 1933 emigrieren sie nach Ecuador, Hanns Heimann ist an der Universität Quito tätig. Huberta Reuscher-Heimann gehörte zum Ensemble der KAMMERSPIELE, ein deutschsprachiges Exilensemble, das der emigrierte Theaterregisseur Karl Löwenberg (1896–1975) in Quito gründete und das in den 1940er und 1950er Jahren im Teatro Nacional Sucre auftrat. Nach dem Tod ihres Mannes 1965 remigriert sie nach Deutschland, sie stirbt 1966 in München.

              • Leo Reuss

                • Schauspieler*in
                * 1891, Dolyna
                † 1946, Manila

                MK 12.08.–29.08.1933: Wechsler und Händer von Hanns Johst

                Heimat von Hermann Sudermann

                Hedda Gabler von Henrik Ibsen

                Medea von Franz Grillparzer. Regie: Agnes Straub / Leo Reuss, u.a. mit Agnes Straub, Leo Reuss, Gastspiele Agnes Straub mit Berliner Ensemble

                Leo Reuss kam am 30. März 1891 als Sohn jüdischer Eltern in Dolyna in Galizien, heutige Region Oblast Iwano-Frankiwsk in der Ukraine, auf die Welt. Er wuchs in Wien auf. Gegen den Willen seines Vaters machte er eine Schauspiel-Ausbildung an der Akademie für Musik und darstellende Kunst. Nach Kriegsdienst und ersten Auftritten an Wiener Theatern engagierte ihn Erich Ziegel 1921 an die Kammerspiele in Hamburg. In den 1920er Jahren spielte er zusammen mit seiner Lebensgefährtin Agnes Straub u. a. an der Volksbühne und am Theater am Schiffbauerdamm in Berlin. 1930 gründete sie das Agnes Straub Theater (später Theater am Kurfürstendamm). Beide gingen mit ihrem Ensemble auf Tournee im gesamten deutschsprachigen Raum. Als sie im August 1933 mit vier Inszenierungen in den Münchner Kammerspielen gastierten, war Leo Reuss noch mit im Ensemble und wurde von den Münchner Theaterkritikern, sogar noch im Völkischen Beobachter, anerkennend mit erwähnt. Der Großkritiker Josef Magnus Wehner hingegen – er gehörte zu den 88 Schriftstellern, die im Oktober 1933 das "Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler" unterzeichneten, trat 1933 in die NSDAP ein, leugnete jedoch nach dem Ende der NS-Gewaltherrschaft jegliche faschistische Überzeugung – propagierte in den MÜNCHNER NEUESTE NACHRICHTEN am 30. August 1933 in seiner Kritik des Gastspiels 'Agnes Straub in den Kammerspielen' die neuen politischen Maßstäbe für Kulturschaffende drohend:

                „Das Gastspiel Agnes Straub in den Kammerspielen scheint diesmal nicht den gewünschten Erfolg gehabt zu haben, den die bedeutende Schauspielerin vom künstlerischen Gesichtspunkte auch verdient hätte. Aber gibt es überhaupt noch im großen Verschmelzungsprozeß von politischem und kulturellem Leben zur ungeschiedenen kraftvollen Einheit des nationalen Ausdrucks einen reinen künstlerischen Standpunkt? Der endlich beginnenden Reinigung kann sich niemand entziehen, und wenn Agnes Straub noch im Januar dieses Jahres in einer öffentlichen Veranstaltung einen Brief von Rosa Luxemburg vorlas, dann darf sie sich nicht wundern, wenn jener Teil des Publikums ihrem Spiel fernblieb, der die Luxemburg politisch ablehnt . . .“

                Josef Magnus Wehner in Münchner Neueste Nachrichten am 30. August 1933

                Als Agnes Straub mit dem Berliner Ensemble im August 1934 wieder an den Münchner Kammerspielen gastierte, war Leo Reuss nicht mehr mit dabei. Er floh nach Österreich, fand zunächst dort keine Arbeit. Als dann eine zunächst erfolgreiche Camouflage als Tiroler Bauer und Theaternaturtalent 'Kaspar Brandhofer' aufflog, emigrierte er 1937 in die USA. Unter dem Namen Lionel Royce spielte er vielbeschäftigt in Hollywood in kleineren Filmrollen. Als er nach Kriegsende auf einer Truppenbetreuungstournee auf den Philippinen war, erlitt er einen Herzinfarkt und verstarb am 1. April 1946 in Manila.

              • Frida Richard

                • Schauspieler*in
                geb. Friederike
                * 1873, Wien
                † 1946, Salzburg

                MK 04.08.1925: So ist es – ist es so von Luigi Pirandello, deutsche Übersetzung: Margit Veczi, Regie: Richard Forster-Larrinaga, mit Frida Richard a. G.

                MK 05.05.1931: Victoria von W.S. Maugham, deutsche Übersetzung: Mimi Zoff, Regie: Max Reinhardt, Musik: Mischa Spoliansky, Gastspiel der Reinhardt–Bühnen Berlin, mit Frida Richard, Lili Darvas, Josef Danegger u. a.

                MK 18.01.1933: Achtung! Frisch gestrichen von René Fauchois, deutsche Übersetzung: Käthe Porada und Hans Feist, Regie: Richard Révy, mit Frida Richard a. G.

                Friederike Raithel kam am 1. November 1973 in Wien als Tochter eines Zimmermalers auf die Welt. Als junge Frau nahm sie Schauspielunterricht bei der Wiener Theaterdirektorin Pauline Czerniawski–Loewe, zusammen mit Max Reinhardt und Richard Löwit (Chotebor 06.01.1870 – 09.02.1933 Berlin), Sohn einer böhmisch jüdischen Volksschullehrerfamilie. Die beiden heirateten 1898, sie traten unter ihren Theaternamen Frida und Fritz Richard auf. Nach Theaterstationen in Teplitz (1899 wurde dort Stella geboren, die erste ihrer drei Töchter), in Augsburg (dort kam 1900 Frieda auf die Welt) und in Bremen (wo 1904 Trude geboren wurde), gingen sie 1905 nach Berlin, wurden dort Mitglieder des Ensembles Max Reinhardts und wirkten an dessen Berliner Bühnen und bei den Salzburger Festspielen. Beide machten auch Karriere als Darsteller in Stummfilmen.

                Die Familie lebte seit 1931 in Salzburg. Am 9. Februar 1933 verstarb Frida Richards Mann in Berlin, wenige Tage nach der ‚Machtergreifung‘ der Nazis. Es gab Hinweise, dass Josef Richard Löwit von SA-Männern auf offener Straße erschossen worden war.

                Frida Richard versuchte ihre drei Töchter durch Verschweigen der väterlicherseits jüdischen Herkunft zu schützen. Bis 1937 spielte sie in bis dahin von antisemitischen Direktiven noch freien österreichischen Filmproduktionen, von 1938–1945 wirkte sie als Nebendarstellerin in 14 Spielfilmen mit, zuletzt in Riefenstahls Tiefland.

                Frida Richards erstgeborene Tochter Stella Löwit floh mit Enkeltochter 1938/39 in die USA, die zweite Tochter Frieda, floh 1938 mit ihrem aus Prag stammenden jüdischen Mann, Ernst Percy Schablin, und dessen Eltern nach Frankreich. 1942, kurz vor der Internierung gelang Friedas Mann die Flucht nach England. Sein Vater wurde am 28. August 1942 von Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet, die beiden Frauen wurden am 4. November 1942 von Drancy mit dem Transport Nr. 40 nach Auschwitz deportiert, zwei Tage vor Benno Bing und Ludwig Hirschfeld, und dort ermordet. Trude, die jüngste der drei Töchter, überlebte mit ihrem Sohn unter dem Schutz ihrer Mutter in Salzburg die NS-Gewaltherrschaft.

                Friederike Löwit, genannt Frida Richard, starb 72jährig am 12. September 1946 in Salzburg. Ihre Tochter Trude emigrierte nach dem Tod der Mutter in die USA. Für Richard Löwit und Frieda Schablin geb. Löwit liegen in Salzburg zwei Stolpersteine.

              • Erwin Rieger

                • Übersetzer*in
                * 1889, Wien
                † 1940, Tunis

                MK 24.03.1925: Ein Spiel von Liebe und Tod von Romain Rolland, Übersetzung aus dem Französischen: Erwin Rieger, Regie: Otto Falckenberg, u. a. mit Marija Leiko, Ludwig Donath, Kurt Horwitz und Adolf Wohlbrück

                Erwin Rieger kam am 13. September 1889 in Wien auf die Welt als Sohn eines Majors. Nach einem Germanistik- und Romanistik-Studium in Wien, Heidelberg und Bonn wurde er mit 24 Jahren zum Dr. phil. promoviert. Er arbeitete als Bibliothekar, Journalist, Schriftsteller und übersetzte Werke französischer Autoren (u. a. Stendhal, Rolland). Er war mit Stefan Zweig befreundet, schrieb 1928 eine Biographie Zweigs. 1931 gab er eine Anthologie österreichischer Lyrik heraus. 1936 wurde er Redaktionsmitglied der Neuen Freien Presse. Nach dem NS-Anschluss Österreichs 1938 floh er nach Frankreich, im Oktober 1938 weiter nach Tunis. Er starb dort am 25.11.1940, er war 51 Jahre alt. Über die Umstände seines Todes haben wir bisher noch keine Informationen.

              • Eugen Robert

                • Theaterleiter*in
                • Regisseur*in
                geb. Eugen Robert
                * 1877, Budapest
                † 1944, London

                Eugen Robert kam vom BerlinerHebbel Theater zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Ida Roland, ans 'Lustspielhaus' in der Augustenstraße 89. Zu Beginn der Spielzeit 1912/13 entschied sich Eugen Robert für den neuen Namen des Theaters: „MÜNCHNER KAMMERSPIELE“. Ida Roland wurde der erste Star der MK und war mitbestimmende Schauspielerin und Co-Direktorin.

                Im Frühjahr 1913 trennte sich der Aufsichtsrat der Münchner Theatergesellschaft GmbH von Direktor Eugen Robert und übergab die Direktion an Erich Ziegel (künstlerischer Leiter) undBenno Bing (geschäftsführender Direktor). Eugen Robert und Ida Roland trennten sich, sie ging nach Wien, er kehrte zurück nach Berlin. Im Juni 1930 kam Eugen Robert für eine Woche zu einem sehr erfolgreichen Gastspiel an die Münchner Kammerspiele mit dem Ensemble seines Berliner Theaters DIE TRIBÜNE und mit Conrad Veith in der Titelrolle des Stücks ER von Alfred Savoir in der deutschen Übersetzung von Berta Zuckerkandl.

                In Wien hatte Ida Roland 1915 den Graf Coudenhove-Kalergi geheiratet, den Begründer der Paneuropa-Union, eine politische Bewegung, die von den Nationalsozialisten verboten wurde. Nach dem ‘Anschluss’ Österreichs floh das Paar 1938 in die Schweiz, 1940 in die USA.

                Eugen Robert floh 1933 aus Berlin nach London. Er starb dort im Alter von 67 im Dezember 1944.

              • Ida Roland

                • Schauspieler*in
                * 1881, Wien
                † 1951, Nyon

                Zusammen mit Eugen Robert, Gründungsdirektor der Münchner Kammerspiele, kam sie im Januar 1911 ans 'Lustspielhaus' in der Augustenstraße 89.

                Sie wurde der erste Bühnenstar der Kammerspiele. Sie war mitbestimmende Schauspielerin und Co-Direktorin. Mit der Entlassung des Gründungsdirektors im Frühjahr 1913 verließ auch sie die Kammerspiele. Die beiden trennten sich später. 1926 bis 1937 spielte sie am Burgtheater in Wien. Nach dem ‘Anschluss’ Österreichs 1938 flieht sie mit ihrem dritten Mann, Graf Coudenhove-Kalergi, über die Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien und Italien in die Schweiz, im Juni 1940 flüchten sie aus Paris über Spanien und Portugal in die USA nach Frankreich, 1946 Remigration in die Schweiz.

              • Lia Rosen

                • Schauspieler*in
                * 1893, Brăila
                † 1972, Tel Aviv

                MK 12.12.1914: Ein deutsches Weihnachtsspiel. Regie: Otto Falckenberg, u. a. mit Paul Marx, Lia Rosen mit Bibelvorlesung, als Gast vom Deutschen Theater Berlin

                MK 28.01.1915: Hanneles Himmelfahrt von Gerhart Hauptmann. Regie: Paul Marx, u. a. mit Erwin Kalser, Lia Rosen als Gast vom Deutschen Theater Berlin in der Titelrolle

                Lia Rosen, die Tochter einer jüdischen Familie, geboren in Brăila, einer Hafenstadt am unteren Lauf der Donau, kam als Kind mit ihren Eltern nach Wien. Nach Kinderrollen auf der Bühne und Schauspielausbildung debütierte sie mit 15 Jahren am Wiener Burgtheater. 1910 engagierte sie Max Reinhardt ans Deutsche Theater in Berlin. Sie gastierte im gesamten deutschsprachigen Raum. 1925 trat sie in New York auf in einer gefeierten DYBUK Gastsspielproduktion. Sie wurde auch gerühmt für ihre Bibelvorlesungen. 1925 heiratete sie Max Schwartz, einen politisch aktiven Zionisten, mit dem sie 1928 vorläufig nach Palästina ging. Nach Besuchen in Wien und noch nicht realisierten Filmplänen entschied sie sich 1930 für die endgültige Emigration nach Palästina. Durch ihre Entscheidung konnte sie der Verfolgung durch die Nationalsozialisten entgehen.

                Weiterführende Recherche:

                Eine hochinformative, sorgfältige Recherche-Arbeit ist von Anne Schwarz veröffentlicht worden auf https://www.romno.de/recherche/.

                Im Archiv der Österreichischen Nationalbibliothek für historische Zeitungen und Zeitschriften finden sich zu Lia Rosen mehr als 870 Ergebnisse im Zeitraum 1907-1936, darunter die folgenden drei Artikel:

                „Lia Rosen“. In: Cernowitzer Tagblatt vom 1. Januar 1912,

                „Lia Rosen“. In: Jüdische Volksstimme vom 6. März 1912,

                „Bibelvorleseung Lia Rosens in New-York“. In: Wiener Morgenzeitung vom 17. März 1925,

                sowie das Porträtphoto Lia Rosen. Wien ca. 1910 von Marie Mertens, Photographiekunst-Atelier 'Moderne' Wien.

              • Willy Rosen

                • Komponist*in
                geb. Willhelm Julius
                * 1894, Magdeburg
                † 1944, KZ Auschwitz

                MK 26.03.1932: Ist das nicht nett von Colette? Lustspiel von Max Bertuch, Musik: Willy Rosen, Gesangstexte: Kurt Schwabach, Regie: Robert Forster-Larrinaga, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Bühne: David Schneuer. Erstaufführung im Volkstheater

                MK Mai 1932: Liebling Adieu. Lustspiel von Max Bertuch und Lothar Sachs, Musik und Gesangstexte: Willy Rosen. Im Spielplan des Volkstheaters vorgesehen

                Willy Rosen kam am 18. Juli 1894 in Magdeburg auf die Welt als Sohn der jüdischen Kaufmannsfamilie Rosenbaum. Nach einer Tuchhändlerlehre, Kriegsdienst und schwerer Verwundung im ersten Weltkrieg begann er seine künstlerische Existenz als Kabarettist in Berlin. Von Mitte der 1920er Jahre an schrieb er die Musik zu Revuen, Operetten und Lustspielen, trat im Rundfunk auf und ging europaweit auf Tournee. Sofort nach der 'Machtergreifung' verhängten die Nazis ein Berufsverbot, er floh in die Schweiz und gründete das Kabarett-Ensemble Die Prominenten, mit dem er auch europaweit auftrat. 1937 wurde ihm in der Schweiz die Aufenthaltsgenehmigung entzogen, er floh in die Niederlande. In Amsterdam trat er in der Hollandsche Schouwburg auf, die nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Joodsche Schouwburg umbenant wurde und 1942 als Theater geschlossen und zu einem Sammelort für die Deportation jüdischer Menschen umfunktioniert wurde. Willy Rosen und seine Frau versuchten unterzutauchen, wurden verhaftet und im Frühjahr 1943 ins Lager Westerbork verschleppt. Auch dort schrieb und spielte er mit anderen inhaftierten Bühnenkünstlern auf der Lagerbühne. Am 4. September 1944 wurde Willy Rosen nach Theresienstadt und von dort nach Auschwitz deportiert. Nach der Ankunft dort wurde er am 30. Sepember 1944 ermordet, seine Frau zwei Wochen später.

                Am 17. Juni 2022 wurden in Berlin-Wilmersdorf zur Erinnerung an beide Stolpersteine verlegt.

              • Dr. med. Josef Rosenbaum

                • Theaterärzte
                * 1875, München
                † 1963, London

                Nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938 verhaftet und im KZ Dachau interniert. Einer der beiden Söhne, Peter Rosenbaum war bereits 1933 nach England emigriert, begann sein 1931 in München angefangenes Medizinstudium noch einmal von vorne und betrieb nach Erwerb der englischen Staatsangehörigkeit die Emigration seiner Eltern und seines Bruders. Dr. Josef Rosenbaum konnte aufgrund seines bürgenden Sohnes am 18. November 1938 nach London emigrieren, seine Frau und der zweite Sohn folgten ihm kurz danach. Im Juni 1939 wurde die ganze Familie in Deutschland ausgebürgert. Dr. Rosenbaum arbeitete bis zu seinem 75. Lebensjahr in der Londoner Poliklinik Willesden Hospital.

                Dr. Rosenbaum hatte zwei Schwestern, wie er in München geboren.

                Charlotte Rosenbaum, geb. 05.03.1874, verheiratete Lang, emigrierte mit ihrem Mann Adolph Lang im August 1939 nach England.

                Pauline Rosenbaum, geb. 21.10.1876, verheiratete Hesselberger, wurde nach Theresienstadt deportiert, überlebte das Konzentrationslager und emigrierte im Mai 1946 nach New York, zu ihrer Tochter. Pauline Hesselberger starb 1967 in New York.

              • Dr. med. David Rossnitz

                • Theaterärzte
                * 1868, München
                † 1942, München

                Ärztliche Approbation 1902. Praxis in der Briennerstraße 55

                Verheiratet mit: Bella, geb. Mayer Stuttgart (25.11.1881 – 18.09.1939 München).

                Dr. med. David Rossnitz war als Theaterarzt an den Münchner Kammerspielen und dem Münchner Volkstheater tätig. Seine Todesumstände sind ungeklärt. Die erste Deportation aus München nach Kaunas fand am 20. November 1941 statt, die zweite nach Piaski am 3. April 1942. Dr. Rossnitz starb zwei Monate nach der ersten Deportation und zwei Monate vor der zweiten.

                Die Tochter Margot Rossnitz, geb. in Karlsruhe 10.10.1905 – ? arbeitete als Schauspielerin. 1932 spielte sie in Karl Ulrich Schnabels Film Das kalte herz eine weibliche Hauptrolle neben dem männlichen Hauptdarsteller Franz Schnyder (1910–1993), der 1939 an den Münchner Kammerspielen als Gastregisseur zwei Stücke inszenierte, Romanze(27.4.1939) und Im sechsten Stock (03.06.1939). Schnyder wurde später einer der erfolgreichsten Regisseure des Schweizer Films. Karl Ulrich Schnabel emigrierte 1933 in die USA. Der Film konnte 1933 nicht mehr fertig gestellt werden. Im Jahr 2009 hat ihn ein Schweizer Cineast wiederentdeckt. Margot Rossnitz emigriert 1935 in die Schweiz nach Basel.

              • Hans Rothe

                • Übersetzer*in
                * 1894, Meißen
                † 1977, Florenz

                MK 03.06.1923: Was ihr wollt von William Shakespeare, Übertragung ins Deutsche: Hans Rothe, Regie: Otto Falckenberg, u.a. mit Sybille Binder (Viola), Arnold Marlé (der Narr)

                MK 30.05.1929: Der Mann der seinen Namen änderte von Edgar Wallace, dt. Übersetzung: Hans Rothe, Regie: Robert Forster-Larrinaga, u. a. mit Sybille Binder, Kurt Horwitz

                MK 28.02.1931: Ein freudiges Ereignis von Floyd Dell / Thomas Mitchell, dt. Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch: Hans Rothe, Regie: Hanns Fritz Gerhard, Bühne: David Schneuer im Volkstheater, u. a. mit Heinz Rühmann, Therese Giehse, Else Herrmann, Mia Engels

                MK 15.02.1933: Komödie der Irrungen von William Shakespeare, Übertragung ins Deutsche: Hans Rothe, Regie: Otto Falckenberg

                MK 20.10.1935: Zwei Herren aus Verona von William Shakespeare, Übertragung ins Deutsche: Hans Rothe, Regie: Eugen Felber

                MK 19.08.1960: Komödie der Irrungen von Shakespeare/Rothe, in der 'Neufassung' von Hans Rothe, Regie: Leonard Steckel

                Hans Rothe, geboren am 14. August 1894 in Meißen, war der Sohn Karl Rothes, der von 1918 bis 1930 Oberbürgermeister von Leipzig war. Wegen seiner Kritik des NS– Parteiprogramms erklärten ihn die Nazis zur Unperson und entfernten den Pensionisten aus allen Ehrenämtern. Hans Rothe ging als Student nach Edinburgh und begann dort mit 22 Jahren sein Lebenswerk: Shakespeares Dramen 'in ein spielbares, modernes Deutsch' zu übertragen. Nach Schauspielschule, Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg arbeitete er als Dramaturg 1926 – 1930 bei Max Reinhardt am Deutschen Theater in Berlin. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten wurde Rothe in die Reichsschrifttumskammer aufgenommen, aber seine unkonventionellen Übertragungen der Shakespeare–Dramen wurden von den Gralshütern der jetzt als „arisch-nordisch“ geltenden Schlegel-Tieckschen Übersetzungen Shakespeares heftig angegriffen. Falckenberg wurde mit seiner Inszenierung von Shakespeares Komödie der Irrungen an den Münchner Kammerspielen (Premiere 15. Februar 1933) für seine „vorbildlich ausgeglichene Regieleistung (Dr. Walter Stang im Völkischen Beobachter am 17.02.1933) gelobt, der Übersetzer Hans Rothe hingegen wurde diffamiert:

                „Rothe hat Shakespeares Komödie durch seinen literarischen Wurstkessel gezogen, in dem auch Berliner Asphalt gekocht wird. . . .es tut uns weh, Otto Falckenberg und die Münchner Kammerspiele in dieser Gesellschaft zu sehen!“

                Dr. Friedrich Möhl: Bayerische Staatszeitung vom 17.02.1933.

                Die gleichgeschaltete Deutsche Shakespeare-Gesellschaft kollaborierte 1936 bei Goebbels Verbot der Rothe-Übersetzungen auf deutschen Bühnen. Elf Jahre nach seiner Inszenierung im Februar 1933 distanzierte sich Falckenberg 1944 in seiner Autobiographie Mein Leben – Mein Theater von Hans Rothes Übertragung mit einem ganz merkwürdig verqueren Satz:

                “KOMÖDIE DER IRRUNGEN habe ich mit einer grundsätzlich verfehlten Übersetzung zwar zu einem Publikumserfolg geführt, der mich selbst indessen kühl ließ“.

                Otto Falckenberg: Mein Leben – Mein Theater. S. 346

                Hans Rothe floh 1936 aus Deutschland nach Italien, weiter nach Frankreich und nach Kriegsbeginn nach Spanien. Im Exil schrieb er für Emigrantenzeitschriften (Das Neue Tage-Buch, Pariser Tageszeitung). Ab 1944 arbeitete er im Auftrag der Alliierten Kontrollkommission dabei mit, die von den Nazis in Spanien eingerichteten deutschen Kulturinstitute und deutschen Schulen aufzulösen. Die Nazis bürgerten ihn 1944 aus, 1947 emigrierte Rothe in die USA, lehrte als Professor für Theater an Unis in North Carolina und Miami von 1947 bis 1953, 1952 wurde er US-amerikanischer Staatsbürger. 1954 remigrierte er nach Europa und lebte bis zu seinem Tod in Florenz.

                Am 19. August 1960 inszenierte an den Münchner Kammerspielen als Gastregisseur Leonard Steckel (geboren am 18. Januar 1901 in Knihinin / Galizien, heute Iwano-Frankiwsk / Ukraine, Flucht in die Schweiz 1933, Theaterarbeit am Züricher Schauspielhaus, Tod beim Eisenbahnunglück von Aitrang 1971) Shakespeares Komödie der Irrungen in der Neufassung von Hans Rothe. Und noch einmal erlebten die jüdischen Remigranten Steckel und Rothe die Ablehnung der arisch-nordischen Kunsthüter der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München:

                „In Übereinstimmung mit ihrem Auftrag im Bereich der Kunstpflege rügt die Bayerische Akademie es als einen ernstlichen Verstoß gegen die guten Sitten sowie als eine Irreführung des Publikums, wenn hier ein nur mehr von Shakespeares Stoff-Behandlung profitierendes, in Gehalt, Sprache, Figurierung ihm absichtsvoll entfremdetes Unterhaltungsstück gleichwohl unter seinem Namen läuft und so in allen Nichtbescheidwissenden die Meinung erweckt, in dieser banalisierten Farce spreche der – in Wahrheit nur geplünderte und depravierte – große Dichter selbst.“

                Erklärung der Akademie zitiert in: DER SPIEGEL vom 25.10.1960, "Rothes Irrungen". Aufgerufen über: https://www.spiegel.de/kultur/rothes-irrungen-a-b2eba49e-0002-0001-0000-000043067233?context=issue

                Im April 1947 veröffentliche Hans Rothe im Nest-Verlag in Nürnberg ein schmales und dennoch ganz großes Buch:

                NEUE EITE

                Geschrieben nach elfjähriger Emigration

                von

                Hans Rothe

                Diese Schrift ist meinem Sohn Andreas gewidmet der ein Kind der Emigration in Italien geboren

                in Frankreich und Spanien aufgewachsen nichts von dem Deutschland gesehen hat

                das gewesen ist

                Um so stärker wird ihn eines Tages die Vision von dem Europa erfüllen

                das sein kann

              • Emmy Rowohlt

                • Schauspieler*in
                * 1883, Hamburg
                † 1944, Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar

                Ausbildung zur Schauspielerin am Max Reinhardt Seminar in Berlin. Kriegsjahre und Revolution erlebte sie in München. 1922 ging sie nach Italien und Frankreich, 1935 kehrte sie nach München zurück. Nach einem Engagement am Bayerischen Staatstheater spielte Emmy Rowohlt-Reye In der Spielzeit 1937/38 an den Münchner Kammerspielen in Otto Falckenbergs Inszenierung von Büchners Dantons Tod (Premiere 8. November 1937) eine der drei Bürgerinnen. In der Inszenierung des Gastregisseurs Georg Kiesau von Ibsens Peer Gynt (Premiere 25. März 1938 - 'Zum Gedenken des 70. Geburtstages von Dietrich Eckart' in der deutschen Textfassung Dietrich Eckarts) spielte sie Solveigs Mutter zusammen mit Theodor Danegger als deren Vater. Im September 1939 wurde sie nach Denunziation wegen 'gehässiger Äußerungen gegen den Führer' angeklagt wegen Verstoßes gegen das 'Heimtücke–Gesetz' und ins Gefängnis Stadelheim gebracht. Am 5. Februar 1940 wurde sie in die 'Heil-und Pflegeanstalt' Eglfing-Haar eingewiesen. Nach systematischem Nahrungsentzugs starb sie am 28. September 1944 dort im 'Hungerhaus'.

                (s. Kurzbiographie zum Erinnerungszeichen der MK für Emmy Rowohlt)

              • Lewis Ruth

                • Musiker*in
                geb. Ludwig
                * 1889, Landau in der Pfalz
                † 1941, Durban

                MK 20.07.1929: Die Dreigroschenoper (The Beggars' Opera) nach dem Englischen des John Gay. Übersetzt von Elisabeth Hauptmann, deutsche Bearbeitung von Bert Brecht, Musik von Kurt Weill, Kapelle: Lewis Ruth Band

                Mitteilung des Theaters im Juni 1929:

                „Mitte Juli wird der größte Erfolg dieser Theaterspielzeit, Bert Brechts 'Dreigroschenoper', mit der Musik von Kurt Weill in den Münchner Kammerspielen zur ersten Aufführung gelangen. Es ist der Leitung gelungen, die Berliner Original-Musik für die Münchner Aufführungen zu verpflichten, und diese Jazz-Kapelle (Lovis-Ruth-band) wird zweifellos den musikalischen Erfolg dieses Werkes sicherstellen . . .“

                Ludwig Rüth, geboren am 30.01.1889 in Landau in der Pfalz, studierte ab 1909 in München an der Königlichen Akademie für Ton-Kunst Flöte, Kompositionslehre und Dirigieren, dazu an der Münchner Universität Philosophie, Medizin und Musikwissenschaft. Nach Anstellung als Erster Flötist in Stuttgart, Leipzig und München, nach Verpflichtung als Gastdirigent im Rahmen der „Kulturpropaganda“im Ersten Weltkrieg im 'neutralen Ausland' konnte er sich im klassischen Fach als Orchester-Leiter nicht durchsetzen. 1925 gründete er dieLewis Ruth-Band“und spielte Unterhaltungsmusik und Jazz. Die Zusammenarbeit Theo Mackeben, dem musikalischen Leiter bei Bert Brecht und Kurt Weill, war der Durchbruch seiner Band, die er nach der Besetzung bei der Uraufführung der Dreigroschenoper für die Begleitung auch der anderen Aufführung Dreigroschenband nannte. Zwischen 1928 und 1937 nahm er vierhundert Titel für Schellack-Schallplatten auf. Seine Band wirkte auch in Spielfilmen mit, u. a. in Die Drei von der Tankstelle (1930) – der Film, dessen künstlerisches Team 1933 fliehen musste.

                Ludwig Rüth floh 1937 aus Deutschland, als er wegen seiner jüdischen Lebensgefährtin Vera Cohn-Moser und nach der Geburt der gemeinsamen Tochter von den Nazis angefeindet wurde, nach Südafrika. Seine Lebensgefährtin konnte mit der Tochter der Verfolgung entkommen und folgte ihm nach. Eine Fortsetzung seiner Karriere scheiterte u. a. wegen Boykottbestrebungen dort lebender Anhänger und Mitglieder der NSDAP. Er starb am 2. April 1941 bei einem Badeunfall.

              • Lovis Révy

                • Kostümbildner*in
                geb. Louise
                * 1890, Berlin
                † 1980, Warngau

                MK März/April 1931: Tanz – Matinee HELMA PFEIFER. Kostüme: Lovis Révy

                MK November 1931: Einmaliges Tanzgastspiel SUSY MELLER. Kostüme: Lovis Révy

                Louise Kronecker kam am 19. September 1890 in Berlin auf die Welt als Tochter des Juristen und Kammergerichtsrats Dr. Ernst Kronecker (1849–1927) und seiner Frau Emma. Der Großvater Leopold Kronecker (Liegnitz 1823–1891 Berlin) war ein eminenter deutscher Mathematiker, Sohn einer hochgebildeten wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie. Louise machte 1908 – 1910 eine Schauspielausbildung an Max Reinhardts Schauspielschule in Berlin. In der Spielzeit 1910/11 erhielt sie ihr erstes Engagement am Theater Teplitz-Schönau, Böhmen, heute Teplice-Sanov in Tschechien, die Stadt liegt auf halbem Weg zwischen Prag und Dresden. 1908–1911 war auch Richard Révy am Stadttheater Karlsbad und Teplitz-Schönau engagiert. 1911 heirateten die beiden, sie 21, er 26 Jahre alt. Louise Kronecker nannte sich von da an Lovis Lévy. Richard Révy wurde ab 1911/12 als Schauspieler und als Regisseur ans Stadt- und Pfauentheater in Zürich engagiert. Dort kam 1912 die gemeinsame Tochter Eva zur Welt, 1915 Tochter Maria. Maria wurde später Lehrerin , Eva Physiotherapeutin. Lovis, die junge Mutter konnte ihre Arbeit als Schauspielerin nicht fortsetzen, stattdessen machte sie an der Kunstgewerbeschule Zürich Altherr 1913–1915 eine Ausbildung zur Kostümbildnerin. 1921–1924 wurde sie am Stadttheater Augsburg als Leiterin des Damen-Kostümwesens engagiert, ab 1924/25 an die Staatstheater in München, ab 1929 dort als Kostüm-Vorsteherin, eine Stelle, die es vor ihr dort überhaupt nicht gegeben hatte.

                Nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten in München in März 1933 sollte sie, die evangelisch sozialisierte Enkelin eines jüdischen Großvaters, sofort entlassen werden. Die Theaterleitung versuchte noch bis März 1934 die hochgeschätzte Kostümbildnerin weiterzubeschäftigten, danach erhielt sie Berufsverbot. Ihre Eltern lebten seit 1923 im oberbayerischen Warngau. Ihr Vater starb 1927, Lovis lebte mit ihren Töchtern bei ihrer Mutter. Unter welchen Gefährdungen sie die NS-Zeit überlebten, wissen wir nicht.

                Richard Révy war 1921 aus Zürich nach Berlin gegangen als Schauspieler und Regisseur, 1925 kam er nach München ans Schauspielhaus und als die Münchner Kammerspiele im September 1926 in die Maximilianstraße umzogen, engagierte ihn Falckenberg als Schauspieler und Regisseur, ab 1929 als Oberspielleiter. Lovis und Richard Révy lebten seit 1921 getrennt, heißt es, ihre Ehe wurde erst 1933 geschieden. Im März 1935 kündigte ihm Falckenberg nach vertraulicher Verständigung mit NS-Amtsträgern, die Révys „Entfernung“ gefordert hatten.

                Er verließ mit seiner zweiten Frau, der Schweizerin Alma Jo Staub, Deutschland, sie emigrierten 1938/39 in die USA.

                Lovis Révy wurde nach elf Jahren Berufsverbot während der gesamten NS-Herrschaft 1945 an der Bayerischen Staatsoper wiedereingestellt. Am 8. Mai 1946 erschien im Programmheft zur Premiere „Madame Butterfly“ wieder der Name der Kostümbildnerin Lovis Révy. Mit Beginn der Spielzeit 1949/50 wurde sie als Vorstand der Kostümabteilung der Bayerischen Staatsoper geführt und auch zu einer der 7 Bühnenvorstände ernannt.

                Sie wirkte bis zum Ende der Spielzeit 1951/52, möglicherweise bis 1955 an der Bayerischen Staatsoper. Im hohen Alter starb sie 1980 in Warngau.

                Im Jubiläumsband „150 Jahre Bayerisches Nationaltheater München Hirth 1928“ wurde ein Photo von Lovis Révy als 'Vorsteherin der Bekleidungsabteilung' abgedruckt.

              • Richard Révy

                • Schauspieler*in
                • Regisseur*in
                • Oberspielleiter*in
                * 1985, Föherczeglak, Ungarn (Kneževo, Kroatien)
                † 1965, Los Angeles

                Schauspieler, Regisseur, Oberspielleiter. An den Münchner Kammerspielen von September 1926 bis März 1935.

                Nach Schule, Studium der deutschen Philologie und Schauspielausbildung in Wien erstes Theaterengagement 1906/07 am Schauspielhaus in München, erster Auftritt in der Uraufführung von Christian Dietrich Grabbes Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Danach Engagements in Wien, Karlsbad, Töplitz-Schönau, dort 1911 Heirat mit der jüdischen Schauspielerin Lovis Kronecker (Berlin 1890–1980 Warngau), 1911 bis 1921 Regisseur am Stadttheater Zürich. 1925/26 Schauspieler und Regisseur am Schauspielhaus in der Maximilianstraße, von der ersten Spielzeit 1926/27 der Münchner Kammerspiele im Schauspielhaus bis zum März 1935 einer der prägenden Regisseure dieses Theaters.

                Bereits vor der Machtergreifung 1933 war Richard Révy im Visier der Nationalsozialisten durch seine Inszenierungen u. a. von Ferdinand Bruckners Stücken. Im Dezember 1934/ Januar 1935 wurde ein widerwärtiger Versuch gestartet der 'NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude Gau München-Oberbayern', über den NS-Ratsherrn Max Reinhard im Kulturamt der Stadt München Richard Révy aus den Kammerspielen zu ' e n t f e r n e n '. In der Niederschrift einer Besprechung am 11. Dezember 1934 zwischen dem Verwaltungsdirektor Dr. Glock vom Schauspielhaus, den Herren Härtl und Wetschurek 'Kraft durch Freude' und Ratsherrn Reinhard über Révys Verheiratetsein mit einer jüdischen Frau und Révys mutmaßliche sittliche Verfehlungen ist festgehalten: „Unabhängig von Vorgenanntem wird von der Theaterleitung aus die Entfernung Révy's betrieben, jedoch ist noch kein geeigneter Ersatz für ihn gefunden“. Am 18. März 1935 abends lässt Falckenberg seine schriftliche Kündigung an Révy aushändigen, unmittelbar nach der Premiere der deutschen Erstaufführung von Hjalmar Bergmann Ein Schatten/ Herr Sleemann kommt, die Révy inszenierte. Nach einer Gastregie (Shakespeares König Lear) Ende 1935 am Staatstheater in Stuttgart emigriert Richard Révy in die Schweiz, im Oktober 1938 in die USA. 1944 erhält er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.

                Dokumentation:

                Die „Entfernung“ des Richard Révy aus den Münchner Kammerspielen. Was tatsächlich Juni 1934 – März 1935 geschah.

              • Ludomir Rósycki

                • Komponist*in
                * 1883, Warschau
                † 1953, Kattowitz

                MK 22.10.1921 Perikles von Tyrus von William Shakespeare, Regie: Heinz Goldberg , u. a. mit Sybille Binder, Ludwig Donath, Kurt Horwitz, Musik: Ludomir Rósycki, Kapellmeister: Robert Tants

                Ludomir Rósycki ging nach einem Kompositionsstudium am Warschauer Konservatorium nach Berlin, wo er bei Engelbert Humperdinck weiterstudierte. Nach einem Ruf an das Lemberger Konservatorium 1907 – 1911 ging er zurück nach Berlin. Eine seiner Opern, Eros und Psyche, 1917 am Stadttheater Breslau uraufgeführt, wurde ein populäres Werk. 1930 wurde er Professor für Komposition am Warschauer Konservatorium. 1944 nach dem Warschauer Aufstand musste er vor den deutschen Besatzern fliehen. Die Gestapo hatte ihn schon vor dem Aufstand mehrfach verhaftet. Kurz vor seiner Flucht vergrub er einen Koffer mit unveröffentlichten Werken. Er überlebte und lehrte an der Musikakademie Katowice Komposition und Dirigieren. Durch Zufall wurde der vergrabene Koffer später bei Bauarbeiten gefunden. Rósycki gilt als Komponist der klassischen Moderne, der in Vergessenheit geriet, seit kurzem jedoch wiederentdeckt wird.

              • Else Rüthel-Schaber

                • Schauspieler*in
                * 1899, Köln
                † 1938, Brünn (Brno)

                Von Mai 1920–1922 und in der Spielzeit 1924/25 im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Sie spielte u. a. in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Sommernachtstraum (19.06.1920) die Titania in Zweitbesetzung nach Elisabeth Bergner und weibliche Hauptrollen in Leo Greiners Lysistrata (15.07.1921), Regie: Falckenberg, in Paul Kornfelds Die Verführung (27.07.1921), Regie: Erich Engel und in Molieres Der Geizige(12.11.1921), Regie: Rudolf Frank.

                Sie wuchs in St. Petersburg auf, wohin ihr Vater, ein gebürtiger Este, als Gartenarchitekt mit der Familie gegangen war. Nach der Scheidung der Eltern zog die Mutter mit ihrer Tochter zurück nach Essen. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter kommt sie als 18-Jährige nach München, tritt im 'SIMPLICISSIMUS' auf, nimmt Schauspielunterricht bei Hermine Körner und wird im Mai 1920 als 'Anfangsschauspielerin' an die Münchner Kammerspiele verpflichtet.

                Hans Sahl (geb. Hans Salomon 20. Mai 1902 in Dresden, antifaschistischer Schriftsteller, emigrierte 1933 über Prag und Zürich, wo er u. a. Texte für DIE PFEFFERMÜHLE schrieb, nach Paris und New York, remigrierte 1953, starb am 27. April 1993 in Tübingen) schreibt über Else Rüthel in seinen Memoiren eines Moralisten:

                „Meine Erinnerung an Else Rüthel geht auf eine Zeit zurück, da wir auf eine extreme Weise jung waren: extrem in dem Sinne eines ständigen Außersichseins. Einer permanenten Konfrontation mit dem Absoluten. Man schrieb das Jahr 1920, wir lebten ein improvisiertes Dasein . . .In ihren Augen hatte sie den Blick einer Fieberkranken, als ahnte sie bereits, was ihr bevorstand, sie war eine Hingerissene, sie lebte zwanzig Leben, zwanzig Menschen, zwanzig Gedichte in einem Augenblick, in jedem Augenblick.“

                Hans Sahl: Memoiren eines Moralisten. Zürich: Ammann Verlag 1983, S. 49.

                Nach ihrem Engagement an den MK wurde sie ans Stadttheater Heilbronn verpflichtet. Dort lernten sich 1926 Else Rüthel und der junge linke Journalist Will Schaber (Heilbronn 01.05.1905–05.07.1996 New York) kennen und lieben, sie heirateten 1927. Er ging mit ihr nach Berlin, als sie dort ein neues Theaterengagement antrat.

                Else Rüthel, Anfang der 1920er die junge Sehnsuchts-Femme-Fatale der Schwabinger Bohemiens, veröffentlichte Anfang der 1930er in Berlin im Literaturblatt der SAZ (SOZIALISTISCHE ARBEITER-ZEITUNG 4.12.1931) einen scharfen und politisch links-fundamentalistischen Verriss von Erich Kästners Roman Fabian.

                Im März 1933 wurde Will Schaber in München in Schutzhaft eingesperrt, es gelang Else ihn freizubekommen, sie flohen nach Estland. Eine angebotene Redakteursstelle in Wien konnte er nicht annehmen, weil den beiden politischen Emigranten die Einreise nach Österreich verweigert wurde. Sie gingen nach Brno/Brünn, wo beide publizistisch aktiv waren, Else auch mit Rezitationen im Radio und auf der Bühne. 1936 wurde im Verlag DER MONAT (Prag/Wien) ihr zweiter Gedichtband Anbruch des Tags veröffentlicht. Darin dieses Gedicht:

                In deiner Neigung wandle ich

                und alle meine Schritte

                hallen weich

                in deiner großen Freundschaft wider.

                Du

                bleibe so geneigt

                denn die Gebärden,

                mit denen sich mein Leib ins Licht vollzieht,

                sind schutzbedürftig.

                Bleibe.

                Else Rüthel-Schaber: "Anbruch des Tages". (1936) In: DER MONAT (Prag/Wien).

                Als das tschechische Exil 1938 immer unsicherer wurde, gelingt es Will Schaber, für sich und die an Kehlkopfkrebs erkrankte Else Visen in die USA zu beschaffen. Sie aber stirbt am 19. Juliundefined 1938 in Brünn, Will flieht im September 1938 über Rotterdam in die USA.undefined Auf Elses Grabstein im Zentralfriedhof von Brno/Brünn steht:

                Else Rüthel–Schaber

                3. August 1899–14. Juli 1938

                Licht! Liebe! Leben!

              • Leontine Sagan

                • Schauspieler*in
                • Regisseur*in
                geb. Leontine
                * 1889, Budapest
                † 1974, Pretoria

                1913/14 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in Kameraden von Strindberg in der Inszenierung (26.04.1913) Erich Ziegels.

                In Berlin u. a Schauspiellehrerin, eine ihrer Schülerinnen war Maria Nicklisch.

                04.06.1928 Regiearbeit an den Münchner Kammerspielen mit Coeur Bube von Jacques Natanson. 1931 führte sie Regie in dem Spielfilm Mädchen in Uniform u. a. mit Erika Mann (als Frl. v. Atems), Ellen Schwanneke (als Ilse v. Westhagen). 1933 wurde der Film von den Nationalsozialisten verboten, sie floh aus Deutschland und emigrierte nach England. Sie arbeitete dort in Alexander Kordas Filmstudios und als Theaterregisseurin und Produzentin. 1948 ging sie nach Südafrika, wo sie vor dem ersten Weltkrieg schon einmal lebte, als ihre Eltern 1899 dorthin ausgewandert waren. Sie wurde dort eine einflussreiche Theaterregisseurin und eine Mitbegründerin des NATIONAL THEATRE in Johannesburg.

                Mädchen in Uniform war eine Verfilmung des Theaterstücks Ritter Nérestan* von Christa Winsloe (1888 Darmstadt–1944 bei Cluny/Frk. Christa Winsloe war eine deutsche Schriftstellerin, Drehbuchautorin, Dramatikerin und Bildhauerin. 1933 verließ sie Deutschland. Die Schriftstellerin Christa Reinig schrieb über sie:

                „Sie war immer eine 'von denen' ... Für die Emigranten war sie eine von denen, die emigrierten, weil sie halt nicht unter Hitler leben wollten. Da sie nicht jüdisch und nicht politisch war, war kein Komitée und keine Behörde für sie zuständig. Und im Krieg war sie eine von denen, die wehr- und waffenlos durch die Gegend rannten. Immer zwischen allen Fronten. Keine menschliche Gesellschaft fing sie auf.“

                Mit dem Titel Gestern und Heute wurde nach dem Erfolg von Sagans Verfilmung Winsloes Stück an den Münchner Kammerspielen (Premiere 16.06.1932) aufgeführt in der Regie von Wolfgang Liebeneiner, u. a. mit Therese Giehse auf der Bühne. In einem Remake von Sagans Film 1958 des Regisseurs Géza von Radványi spielte neben Lilli Palmer (als Elisabeth von Bernburg) und Romy Schneider (als Manuela von Meinhardis) Therese Giehse die Rolle der Internatsleiterin v. Nordeck zur Nidden.

              • Karl Salomon

                • Komponist*in
                geb. Karel
                * 1897, Heidelberg
                † 1974, Beit Sa'yit

                Münchner Kammerspiele 02.02.1929: Pariser Luft von Meilhac/Halévy bearbeitet von Peter Scher, Musik nach Offenbach, bearbeitet von Karl Salmon, Regie: Otto Falckenberg, Musikalische Leitung: Karl Salmon

                Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten 1933 emigrierte Karl Salomon nach Palästina. Der Lehrer am Konservatorium, der Komponist, der Dirigent und Musikadministrator Karel Salmon wirkte maßgeblich beim Aufbau des Musikwesens in Jerusalem mit.

              • Alfred Savoir

                • Autor*in
                * 1883, Lódź
                † 1934, Paris

                MK 11.- 17.06.1930: ER (Lui) von Alfred Savoir. Übersetzung ins Deutsche von Bertha Zuckerkandl, Gastspiel Die Tribüne Berlin, Regie: Eugen Robert, u. a. mit Conrad Veidt, Trude Burg, Paul Marx

                Im Juni 1930 trat Conrad Veidt in der Titelrolle des Stücks ER von Alfred Savoir in der deutschen Fassung von Berta Zuckerkandl in den Münchner Kammerspielen auf. Mit einer unerhört aggressiven, antisemitischen Theaterkritik reagierte damals der Völkische Beobachter auf dieses enorm erfolgreiche Gastspiel der Tribüne–Berlin in der Regie des MK-Gründungsdirektors Eugen Robert:

                "... Diesen 'Er' gibt der berühmte Filmschauspieler Conrad Veidt, den als Star 'Die Tribüne', Berlin, Direktion Dr. Eugen Robert – ein Jude, der in Wirklichkeit anders heißt – einem P.T. Publikum vorführte ….Wie kann er Behagen daran finden, seine Begabung in einem derartigen, aus Paris eingeführten Schund – der Verfasser nennt sich Alfred Savoir, Übersetzerin die Jüdin Berta Zuckerkandl – zu spielen?"

                Nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten 1933 flohen Eugen Robert und Conrad Veidt mit seiner jüdischen Frau nach England.

                Der Autor des Stücks ER Alfred Savoir kam am 21. Januar 1883 in Lódź als Sohn der jüdischen Unternehmerfamilie Poznanski auf die Welt. Nach einem Jurastudium in Montpellier ließ er sich als Schriftsteller in Paris nieder, dort wurde 1906 sein erstes Stück aufgeführt. 1908 heiratete er die auch aus Lódź stammende Michalina 'Misz' Hertz (*1888), die nach der Trennung der beiden 1922 den Dramatiker Léopold Marchant (*1891) heiratete, einen der Co-Autoren Savoirs.

                Die Uraufführung von Lui (ER) fand am 28. Oktober 1929 in Paris statt, die US-amerikanische Erstaufführung von He am 21. September 1931 im Guild Theatre am Broadway. Bereits 1921 war am Broadway sein Stück Bluebeard's Eigth Wife fünf Monate lang en suite aufgeführt worden. 1937/38 verfilmte Ernst Lubitsch Billy Wilders Drehbuch nach der Vorlage dieses Bühnenstücks.

                Alfred Savoir starb, er war erst 51 Jahre alt, in Paris am 26. Juni 1934. Über die Umstände seines frühen Todes konnten wir bisher noch nichts in Erfahrung bringen.

                Sein Bruder, der Industrielle und Verleger Maurice Ignacy Poznanski (Lodz*1881) floh zusammen mit seiner Frau Emma (Berlin*1889, geborene Landau) 1939 nach dem deutschen Überfall auf Polen nach Vilnius in Litauen, Maurice wurde 1941 dort von der SS erschossen, Emma verhungerte im Ghetto.

                Savoirs zweiter Frau Suzanne H. Vilboeuf (Paris *1899) gelang 1941 die Flucht aus Paris über Lissabon nach New York.

                Savoirs erste Frau entzog sich am 15. Juli 1942 der Deportation durch Flucht in den Tod, wenige Stunden vor Beginn der "Opération Vent Printanier", dieser ersten großen Verhaftungsaktion im besetzten Frankreich, bei der französische Polizeieinheiten tausende von jüdischen Bürgern in Paris am 16./17. Juli 1942 ins Vélodrome d'Hiver sperrten vor der Deportation nach Drancy, von dort in die NS-Vernichtungslager.

              • Leon Schalit

                • Rudolf Schanzer

                  • Autor*in
                  * 1975, Wien
                  † 1944, Abbázia (Opatija)

                  MK 02.03.1932 Wie einst im Mai von Rudolf Bernauer und Rudolf Schanzer, Musik von Walter Kollo und Fritz Bredschneider, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Regie: Richard Forster-Larrinaga, u. a. mit Therese Giehse, Ilva Günten

                  Rudolf Schanzer kam am 12. Januar 1875 als Sohn einer Wiener jüdischen Familie auf die Welt. Nach seinem Jurastudium ging er zunächst nach Paris, wo er als Journalist arbeitete. Nach seinem Umzug nach Berlin begann er neben seiner journalistischen Arbeit für Kabarett-Bühnen zu schreiben und zusammen mit seinen Freunden Rudolf Bernauer (Wien 1880 – 1953 London) und Ernst Welisch (Wien 1875–1941 Wien) Operetten-Libretti zu verfassen, u. a. Wie einst im Mai, das am 4. Oktober 1913 in Berlin uraufgeführt wurde. In den 1920er Jahren zählte er in Berlin zu den erfolgreichsten Librettisten. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten 1933 und den antisemitischer Nürnberger Gesetzen 1935 floh Rudolf Schanzer aus Deutschland nach Österreich. Nach der Annexion Österreichs 1938 floh er nach Abbázia / Opatija, Istrien, heute Kroatien. Seine Bemühungen, in die USA oder nach England zu emigrieren, schlugen fehl. Seit November 1943 ließ die faschistische oberitalienische Regierung Jagd auf jüdische Bürger machen. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen am 1. August 1944 wurden alle einheimischen und geflohenen jüdischen Menschen in Abbázia verhaftet, in das Sammellager Triest verschleppt und in drei Aktionen im August 1944 nach Auschwitz deportiert. Rudolf Schanzer entging in der Gestapo-Haft seiner Deportation durch Flucht in den Tod mit Gift, das er seit seiner Flucht aus Österreich immer bei sich getragen hatte.

                • Boris Schirmann

                  • Schauspieler*in

                  In der Spielzeit 1922/23 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in zwei Inszenierungen Falckenbergs, in der Rolle des Bulltrotter, ein Zeitungskolporteur in der UA von Brechts Trommeln in der Nacht (22.09.1922) und in dem Stück Chastelard (15.06.1923)von Swinburne. Ende der 1920er Jahre wurde Schirmann für das Ensemble des Landestheater Neuss verpflichtet, zusammen mit der Schauspielerin Dora Diamant, der letzten Lebensgefährtin Franz Kafkas. Sie floh 1936 in die Sowjetunion, 1940 nach England. In der Spielzeit 1928/29 gehörte auch Mia Engels dem Ensemble an, sie kam in der Spielzeit darauf an die Münchner Kammerspiele, heiratete den Kammerspielregisseur Josef Glücksmann. Am Landestheater Neuss entließ der Intendant im April 1933 die ersten beiden jüdischen Mitglieder des Ensembles, Margot Lassner und Boris Schirmann.

                • Sybille Schloß

                  • Schauspieler*in
                  * 1910, München
                  † 2007, New York

                  Von 1931/32 an Mitglied im Ensemble der Münchner Kammerspiele.

                  13. März 1933: Flucht in die Schweiz mit der Truppe der PFEFFERMÜHLE

                  1936 Emigration in die USA. 1938 letzter Besuch bei ihren Eltern, die in die Niederlande fliehen konnten, dort aber 1943 interniert, 1944 deportiert und ermordet wurden, die Mutter in Ravensbrück, der Vater in Auschwitz–Birkenau.

                  Am 13. Dezember 2007 stirbt sie im Alter von 97 Jahren in Manhattan.

                • David Schneuer

                  • Grafiker*in
                  • Bühnenbildner*in
                  * 1905, Przemysl
                  † 1988, Tel Aviv

                  David Schneuer kam als jüdischer Kaufmannssohn in Galizien zur Welt, 1910 zog die Familie nach München. Er beginnt ein Studium der Dekorationsmalerei in München, geht für kurze Zeit nach Paris, kehrt nach München zurück, wird 1927 an den Münchner Kammerspielen als ‘Propaganda-Grafiker’(Plakatmaler) verpflichtet und arbeitet dann auch als Assistent des Bühnenbildners Otto Reigbert.

                  1933 nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten wird er zwei Monate lang im KZ Dachau inhaftiert - „whether because of his Jewishness, or because of his Communist sympathies“, schreibt Yona Ficher in der Einleitung zu David Schneuers Biographie.undefined

                  Schneuer wird wieder freigelassen und flieht nach Prag. Mit Hilfe von ebenfalls geflohenen Freunden, darunter Julius Gellner, Falckenbergs stellvertretender Direktor bis Februar 1933, kann er im November 1933 nach Palästina emigrieren. Er lebte und arbeitete als Grafiker und Maler bis zu seinem Tod in Tel Aviv.

                  Das Jüdische Museum München zeigte 25. März –7. Juni 2009 in der Ausstellung ORTE DES EXILS 02 MINCHEN VE ' TEL AVIV biographische Porträts von vier emigrierten jüdischen Münchner Künstler*innen: der Maler Ludwig Schwerin und drei Mitarbeiter*innen der Münchner Kammerspiele, der Dirigent, Komponist, Pianist Paul Frankenburger (alias Paul Ben Haim), die Tänzerin und Choreographin Rhea Glus sowie der bildende Künstler David Schneuer.

                • Else Schreiber–Zhdanov

                  • Schauspieler*in
                  * 1898, Wien
                  † 1982, Los Angeles

                  In der Spielzeit 1916/17 ist Else Schreiber im Ensemble der Münchner Kammerspiele. In Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Wie es euch gefällt spielt sie die Schäferin Phöbe. Sie wirkt in zwei Stummfilmen mit, 1915 in dem Film Schlemihl des Regisseurs Richard Oswald, 1919 Menschen in Ketten des Regisseurs Karl Grune. Beide Regisseure fliehen 1933 aus Deutschland.

                  Else Schreiber begegnet in Berlin dem russisch jüdischen Emigranten Georgy Zhdanov, Schauspieler und Regisseur (geb. Georgy Rosenfeldin Smolensk 05.12.1905 – 14.08.1988 Los Angeles), der 1931 Co-Regisseur des Antikriegsfilms Niemandsland ist, mit Ernst Busch als einer der fünf Soldaten aus fünf verschiedenen Ländern, die sich im Ersten Weltkrieg in einem Unterstand im Niemandsland zwischen den Fronten begegnen, ein Berliner Tischler, ein Monteur aus Paris, ein englischer Offizier, ein jüdischer Schneider und ein Schwarzer Tänzer, der als Einziger die Sprachen aller versteht. Musik: Hanns Eisler.

                  1933 fliehen Else Schreiber und Georgy Zhdanov nach Paris und weiter nach London. Dort gibt sie der deutschen jüdischen Emigrantin Lilli Palmer (Posen 1914–1986 Los Angeles) Schauspielunterricht. Beide emigrierten in die USA, zunächst nach New York und von dort nach Kalifornien, wo sie eine Schauspielschule gründeten, the George Shdanoff's Los Angeles Theater Company, Inc.

                • Kurt Schwabach

                  • Autor*in
                  * 1898, Berlin
                  † 1966, Hamburg

                  MK/VTh 26.03.1932: Ist das nicht nett von Colette von Max Bertuch, Musik: Willy Rosen, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Gesangstext: Kurt Schwabach, Bühnenbild: David Schneuer, Regie: Richard Forster-Larrinaga

                  Kurt Schwabach kam am 26. Februar 1898 in Berlin auf die Welt als Sohn einer in Brüssel geborenen Klavierlehrerin und eines Berliner Fabrikanten. Von 1915 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs leistete er Kriegsdienst als Pilot. Er arbeitete zunächst als Journalist und Texte-Autor u. a. für das „Kabarett der Komiker“. Sein Markenzeichen wurden seine Song-Texte, nachdem ihn sein von Mischa Spoliansky vertontes „Lila Lied“ ("Wir sind nun einmal anders als die andern") 1921 populär machten. Er schrieb Drehbücher und auch Filmmusiken. 1933 verhängten die Nationalsozialisten gegen den Sohn jüdischer Eltern ein Arbeitsverbot. Er floh nach England, dort wurde ihm nach kurzer Zeit die Arbeitserlaubnis verweigert, so dass er nach Deutschland zurückkehrte. 1937 entging er der Gestapo-Verhaftung durch Flucht nach Prag. Nach der Besetzung Prags floh er nach Polen, wurde nach Ungarn abgeschoben, von dort gelang ihm 1939 die Flucht nach Palästina, wo er aber mehr als ein Jahr lang in ein britisches Internierungslager kam. Seine Mutter wurde 1942 nach Theresienstadt deportiert, seine Schwester ins Ghetto Lodz, beide überlebten die Shoah nicht.

                  Kurt Schwabach kehrte 1949 nach Deutschland zurück. Er konnte in Hamburg an seine früheren Erfolge als Song-Texter und Drehbuchautor anknüpfen. Seine traumatischen Verfolgungs- und Fluchterfahrungen bewirkten bei ihm zunehmend depressive Zustände, mit 68 Jahren nahm er sich am 26. Oktober 1966 das Leben.

                • Ellen Schwanneke

                  • Schauspieler*in
                  * 1906, Berlin
                  † 1972, Zürich

                  Tochter des Schauspielers Viktor Schwanneke (1880–1931), der 1908 nach München ans Hoftheater kam, 1916 nach Berlin ging, 1918 für zwei Jahre als Interimsdirektor ans Bayerische Staatstheater nach München geholt wurde. Engagierte sich neben seiner Theaterarbeit gewerkschaftlich in der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger. An den Münchner Kammerspielen inszenierte er Der Raub der Sabinerinnen (20.04.1920) und Die Lustigen Weiber von Windsor(30.04.1920).

                  Ellen Schwanneke gab ihr Bühnendebut in der Spielzeit 1924/25 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in Falckenbergs Inszenierung von Romain Rollands Ein Spiel von Tod und Liebe (24.03.1925). Danach trat sie in Berlin u. a. in Friedrich Hollaenders Kabarett-Revue auf.

                  1931 spielte sie die Rolle der aufmüpfigen Ilse von Westhagen in Leontine Sagans Film Mädchen in Uniform. Aus diesem Jahr stammt ein Porträtphoto von ihr aus dem Atelier Zander & Labisch. Siegmund Labisch (1863–1942) wurde 1942 im KZ Theresienstadt ermordet.

                  Ellen Schwanneke emigrierte 1935 nach Wien. Sie spielte dort in Walter Firners Inszenierung der Jugendtragödie Kind im Kampf. Ein Kritiker schrieb im 'Neuen Wiener Tagblatt' am 26.05.1935 über sie: „Und all diese und andere Begabungen, meist aus Deutschland kommend, sind jetzt künstlerisch heimatlos. Sie fügen zum 'KIND IM KAMPF' noch die Zeittragödie 'Schauspieler im Kampf'“.

                  1938 flieht sie in die Schweiz und von dort in die USA. 1944 wird sie US-amerikanische Staatsbürgerin. 1947 remigriert sie in die Schweiz und setzte ihre Arbeit im Theater fort. 1948 trat sie noch einmal in einem deutschen Film auf: Morgen ist alles besser; Regie: Arthur Maria Rabenalt.

                • Dr. med. Hermann Schwarz

                  • Theaterärzte
                  * 1869, München
                  † 1942, KZ Theresienstadt

                  Ärztliche Approbation 1893. Seit 01.01.1913 Praxis in der Tengstraße 9, später in der Keuslinstraße 16.

                  Verheiratet seit 01.08.1906 mit Vera Schwarz, geb. Moos. Geboren in Ulm 15.09.1880, ermordet am 31.03.1943 im KZ Theresienstadt.

                  Beide Eltern der gemeinsamen Tochter Maria Gertrud, geb. in München 17.05.1905 – ?

                  Dr. Hermann Schwarz und seine Frau Vera wurden zusammen am 02.07.1942 nach Theresienstadt deportiert, er wurde am 15.11.1942 dort im KZ Theresienstadt ermordet, seine Frau Vera am 31.03.1943.

                • Mela Schwarz

                  • Schauspieler*in

                  In der Spielzeit 1914/15 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, in zwei Falckenberg Inszenierungen, in Ein deutsches Weihnachtsspiel (12.12.14) und in Jettchen Gebert (24.02.15). Zum 1. April 1915 wird sie für fünf Jahre ans Schauspielhaus in der Maximilianstraße verpflichtet, meldete am 15.03.15 die Neue Freie Press in Wien. 1919 spielt sie in einem Emelka (München) Stummfilm Am Weibe zerschellt (Regie: Franz Osten), u. a. mit Hilde Wall. Danach spielt sie in Frankfurt, Berlin und Wien. Wann und wie Mela Schwarz in die USA emigriert, konnten wir in unserer Recherche noch nicht herausfinden. Sie stirbt 1976 in Los Angeles.

                  Ein Photo der jungen Schauspielerin wurde im Atelier Berthold Bings gemacht, ein Photograph der Wiener jüdischen Fotografenfamilie Berthold, Sigmund und Lilly Bing. Berthold Bing flüchtete mit seiner Frau 1939 über Italien in die USA. Seiner Tochter Lilly gelang mit ihrem Mann 1938 die Flucht in die USA. Sigmund Bing und Familie fliehen 1939 nach Holland. Er wird 1944 ermordet.

                • Ernst Schütte

                  • Bühnenbildner*in
                  * 1890, Hannover
                  † 1951, Berlin

                  MK 05.05.1931: Victoria von W.S. Maugham. Deutsch von Mimi Zoff. Regie: Max Reinhardt, Musik: Mischa Spoliansky, Bühnenbilder: Ernst Schütte, Gastspiel der Reinhardt-Bühnen Berlin, u.a. mit Lili Darvas, Frida Richard, Josef Danegger

                  Ernst Schütte kam am 5. April 1890 in Hannover auf die Welt. Nach einer Tischler- Ausbildung studierte er Architektur, arbeitete zunächst als Architekt in Hannover und in München. 1921 wurde er als Bühnenbildner an den Theatern in Meiningen und Weimar engagiert, 1925 holte ihn Max Reinhardt als Ausstattungschef an das Deutsche Theater Berlin. Seit 1921 war Schütte mit der Photographin Erna Jonas (1888–1968) verheiratet. Nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten floh er mit seiner jüdischen Frau und Tochter nach Paris. Dort arbeitete er zunächst für Reinhardts Inszenierung der Fledermaus. Aber als Bühnenbildner konnte er in Paris nicht Fuß fassen. Carl Zuckmayer – für die Uraufführung seines Stücks Der Hauptmann von Köpenick (1931) hatte Schütte das Bühnenbild geschaffen – schrieb über Ernst Schütte in seinem 1943/44 für den US-amerikanischen Geheimdienst verfassten Geheimreport:

                  „Als Hilpert ihn nach einiger Zeit ans Deutsche Theater nach Berlin zurückholte, leistete er zuerst nur sehr zögernd Folge und unter der absoluten Bedingung, dass dies an seiner Ehe mit einer 'Volljüdin' nichts ändern und in sein Privatleben nicht eingreifen dürfe. Er ist einer der ganz Wenigen, die diese Klausel bis auf den heutigen Tag (kontrollierbar bis 1941, aber Veränderung nicht anzunehmen) wirklich durchgesetzt haben [...] Dass er das Leben dort – trotz aller Möglichkeiten künstlerischer Entfaltung und wirtschaftlicher Unabhängigkeit – als einen elenden Zwang empfand, obwohl man ihm seine 'nichtarische' Frau und 'halbarische' Tochter unbehelligt liess, – erlebte der Verfasser dieser Notizen im Jahr 1939, wo Ernst Schütte sich einen Urlaub in die Schweiz verschaffte um von ihm vor seiner Übersiedelung nach Amerika Abschied zu nehmen. Wir – die Exilierten und Vertriebenen, die in jeder Beziehung dem Ungewissen entgegen gingen, – waren ruhige und nervenstarke Leute im Verhältnis zu ihm, der seine unangetastete und produktive Stellung in der Heimat gesichert hatte, aber geradezu körperlich litt und fast einen Nervenzusammenbruch hatte vor Ekel über seine Umwelt.Sein Zustand zwischen hektischer Lustigkeit und krampfhaft unterdrückter Verzweiflung, erinnerte mich sehr an den von Fronturlaubern im Jahr 1917 oder 18, die wussten dass sie ins unvermeidliche Verderben zurück müssen.“

                  Carl Zuckmayer: Der Geheimreport, hg. v. Gunter Nickel und Johanna Schrön. Göttingen: Wallenstein 2002, S. 33–35.

                • Julius Seger

                  • Schauspieler*in
                  * 1876, Jungbunzlau
                  † 1944, KZ Auschwitz

                  Der Sohn einer österreichischen jüdischen Familie kam nach seiner Schauspielausbildung in Wien und einer zehnjährigen Wanderschaft 1912 nach München und war von 1912–1925 im Ensemble am Münchner Schauspielhaus, unterbrochen vom Kriegsdienst 1916–18. Von der Spielzeit 1925/26 an verpflichtete Falckenberg Julius Seger für das Ensemble der Münchner Kammerspiele, für eine Spielzeit noch im Theater in der Augustenstraße. Bis zu seinem Berufsverbot 1933 war er einer dieser geschätzten, immer wieder eingesetzten Schauspieler der Kammerspiele, die nie eine Hauptrolle gespielt haben. Im Mai 1933 war sein letzter Auftritt in der Rolle des Dieners in Josef Wenters Spiel um den Staat, Regie: Richard Révy. Im Mai 1933 hatte er noch eine Solidaritätserklärung des Ensembles für Falckenberg mit unterschrieben. Nach seinem Berufsverbot wird er zu Zwangsarbeit verpflichtet. Am 16.07.1942 wird er nach Theresienstadt deportiert, von dort am 18. Dezember 1943 nach Auschwitz. Im Sommer 1944 wird er im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet.

                • Hermann Sinsheimer

                  • Direktor*in
                  * 1883, Freinsheim
                  † 1950, London

                  Künstlerischer Direktor der Münchner Kammerspiele August 1916 – Juli 1917, Schriftsteller, Theaterkritiker, Chefredakteur des Simplicissimus 1924–1927, danach in Berlin Feuilletonredakteur, 1938 Emigration nach Palästina, von dort ins Exil nach London. Autobiographische Aufzeichnungen, neu herausgegeben von Nadine Englhart, Gelebt im Paradies–Gestalten und Geschichten, Berlin 2013

                • Maria Solveg

                  • Schauspieler*in
                  geb. Maria Charlotte
                  * 1907, Berlin
                  † 1993, München

                  MK 1.+2.09.1930: Der Diener zweier Herren von Carlo Goldoni. Zwei Gastspielabende der Salzburger Festspiele 1930, Regie: Max Reinhardt, u. a. mit Josef Danegger, Raul Lange, Maria Solveg in der Rolle der Beatrice

                  Maria Stern kam am 14. Juli 1907 in Berlin-Schönhausen auf die Welt als jüngste von vier Töchtern Bertha Schmidts, die aus einer Königsberger protestantischen Familie stammte und des Ingenieurs und späteren AEG-Direktors Georg Stern, der aus einer Königsberger jüdischen Familie stammte. Bertha Schmidt war eine Schwester der Malerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz. Alle vier Töchter wurden Schauspielerinnen, die erstgeborene Johanna heiratete 1924 Fritz Kortner. Als der Vater mit seiner jüngsten Tochter andere Berufspläne hatte ("Maria soll weg vom Theater") gab sie sich den Bühnennamen Maria Solveg. Sie begann als Tänzerin mit dem ungarischen Choreographen und Regisseur Ernst Matray (Budapest 1891 – 1978 Los Angeles), die beiden heirateten 1927, sie ging mit ihm zusammen auf Tournee, trat in Berlin in den Reinhardt-Theatern auf und spielte in Stumm- und Tonfilmen. Nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten flohen beide 1933 über Frankreich und England 1934 in die USA . Dort arbeitete sie als Regie- und Produktionsassistentin für Max Reinhardt und schrieb Entwürfe für Drehbbücher. Als US-amerikanische Staatsbürgerin kehrte sie mit ihrem Mann 1953 nach Deutschland zurück, 1955 trennte sich Ernst Matray von ihr und kehrte in die USA zurück. Sie erwarb 1960 die ihr von den Nazis aberkannte deutsche Staatsbürgerschaft wieder und entschied sich für München als ihren neuen Lebensmittelpunkt. Sie wurde eine erfolgreiche Drehbuchautorin, so schrieb sie u. a. mit Gina Falckenberg das Drehbuch für den Spielfilm Mein Vater, der Schauspieler (1956) des aus dem US-amerikanischen Exil zurückgekehrten Regisseurs Robert Siodmak. Bis kurz vor ihrem Tod arbeitete sie noch an ihrer hochinteressanten, lebensklugen Autobiographie Maria Matray – Die jüngste von vier Schwestern – Mein Tanz durch das Jahrhundert, die 1994 im Verlag Langen-Müller, München posthum erschien. Ihr Vater, geboren 1867, starb im März 1934. Ihre Mutter und ihre drei Schwestern überlebten die NS-Gewaltherrschaft.

                • Mischa Sopliansky

                  • Komponist*in
                  * 1898, Bialystok
                  † 1985, London

                  MK 05.02.1930. 2 Kravatten von Georg Kaiser, Regie: Robert Forster-Larrinaga, Musik: Mischa Spoliansky und Alexander László

                  MK 24.01.1931 Wie werde ich reich und glücklich, von Felix Joachimson, Regie: Rudolf Hoch, Musik: Mischa Spoliansky

                  Nach dem frühen Tod seiner Mutter und auch seines Vaters finanzierte er sich das Studium am Stern'schen Konservatorium in Berlin als Kaffeehaus-Pianist. Er wurde einer der Komponisten des Reinhardt Kabaretts 'Schall und Rauch'. 1933 emigrierteer über Wien und Paris nach London. Dort begann als Filmkomponist seine zweite Karriere. Er komponierte auch das antifaschistische „Lied vom Stacheldraht“.

                • Otto Soyka

                  • Autor*in
                  * 1881, Wien
                  † 1955, Wien

                  MK 18.05.1918: Der Geldzauber, Regie: Erich Ziegel als Gast u. a. mit Kurt Horwitz

                  An den Münchner Kammerspielen wurde sein Stück Der Geldzauber in der Inszenierung Erich Ziegels als Gastregisseur aufgeführt (Premiere 18. Mai 1918).

                  Er war Mitarbeiter an Karl Kraus Zeitschrift Die Fackel, er schrieb auch für die Zeitschriften Der Sturm und Simplicissimus. 1933 war er Mitglied der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller. Nach dem ‘Anschluss’ Österreichs im März 1938 versuchte er von Wien aus in die USA zu emigrieren, 1939 floh er nach Frankreich. 1948 kehrte er nach Wien zurück.

                • Wilhelm Speyer

                  • Autor*in
                  * 1887, Berlin
                  † 1952, Basel

                  MK 04.09.1921: Rugby, Regie: Georg August Koch

                  MK 22.08.1925: Südsee, Regie: Robert Forster-Larrinaga

                  MK März 1933: Im MK Programmheft März 1933 teilt die Direktion mit, dass die Münchner Kammerspiele das neue Stück von Wilhelm Speyer, das 'einen psychologisch interessanten Kriminalfall behandelt' zur Aufführung erworben haben. 'Kurt Horwitz wird die Hauptrolle, einen bedeutenden Strafverteidiger, spielen'. Zur Aufführung kam es nicht mehr, Wilhelm Speyer und Kurt Horwitz flohen in die Schweiz.

                  Wilhelm Speyer kam als Sohn einer Berliner jüdischen Kaufmannsfamilie auf die Welt. Zusammen mit Bruno Frank war er Schüler des Hermann-Lietz-Landerziehungsheims in Haubinda/Thüringen und zusammen rebellierten sie gegen den anti-semitischen Reformpädagogen. Es gibt ein Photo, das ihn 1906 zusammen mit Bruno Frank zeigt, sowie ein Photo, das der Photograph Martin Munkacsi 1932 von Herrn und Frau Speyer machte. Munkacsi (Kolozsvár 18.05.1896–13.07.1963 New York) emigriert im Mai 1934 in die USA.

                  Berühmt wurde Speyer durch den Jugendroman Der Kampf der Tertia, der verfilmt wurde und als Theaterstück erfolgreich war. 1933 emigrierte er mit seiner Frau in die Schweiz, von dort nach Österreich, 1938 nach Frankreich und 1941 über Lissabon in die USA. 1949 kehrte er nach Europa zurück. Speyer, der sich ausdrücklich als Unterhaltungsschriftsteller verstand, der bewusst keine Hochliteratur verfasste, blieb Verfechtern der Hochliteratur suspekt. Sein später Roman Das Glück der Andernachs (Zürich 1949), der den Antisemitismus in Deutschland thematisierte, passte nicht ins restaurative Klima der BRD nach der NS-Zeit. Inzwischen gibt es Neuausgaben seiner Werke.

                • Jenny Spielmann

                  • Schauspieler*in
                  * 1889, Wien
                  † 1964, München

                  In der Spielzeit 1913/14 war Jenny Spielmann im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Sie spielte u. a. in Erich Ziegels Inszenierung von Arthur Schnitzlers Der Ruf des Lebens (06.03.1913) die lebenstrunkene Schwindsüchtige, in Paul Marx' Inszenierung von Lessing Minna von Barnhelm (15.08.14) die Rolle der Franziska. Annie Reiter spielte die Titelrolle der Minna von Barnhelm. 1918 spielte Jenny Spielmann in Nürnberg und 1922 am Schauspielhaus Zürich. Sie spielte jeweils zusammen mit Franz Scharwenka.undefined

                  Jenny Spielmann war das fünfte von sechs Kindern einer Wiener jüdischen Familie. Ihr Bruder Leopold war Pianist und Dirigent. Er wird 1941 im KZ Theresienstadt ermordet, ihr Bruder Rudolf war ein Weltklasse-Schachspieler, er flüchtet 1939 nach Schweden. Jenny und ihre jüngste Schwester Irma werden von der Gestapo verhaftet und in Lager deportiert, Irma wird ermordet. Jenny überlebt, sie begeht 1964 Suizid in München.

                • Josef Lothar Spitzer

                  • Übersetzer*in
                  * 1863, Pest
                  † 1943, Budapest

                  MK 06.10.1913 Das Geheimnis von Henry Bernstein, Übersetzung aus dem Französischen: Rudolf Lothar Spitzer, Regie: Erich Ziegel u. a. mit Kurt Horwitz, Erwin Kalser

                  Nach Jurastudium in Wien und Promotion zum Dr. phil. in Heidelberg lebte Rudolf L. Spitzer einige Zeit in Paris. Als Herausgeber der Wochenzeitschrift Die Waage in Wien initiierte er während des Prozesses gegen Émile Zola nach dessen offenem Brief J'accuse an den französischen Präsidenten über die wahren Hintergründe der Dreyfus-Affäre eine Solidaritäts-Unterschriftensammlung für Zola. In Berlin gründete er das Komödienhaus, 1933 zurück in Wien arbeitete er als Theaterkritiker des Neuen Wiener Journals. 1938 konnte er sich mit seiner zweiten Frau Margit Cassel vor der Verfolgung durch das NS-Regime nach Budapest in Sicherheit bringen. Er starb dort im Alter von 78 am 2. Oktober 1943, seine Frau überlebte untergetaucht in Budapest die NS-Verfolgung.

                • Ernst Stahl-Nachbaur

                  • Schauspieler*in
                  * 1886, München
                  † 1960, Berlin

                  In der Spielzeit 1913/14 stand Ernst Stahl-Nachbaur in den Münchner Kammerspielen in fünfzehn Inszenierungen auf der Bühne. Der Sohn des Münchner jüdischen Staatsanwalts Dr. Guggenheimer hatte gegen den erklärten Willen des Vaters sich für Theater und Film entschieden. Nach dem Jahr an den MK und nach seinem Fronteinsatz als Offizier des bayerischen Infanterie-Leibregiments (möglicherweise nach Verwundung entlassen) war er von 1916–1918 an der Neuen Wiener Bühne. Von 1918 in Berlin bei Max Reinhardt. Wurde ein sehr gefragte Bühnen-, Stumm- und Tonfilmdarsteller und auch Regisseur. Nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten wurde er als Sohn eines jüdischen Vaters ausgegrenzt, wurde aber von Heinrich George ans Schillertheater verpflichtet, der ihn durch seinen Einfluss bei NS-Entscheidern (vergleichbar der Rolle Gustav Gründgens) geschützt habe. Laut dem Narrativ Heinrich Georges habe „nach dem Krieg Stahl-Nachbaur allerdings George bei der sowjetischen Besatzungsmacht denunziert“undefined. Jedoch wird in der im November 2020 erschienenen Doppelbiographie HEINRICH UND GÖTZ GEORGE – ZWEI LEBEN von Thomas Medicusundefinedder gesamte Vorgang dokumentiert und sehr differenziert kommentiert, sodass von Denunziation nicht die Rede sein kann.

                • Wilhelm Stark

                  • Autor*in
                  geb. Vilmos
                  * 1880, Budapest
                  † 1944, KZ Auschwitz

                  MK 26.08.–15.09.1931: Dorinne und der Zufall von Fritz Grünbaum und Wilhelm Sterk, Musik: Jean Gilbert, musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Bühnenbild: David Schneuer, Regie: Richard Forster-Larrinaga, Gastspiel Erika v. Thellmann am Volkstheater

                  Wilhelm Sterk kam am 18. Juni 1880 in Budapest auf die Welt als Sohn einer ungarisch jüdischen Familie. In jungen Jahren zog er nach Wien, wo er zunächst als Theaterkritiker bei der Wiener Allgemeinen Zeitung engagiert war. Von 1906 an arbeitete er mit dem gleichaltrigen Fritz Grünbaum zusammen, sie verfassten die Libretti für Operetten u. a. von Georg Jarno, Robert Stolz, für Jean Gilberts Dorinne und der Zufall (uraufgeführt am 15.09.1922 am 'Neuen Theater am Zoo' in Berlin.) und für Leon Jessel. Für dessen 'musikalisches Volksstück Die goldene Mühle (uraufgeführt 1936 in Otten/Schweiz) schrieb Wilhelm Sterk zusammen mit Hugo Wiener das Libretto. Nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten 1933 flohen viele der jüdischen Komponisten, für die er gearbeitet hatte. Hugo Wiener gelang 1938 bei einer Auslandstournee die Emigration nach Kolumbien. Seine zurückgelassene Familie aber wurde in Konzentrationslagern ermordet. Wilhelm Sterk konnte nach dem NS-'Anschluss' Österreichs zunächst noch in Wien untertauchen, auch weil seine nicht-jüdische Frau ihm eine Hilfe war.

                  Leon Jessel wurde am 15. Dezember 1941 in der Gestapo-Leitstelle in Berlin-Mitte festgenommen, weil bei einer Hausdurchsuchung ein 1939 geschriebener Brief an seinen Librettisten Wilhelm Sterk nach Wien gefunden worden war, in dem Leon Jessel formuliert hatte:

                  „Ich kann nicht arbeiten in einer Zeit, wo Judenhetze mein Volk zu vernichten droht, wo ich nicht weiß, wann das grausige Schicksal auch an meine Tür klopfen wird“.

                  Von der Gestapo wurde Jessel in einem Keller des Polizeipräsidiums am Alexanderplatz so schwer misshandelt, dass er am 4. Januar 1942 im Jüdischen Krankenhaus Berlin an den Folgen der Haft verstarb.

                  Wilhelm Sterk wurde am 5. Januar 1943 mit dem Transport IV/14. no. 67 nach Theresienstadt deportiert, am 9. Oktober 1944 nach Auschwitz und dort am 11. Oktober 1944 ermordet.

                • Lotte Stein

                  • Schauspieler*in
                  * 1894, Berlin
                  † 1982, München

                  In der Spielzeit 1916/17–1917/18 im Ensemble der Münchner Kammerspiele.

                  Sie spielte in fünf Inszenierungen Falckenbergs: in Strindbergs Der Scheiternhaufn, in der UA von Georg Kaisers Von Morgens bis Mitternacht, in der deutschen EA von Strindbergs Die Brandstätte, Feuchtwangers Vasantasena und in Johsts Der Einsame.

                  Von 1919 bis 1933 spielte sie in Berlin bei Max Reinhardt u. a.. Daneben spielte sie kleine und größere Rollen in Stumm- und Tonfilmen, 1930 in der deutsch- englischen Produktion Mary, Regie: Alfred Hitchcock, 1931 in Einer Frau muss man alles verzeih’n, Regie: Eugen Thiele, mit Paul Morgan und Blandine Ebinger. 1933 floh die Jüdin Lotte Stein nach Wien, 1934 nach Prag, wo sie bis 1937 am Deutschen Theater engagiert war. 1939 emigrierte sie in die USA, spielte Theater in New York und wirkte in einigen US-amerikanischen Filmen mit, 1943 in The strange Death of Hitler, Regie: James B. Hogan, zusammen mit den aus Deutschland geflohenen Schauspieler*innen, die vor 1933 auch an den Kammerspielen aufgetreten waren: Ludwig Donath, Richard Révy, Elisabeth Neumann–Viertel und Fritz Kortner, von dem auch das Drehbuch stammte.

                  1949 remigrierte Lotte Stein nach Deutschland und wurde von Hans Schweikart an den Münchner Kammerspielen engagiert, von Mai 1949–August 1952.

                  Danach ging sie nach Berlin und gehörte dem Ensemble des Schillertheaters an.

                  Sie starb am 20. September 1982 in München, ihr Grab befindet sich auf dem Nordfriedhof.

                • Ernst Erich Stern

                  • Bühnenbildner*in
                  • Kostümbildner*in
                  * 1876, Bukarest
                  † 1954, London

                  MK März/April 1927: Der Revisor von Nikolaus Gogol. Regie: Richard Révy, Bühnenbilder: Ernst Erich Stern u. a. mit Therese Giehse

                  MK/VTH 29.09. - 05.10.1930: Mamzelle Nitouche von Meilhac/Millaud. Regie: Hanns Fritz Gerhard, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Bühnenbilder: Ernst Erich Stern, u. a. mit Erika v. Thellmann a.G., Else Herrmann

                  Ernst Erich Stern kam am 20. März 1876 als Sohn einer Bukarester jüdischen Familie auf die Welt. Als beide Eltern, Leopold und Bella Stern, 1879 starben, war ihr Sohn drei Jahre alt. Er wuchs in der Obhut des Vaters seiner Mutter, des Hutmachers und Hoflieferanten Leon Lempart (geboren in Odessa, gestorben in Bukarest 1913) auf. 1896 kam Ernst Erich Stern von Wien nach München und studierte dort an der Kunstakademie u. a. bei Franz von Stuck. 1902–1904 war er Mitglied beim Kabarett Die Elf Scharfrichter, zu dessen Gründungsmitgliedern Otto Falckenberg gezählt wird. Stern trat dort unter dem Namen Henkersknecht Tobias Loch, der Schnellzeichner auf. 1905 ging er als Karikaturist für das Wochenblatt „Lustige Blätter“ nach Berlin. Kurz davor hatte er in London, unbürokratischer als in Deutschland, die Hamburger Kaufmannstochter und Kunstweberin Gesine Gleistein (1878–1958) geheiratet. Bereits im Jahr darauf wurde er Direktor des Ausstattungswesens der Reinhardt-Bühnen und arbeitete gleichzeitig als Dozent an der Schauspielschule Max Reinhardts. 1913 wurde er Professor für Kostümbild an der Kunstgewerbeschule Berlin, er nahm die deutsche Staatsbürgerschaft an und arbeitete in den 1920er Jahren freischaffend an Theatern im In- und Ausland, auch beim Film, u. a. für Ernst Lubitsch und Friedrich Wilhelm Murnau.

                  Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten kehrte er nach einem Gastspiel in Paris 1933 nicht mehr nach Berlin zurück. Seine Frau und ihre gemeinsame Tochter Babette (1920–1969), die später Kostüm- und Maskenbildnerin wurde, flohen mit ihm 1934 in die USA. Nach kurzer Zeit in Hollywood emigrierten sie 1935 nach London, er konnte dort seine Arbeit am Theater und beim Film erfolgreich fortsetzen. Zwischendurch war er kurzzeitig interniert, 1945 erhielten sie die britische Staatsbürgerschaft. Mitte der 1940er Jahre gestaltete er Shakespeare-Tourneen Donald Wolfits. Kurz vor seinem Tod am 28.08.1954 schuf er seine letzten Bühnenbilder für die Oper Werther von Jules Massenet an der Sadler's Wells Opera in London. 1951 war im Verlag Victor Gollanz in London Ernest Sterns ganz wunderbare Autobiographie „MY LIFE MY STAGE“ erschienen mit 75 seiner feinen Zeichnungen. Der Schauspieler Michael Redgrave sagte über Stern und dieses Buch:

                  „Most books of the theatre have tinsel in them and tarnish like tinsel [talmi]; in this book is the gold of a true man of the theatre and an artist“.

                • Kurt Sterneck

                  • Abendbeleuchter*in
                  * 1919, Graz
                  † 1998, München

                  MK 1937/38: Abendbeleuchter im Technik-Praktikum an den Münchner Kammerspielen

                  Kurt Sterneck kam am 28. Juni 1919 in Graz auf die Welt als Sohn des Wiener jüdischen Opernsängers Berthold Sterneck, geb. Stern und dessen erster Ehefrau Ernestine, einer katholischen Grazerin. Kurts Mutter starb wenige Monate nach seiner Geburt, er wuchs zunächst bei Verwandten seiner Mutter in Graz auf. Sein Vater heiratete 1922 die Sängerin Margarethe Gutmann, 1923 zogen sie mit ihrem Sohn Kurt nach München. Berthold Sterneck wurde ein gefeierter Bassbariton an der Bayerischen Staatsoper, bevor er nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten Berufsverbot erhielt. Nach Verpflichtung zur Zwangsarbeit erkrankte er schwer und starb im November 1943. Margarethe Sterneck konnte zunächst bei Bekannten untertauchen, im Februar 1945 setzte sie aus Verzweiflung ihrem Leben ein Ende. Ihre 1924 geborene Tochter Johanna konnte 1939 mit einem der letzten Kindertransporte nach England entkommen.

                  Kurt Steineck machte nach dem Abitur in München 1937 zunächst ein Praktikum zur Vorbereitung auf ein Ingenieurstudium an den Münchner Kammerspielen und arbeitete dort als Abendbeleuchter. 1938 wurde er zum Militärdienst eingezogen und im Zweiten Weltkrieg zum Kriegsdienst. 1943 begann er an der TU München sein Studium, wurde jedoch 1944 wegen seiner jüdischen Familie verhaftet, im Oktober 1944 ins KZ Dachau und im Januar 1945 in das KZ Birkhahn-Mötzlich, ein KZ-Außenlager bei Halle verschleppt. Nach der Befreiung setzte er sein Studium in München fort, arbeitete als Ingenieur und gleichzeitig nahm er Schauspielunterricht u. a. bei der jüdischen Schauspiellehrerin Anna Ernst-Zeise, die der Verfolgung durch die Nazis in München entgehen konnte, weil sie mit einem 'arischen' Mann verheiratet war.

                  Kurt Sternecks Bühnenlaufbahn begann 1951, seine letzte Bühnenrolle spielte er in Hermann Bahrs Das Konzert in der Spielzeit 1993/94 an der Komödie in Bayerischen Hof in München.

                • Carl Sternheim

                  • Autor*in
                  * 1878, Leipzig
                  † 1942, Brüssel
                  • MK 08.05.1914 Bürger Schippel, Regie: Erich Ziegel
                  • MK 04.06.1915 Der Snob, Regie: Paul Marx
                  • MK 09.10.1918 Perleberg, Regie: Paul Marx
                  • MK 09.10.1928 Die Stunde von Uznach, Regie: Kurt Reiss

                  Carl Sternheims Werke wurden von 1914 bis 1933 an den Münchner Kammerspielen inszeniert. Bereits vor 1933 wurden immer wieder Aufführungen von Sternheims Stücken nicht erlaubt, so 1911 in München, als Eugen Robert an den Kammerspielen Der Snob zeigen wollte, die Nationalsozialisten verboten von 1933 an alle seine Werke. Sternheim lebte ab 1935 im belgischen Exil. Am 3. November 1942 starb er im besetzten Brüssel in Ixelles an den Folgen einer Lungenentzündung, vor einer drohenden Deportation.

                • Agnes Josephine Straub

                  • Schauspieler*in
                  * 1890, München
                  † 1941, Berlin

                  Gast an den Münchner Kammerspielen in Goethes Stella in der Inszenierung des Gastregisseurs Max Reinhardt mit dem Ensemble der Münchner Kammerspiele und mit Helene Thimig als zweiter Gastschauspielerin (Premiere 03.09.31).

                  Als gefeierte Schauspielerin an den Berliner Bühnen arbeitete sie häufig mit ihrem Lebensgefährten, dem österreichisch jüdischen Schauspieler und Regisseur Leo Reuss (Dolyna/Galizien 1891–1946 Manila/Philippinen). Um ihn schützen zu können, gründete sie Anfang der 1930er Jahre das Agnes-Straub-Theater und leitete dieses Ensemble zusammen mit ihm im Theater am Kurfürstendamm. Ende 1934 verhängten die Nazis gegen ihn ein Arbeitsverbot.

                  Agnes Straub ging mit Leo Reuss und dem Ensemble auf Tournee im deutschsprachigen Raum, 1935 gastierten sie an den Münchner Kammerspielen mit dem Stück Die Neuberin das Günther Weisenborn unter dem Pseudonym Christian Munck 1934 mitverfasst hatte. Leo Reuss musste Ende 1935 aus Deutschland fliehen nach Wien, er emigrierte 1937 in die USA. Agnes Straubs Karriere wurde durch einen schweren Autounfall jäh beendet, an dessen Spätfolgen sie starb.

                • Erwin Straus

                  • Komponist*in
                  * 1910, Wien
                  † 1966, München

                  MK 02.– 05.05.1932: Ein entzückender Mensch.Lustspiel mit Musik von Jean de Letrar, Musik von Erwin Straus, Gesangstexte von Leo Straus und Erwin Straus, Gastspiel Oskar Karlweis und Ensemble. Vier Abendvorstellungen 02.- 05. Mai 1932, wegen des großen Erfolgs eine Nachmittagsvorstellung 05. Mai 1932

                  Erwin Straus kam am 5. April 1910 in Wien auf die Welt als einer der Söhne des Komponisten Oscar Straus und der Sängerin Clara Singer. Nach seiner Schulbildung in der Schweiz komponierte er in Wien und Berlin Operetten, Musik für Revuen und Kabarettprogramme. Im Mai 1934 ging er zum ersten Mal nach New York, wo er für die Radio City als Hauskomponist arbeitete. Im Frühjahr 1935 kehrte er nach Wien zurück. Nach dem 'Anschluss' Österreichs floh er mit seiner Mutter nach Zürich, wohin Oscar Straus ihnen vorausgereist war. Die Familie floh weiter nach Paris. Nach der Einnahme von Paris flohen sie ins noch unbesetzte Südfrankreich, von Lissabon aus erreichten sie im Dezember 1940 New York.

                  Erwin Straus arbeitete als Barpianist und Kapellmeister. Wie seine Eltern kehrte auch er Anfang der 1950er Jahre nach Europa zurück. Oscar Straus starb am 11. Januar 1954 in Bad Ischl. Sein letzter künstlerischer Triumph waren seine Kompositionen zu Max Ophüls Verfilmung 1950 von Schnitzlers Reigen. Erwin Straus ließ sich in München nieder. Bereits in jungen Jahren hatte er unter psychischen Problemen gelitten, nach mehreren Suizidversuchen setzte er am 28. Dezember 1966 seinem Leben ein Ende.

                  Sein Halbbruder Leo Straus, der Texte für die Bühnenwerke Erwins geschrieben hatte, wurde zusammen mit seiner Frau, der Schriftstellerin Myra Grünberg, am 1. Oktober 1942 aus Wien nach Theresienstadt und von dort am 12. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert. Beide wurden dort ermordet.

                • Leo Straus

                  • Autor*in
                  * 1897, Teplitz-Schönau
                  † 1944, KZ Auschwitz

                  MK 2./5. Mai 1932: Ein entzückender Mensch von Jean de Létraz, Musik von Erwin Straus, Gesangstexte von Dr. Leo Straus und Erwin Straus, Gastspiel auf der Bühne des Volkstheaters, Oskar Karlweis und Ensemble

                  Leo Straus kam 21. Januar 1897 in Teplitz-Schönau auf die Welt als der zweite Sohn des Komponisten Oscar Straus und der Konzertmeisterin und Geigerin Helene Neumann. Nach Jurastudium und Promotion in Wien war er in der Spielzeit 1926/27 administrativer Direktor und Dramaturg an den Wiener Kammerspielen, von 1929 – 1932 am Neuen Wiener Schauspielhaus. Für Revuen seines Bruders, des Komponisten Erwin Straus, schrieb er Librettos und Gesangstexte. Seit 1922 war er verheiratet mit der Schriftstellerin und Kabarettistin Myra Gruhenberg (Wien 14.07.1900 – Oktober 1944 ermordet in Auschwitz). Mit ihr zusammen trat er ab 1933 auf Wiener Kabarettbühnen auf. Sie schrieb Hörspiele und Theaterstücke, die in Amsterdam und Prag uraufgeführt wurden. Nach dem NS-Anschluss Österreichs wurden beide mit Berufs- und Publikationsverbot belegt, im September 1942 in Wien verhaftet und am 1. Oktober 1942 nach Theresienstadt deportiert. Im Rahmen der sog. „Blockveranstaltungen“ oder „Freizeitgestaltung“ wirkten beide mit als Textdichter, Leo auch als Regisseur und Conferencier für das Lager-Kabarett und mit eigenem Ensemble für das „Straus- Brettl“. Am 12. Oktober 1944 wurden beide nach Auschwitz deportiert, Myra wurde kurz nach der Ankunft dort ermordet, Leo am 28. Oktober 1944. Myras Mutter war am 30.11.1943 in Theresienstadt ermordet worden, ihre Schwester Ilse im März 1941 in Lublin.

                • Marguerite Julie Strauss

                  • Übersetzer*in
                  * 1888, New York
                  † 1961, New York

                  MK 29.07.1927: Der Hexer ('The Ringer') von Edgar Wallace, Übersetzung aus dem Englischen im Auftrag Max Reinhardts für das Deutsche Theater Berlin: Rita Matthias

                  MK 24.10.1930: Ein kluges Kind (' It's a wise child') von Larry E. Johnson, Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch: Rita Matthias, Regie: Richard Révy

                  Marguerite Julie Strauss kam 1888 in New York City auf die Welt. Ihr Vater hatte eine Zuliefererfabrik für die gerade entstehende Automobilindustrie. Die polyglotte Tochter wurde Schauspielerin in New York, heiratete mit 21 und ging mit ihrem Mann nach Frankfurt/Main, der dort Assistent am Paul Ehrlich Institut war. 1915 zogen sie nach Berlin. Sie spielte Theater, abwechselnd in New York und in Berlin, u. a. am Lessing Theater. In Berlin begann sie in den 1920er Jahren englische, auch französische Bühnentexte ins Deutsche zu übersetzen, die mehr als fünfzig Stücke wurden so gut wie alle aufgeführt. Sie begann auch deutsche Theaterstücke ins Englische zu übersetzen, teils unter dem Pseudonym Rita Matthias. Darunter befinden sich auch zwei, die an den Münchner Kammerspielen aufgeführt worden waren, sowie ein Roman Klaus Manns:

                  • Walter Hasenclever: Jenseits (MK 04.02.1921) 'Beyond' (1925)
                  • Ferdinand Bruckner: Die Verbrecher (MK 28.11.1929) 'The Criminals' (1941)
                  • Klaus Mann: Flucht in den Norden, 'Journey into Freedom' (1936)

                  Zusammen mit C. Hooper Trask gründete sie noch in Berlin den Bühnen-Verlag Trask & Matthias, in dem ihre Übersetzungen publiziert wurden, bevor sie 1937 vor den Nazis zusammen mit ihrem dritten Mann aus Berlin floh, zurück in die Vereinigten Staaten. Sie gründete in New York City noch eine Literaturagentur für ausländische Bücher und leitete eine Internationale Presseagentur. Sie kehrte an das College, an dem sie als Studentin begonnen hatte, als Lehrbeauftragte für Deutsch und Französisch zurück. Am 25. Juni 1961 starb sie in ihrer Geburtsstadt New York.

                • Juana Sujo

                  • Schauspieler*in
                  geb. Juana
                  * 1913, Buenos Aires
                  † 1961, Caracas

                  Für die Spielzeit 1932/33 wurde sie von Otto Falckenberg für die Münchner Kammerspiele engagiert. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten im Januar 1933 trat sie vor ihrer Flucht aus Deutschland noch in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Komödie der Irrungen (Premiere 15.02.1933) auf, in Schraders Inszenierung von Curt Goetz' Komödie Der Lampenschirm (Premiere 17.03.1933) und in Révys Inszenierung von Pagnols Lustspiel Fanny (Premiere 24.03. 1933).

                  Die Tochter einer argentinisch jüdischen Familie, geboren in Buenos Aires, wurde mit beiden Schwestern zur Ausbildung nach Berlin geschickt. Sie machte eine Schauspielausbildung bei Max Reinhardt. Dort kam es zur Begegnung mit Stefan Schnabel und Franz Schnyder (1939 Gastregisseur an den Münchner Kammerspielen, (s. Dokumentation Hanne Mertens), mit denen sie 1929 den Film Das Kalte Herz drehte.

                  Noch 1933 flieht Juana Sujo nach England und kehrt nach Argentinien zurück. 1948 verläßt sie aus Opposition gegen das Perón-Regime Argentinien und geht nach Venezuela, wo sie sich den Ruf einer politischen Theaterkünstlerin erwirbt im Widerstand gegen das repressive Regime des Marcos Pérez Jiménez, der 1958 das Land verläßt und ins US-amerikanische Exil geht.

                • Helene Thiming

                  • Schauspieler*in
                  * 1889, Wien
                  † 1974, Wien

                  Gast an den Münchner Kammerspielen in Goethes Stella in der Inszenierung des Gastregisseurs Max Reinhardt mit dem Ensemble der MK (Premiere 03.09.1931).

                  1933 Flucht zusammen mit Max Reinhardt nach Wien, Heirat im Mai 1935, Oktober 1937 zusammen ins Exil in die USA. Reinhardt stirbt am 31.10.1943.

                  1945 Rückkehr nach Österreich, u. a. Leiterin des Wiener Max-Reinhardt-Seminars.

                • Robert Thoeren

                  • Schauspieler*in
                  * 1903, Brünn (Brno)
                  † 1957, München

                  Robert Thoeren war in der Spielzeit 1923/24 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in der Rolle des Curio in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Was ihr wollt (02.06.1923). In Berlin spielte er an den Reinhardt-Bühnen.

                  1933 floh er nach Frankreich, wo er in Paris als Drehbuchautor arbeitete. Er war Mitautor des Originalmanuskripts zu Fanfares d’amour, das später die Grundlage für Billy Wilders Some like it hot war. Im Mai 1938 emigrierte Robert Thoeren in die USA, er schrieb Drehbücher u. a. für MGM. 1951 kehrte er nach Deutschland zurück und setzte seine Arbeit als Drehbuchautor fort, zum ersten Mal in deutscher Sprache. 1956/57 verfasste er – mit Erika Mann – das Drehbuch für Kurt Hoffmanns Verfilmung von Thomas Mann Romans Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Im Juli 1957 starb er bei einem Verkehrsunfall in München.

                • Hans Tintner

                  • Schauspieler*in
                  * 1894, Wien
                  † 1942, KZ Auschwitz

                  6. Dezember 1919 an den Münchner Kammerspielen in der UA von Frank Wedekinds Schloss Wetterstein,Regie: Erwin Kalser, mitSybille Binder, Kurt Horwitz u. a.

                  8. April 1930 Cyankali von Friedrick Wolf im Studio der Münchner Kammerspiele, mit Therese Giehse, Kurt Horwitz, Richard Révy. Regie: Otto Falckenberg. Polizeiverbot des politischen Stücks gegen §218.

                  23. Mai 1930 Uraufführung des Spielfilms Cyankali nach Wolfs Bühnenstück Regie, Drehbuch, Produktionsleitung: Hans Tintner; in der Hauptrolle der schwangeren Hete Fete: Grete Mosheim.

                  März 1933 Verbot des Films, im März 1933 verlässt Hans Tintner Deutschland und geht nach Wien. 1938 Flucht nach Frankreich.

                  Am 19. Juli 1942 wird Hans Tintner mit dem Konvoi Nr. 7 aus dem Internierungslager Drancy nach Auschwitz deportiert und dort am 28. September 1942 ermordet.

                  (s. Kurzbiographie zum Erinnerungszeichen der Münchner Kammerspiele)

                • Bobby Todd

                  • Autor*in
                  • Regisseur*in
                  geb. Hans Karl
                  * 1904, Hinterzarten
                  † 1980, Turin

                  MK/VTh 15. 03.–28.03.1932: Hier irrt Goethe, Akademisches Brettl „Die vier Nachrichter“ und Ensemble Literarische Posse mit Musik in 3 Akten, Text: Kurd Erich Heyne, Helmut Käutner, Bobby Todd, Regie: Bobby Todd, u. a. mit Kurd E. Heyne, Bobby Todd

                  Hans Karl Rohrer (späterer Künstlername: Bobby Todd) kam 22. Juni 1904 in Hinterzarten als Sohn einer Arztfamilie auf die Welt. Nach einigen Semestern Medizin und Theaterwissenschaft an der Universität München gehörte er 1930 zu den Mitgründer*innen des Studentenkabaretts Die vier Nachrichter, bei dem er als Autor, Regisseur und Schauspieler wirkte. Mit der im März 1932 im Münchner Volkstheater aufgeführten Literarischen Posse Hier irrt Goethe begann seine professionelle Bühnenarbeit. Von 1930 bis 1935 war er Mitdirektor, als „Nicht-Arier“ von den Nazis ausgegrenzt erhielt er 1935 Berufsverbot. Im März 1936 emigrierte Todd über die Schweiz nach Italien.

                  Wikipedia dokumentiert Filmarbeiten von Bobby Todd in Italien von 1936 bis 1945. Von 1947 bis 1949 leitete er das Unterhaltungsressort bei Radio München, spielte in zahlreichen deutschen „Nachkriegs-Filmen“ kleinere Rollen. Von 1962 an lebte er wieder in Italien. Er starb am 7. September 1980 in Turin.

                • Siegfried Trebitsch

                  • Übersetzer*in
                  * 1868, Wien
                  † 1956, Zürich

                  MK 18.02.1911: Der gemütliche Komissar ('Le Commissaire est bon enfant') von Georges Courteline u. Jules Lévy, Übersetzung aus dem Französischen: Siegfried Trebitsch, Regie: Eugen Robertundefined

                  MK 01.07.1911: Der Liebhaber ('The Philanderer') v. George Bernard Shaw, Übersetzung aus dem Englischen: Siegfried Trebitsch, Regie: Eugen Robert

                  MK 23.12.1912: Blanco Posnets Erweckung ('The Shewing-Up of Blanco-Posnet') v. G. B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Eugen Robert

                  MK 29.01.1919: Der Schlachtenlenker ('The Man of Destiny') v. G. B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Paul Kalbeck

                  MK 27.06.1919: Helden (' Arms and the Man') v. G. B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Paul Kalbeck

                  MK 24.01.1920: Androklus und der Löwe ('Androcles and the Lion') v. G. B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Paul Kalbeck

                  MK 12.11.1921: Boubouroche von Georges Courteline, Übersetzung aus dem Französischen: Siegfried Trebitsch, Regie: Erwin Kalser, u. a. mit Berthe Reuscher, Carl Götz a. G.

                  MK Dez 1921: Georges Courteline / von Siegfried Trebitschundefined

                  MK 05.10.1922: Der Stammgast von Georges Courteline, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Otto Falckenberg

                  MK 24.04.1923: Man kann nie wissen ('You never can tell') v. G. B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Robert Forster-Larrinaga

                  MK 19.09.1924: Helden ('Arms and the Man') v. G. B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Robert Forster-Larrinaga

                  MK 13.12.1924: Ein ruhiges Heimv. Georges Courteline, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Otto Falckenberg

                  MK 17.04.1926: Heiraten ('Getting Married') v. G. B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Richard Révyundefined

                  MK 29.10.1926: Mensch und Übermensch ('Man and Superman') v. G. B. Shaw, dt.Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Richard Révyundefined

                  MK 04.03.1927: Arzt am Scheidewg ('The Doctor's Dilemma') v. G. B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Richard Révy

                  MK 08.10.1927: Zinsen ('Widowers' Houses') v. G. B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Richard Révy, u. a. mit Josef Danegger, Kurt Horwitz

                  MK 20.08.1928: Pygmalion ('Pygmalion') v. G. B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Julius Gellner

                  MK 02.11.1929: 2 x Courteline Boubouroche – Der Stammgast v. G. Courteline, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Otto Falckenberg

                  MK 18.06.1930: Candida ('Candida') v. G. B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Josef Glücksmann

                  MK 09.08.1930: Cäsar und Cleopatra ('Caesar and Cleopatra') v. G. B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Richard Révy

                  MK 03.01.1931: Eltern und Kinder ('Misalliance') v. G. B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Richard Révy

                  MK 30.04.1931: Der Teufelsschüler ('The Devil's Disciple') v. G. B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitschundefined

                  MK 08.06.1931: Die heilige Johanna ('Saint Joan') v. G. B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Gastspiel mit Elisabeth Bergner mit ihrem Ensemble, u. a. mit Ernst Ginsberg, Walter Gynt, Carl Jaffe, Paul Hardtmuth

                  MK 20.11.1931: Man kann nie wissen ('You never can tell') v. G. B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Regie: Ernst Held

                  MK 22.-24.02.1933: Zu wahr um schön zu sein ('Too True to be Good' 1931), von G.B. Shaw, dt. Übersetzung: Siegfried Trebitsch, Gastspiel Alexander Moissi und Berliner Ensemble, u. a. mit Sidonie Lorm, Paul Marx

                  Siegfried Trebitsch kam am 22. Dezember 1868 in Wien zur Welt als Sohn einer jüdischen Seidenhändlerfamilie. Zunächst arbeitete er im Seidenhandelskontor mit, verfolgte dann aber eine erfolgreiche Karriere als Lyriker, Dramatiker, Erzähler und wurde als polyglotter Übersetzer der renommierte Vermittler der Theaterstücke des französischen Erfolgsautors Georges Courteline (1858–1929) und des großen irischen Dramatikers und Literatur-Nobelpreisträgers (1925) George Bernard Shaw (1856–1950). Trebitschs kongeniale Übertragungen der Theaterstücke Courtelines und Shaws wurden im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts in allen Theatern des deutschsprachigen Raums gespielt. Nach der 'Machtergreifung' der Nazis in Österreich floh Siegfried Trebitsch nach Paris, 1939 wurde ihm ehrenhalber die französische Staatsbürgerschaft verliehen, nach der deutschen Besetzung Frankreichs im Juni 1940 floh er nach Zürich. 1951 veröffentlichte er seine Memoiren Chronik eines Lebens. Er starb in Zürich am 3. Juni 1956.

                  Während der zwölf Jahre der NS-Gewaltherrschaft wurden an den Münchner Kammerspielen neun Stücke von G.B. Shaw aufgeführt. Zur Gastspiel-Inszenierungam 22.-24. Februar 1933 Zu wahr um schön zu sein wurde auf dem Theaterzettel im Programmheft der Münchner Kammerspiele der Name des Shaw- Übersetzers Siegfried Trebitsch zum letzten Mal ausdrücklich genannt (DAS PROGRAMM VIERZEHNTER JAHRGANG 1933 FEBRUAR-HEFT). Als am 27. September 1946 an den Münchner Kammerspielen G.B. Shaws Stück Helden in der Neuinszenierung Wolfgang Petzets wiederaufgeführt wurde, wurde auch der Name des Übersetzers Siegfried Trebitsch auf dem Theaterzettel wieder genannt.

                • Irene Triesch

                  • Schauspieler*in
                  * 1875, Wien
                  † 1964, Bern

                  1914 als Gastschauspielerin an den Münchner Kammerspielen in Hauptrollen der Inszenierungen Die Kronbraut von August Strindberg, Regie: Erich Ziegel (11.04.1914) und Herodes und Marianne von Friedrich Hebbel, Regie: Ph. Manning (15.04.14).

                  Am 20.04.1914 beschloss sie das Gastspiel mit einem Vortragsabend.

                  Die österreichisch jüdische Schauspielerin heiratete 1904 den schottischen Pianisten Frederic Lamond (1868–1948). Sie war gefeiertes Ensemblemitglied am Berliner Lessingtheater. 1934 wurde sie aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen. Sie verließ mit ihrem Mann Deutschland, sie lebten auf seinem Alterssitz, dem Alan Grange House in Glasgow, Schottland.

                  In seiner 1944 erschienenen Autobiographie Mein Leben Mein Theater rühmt Otto Falckenberg die Wirkung der beiden Auftritte von Irene Triesch als seine Theater-Epiphanie:

                  Das Erste, was ich an den Münchner Kammerspielen sah, war DIE KRONSBRAUT von August Strindberg. Erich Ziegel hatte die Aufführung inszeniert … jetzt ein verdienstvoller Mitarbeiter von Gustav Gründgens …. Als ich dann kurz darauf auf dieser beinahe lächerlich kleinen und aller technischen

                  Mittel baren Bühne gar noch Hebbels HERODES UND MARIAMNE sah, setzte sich vor solchem theatralischen Wunder der Gedanke in mir fest: “In diesem Theater ist dein Platz...

                  Otto Falckenberg: Mein Leben – Mein Theater. (Hg.: Wolfgang Petzet). München: Zinnen Verlag 1944, S. 286ff..

                  Otto Falckenberg und sein Chronist Wolfgang Petzet haben alle jüdischen Schauspieler*innen dieser beiden Aufführungen an den Münchner Kammerspielen verschwiegen – Irene Triesch, Sidonie Lorm, Paul Marx, Ernst Stahl-Nachbaur.

                  Irene Triesch und Frederic Lamond hatten eine Tochter, Irene Elizabeth Lamond (geb. Berlin 06.06 1906), die Schauspielerin wurde und in der Spielzeit 1927/28 im Ensemble der Münchner Kammerspiele war. Über ihr Schicksal nach 1933 haben wir bei unseren Recherchen noch nichts gefunden.

                • Guido Török

                  • Schauspieler*in
                  * 1894, Wien
                  † 1950, Wien

                  MK 20.12.1925: Ein Sommernachtstraum von William Shakespeare. Regie: Otto Falckenberg, Musik: Alexander László, u. a. mit Guido Török in der Rolle des Egeus

                  MK 24.08.1928: Flucht von John Galsworthydt. von Leon Schalit. Regie: Kurt Reiss, mit Therese Giehse, Ernst Deutsch, Guido Török u. a.

                  Der in Wien 1894 geborene Guido Török erhielt nach seiner Schauspielausbildung sein erstes festes Engagement an Max Reinhardts Josefstädter Theater in Wien für die Spielzeit 1923/24. Dort spielte er im Juni 1924 mit Maria Fein und Oskar Homolka in O'Neills Anne Christie in der Regie Paul Kalbecks, der von den Münchner Kammerspielen nach Wien gekommen war. Für drei Spielzeiten 1925/26 – 1927/28 wurde Guido Török aus Wien an die Münchner Kammerspiele geholt. Danach ging er nach Wien zurück und begann auch als Regisseur zu arbeiten, u. a. an der Jungen Bühne.

                  Am 19. März 1933 wurde im Großen Saal des Wiener Konzerthauses die Märzfeier der Arbeiter – Sinfoniekonzerte aufgeführt mit Werken von drei der von den Nazis verfemten Komponisten: Ernst Krenek (Wien 1900 – Palm Springs USA 1991), Paul Amadeus Pisk (Wien 1893 – 1990 Los Angeles USA) und Hanns Eisler (Leipzig 1898 – 1962 Berlin-Ost). Der Regisseur dieser Performance war Guido Török. 1935 wirkte er noch bei drei Kabarett-Programmen mit, wo und unter welchen Gefährdungen er die Jahre nach dem NS-'Anschluss' Österreichs überlebte, wissen wir noch nicht. Er taucht erstmals wieder im Juni 1945 in Wien auf, in einer Inszenierung von Shakespeares Viel Lärm um Nichts in der Regie des Burgtheater-Schauspielers Philipp von Zeska auf der Bühne des Volksheims Ottakring. In einer literaturwissenschaftlichen Darstellung Shakespeare on the German Stage, Vol. 2 The 20th Century, Cambridge University Press 1998 wird auf diese Inszenierung in Wien ausdrücklich Bezug genommen mit einem verstörenden Satz: „[...] with Guido Török just released and still stammering from maltreatment in a concentration camp, as Friar Francis“.

                  In den darauffolgenden Jahren ist Guido Török ein renommiertes Mitglied des Ensembles des Theaters Die Insel, das im Oktober 1945 in der Komödie in der Wiener Johannesgasse 4 wiedereröffnet. Als er am 11. April 1950 durch einen plötzlichen Tod aus seiner gerühmten Bühnenarbeit gerissen wird, schreibt der Wiener Kurier (13.04.1950) in einem Nachruf auf diesen Schauspieler „In der Zeit von 1938 – 1945 konnte er seinen Beruf nicht ausüben“, ohne jede weitere Erklärung. In Wolfgang Petzets Chronik der Münchner Kammerspiele wird der Name Guido Török nicht einmal genannt.

                • Rosa Valetti

                  • Schauspieler*in
                  * 1876, Berlin
                  † 1937, Wien

                  Die Tochter einer Berliner jüdischen Holzhändlerfamilie spielte an den Münchner Kammerspielen 1912 und 1913 in Gastrollen. In Berlin gründete sie 1920 das Kabarett Größenwahn, spielte bei der Uraufführung der Dreigroschen-Oper von Brecht / Weil am 31. August 1928 im Theater am Schiffbauerdamm die Rolle der Frau Peachum. 1933 Emigration nach Österreich, Bühnenauftritte in Wien, Prag und Tel Aviv. Im Juli 1937 kam sie noch einmal nach Berlin, um sich mit einem 'Bunten Abend' von ihrem Berliner Publikum zu verabschieden. Zurück in Wien starb sie mittellos im Dezember 1937.

                • Conrad Veidt

                  • Schauspieler*in
                  * 1893, Berlin
                  † 1943, Los Angeles

                  In der Spielzeit 1929/30 war Conrad Veidt, zurückgekehrt aus den USA, vom 11.- 17. Juni 1930 zu einem Gastspiel mit Er auf der Bühne der Münchner Kammerspiele mit enormer Publikumsresonanz.

                  Conrad Veidt hatte bei Max Reinhardt als Schauspiellehrling begonnen, nach Unterbrechung durch Kriegsdienst an den Reinhardt-Bühnen und am Renaissance Theater aufgetreten, nebenher in ersten Stummfilmrollen gespielt, früh entdeckt worden und einer der deutschen Stummfilmstars (u. a. in Das Cabinet des Doktor Caligari) geworden. Im April 1933 flieht er mit seiner Frau Ilona (1900–1980), die aus einer österreichisch-ungarischen jüdischen Familie stammt, nach London. 1935 organisiert er die Emigration seiner Schwiegereltern aus Wien in die Schweiz. 1938 nimmt Veidt die britische Staatsbürgerschaft an. 1940 emigriert er mit seiner Frau in die USA. Einer der US-amerikanischen Filme, in denen er besetzt wurde, war Casablanca (1942) Regie: Michael Curtiz, der aus Ungarn emigrierte Regisseurs Mihály Kertész. Veidt spielte den NS-Major Strasser, sein Adjudant Hauptmann Heinze wurde von Richard Révy gespielt. Conrad Veidt stirbt nach einer Herzattacke am 3. April 1943 in Los Angeles.

                • Berthold Viertel

                  • Regisseur*in
                  * 1885, Wien
                  † 1953, Wien

                  Österreichisch jüdischer Schriftsteller, Dramaturg, Regisseur. Als Gastregisseur inszenierte er an den Münchner Kammerspielen am 4. April 1921 Jenseits von Walter Hasenclever, mit Sybille Binder und Erwin Kalser. Vorher hatte er das Stück am Schauspielhaus Dresden uraufgeführt. 1928 ging er auf Einladung Murnaus mit seiner Frau, der Schauspielerin Salomea Steuermann (Salka Viertel) nach Hollywood, zunächst für vier Jahre. 1932 entschieden sich die Viertels, nicht mehr nach Deutschland und zu den antisemitischen Nationalsozialisten zurückzukehren. Berthold Viertel remigrierte 1947 nach Europa und arbeite in London, ab 1948 wieder als Theaterregisseur in Zürich und in Wien.

                • Salka Viertel

                  • Schauspieler*in
                  geb. Salomea
                  * 1889, Sambor
                  † 1978, Klosters

                  In der Spielzeit 1918/19 im Ensemble der Münchner Kammerspiele in zwei Inszenierungen Falckenbergs, in Shakespeares Das Wintermärchen die Rolle der Paulina, in Strindbergs Schwanenweiss die Rolle der Stiefmutter.

                  1918 heiraten Salka und Berthold Viertel. Von 1920 an arbeiteten sie in Berlin, 1928 gehen sie auf Einladung F. W. Murnaus für vier Jahre (geplant) nach Hollywood. 1932 beschließen sie, maßgeblich auf Drängen Salkas, nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren nach politisch realistischer Einschätzung der Entwicklung. Salka arbeitet als erfolgreiche Drehbuchautorin und beide setzen sich entschieden für Exilanten aus Europa ein. Von 1940 an lebte Berthold Viertel mit der emigrierten Schauspielerin Elisabeth Neumann zusammen, sie gehen 1947 nach Europa zurück. Salka Viertel kehrt 1953 nach Europa zurück und lebt in der Schweiz in Klosters. 1969 veröffentlicht sie ihre englische Autobiographie The Kindness of Strangers, dt. 1979 Das unbelehrbare Herz. 2020 erscheint die Monographie THE SUN AND HER STARS – SALKA VIERTEL AND HITLER'S EXILES IN THE GOLDEN AGE OF HOLLYWOOD. Hierin schreibt Donna Rifkind:

                  “Hollywood was created by its 'others', that is by women, Jews and immigrants. Salka Viertel was all three and so much more.”

                • Hilde Wall

                  • Schauspieler*in
                  * 1994, Braunschweig

                  In der Spielzeit 1918/19 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in Sigfried Giedions Arbeit; Regie: Paul Marx (04.02.1919), in Machiavellis Man-Dragula Regie: Paul Kalbeck (19.02.1919). Hilde Wall war seit 1926 bis zu dessen Tod mit dem Theater- und Filmregisseur Max Ophüls (1902–1957) verheiratet. Ihr Sohn Marcel Ophüls (1927– ?) wurde Dokumentar- und Spielfilmregisseur. Im März 1933 flüchtete die Familie nach Paris, 1938 wurden sie französische Staatsbürger, 1941 emigrierten sie in die USA. Nach dem Ende der NS-Herrschaft remigrierten sie 1949 nach Frankreich.

                • Helene Weigel

                  • Schauspieler*in
                  • Theaterleiter*in
                  * 1900, Wien
                  † 1979, Berlin

                  16.06.1925 an den Münchner Kammerspielen als Gastschauspielerin in der Rolle der Marie in Georg Büchners Woyzeck. Regie: Hans Schweikart

                  1928 Heirat mit Bertolt Brecht.

                  Flucht am 28. Februar 1933 mit der Familie über Prag und Wien nach Zürich.

                  Die Weigel/Brechts lebten in der Emigration bis 1941 in Europa, dann in den USA.

                  1948 Remigration nach Europa, zunächst in die Schweiz, dort aus politischen Gründen nur geduldet. Im Oktober 1948 gingen sie nach Ostberlin. Mit der

                  Premiere der Mutter Courage am 11.01.1949 begann am Deutscher Theater eine neue Ära. Im Februar 1949 wurde Helene Weigel die Intendantin des Berliner Ensembles am Deutschen Theater, am 19.03.1954 dann am Theater am Schiffbauerdamm . . .

                • Edgar Weil

                  • Autor*in
                  * 1908, Frankfurt
                  † 1941, KZ Mauthausen

                  Dramaturg ('dramaturgischer Volontär') an den Münchner Kammerspielen in der Spielzeit 1932/33. Sohn einer Frankfurter jüdischen Apothekerfamilie, seine Mutter war als Pauline Hochstätter in München geboren, ihre jüngste Schwester Tilly war mit Franz Landauer, dem Bruder des Kurt Landauer (Präsident des FC-Bayern München) verheiratet, und er selbst heiratete 1932 Grete Dispeker aus einer renommierten Münchner jüdischen Anwalts-Familie. Vom ersten Tag der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten an war er gefährdet. Er wird im März 1933 nach Denunziation bei der Gestapo wegen mutmaßlicher „hochverräterischer Korrespondenz mit Moskau“ im Zusammenhang mit dem Brief Ernst Helds aus Moskau an Falckenberg und dessen Verhaftung am 16. März 1933 verhaftet. Es folgen Verhöre, Misshandlungen, Schutzhaft in der Ettstraße.

                  1933 nach der Freilassung Flucht in die Niederlande. Grete Weil kommt 1935 nach. Am 11. Juni 1941 wird Edgar Weil bei einer Gestapo-Razzia in Amsterdam verhaftet und in ein Internierungslager verschleppt. Am 25. Juni 1941 deportiert ihn die SS in das KZ Mauthausen, am 17. September 1941 wird Edgar Weil ermordet. Er war 33 Jahre alt. Grete Weil überlebt, sie kehrt nach Deutschland zurück und schafft ein literarisches Werk, mit dem sie gegen das Vergessen anschrieb.

                  (s. Kurzbiographie zum Erinnerungszeichen der MK für Edgar Weil)

                • Kurt Weill

                  • Komponist*in
                  * 1900, Dessau
                  † 1950, New York

                  MK 20.07.1929: Die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht / Kurt Weill. Regie: Hans Schweikart, Musik: Kurt Weill, Musikalische Leitung: Ilja Jacobson

                  Kurt Weill floh am 21.03.1933 nach Paris, zusammen mit Lotte Lenya emigrierte er im September 1935 in die USA. Richard und Alma Jo Révy unterstützten die beiden im Exil. 1943 wurden Kurt Weill und Lotte Lenya US-amerikanische Staatsbürger, Weill 'a German-born American composer', Lenya 'an Austrian-born American singer'.

                • Günther Weisenborn

                  • Autor*in
                  * 1902, Velbert
                  † 1969, Berlin

                  MK November 1928 (angesetzt, nicht aufgeführt): Amerikanische Tragödie der sechs Matrosen auf der S 4, Regie: Julius Gellner

                  In den Mitteilungen des Theaters aus dem Jahrgang 9/1928, September 1918 heißt es:

                  „Als erste Studio Aufführung wird Günther Weisenborns Amerikanische Tragödie der sechs Matrosen auf der S 4 Anfang November 1928 von Julius Gellner inszeniert.“

                  Am 16.10.1928 wurde an der Volksbühne Berlin in der Regie von Leo Reuss Weisenborns Stück unter dem Titel U–BOOT S 4 uraufgeführt. Aus uns noch nicht bekannten Gründen kam die angekündigte MK-Aufführung nicht zustande.

                  MK 12.08.1935: Die Neuberin. Schauspiel in fünf Akten von Foerster Muck (alias Günther Weisenborn), Regie: Wolfgang Liebeneiner, Gastspiel Agnes Straub und Ensemble 10.-18.08.1935

                  Günther Weisenborn kam am 10. Juli 1902 in Velbert auf die Welt. Nach einem Germanistik- und Medizinstudium arbeitete er zuerst als Schauspieler und wurde 1928 Dramaturg an der Volksbühne Berlin, wo am 16. Oktober 1928 sein Antikriegsstück U – BOOT S 4 in der Regie von Leo Reuß uraufgeführt wurde. Nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten wurden seine Bücher verboten, am 10. Mai 1933 seine Werke verbrannt. 1935 floh er in die USA, kehrte aber im Jahr darauf nach Deutschland zurück und versuchte ein Doppelleben zu führen. Seit 1941 war er Dramaturg am Schillertheater, er schrieb unter dem Pseudonym FOERSTER MUNCK u. a. das Theaterstück Die Neuberin, das Agnes Straub mit ihrem Ensemble im August 1935 im Rahmen ihres Gastspiels an den Münchner Kammerspielen aufführte.

                  Weisenborn arbeitete einerseits innerhalb des NS-Kulturbetriebs in Berlin, andererseits schloss er sich der Widerstandgruppe Schulze-Boysen/Harnack an („Rote Kapelle“). Er war daran beteiligt, eine Verbindung zur Auslandsleitung der KPD in der Schweiz herzustellen. Im September 1942 wurde er von der Gestapo verhaftet, vom Reichskriegsgericht 1943 wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. Er überlebte nur durch Zufall und wurde im April 1945 von Soldaten der Roten Armee befreit. 1945 wurde er Mitbegründer des Hebbel Theaters in Berlin. Er veröffentlichte Theaterstücke und Dokumentationen zum Widerstand in der NS-Zeit, richtete 1947 den Ersten Deutschen Schriftstellerkongress mit aus. Mit Adolf Grimme und Greta Kuckhoff zusammen versuchte er den Chefankläger der „Roten Kapelle“, Manfred Roeder, vor Gericht zu bringen, das Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Lüneburg verschleppt und eingestellt. Er war einer der politisch denkenden, schreibenden und handelnden Literaten der Bundesrepublik nach dem Ende der NS-Gewaltherrschaft, die sich mit massiven reaktionären Anfeindungen konfrontiert sahen, bis an ihr Lebensende. Günter Weisenborn starb am 26. März 1969 in Berlin. Sein Sohn, der Dokumentarfilmer Christian Weisenborn (*1947) erzählt mit seinem Film Die guten Feinde (2017) die Geschichte seiner Eltern Christian und Joy Weisenborn und die Geschichte der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“.

                • Hugo Welle

                  • Schauspieler*in
                  * 1988, Würzburg

                  Hugo Welle war von 1920/21 – 1923/24 im Ensemble der Münchner Kammerspiele. In der Uraufführung von Brechts Trommeln in der Nacht (29.09.1922) stand er in der Rolle des besoffenen Menschen auf der Bühne der MK.

                  1935 Verhaftung und 'Schutzhaft' wegen „homosexueller Tätigkeiten. Im März 1937 wurde auf Betreiben der Gestapo ein Berufsverbot für den Schauspieler ausgesprochen durch die Reichstheaterkammer. 1939/40 spielte er kleine Nebenrollen in vier UFA-Filmen, u. a. die Rolle eines Zuschauers bei einer Diplomverleihung in Friedrich Schiller 1940 Regie: Herbert Maisch, mit Horst Caspar in der Titelrolle. Hugo Welles weiterer Lebensweg ist noch unerforscht.

                • Franz Werfel

                  • Autor*in
                  * 1890, Prag
                  † 1945, Beverly Hills

                  MK 05.05.1927: Juarez und Maximilian, Regie: Richard Révy

                  Franz Werfel kam als Sohn einer Prager jüdischen Fabrikantenfamilie auf die Welt.

                  Im Frühjahr 1933 wurde er aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen. 1938, nach dem ‘Anschluss Österreichs’ flieht er mit seiner Frau nach Südfrankreich, zunächst nach Sanary-Sur-Mer. 1940 fliehen die Werfels zusammen mit den Feuchtwangers und Heinrich Mann, dessen Frau und Golo Mann von Lourdes über die Pyrennäen nach Lissabon und von dort in die USA. 1941 wird Franz Werfel US-amerikanischer Staatsbürger.

                • Richard Wilde

                  • Übersetzer*in
                  * 1872, Berlin
                  † 1938, KZ Sachsenhausen

                  MK 20.11.1927: Früchtchen von R. Gignoux u. J. Théry, Übersetzung aus dem Französischen: Richard Wilde, Regie: Richard Révy

                  Richard Wilde kam am 30. Mai 1872 als Sohn einer Berliner jüdischen Kaufmannsfamilie auf die Welt. Nach einem spektakulären Erfolg seines Stücks Der Liebeshandel 1904 im Theater des Westens in Berlin folgte eine lange und erfolgreiche Karriere als Bühnenschriftsteller. In den 1920er Jahren hatte er in Prag, Berlin und Wien einen Namen als Autor geschmackvoller Komödien. Von 1916 bis 1921 verfasste er auch die Drehbücher für vierzehn Stummfilme, in einem – Der Vetter aus Mexiko (1917)spielte die junge Blandine Ebinger eine Hauptrolle. Er übersetzte Theaterstücke englischer, schwedischer und vor allem französischer Autoren (u. a. Louis Verneuil, Nicolas Nancey, Claude Gevel) ins Deutsche. Er gründete mit den "Verband Deutscher Filmautoren" und war zusammen mit Ludwig Fulda im Vorstand des "Verbandes deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten". Gleichzeitig arbeitete er als Zeitungsredakteur in Berlin für den Börsen-Courier, ab 1924 für das 8-Uhr-Abendblatt als Leiter des Feuilletons. Noch am 19. Juni 1932 berichtete das Neue Wiener Journal:

                  Aus Berlin wird uns gemeldet: der neue Direktor des Neuen Theaters am Zoo Regisseur Dr. Wolfgang Hoffmann-Harnisch hat das dreiaktige Lustspiel „Panne des Herzens“ von Richard Wilde und Friedrich Kalbfuß zur Erstaufführung in der kommenden Spielzeit 1932/33 angenommen.

                  Neue Wiener Journal vom 19.06.1932

                  Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, musste Richard Wilde sofort seinen Schreibtisch beim 8-Uhr-Abendblatt räumen. Nach dem November-Pogrom 1938 wurde er ins KZ Sachsenhausen bei Oranienburg deportiert und am 29. November 1938 dort ermordet.

                  Seine Frau Hermine wurde am 9. Juli 1942 ins KZ-Theresienstadt deportiert, sie überlebte dort bis Anfang 1945 und wurde am 5. Februar mit einem der SS abgerungenen Rot-Kreuz-Transport in die Schweiz in Sicherheit gebracht. Sie starb dort 1953. Der ältere der beiden Söhne, Joachim, war nach Verlust der Arbeit im Juni 1938 mit Frau und Kind nach Argentinien geflohen, lebte später in den 1950er Jahren in einem Kibbuz in Israel, kehrte nach Deutschland zurück und starb 1993 in Rheinland-Pfalz. Wolfgang, der 1911 geborene jüngere Sohn, wurde nach Entlassung und Zwangsarbeit am 28. Juni 1943 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Richard Wildes Schwester Wally Lippschitz (*1873) wurde am 25. März 1943 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet. In Berlin-Charlottenburg erinnern seit 2009 zwei Stolpersteine in der Wielandstraße 30 an Wolfgang Wilde und seinen Vater Richard Wilde, den im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts so populären Bühnenautor.

                  In der taz 17. Mai 2022 „Über einen Star der 1920er Jahre – Nichts für die Ewigkeit“ erinnert Bettina Müller in einen großen, sorgfältig recherchierten Text an den am 19. November 1938 im KZ Sachsenhausen ermordeten Bühnenautor Richard Wilde.

                • Julius Wilhelm

                  • Autor*in
                  * 1871, Wien
                  † 1941, Wien

                  VTH/MK Oktober 1932: Böhmische Musikanten. Singspiel. Im MK Programmheft Oktober 1932 angekündigt: „Erstaufführung noch im Oktober 1932“, Musik: Bernhard Grün, Libretto: Julius Wilhelm und Peter Herz

                  Julius Wilhelm kam am 22. Februar 1871 als Sohn einer Wiener jüdischen Familie auf die Welt. Über seinen beruflichen und künstlerischen Werdegang in jungen Jahren haben wir noch nichts in Erfahrung bringen können. Im Alter von dreißig begann seine Karriere als Librettist. Am 6. Juni 1908 wurde die Operette Die Paradiesvögel am Gärtnerplatztheater in München uraufgeführt, die Musik von dem in Czernowitz geborenen Komponisten Philipp Silber (*1876 – ermordet 1942 im Vernichtungslager Sobibor), das Libretto von A. M. Willner und Julius Wilhelm. Julius Wilhelm arbeitete bevorzugt mit Co-Autoren, u. a. mit Paul Frank, Fritz Grünbaum, Rudolf Österreicher und Peter Herz, mit dem zusammen er Libretti für Bernhard Grüns Operetten schrieb. Bevor Grün ins englische Exil ging, komponierte er die Operette Gaby, die mit großem Erfolg am 22. Februar 1936 am Opernhaus Zürich welturaufgeführt wurde, der Komponist und der Librettist gefeiert bei der Premiere. Julius Wilhelm hatte dieses Libretto zusammen mit Bela Jenbach (*1871 in Miskolc, Österreich-Ungarn) geschrieben, der nach dem NS-Anschluss Österreichs in Wien untertauchte und im Januar 1943 an einer unbehandelten Erkrankung starb. Wie und unter welchen Gefährdungen Julius Wilhelm in Wien damals lebte, wissen wir nicht.

                  Am 29. März 1938 berichtete das Neue Wiener Tagblatt mit einem großen Foto von der „Fahnenübergabe durch Generalfeldmarschall Göring an die erste Jagdfliegergruppe Wiener–Neustadt, die als erste ehemalige österreichische Einheit der Luftwaffe“ ihre Hakenkreuz-Fahne erhielt.

                  Über dem Foto ist unter der Überschrift „Auto und Straßenbahn“ zu lesen:

                  Gestern Abend ist an der Ecke Herrengasse-Regierungsgasse der Schriftsteller Dr. Julius Wilhelm, Hermannsgasse 14 von einem Auto niedergestoßen worden und erlitt Rißquetschwunden an der Nase und über dem Auge.

                  Drei Jahre später, am 20. März 1941 starb Julius Wilhelm in Wien. Er war 70 Jahre alt. Über die Umstände seines Todes wissen wir nichts.

                • Dr. med. Carl Wimpfheimer

                  • Theaterärzte
                  * 1982, Würzburg

                  Nach dem Ersten Weltkrieg, an dem er als Offizier im Sanitätsdienst teilnahm, eröffnete Carl Wimpfheimer 1919 in München eine gynäkologische Praxis am St. Paulsplatz 7/0, die Adresse seiner Eltern, die 1908 nach der Geschäftsaufgabe ihres Schuhwarenladens in Würzburg nach München gezogen waren. 1929 befindet sich die Praxis im Rosental 9/2, 1933 am Marienplatz 24/2, seine letzte Adresse und die seiner hochbetagten Eltern in München vor der Emigration.

                  Dr. Wimpfheimer emigrierte am 4.1.1934 nach England (London), seine Eltern in die Schweiz (Zürich). Am 3.5.1942 ist Dr. Wimpfheimer in der Schweiz als 'staatenlos' registriert, 1955 ist er in Luzern gemeldet.

                  Im Sommer 2020 veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG)75 Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur zu ihrem 63. Kongress in München ein GEDENK-BUCH, das an ihre damals verdrängten, ins Exil gezwungenen, in den Selbstmord getriebenen und ermordeten jüdischen Mitglieder erinnern soll“. undefined In diesem GEDENKBUCH wird in einer der 160 Kurzbiographien erinnert an die Verfolgungsgeschichte des Gynäkologen Dr. Carl Wimpfheimer, ein Theaterarzt der Münchner Kammerspiele, geboren in Würzburg wie der Theaterdirektor der Münchner Kammerspiele, Benno Bing.

                • Christa Winsloe

                  • Autor*in
                  * 1888, Darmstadt
                  † 1944, Cluny

                  Christa Winsloes Theaterstück war 1931 von Leontine Sagan (1913/14 im Ensemble der Münchner Kammerspiele) verfilmt worden unter dem Titel Mädchen in Uniform (u. a. mit Erika Mann, Ellen Schwanneke). Die Nationalsozialisten verboten den Film. Christa Winsloe war eine deutsche Bildhauerin (Studium in München), Schriftstellerin, Drehbuchautorin und Dramatikerin, sie war ungarische Staatsbürgerin durch eine frühere Heirat. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten wurden auch ihre Bücher verboten, sie wurde als Mitglied der SPD und als ausländische Staatsbürgerin für 'politisch unzuverlässig' erklärt. Sie verließ Deutschland und ging mit ihrer Lebensgefährtin, der US-amerikanischen Journalistin Dorothy Thompson, in die USA. Nach ihrer Rückkehr nach Europa lebte sie mit der Schweizer Autorin und Übersetzerin Simone Gentet in Frankreich. Die beiden unterstützten Menschen, die aus Nazi-Deutschland geflohen waren. Im Juni 1944 wurden beide Frauen unter nie aufgeklärten Umständen als Spione verdächtigt und bei Cluny erschossen. Die Täter wurden nie verurteilt.

                • Adolf Wohlbrück

                  • Schauspieler*in
                  * 1896, Wien
                  † 1967, London

                  In der Spielzeit 1924/25 und 1925/26 war er im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Adolf Wohlbrück spielte Hauptrollen in Strindberg– und Shakespeare–Inszenierungen Falckenbergs und in einer Regiearbeit Erwin Fabers, in Maurice Maeterlincks Pelleas und Melisande zusammen mit Grete Jacobsen. Doppelt gefährdet als 'Nicht-Arier' und als erklärter Gegner des nationalsozialistischen Regimes emigrierte er 1936 über Frankreich nach England. Mit dem anglisierten Namen Anton Walbrook spielte er ziemlich erfolgreich in englischen Filmen. 1947 wurde er britischer Staatsbürger. Nach 1951 kehrte er zu Bühnengastspielen nach Deutschland zurück, er spielte in internationalen Filmproduktionen, u. a. in Max Ophüls Spielfilm Der Reigen. Im Frühjahr 1967 erlitt er auf der Bühne der Kleinen Komödie am Max II in München während einer Vorstellung von Noel Cowards Duett im Zwielicht eine Herzattacke, an deren Folgen er im August 1967 starb. Sein Grab ist in Hampstead / London.

                • Friedrich Wolf

                  • Autor*in
                  * 1888, Neuwied
                  † 1953, Lehnitz

                  MK 07.04.1930: Cyankali, Regie: Otto Falckenberg im Nachtstudio

                  Friedrich Wolf, Sohn einer Neuwieder jüdischen Kaufsmannsfamilie war Arzt, Dramatiker, Schriftsteller und kommunistischer Politiker. Sein 1928 veröffentlichtes Drama Cyankali leitete eine erbitterte, bis heute nicht befriedete Diskussion über den §218 ein. 1929/30 verfilmte Hans Tintner Wolfs Drama eines Plädoyers für legalen Schwangerschaftsabbruch in sozialer Notlage mit Grete Mosheim in der Hauptrolle. Die Nationalsozialisten bekämpften ihn schon vor 1933 als 'gemeingefährlichen ostjüdischen Bolschewisten'. Nach der ‘Machtergreifung’ der Nazis emigrierte er mit seiner Familie über Österreich, die Schweiz und Frankreich – wo er das Drama eines jüdischen Arztes, Professor Malmlock schrieb – in die Sowjetunion. Bei Kriegsbeginn 1938 war er in Paris, wurde dort verhaftet und in Le Vernet interniert. 1941 gelang ihm die Rückkehr nach Moskau. Nach der Remigration arbeitete er schriftstellerisch und kulturpolitisch in der DDR.

                  Am 27.07.1946 wurde an den Münchner Kammerspielen Wolfs Drama Professor Malmlock aufgeführt in insgesamt siebzig Vorstellungen. Petzet schreibt zu dieser Inszenierung:

                  Alfred Erich Sistigs Inszenierung (mit dem in dieser Tragödie der Anständigkeit und des geschändeten Vertrauens unübertrefflichen Domin) erzielte atemlose Spannung, aufs höchste gesteigert durch die noch immer kaum faßbare Sensation, daß da von der Bühne herab laut gesagt wurde, was man zwölf Jahre lang nur geflüstert hatte.

                  Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch Verlag 1973 , S. 432.

                • Peter Wolff

                  • Schauspieler*in
                  * 1912, Berlin
                  † 1977, London

                  MK 28.02.1931: Etienne von Jacques Deval. Deutsche Übersetzung: Franz Blei, Regie: Josef Glücksmann, mit Peter Wolff in der Titelrolle, Richard Révy, Karl Kyser, Eleonora Mendelsohn u.a.

                  Peter Wolff kam am 7. November 1912 in Berlin auf die Welt als Sohn einer jüdischen Schauspielerfamilie. Mit siebzehn Jahren stand er 1929 zum ersten Mal vor der Kamera in dem Stummfilm Revolte im Erziehungshaus (Regie: Gregor Asagaroff). 1931 besetzte ihn Fritz Kortner in seinem ersten Tonfilm Der brave Sünder; ein Film, dessen gesamtes künstlerisches Team 1933 aus Deutschland fliehen musste. 1931, in demselben Jahr, in dem er an den Münchner Kammerspielen für die Titelrolle in Devals Stück Etienne engagiert worden war, spielte er auch in der ersten Verfilmung von Carl Zuckmayers Der Hauptmann von Köpenick in der Regie von Richard Oswald. Wie Peter Wolff floh Richard Oswald nach der 'Machtergreifung' der Nazis 1933 nach England.

                  Peters Halbbruder Gerald Wolff (Bremen 26.06.1920 – 16.02.2005 Berlin) war nach dem Tod der Eltern von einem Onkel 1935 mit einem 'Kindertransport' nach England ins sichere Ausland geschickt worden. Die Geschwister begegneten sich nicht wieder.

                  Peter Wolff gelang es ab Anfang der 1940er Jahre in England und in den 1950er Jahren in den USA seine Arbeit als Schauspieler beim Film fortzusetzen.

                  Sein Bruder Gerry Wolff schaffte auf wundersame Weise einen Schulabschluss, schlug sich nach einer Internierung in England durch, schloss sich in London einer Theatertruppe an, kehrte 1947 nach Berlin zurück, wurde am Theater am Schiffbauerdamm engagiert und danach ein hochgeschätzter Theater- und Defa–Filmschauspieler.

                  Peter Wolff alias Victor Beaumont spielte bis kurz vor seinem Tod in US-amerikanischen Filmen, ab 1967 abwechselnd auch in deutschen Kino- und Fernsehfilm-Produktionen.

                • Willi Wolff

                  • Autor*in
                  * 1883, Schönebeck (Elbe)
                  † 1947, Nizza

                  MK/VTh 03.11.1932: Zur gold'nen Liebe. Operette in 4 Bildern (UA 16.10.1931 Komische Oper Berlin)undefined, Regie: Felix Basch a. G., Musik: Ralph Bernatzky, Libretto: Willi Wolf und Martin Zickel, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Choreographie: Senta Born a. G., Bühne: David Schneuer, in Hauptrollen u. a. Grete Maren a. G. Otto Brüggemann

                  Willi Wolff kam am 16.04.1883 in Schönebeck a.d. Elbe auf die Welt. Nach einem Medizin-, einem Philosophie-Studium und zwei Promotionen arbeitete er als Zahnarzt in Berlin. Daneben begann er Libretti für Operetten und Liedtexte für Revuen zu schreiben. 1915 heirateten er und die Schauspielerin und Sängerin Ellen Richter, die am 28.07.1891 in Wien als Käthe Weiß auf die Welt kam, als jüngstes von fünf Kindern einer jüdischen Familie. Die beiden wurden auch beruflich ein Team, gründeten ein Filmproduktionsfirma, sie der selbstbestimmte Star vor der Kamera, er Regisseur, Drehbuchautor und verantwortlich für die Produktion und künstlerische Gesamtleitung. Auch der Umstieg auf den Tonfilm gelang den beiden, die gründeten 1932 die Produktionsfirm RITON (Ellen Richter Tonfilm), aber 1933 wurde Ellen Richter mit einem Auftrittsverbot belegt, ihre Produktionsfirmen wurden enteignet, „arisiert“ und umbenannt. Manolescu. Der Fürst der Diebe wurde ihr letzter Spielfilm, noch uraufgeführt am 17. März 1933 in Berlin. Regie führte Willi Wolff, der auch die Texte zu den von Willy Rosen komponierten Liedern schrieb. Neben Ellen Richter trat auch Mady Christians in einer Hauptrolle auf.

                  1934 produzierte Wolff seinen letzten Spielfilm Wer wagt gewinnt. Bezauberndes Fräulein mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle. 1935 verließen Richter und Wolff Deutschland, sie gingen nach Wien, 1938 wurde sie aus der Reichsfilmkammer ausgeschlossen, die beiden flohen nach Paris, wo er wieder als Zahnarzt arbeitete. Im Juni 1940 flohen die beiden nach Lissabon und von dort mit Unterstützung von Ernst Lubitsch nach New York. Wolff nahm noch einmal ein Medizinstudium auf, erwarb den US-amerikanischen Doktortitel, 1946 wurde beide US-amerikanische Staatsbürger. Während einer Europareise starb Willi Wolff an einem Herzinfarkt in Nizza im Alter von 63.

                  Ellen Richter pendelte danach zwischen den USA, der Schweiz und Deutschland, sie starb am 11.09.1969 in Düsseldorf.

                  Die Website des Filmportals schreibt über Ellen Richter:

                  "Trotz ihrer damaligen Popularität und einer Filmografie von über 70 Filmen gehörte Ellen Richter lange Zeit zu den von der Filmgeschichtsforschung marginalisierten und damit vergessenen Frauen, die in den frühen Jahren dem Kino in allen Gewerken maßgeblich Form und Ausdruck gaben."

                • Otto Zarek

                  • Dramaturg*in
                  * 1898, Berlin
                  † 1958, Berlin

                  Schriftsteller, Regisseur. 1920–1922 Dramaturg an den Münchner Kammerspielen.

                  1933 nach dem Reichstagsbrand Flucht nach Ungarn, Juni 1938 Emigration nach England, 1940 Eintritt in die British Army, 1954 Remigration nach Berlin.

                  In einem Essay in der Zeitschrift „Das Tage-Buch“ vom 15. August 1925, unter dem Titel „UNSITTLICHKEITS-PROZESS“ über die Münchner Justiz und Kunst, schreibt Otto Zarek diese politische Hommage an die Kanzlei KAUFMANN – HIRSCHBERG – LOEWENFELD:

                  „Sodann wirken mit: der Verteidiger, Rechtsanwalt Adolf Kaufmann, der langjährige Mitleiter der Münchner Kammerspiele und schon deshalb ein verdienstvoller Mann; als Anwalt Ernst Tollers in schwerster Zeit als mutiger Bekämpfer der Ordnungszelle bewährt; in der Kanzlei Kaufmann – Hirschberg – Loewenfeld, der „Fechenbach-Kanzlei“, dem Bollwerk des Gerechtigkeitskampfes, der mutigsten Kanzlei Süddeutschlands. (Man kann es nicht oft genug rühmen!)

                  Otto Zarek: „Das Tage-Buch“. Hg. v. Stefan Grossmann. Berlin 15. August 1925, Heft 33, S. 1208–1213.

                • Martin Zickel

                  • Autor*in
                  * 1876, Breslau
                  † 1932, Berlin

                  MK/VTh 03.11.1932: Zur goldn'nen Liebe. Operette in 4 Bildern (UA 16.10.1931 Komische Oper Berlin)undefined, Musik: Ralph Benatzky, Libretto: Willi Wolff und Martin Zickel, Musikalische Leitung: Hermann Ludwig, Choreographie: Senta Born a. G., Bühne: David Schneuer, Regie: Felix Basch a. G., in Hauptrollen u. a. Grete Maren a. G. Otto Brüggemann

                  Martin Zickel kam am 7. Dezember 1876 in Breslau als Sohn einer jüdischen Familie auf die Welt. Nach einem Germanistikstudium und Promotion in Berlin wurde er Gründungsmitglied des Kabaretts „Schall und Rauch“. Am 15. September 1900 gründete er zusammen mit dem Wiener Paul Martin (Blaustein) am Alexanderplatz die innovative Secessionsbühne mit Kontrastspielplan zum naturalistischen Theater, wenngleich die Secessionsbühne mit einer Inszenierung von Henrik Ibsens Komödie der Liebe ihre Eröffnung feierte.

                  Die künstlerisch erfolgreiche aber finanziell prekäre Direktion gab er 1904 auf und wurde Direktor des neueröffneten Berliner Lustspielhauses („seinem Ehrgeiz genüge es, wenn er am Ersten jedes Monats sämtlichen Angestellten die Gage auszahlen könne“). Er gehörte in der Berliner Theaterszene zu den hyperaktiven Theaterdirektoren, zuletzt 1929/30 als Leiter der komischen Oper. Für Ralph Benatzky und Hugo Hirsch schrieb er auch Operetten-Libretti. In den 1920er Jahren führte er bei neun Filmen Regie oder schrieb dafür das Drehbuch. Er starb am 14. Juli 1932 in Berlin an den Folgen eines Nierenleidens, wenige Monate vor der Premiere im Volkstheater.

                  Am 9. November 1932 schrieb im Völkischen Beobachter der NS-Propagandist Dr. Walter Stang einen hasserfüllten, antisemitischen Kommentar zu dieser MK/VTH Produktion:

                  Neuheit: 'Zur goldenen Liebe', Lustspiel mit Musik von Benatzky, Willi Wolff und Martin Zickel. Dieses sogenannte Lustspiel mit Musik ist vermutlich die letzte Neuheit des Volkstheaters unter der alten Direktion gewesen. Und sie war auch darnach. Anscheinend wollte die alte Direktion den Beweis noch einmal recht deutlich liefern, wie gerecht doch die Entwicklung verfährt, wenn sie diese Art „Kultur“pflege mit Stumpf und Stil ausrottet . . .. . . Ob es dem neuen Direktor Erwin Hahn gelingen wird, das Volkstheater aus seiner Versumpfung herauszuführen und ihm eine neue künstlerische Bedeutung für München zu geben, wird vor allem davon abhängen, inwieweit es ihm gelingt, sich von jüdischen Einflüssen und jüdischem Geschmack freizuhalten.

                  Völkischer Beobachter, 9.11.1932

                  Martin Zickels früher Tod, er starb mit erst 55 Jahren, bewahrte ihn vor der sicheren Verfolgung durch die Nationalsozialisten.

                • Erich Ziegel

                  • Theaterleiter*in
                  • Regisseur*in
                  • Schauspieler*in
                  * 1876, Schwerin
                  † 1950, München

                  Erich Ziegel wurde in der Spielzeit 1912/13 als Schauspieler von Eugen Robert an die Münchner Kammerspiele engagiert. Er inszenierte Kameraden(26.4.1913)von August Strindberg mit großem Erfolg und war von April 1913 bis August 1916 künstlerischer Direktor der Münchner Kammerspiele, Regisseur und Schauspieler an diesem Theater, zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Mirjam Horwitz (1889 – 1967). Beide gingen 1916 nach Hamburg ans Thalia Theater, 1918 gründeten sie die Hamburger Kammerspiele, ein ambitioniertes Theater für zeitgenössische Stücke mit einem Ensemble junger Schauspieler*innen. 1926 wurde er Direktor des Hamburger Schauspielhauses, 1928 des Thalia Theaters und Mirjam Horwitz übernahm die Leitung der Kammerspiele. Als nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten die Jüdin Mirjam Horwitz mit einem Auftrittsverbot belegt wurde, floh sie nach Wien, Erich Ziegel folgte ihr 1934, zusammen setzten sie ihre Theaterarbeit an den Wiener Kammerspielen fort. Im Januar 1936 inszenierte Erich Ziegel dort Strindbergs Kameraden mit Mirjam Horwitz, Sidonie Lorm, Hedda Berger und Paul Morgan, die alle an den Münchner Kammerspielen gespielt hatten und 1933 aus Deutschland fliehen mussten. Mit der Spielzeit 1936/37 engagierte der vor 1933 in Hamburg von Ziegel geförderte Gustav Gründgens, der inzwischen in Berlin Generalintendant des Staatlichen Schauspielhauses war, Erich Ziegel als Regisseur, Dramaturg und Schauspieler an sein Haus. Da Erich Ziegel dem Druck, sich von seiner jüdischen Frau zu trennen, widerstand, konnte er sie vor Verfolgung schützen. Erst nach dem Ende der Nazi-Herrschaft konnte sie wieder als Schauspielerin arbeiten. 1945 entschieden sich Erich Ziegel und Mirjam Horwitz für Wien als neuen Lebensmittelpunkt, am 14. September 1945 inszenierte er dort an den Kammerspielen John Steinbecks DER MOND GING UNTER, gefeiert als Künstler, der “ein Stück Theatergeschichte repräsentiert, der seine große Laufbahn während der Zeit des ersten Weltkrieges als Direktor der Münchner Kammerspiele begann, der den späterhin berühmten Leiter dieses Theaters: Falckenberg entdeckte ...” (in der Wiener Zeitschrift DIE BÜHNE Heft 10/1945). Von 1946 – 1950 war Erich Ziegel Direktor des Wiener Theaters DIE INSEL, Regisseur und zusammen mit seiner Frau Mirjam Horwitz Schauspieler auf der Bühne dieses Theaters. Am 30. November 1950 stirbt Erich Ziegel bei einem Aufenthalt in München.

                • Mimi Zoff

                  • Übersetzer*in
                  geb. Mimi
                • Otto Zoff

                  • Dramaturg*in
                  • Direktor*in
                  geb. Otto
                  * 1890, Prag
                  † 1963, München

                  Otto Zoff, Journalist, Lektor und Schriftsteller wurde 1917 von Otto Falckenberg als Dramaturg an die Münchner Kammerspielen geholt. Von 1919–1923 war er dort einer der stellvertretenden künstlerischen Direktoren und inszenierte mit seiner Bearbeitung von Eichendorffs Die Freier ein Erfolgsstück des Theaters. 1914 heirateten er und Mimi Hamerschlag (Nymburk/Böhmen 11.12.1890 – 13.12.1967 New York) in Wien, die beiden begannen als Paar mit literarischer Koproduktion: er als Entdecker, sie als Übersetzerin. Mimi Zoff wurde eine eminente Übersetzerin, von ihr wurden zwischen 1923 und 1932 an den Kammerspielen die deutschen Bearbeitungen von sieben englischen und französischen Theaterstücken inszeniert.

                  Otto Zoffs Halbschwester Marianna Zoff und Bertolt Brecht heirateten 1922.

                  Mimi und Otto Zoffs Ehe wurde 1924 geschieden. Sie konnte der NS-Verfolgung durch Flucht in die USA entfliehen. Otto Zoff floh mit seiner dritten Frau Lieselotte Kalischer 1933 nach Italien, 1935 nach Frankreich, 1941 in die USA. 1961 remigrierte er nach Deutschland und starb im Alter von 73 im Dezember 1963 in München.

                • Bertha Zuckerkandl

                  • Autor*in
                  • Übersetzer*in
                  * 1864, Wien
                  † 1945, Paris

                  MK 04.06.1928: Coeur Bube von Jacques Natanson, Übersetzung aus dem Französischen: Berta Zuckerkandl, Regie: Leontine Sagan u. a. mit Julius Seger

                  MK Sommer 1928: Robert und Marianne von Paul Géraldy, Übersetzung aus dem Französischen: Berta Zuckerkandl, Gastspiel des Max Reinhardt Ensembles Berlin u. a. mit Grete Jacobsen

                  MK 26.10.1928: Ich liebe dich von Sacha Guitry, Übersetzung aus dem Französischen: Berta Zuckerkandl, Regie: Josef Glücksmann

                  MK 10.09.1929: Soeben erschienen von Edouard Bourdet, Übersetzung aus dem Französischen: Berta Zuckerkandl, Regie: Julius Gellner

                  MK 11.-17.06.1930: ER von Alfred Savoir, Übersetzung aus dem Franzöischen: Berta Zuckerkandl, Gastspiel der Tribüne Berlin, Regie: Eugen Robert – u. a. mit Conrad Veidt, Paul Marx

                  MK (geplant 1936): La Guerre de Torie n'aura pas lieu von Jean Giraudou. Am 30. Januar 1936 schreibt die NS-Reichsdramaturgie an die Intendanz der Münchner Kammerspiele zu dieser geplanten Inszenierung:

                  „Ich sehe vorerst keine Notwendigkeit, das Stück 'La Guerre de Troie n'aura pas lieu'von Jean Giraudoux aufzuführen“.

                  Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Kurt Desch 1973, S. 263.

                  Am 21.01.1937 wird am Schauspielhaus Zürich das Stück von Giraudoux in der in der Übersetzung von Anette Kolb und Berta Zuckerkandl mit dem Titel Es kommt nicht zum Krieg, inszeniert von Leopold Lindtberg, u. a. mit Traute Carlsen, Kurt Horwitz, Ernst Ginsberg, Erwin Kalser.

                  Berta Zuckerkandl kam am 13. April 1864 in Wien auf die Welt und wuchs in einer großbürgerlichen, kosmopolitischen österreichisch-jüdischen Familie auf. Ihr Vater Moritz Szeps (Busk bei Lemberg 1835–1902 Wien) war der liberale Verleger des Neuen Wiener Tagblatts und der Wiener Morgenzeitung.

                  1886 heiratete Berta Szeps den Universitätsprofessor Emil Zuckerkandl (01.09.1849 –28.05.1910), Anatom und Anthropologe. Vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 1938 führte sie in Wien einen literarischen Salon, in dem die politisch liberale künstlerische und wissenschaftliche Elite des Landes verkehrte. Sie engagierte sich publizistisch für einen kulturellen und politischen Dialog zwischen Österreich und Frankreich. Ihr politisches Engagement richtete sich gegen den Antisemitismus in Österreich und in Frankreich. Bertas ältere Schwester Sophie (1862–1937) war mit dem Bruder des späteren französischen Ministerpräsidenten Georges Clemenceau verheiratet. Aufgrund ihrer intensiven Verbindungen nach Frankreich wurde sie eine der renommiertesten Übersetzerinnen zeitgenössischer Bühnentexte französischer Theaterautoren. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten in Österreich im März 1938 konnte sie nach Frankreich fliehen. Der französische Autor Paul Géraldy war nach Wien gekommen, um ihr bei ihrer Flucht nach Paris helfen. Als Trägerin des Ordens der Ehrenlegion war sie zunächst von der Internierung jüdischer Ausländer ausgenommen und konnte im Frühjahr 1940 zu ihrem schon früher emigrierten Sohn Fritz nach Algier ziehen und der Verfolgung im besetzten Frankreich entkommen. Eine Emigration in die USA gelang ihr nicht mehr. 1945 kehrte sie nach Paris zurück, bereits schwer krank, sie starb dort am 16. Oktober 1945. Im Narrativ der Münchner Kammerspiele kam ihr Name bisher nicht vor.

                • Carl Zuckmayer

                  • Autor*in
                  * 1896, Nackenheim
                  † 1977, Visp

                  MK 09.02.1926: Fröhlicher Weinberg, Regie: Albrecht Joseph

                  MK 18.12.1928: Schinderhannes, Regie: Richard Weichert a.G.

                  MK 22.05.1931: Der Hauptmann von Köpenick, Regie: Julius Gellner mit Kurt Horwitz in der Hauptrolle

                  Carl Zuckmayer war in München im Februar 1926 mit seinem Stück Fröhlicher Weinberg ins Visier der Nationalsozialisten geraten, allen voran Karl Fiehler, der damalige Fraktionsvorsitzende der NSDAP im Stadtrat, 1933–1945 Oberbürgermeister und – im retrospektiven Weichzeichner-Narrativ der Kammerspiele – ein ''liberaler Förderer' Falckenbergs. Karl Fiehler hatte das Stück als „Misthaufen des Halbjuden Zuckmayer“ diffamiert und ein polizeiliches Verbot beantragt.

                  Zuckmayer verließ nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten Deutschland und ging Österreich, nach dem ‘Anschluss’ 1938 floh er in die Schweiz und 1939 in die USA. 1946 kehrte er als US-amerikanischer Staatsbürger zurück nach Europa. Neben dem Wohnort in den USA bewegt sich Zuckmayer zwischen Wohnorten in Österreich und der Schweiz.

                • Stefan Zweig

                  • Autor*in
                  * 1881, Wien
                  † 1942, Petrópolis

                  Stefan Zweig war ein österreichisch jüdischer Schriftsteller, Übersetzer und ein erklärter Pazifist. 1933 setzten die Nationalsozialisten seine Werke auf die Liste der zu verbrennenden Bücher verbotener Autor*innen. Im Februar 1934 emigrierte er nach London, 1940 über New York und Buenos Aires nach Brasilien. An den Münchner Kammerspielen wurde 1925 Rudolf Franks Inszenierung des Einakters Der verwandelte Komödiant im Doppelpack aufgeführt zusammen mit Otto Falckenbergs Inszenierung von Romain Rolands Ein Spiel von Tod und Liebe, ebenfalls mit Leiko, Donath. Im brasilianischen Exil begehen Stefan Zweig und seine zweite Frau Charlotte, geb. Altmann (*Katowice 05.05.1908) am 28. Februar 1942 zusammen Selbstmord.

                • Franziska de Graaf

                  • Übersetzer*in
                  * 1871, Berlin
                  † 1955, Wassemaar

                  MK 22.05.1915: Kettenglieder ('Schakels'). Ein fröhliches Spiel am häuslichen Herd von Herman Heijermans, Übersetzung aus dem Niederländischen: Franziska de Graaff, Regie: Paul Marx, u. a. mit Annie Reiter, Lotte Fliess, Carl Götz a. G.

                  Franziska de Graaff kam am 26.12.1871 in Berlin auf die Welt, als Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie. Als ihr Vater Samuel Levy 1888 starb begann ihre Mutter Emilie (1839–1901), eine ausgebildete Lehrerin, als Schriftstellerin mit Büchern für junge Mädchen (Frühlingsstürme – Erzählungen für erwachsene Mädchen, 1891) und als Feuilletonistin für die Familie zu sorgen. Franziska Levy lernte Ende der 1890er Jahre im politisch linken Milieu Berlins einen überzeugten holländischen Sozialisten kennen, den Blumenzwiebelzüchter und Floristen Willem de Graaf (1873–1959). Sie ging mit ihm nach Holland. Sie heirateten, schlossen sich im Umkreis des Astronomen und Marxisten Anton Pannekoek (1873–1960) der sozialistischen SDAP an, später der kommunistischen Partei.

                  Franziska de Graaff bewarb sich im Februar 1901 bei dem holländischen Schriftsteller Herman Heijermans (Rotterdam 1864–1924 Zandvoort) als Übersetzerin und arbeitete für ihn zehn Jahre lang als eine seiner autorisierten Übersetzer*innen seiner sozialrealistischen Theaterstücke ins Deutsche, die vor allem in Berlin mit großem Erfolg aufgeführt wurden. Die digitale Bibliotheek voo de Nederlandse legt über ihre Zusammenarbeit Zeugnis ab.undefined

                  Franziska de Graaff-Levy, ihr Mann Willem de Graaff und ihre Kinder überlebten die NS-Gewaltherrschaft im besetzten Holland.

                  Eine andere der deutschen Übersetzer*innen der Werke Hermann Heijermans, Regina Ruben, geb. Stern (30.07.1858 Bad Oenhausen– 07.05.1943) wurde im KZ Sobibor ermordet.

                • Raúl de Lange

                  • Schauspieler*in
                  * 1893, Buenos Aires
                  † 1964, Buenos Aires

                  MK 01./02.09.1930: Der Diener zweier Herren von Carlo Goldoni. Zwei Gastspielabende der Salzburger Festspiele 1930. Regie: Max Reinhardt mit Ensemble, u. a. mit Raúl De Lange in der Rolle des Silvio

                  MK 06.05.1931: Der Diener zweier Herren von Carlo Goldoni. Gastspiel der Reinhardt – Bühnen Berlin, Regie: Max Reinhardt, u. a. mit Raoul Lange

                  Raúl De Lange kam am 19. Februar 1893 in Buenos Aires auf die Welt als Sohn einer aus Österreich nach Argentinien ausgewanderten jüdischen Familie. Als Jugendlicher kam er nach Wien zur Ausbildung als Schauspieler an der Wiener Akademie für Musik und Darstellende Kunst. Er debütierte am Theater in Troppau und erhielt ein Engagement am Theater Hannover. Später engagierte ihn Max Reinhardt als festes Mitglied seines Ensembles im Theater in der Josefsstadt. Nach der NS-Annexion 1938 floh er aus Österreich in sein Geburtsland Argentinien. Dort setzte er seine Arbeit als Schauspieler und Pianist im Theater sowie in vier Filmen mit großem Erfolg fort. Er starb am 2. Oktober 1964 in seiner Geburtsstadt Buenos Aires.

                • Irma von Cube-Kalser

                  • Schauspieler*in
                  geb. Irmgard
                  * 1899, Hamburg
                  † 1977, Los Angeles

                  Irm(g)a(rd) von Cube war in den Spielzeiten 1917/18 und 1920/21 im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Sie lernte dort den Schauspieler und Regisseur Erwin Kalser (Berlin 1883–1958 Berlin) kennen, sie heirateten. 1920 wurde ihr Sohn Konstantin (München 1920–1994 New York) geboren, der Photograph und Filmregisseur wurde. 1922 gingen sie nach Berlin, 1933 nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten emigrierten sie in die Schweiz, Erwin Kalser arbeitete am Schauspielhaus Zürich bis 1939, Irma von Cube ging 1936 voraus in die USA, ihr Mann folgte ihr 1939. Beide arbeiteten in Hollywood. 1949 remigrierte Erwin Kalser nach Zürich ans Schauspielhaus, Irma von Cube arbeitete noch an einigen Filmen in den USA, 1952 kehrten beide nach Berlin zurück.

                • Hedwig von Gerlach

                  • Übersetzer*in
                  * 1874,
                  † 1956, Paris

                  MK 17.05.1926: Das Grabmal des unbekannten Soldaten ('Le tombeau sous l'arc de triomphe') von Paul Raynal, Übersetzung aus dem Französischen: Hedwig von Gerlach, Regie: Otto Falckenbergundefined

                  In einem Feuilleton-Artikel am 10. März 1927 im Neuen Wiener Tagblatt schrieb Maria Stona über eine Inszenierung des Stücks in Berlin:

                  "Im Theater am Schiffbauerdamm wird Abend für Abend seit Monaten 'Das Grabmal des unbekannten Soldaten' von Paul Raynal gespielt, sehr gut übersetzt von Hedwig von Gerlach. An der Wärme, mit der diese Tragödie eines Franzosen von den Deutschen aufgenommen wird, erkennt man, daß der große Jammer des Krieges, wenn er echt menschliche Gefühle zu packen vermag, von keiner nationalen Enge bedrängt wird. Dies Stück hat für die Annäherung zwischen Frankreich und Deutschland vielleicht erfolgreicher gewirkt als manches Aktenstück der Diplomaten. Man beschäftigt sich in Berlin viel mit Frankreich."

                  Maria Stona im Neuen Wiener Tageblatt am 10.03.1927

                  Über die Übersetzerin von Paul Raynards Theaterstück haben wir bisher so gut wie nichts in Erfahrung bringen können. Ihre Biographie ist wie ein einziger Faden eingewoben in die des deutschen Journalisten, Politikers und Pazifisten Helmut von Gerlach (Mönchmotschelnitz/Schlesien 02.02.1866 – 01.08.1935 Paris).

                  Der Titel Helmut von Gerlachs posthum 1937 in Zürich erschienenen Autobiographie Von rechts nach linksundefined, ist die prägnante Kurzfassung seines Lebenslaufs. Er stand zunächst christlich-sozial reaktionär antisemitischen Kreisen nahe, entwickelte dann durch Kontakte mit Friedrich Naumann eine liberale politische Haltung. 1904 heirateten Hedwig Wiesel und Helmut von Gerlach. Sie bekamen eine Tochter – Gerda Davoren – und einen Sohn, Wolfgang. Im ersten Weltkrieg nahm Gerlach eine pazifistische Haltung ein, 1919 trat er dem Rat des Internationalen Friedensbüros bei und setzte sich publizistisch für eine deutsch-französische Verständigung ein. 1926 wurde er Vorsitzender der Deutschen Liga für Menschenrechte. Für den inhaftierten Carl von Ossietzky übernahm er 1932die Leitung der Zeitschrift Die Weltbühne. Helmut und Hedwig Gerlach waren längst im Visier der Nationalsozialisten. Am 9. Februar 1933 wurden ihnen die Reisepässe entzogen, im März 1933 flohen sie nach Österreich. Auf Einladung der französischen Liga für Menschenrechte gingen sie nach Paris, wo sie ihr antinazistisches Engagement fortsetzten, im Rahmen der Volksfrontbewegung. Am 25. August 1933 wurde ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Helmut von Gerlach starb am 1. August 1935 in Paris, Hedwig von Gerlach 1956.

                • Eleonora von Mendelsohn

                  • Schauspieler*in
                  * 1900, Berlin
                  † 1951, New York

                  Am 27.02.1930 an den Münchner Kammerspielen in der Uraufführung des Stücks Kreatur von Ferdinand Bruckner, Regie: Otto Falckenberg, 02.05.1931 in Minna von Barnhelm, Regie: Otto Falckenberg. 1933 emigrierten Eleonora von Mendelsohn und ihr Bruder, zwei junge Erben einer Berliner jüdischen Bankiersfamilie nach Wien, im Herbst 1935 nach New York. Sie unterstützten Emigrierende in Not. Beide lebten ziemlich turbulente Leben.

                • Francesco von Mendelssohn

                  • Schauspieler*in
                  geb. Franz
                  * 1901, Berlin
                  † 1972, New York

                  MK 20./22. und 25.10.1931: Intimitäten von Noel Coward. Deutsch von Bruno Frank, Regie: Francesco von Mendelssohn, Gastspiel Else Eckersberg, Otto Gebühr, u. a. mit O.E. Hasse, Ilva Günten

                  Franz von Mendelssohn und seine Schwester Eleonora von Mendelssohn (Berlin 12.01.1900 – 24.01.1951 New York City, USA) kamen in Berlin auf die Welt als Kinder einer sehr vermögenden jüdischen Bankiersfamilie. Von Pablo Casals zum Cellisten ausgebildet, konzertierte Franz von Mendelssohn als Solist und Mitglied von Streichquartetten in ganz Europa. Er schrieb eine Monographie über Eleonora Duse, übersetzte Theaterstücke Pirandellos ins Deutsche und arbeitete in Berlin als Theaterregisseur an den Max Reinhardt Bühnen. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten flohen die Geschwister aus Deutschland, Eleonora zunächst nach Österreich, Franz nach Venedig und Paris, mit frühen Kontakten nach New York. Dort inszenierte er 1933 am Broadway Die Dreigroschenoper. 1935 emigrierte er zusammen mit seiner Schwester in die USA. Er arbeitete als Regieassistent Max Reinhardts in New York. Die Geschwister unterstützten finanziell aus Europa geflohene Theaterkünstler*innen. Die beiden lebten ein ziemlich turbulentes Leben im Exil. Eleonora starb im Januar 1951 unter ungeklärten Umständen, Francesco von Mendelssohn verbrachte das letzte Drittel seines Lebens in psychiatrischen Kliniken, er starb vereinsamt am 22. September 1971 in New York.

                • Fritz von Unruh

                  • Autor*in
                  * 1885, Koblenz
                  † 1970, Diez a.d. Lahn

                  MK 08.12.1923: Louis Ferdinand Prinz von Preussen, Regie: Otto Falckenberg

                  Auf die Welt gekommen als Mitglied des alten preußischen Adels, als Kompaniechef im Ersten Weltkrieg schwer verwundet, wurde Fritz Unruh Pazifist und engagierter Republikaner, ein erklärter Gegner der Nationalsozialisten, die gegen seine Stücke mobilisierten. Im Mai 1933 wurde er aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen, er emigrierte nach Italien, von dort nach Südfrankreich und floh 1939 über Spanien in die USA. 1962 kehrte er nach Deutschland zurück.

                • Rudolf Österreicher

                  • Autor*in
                  * 1881, Wien
                  † 1966, Wien

                  MK 23.12.1931: Konto X von Rudolf Bernauer und Rudolf Oesterreicher, Regie: Richard Révy

                  Rudolf Österreicher war ein österreichisch jüdischer Schriftsteller, Operetten-Librettist, Theater- und Drehbuchautor. Er hatte für den ungarisch-österreichischen Film Ende schlecht, alles gut 1934 zusammen mit Menyhért Lengyel noch das Drehbuch geschrieben. Danach hatte er Arbeitsverbot, er überlebte in Wien, unter welchen Umständen ist nicht bekannt, und war nach 1945 Direktor des Wiener Stadttheaters.

                  Der Regisseur des Films Ende schlecht, alles gut, der österreichisch jüdische Schauspieler Fritz Schulz (Karlsbad 1896–1972 Zürich), populärer Stumm- und Tonfilmdarsteller vor 1933 in Berlin, wurde von den Nationalsozialisten aus der Reichsfilmkammer ausgeschlossen. Zurück in Wien wurde er im Mai 1938 zusammen mit anderen jüdischen Künstlern aus der Berliner Zeit festgenommen, mit Paul Morgan wurde er ins KZ Buchenwald deportiert, das Morgan nicht überlebte. Schulz gelang es mit Hilfe einer Fürsprecherin freizukommen und in die Schweiz zu fliehen. Lengyel floh 1933 nach London.

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