Diese Website ist den Mitarbeiter*innen der Münchner Kammerspiele gewidmet, die in der NS-Zeit entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Im Sinne einer fortlaufenden Erinnerungsarbeit wird hier an ihre oftmals vergessenen und verdrängten SCHICKSALE erinnert.
Seit 2018 recherchieren Janne und Klaus Weinzierl die SCHICKSALE von Mitarbeiter*innen der Münchner Kammerspiele in der NS-Zeit. Dieses Vorhaben bildet den Ausgangspunkt des Künstlerischen Forschungsfeldes “Erinnerung als Arbeit an der Gegenwart” unter der Leitung von Martín Valdés-Stauber.
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MK: Schicksale
Info
Wir freuen uns über Ihre Hinweise, Korrekturen und Mitarbeit.
Kontakt: erinnerungsarbeit.mk@kammerspiele.de
Recherche und Texte: Janne und Klaus Weinzierl
Redaktion: Felicitas Friedrich
Entwicklung und Design: Marco Land, Mirko Podkowik (runningwater.eu)
Künstlerische Leitung: Martín Valdés-Stauber
Gefördert von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und dem Bundesministerium der Finanzen (BMF).
Die Münchner Kammerspiele an der Maximilianstraße im Herzen der Stadt sind ein identitätsstiftender Ort für die Stadt München und seit ihren Anfängen impulsgebend für die Szenischen Künste. Erinnerungspolitisch waren die Kammerspiele lange Zeit typisch: Die Erzählung der eigenen Geschichte wusste nur von einem Bruch 1945 zu berichten – und nicht etwa von dem Bruch 1933. Außerdem waren in erinnerungslosen Jahrzehnten die SCHICKSALE der Mitarbeiter*innen der Kammerspiele in der NS-Zeit unerzählt geblieben.
Dagegen wendet sich dieses 2018 begonnene Rechercheprojekt. Öffentliche Lesungen suchten, die ungesagten SCHICKSALE in die Erinnerung des Theaters einzuweben. Erinnerungszeichen konnten am Eingang des Schauspielhauses angebracht werden, um dauerhaft an ermordete Mitarbeiter*innen der Kammerspiele zu erinnern. Diese Website nun ermöglicht es, den gegenwärtigen Forschungsstand der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Fortlaufend werden Erkenntnisse aus der Recherchearbeit auf dieser Website ergänzt. Das Projekt SCHICKSALE versteht sich dabei auch als Versuch, Geschichtsschreibung anhand konkreter Schicksale zu bereichern.
An den Münchner Kammerspielen wurde sein Stück Kinder des Zufalls in der Inszenierung Paul Kalbecks aufgeführt (Premiere: 18.04.1918). Die Schauspielerin Ruth Albu war eine der beiden Töchter, sie floh 1933 nach Wien, spielte dort nach 1935, bevor sie über England in die USA emigrierte. Ihre Eltern waren vermutlich bereits 1933 nach England und weiter in die USA emigriert.
Ruth Albu
Schauspieler*in
* 1908,
Berlin
† 2000,
Montecito
Am 20. Februar 1934 legt der Geheime Commerzienrat Heinrich Roeckl, der Aufsichtsratsvorsitzende der im September 1933 gegründeten „Neue Münchner Kammerspiele GmbH“ einem Schreiben an den Stadtrat der Landeshauptstadt München betr. Zuschüsse und Ausfall-Garantie eine "Liste der aus den Kammerspielen hervorgegangenen Schauspieler & Schauspielerinnen" bei, die zeigen soll „dass das Propaganda-Ministerium oder der Bayerische Staat ebenfalls ein Interesse daran haben müssen, die Kammerspiele als Bühne zu erhalten, welche den Großteil deutscher Schauspieler und Schauspielerinnen herausbringt ...“
In dieser Liste von 31 Schauspieler*innen werden im Februar 1934 acht jüdische Schauspieler*innen mit genannt, die bereits 1933 nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten aus Deutschland geflohen waren: Ruth Albu, Sybille Binder, Therese Giehse, Blandine Ebinger, Ludwig Donath, Kurt Horwitz, Ernst Ginsberg, Adolf Wohlbrück und eine jüdische Schauspielerin: Grete Jacobson, die Berufsverbot erhalten hatte und der Verfolgung entgehen konnte, weil ihr Mann, Erwin Faber, dem NS-Druck widerstand, sich von seiner Frau scheiden zu lassen.
Auf allen künftigen Namenslisten bis 1943 von Darstellern, die aus den Münchner Kammerspielen unter Leitung Otto Falckenbergs hervorgingen, wurden alle jüdischen Schauspieler*innen entfernt.
Ruth Albu spielte bis zu ihrem Ausschluss aus der Reichstheaterkammer 1933 in Königsberg, in Breslau, in Berlin am Lessing Theater und am Renaissance Theater (mit Ernst Deutsch). Zusammen mit Valeska Gert, Blandine Ebinger und Annemarie Haase trat sie in der Kabarett-Revue Laterna Magica auf. Sie spielte vor ihrer Flucht in fünf Spielfilmen u. a. in Geschminkte Jugend (1929).
Im August 1933 flieht sie nach Wien, dort spielt sie noch im Februar 1935 am Raimund Theater zusammen mit Karl Kyser in einem Edgar Wallace Stück unter der Regie von Josef Glücksmann. Vor dem 'Anschluss' emigriert sie über Paris und London in die USA. Sie stirbt am 27.02.2000 in Kalifornien. Von Ruth Albus Vater, Eugen Albu (Berlin 1871– ? 1935), wurde an den Münchner Kammerspielen das Stück Kinder des Zufalls (Premiere 18.04.1918) in einer Inszenierung Paul Kalbecks aufgeführt. Er war zusammen mit seiner Frau 1933 nach England geflohen, in die USA emigriert und kurz nach der Ankunft dort gestorben.
Max Alsberg
Autor*in
Gutachter*in
* 1877,
Bonn
† 1933,
Samedan
Juristischer Gutachter der Münchner Kammerspiele 1929 und Autor des Stücks Voruntersuchung, aufgeführt 1931 an den Kammerspielen.
Alsberg war ein renommierter, jüdischer Strafverteidiger und Universitätslehrer der Weimarer Republik mit seiner Kanzlei in Berlin. Er hatte u. a. in München studiert. Als im November 1929 die Münchner Polizeidirektion die Aufführung des Stücks Die Verbrecher v. Ferdinand Bruckner in der Inszenierung Richard Révys bereits vor der Premiere verbot, war Alsberg einer der Gutachter für die Münchner Kammerspiele. Nach einer geschlossenen Aufführung blieb das Stück weiter verboten. Am 18.04.1931 inszenierte Ernst Held an den Kammerspielen Alsbergs Stück Voruntersuchung.
Im April 1933 emigrierte Alsberg in die Schweiz. Verfolgt und entrechtet beging er nach einem psychischen Zusammenbruch im Sanatorium in Samedan (Kanton Graubünden) am 11. September 1933 Suizid.
Eugen Auerbach
Komponist*in
* 1898,
Elberfeld
† 1944,
KZ Auschwitz
MK 01.03.1928: Traumstück im Studio, Uraufführung. Von Karl Kraus + Fünf GEDICHTE von Georg Trakl. Regie: Julius Gellner, u. a. mit Therese Giehse, Kurt Horwitz. Vertonung: Eugen Auerbach – Gesang: Martha Schellenberg
MK 02.03.1928: Das Notwendige und das Überflüssige von Johann Nestroy. VORLESUNG: Karl Kraus, BEGLEITUNG am Klavier: Eugen Auerbach
Die Aufführung von Karl Kraus' Traumstück wurde massiv angegriffen in der Nazi-Postille 'Völkischer Beobachter' (3. März 1928) und Karl Kraus als 'Wiener Judenliterat' beleidigt. Das 'Präsidium der Vereinigten Vaterländischen Verbände Bayerns' forderte ein Verbot der Aufführungen. „Die Direktion durfte 1928 keinen neuen 'Wetterstein'-Skandal riskieren und mußte daher TRAUMSTÜCK absetzen“, kommentiert Petzet (Theater, S.201) die Vorgänge und berichtet auch, dass der Schriftleiter des 'Völkischen Beobachter' „von einem noch integren Münchner Schöffengericht zur Geldstrafe von 200.- Mark verurteilt wurde, auf eine Klage von Karl Kraus hin“.
Er erwähnt aber nicht, dass diese 'Ehrenbeleidigungsklage' der Münchner Rechtsanwalt Max Hirschberg, Syndikus der Münchner Kammerspiele, erfolgreich geführt hatte.
Eugen Auerbach, Sohn einer Wuppertaler jüdischen Familie, war nach dem Abitur zum Studium der Musik und Musiktheorie nach München gekommen. Er wurde ein Freund und Klavierbegleiter von Karl Kraus bei dessen 'Vorlesungen' und komponierte u.a. an den Münchner Kammerspielen die Musik zu mehreren seiner Werke.
Für Erika Manns und Therese Giehses DIE PFEFFERMÜHLE wurde er einer der vier Komponisten und Pianisten. Er vertonte u. a. Erika Manns Texte 'Des Fischers Frau', 'Der Schutzengel' und 'Die Dummheit' , vorgetragen von Therese Giehse.
"... In wallendem Babykleid (rosa) und flachsiger Perücke (schulterlang) stand die Giehse auf rundem Postament (denkmalgleich) und kündete gereimt von sich und ihrer Allmacht: sie prahlte, schäkerte und drohte. Dann wieder erschrak sie jählings vor sich selbst, erstarrte zur Bildsäule und zum Prosa-Refrain:'Ja, um Gottes willen, bin ich d u m m!' Wie vorm Salto hatte vorher die Musik ausgesetzt. Nun fiel sie wieder ein, voll orchestriert, mißtönend und triumphal. Es war der großartige Eugen Auerbach – im Jahre 1940 in Paris geschnappt und vergast – Freund und Klavierbegleiter von Karl Kraus, der die Giehse-Nummer komponierte und sich so den Märtyrertod verdiente, der freilich, dem Juden ohnedies zustand.“
Erika Mann, zitiert in Therese Giehse: 'Ich hab nichts zum Sagen' – Gespräche mit Monika Sperr. München: Bertelsmann Verlag 1973, S. 54ff..
Eugen Auerbach emigrierte nach Frankreich, am 17.12.1943 wurde er aus Drancy mit dem Transport Nr. 63 nach Auschwitz deportiert, am 6. Januar 1944 dort ermordet.
Ilse Bachmann
Schauspieler*in
* 1902,
Berlin
† 1985,
Darmstadt
1922 spielte sie an den Münchner Kammerspielen die Rolle des Dienstmädchens in der UA von BrechtsTrommeln in der Nacht (29.09.1922) Regie: Otto Falckenberg. Wie Annemarie Hase war auch sie im Juni 1922 in Falckenbergs Inszenierung von Bronnens Vatermord im Juni 1922 besetzt, als 'die Junge'.
1924/25 gehörte sie dem Ensemble des Stadttheaters Frankfurt/Oder an, zusammen mit Ernst Busch und Hans Söhnker. 1928 spielte sie unter der Regie von G.W. Papst in dem Spielfilm Abwege. 1931 heiratete sie den Filmkomponisten Werner Richard Heymann, der als Generalmusikdirektor der UfA im März 1933 als „unerwünschter jüdischer Mitarbeiter“ entlassen wurde. Die beiden emigrierten im April 1933 in die USA. 1940 wurde die Ehe geschieden. Ilse Bachmann kehrte 1953 nach Berlin zurück. Sie erbte das Haus, in dem sie aufgewachsen war, in Rixdorf, inzwischen als Neukölln eingemeindet in Berlin. Ihr Reisekoffer, beklebt mit Werbeetiketten US-amerikanischer Skihotels, war irgendwann auf dem Dachboden dieses Hauses gelandet.
1987 erwirbt das Museum Neukölln in einem Trödelladen im Kiez einen alten Reisekoffer: in diesem Koffer aufbewahrt waren Photographien, Zeitungstexte, Puzzleteile der Biographie einer Neuköllnerin, Erinnerungen der Schauspielerin Ilse Bachmann an ihre junge Karriere als Theater- und Filmschauspielerin bis 1933.
Albert Bassermann
Schauspieler*in
* 1867,
Mannheim
† 1952,
Vom 4.–20. Juni 1915 erstes Gastspiel zusammen mit seiner Frau Else Bassermann an den Münchner Kammerspielen in Carl SternheimsDer Snob, Regie: Paul Marx
Albert und Else Bassermann (geb. Elisabeth Sara Schiff 1878–1961) waren seit 1908 verheiratet. Die beiden traten immer wieder als Gäste aus Berlin in Inszenierungen an den Münchner Kammerspielen auf, im Juli 1927 im Arno Holz Stück Traumulus, Regie: O. Stoeckel und in Strindbergs Wetterleuchten, Regie: Richard Révy, im Juli 1931 in Sex Appeal von Frederik Lonsdale, Regie: Richard Révy und in Der Brotverdiener von Somerset Maugham, Regie: R. Forster-Larrinaga, im Oktober/November 1932 in Falckenbergs Uraufführung von Bruno Franks Der General und das Gold und in dem Stück Der grosse Bariton von Leo Ditrichstein/Fanny and Fred Hatton, Regie: Richard Révy.
Nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten 1933 sollte sich Albert Bassermann von seiner jüdischen Frau trennen, er verwahrte sich gegen dieses Ansinnen. Er verließ mit seiner Frau Deutschland, sie traten in der Schweiz und in Österreich auf, noch eine Woche vor dem 'Anschluss' Österreichs, zusammen mit Ludwig Donath. Am 13. März 1938 flohen Albert und Else Bassermann in die Schweiz, im April 1939 emigrierten sie in die USA. Nach 1946 geben beide Gastspiele in Europa, 1949 erstmals wieder in Deutschland. Am 15. Mai 1952 stirbt der 84-Jährige auf dem Flug von New York nach Zürich. Else Bassermann stirbt am 30. Mai 1961 verarmt in Baden-Baden.
Else Bassermann
Schauspieler*in
geb. Elisabeth Sara
* 1878,
Leipzig
† 1961,
Baden-Baden
An den Münchner Kammerspielen als Gastschauspielerin zusammen mit ihrem Mann, dem Schauspieler Albert Bassermann in Sternheims Der Snob, Regie: Paul Marx (Premiere 04. Juni 1915). Als Gastschauspielerin wieder zusammen mit Albert Bassermann in Der Grosse Bariton, Regie: Richard Révy (Premiere: 29. Oktober 1932).
1934 flieht Else Bassermann in die Schweiz mit ihrem Mann, der sich gegen das Ansinnen der Nazis verwahrte, sich von seiner jüdischen Frau scheiden zu lassen.
April 1939 Emigration in die USA. Ab 1946 gaben beide Bassermanns Gastspiele in Europa, 1949 erstmals in Deutschland. 1952 stirbt Albert Bassermann auf dem Flug von New York nach Zürich. Else Bassermann stirbt verarmt 1962.
Kurt Joachim Baum
Schauspieler*in
* 1901,
Breslau
† 1964,
1926/27 in der ersten Spielzeitzeit der Münchner Kammerspiele im Schauspielhaus in der Maximilianstraße war Kurt Joachim Baum im Ensemble des Theaters.
Er spielte in Falckenbergs Eröffnungsinszenierung von Büchners Dantons Tod die Rolle des Delegierten Philippeau. Er hatte seine Schauspielausbildung bei Max Reinhardt in Berlin gemacht. Von München ging er ans Theater in Wiesbaden, im August 1928 verließ er Hamburg zu Schiff nach Südafrika. Er spielte Theater in Johannesburg und begann 1935/36 zu inszenieren, Stefan Zweigs Adaption von Volpone, Shakespeares A Midsummernight’s Dream, in Kapstadt wurde er als “the German theatre's gift to South Africa” gerühmt, 1937 inszenierte er eine Volpone Bühnenversion in Jiddisch. Er gründete eine Tournee-Kompagnie. Während des Zweiten Weltkriegs wird er als ‘enemy alien’ interniert, schützt im Lager jüdische Internierte gegen internierte Nazis. 1946 setzt er die Theaterarbeit fort und beginnt Dokumentar- und Kurzfilme zu drehen, die auf Festivals in Cannes und Edinburgh gezeigt werden. Er starb 1964.undefined
Hedda Berger
Schauspieler*in
* 1892,
München
† 1943,
KZ Auschwitz
Spielzeit 1915/16 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in zwei Inszenierungen Falckenbergs, Alkestis v. Hofmannsthal (14.01.1916), Strindbergs Nach Damaskus (09.06.1916).
1933 flieht die als jüngste Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie in München auf die Welt gekommene Hedda Berger nach Wien, sie tritt dort zum letzten Mal im Februar 1938 auf. Im Oktober 1942 wird sie in Wien von der Gestapo verhaftet, im Januar 1943 nach Theresienstadt und von dort nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Ludwig Berger
Autor*in
* 1892,
Mainz
† 1969,
Schlangenbad
In der Spielzeit 1933/34 an den Münchner Kammerspielen inszenierte Otto Falckenberg Shakespeares Cymbeline (Premiere 23. April 1934) in einer neuen Übersetzung von Ludwig Bamberger. Ludwig und sein 4 Jahre älterer Bruder Rudolf Bamberger (Mainz 21.05.1888–Dezember 1944 Auschwitz) waren die Söhne einer jüdischen Mainzer Familie, der Vater Bankier, die Mutter Pianistin. Ludwig (Bam-)Berger begann nach dem Studium 1916 als Theaterregisseur am Stadttheater Mainz mit seinem Bruder als Bühnenbildner. In Berlin inszenierte er bei Max Reinhardt u. a. Shakespeares Cymbeline. Ludwig Berger wurde von dem Produzenten Erich Pommer (Hildesheim 1889–1966 Los Angeles) als Filmregisseur entdeckt, für den Stummfilm und für den Tonfilm, mit seinem Bruder Rudolf als seinem Filmarchitekten. 1933 verließen sie Deutschland und drehten in Frankreich. 1935 emigrierte Ludwig Berger über Holland nach England, Rudolf Bamberger nach Luxemburg. Ludwig Berger überlebte 1944/45 mit gefälschten Papieren in Amsterdam. Rudolf Bamberger wurde 1944 verhaftet und nach Auschwitz deportiert. Er wurde dort ermordet. Ludwig Bamberger remigrierte 1947 nach Deutschland, er arbeitete als Theater- und Hörspielregisseur und wurde einer der Pioniere des Fernsehspiels. 1953 veröffentlichte er seine Autobiographie Wir sind vom gleichen Stoff aus dem die Träume sind. Summe eines Lebens (Rainer Wunderlich Verlag Tübingen 1953).
Elisabeth Bergner
Schauspieler*in
* 1897,
Drohobycz
† 1986,
London
Nach einer Schauspielausbildung (zusammen mit Grete Jacobsen) am Wiener Konservatorium debutierte Elisabeth Bergner in Innsbruck. Am 19.12.1919 spielte sie ihre erste Rolle an den Münchner Kammerspielen in Lauckners Christa, Die Tante in der Regie von Paul Kalbeck, zunächst noch ohne Resonanz beim Münchner Publikum, aber spätestens ihre Gestaltung der Rosalinde in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Wie es euch gefällt (25.10.1920) war der Beginn ihrer Karriere als gefeierte Bühnenschauspielerin. Sie blieb bis Ende der Spielzeit 1920/21, wechselte ans Staatstheater für eine Spielzeit, bevor sie zu Max Reinhardt nach Berlin ging. 1924 spielte sie auch ihre erste Filmhauptrolle in dem Stummfilm NJU des Regisseurs Paul Czinner (Budapest 1890–1972 London), beim Film arbeitete sie von da an nur noch mit ihm. Im Januar 1933 heirateten sie und nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten flohen die beiden nach Wien und von dort nach London. 1938 wurden sie britische Staatsbürger. 1940 emigrierten sie in die USA. 1950 kehrte Elisabeth Bergner nach London zurück, von 1954 an kam sie zu Gastspielen auch nach Deutschland.
Rudolf Bernauer
Autor*in
* 1880,
Wien
† 1953,
London
18.05.1926: Garten Eden von Rudolf Bernauer und Rudolf Österreicher, EA Vereinigte Bühnen Schauspielhaus/Volkstheater
19.04.1929: Das Geld auf der Strasse von Rudolf Bernauer und Rudolf Österreicher, EA Volkstheater
MK 23.12.1931: Konto X von Rudolf Bernauer und Rudolf Österreicher, Regie: Richard Révy u. a. mit Therese Giehse, Elsa Moltzer, Kurt Horwitz
MK 02.03.1932: Wie einst im Mai von Rudolf Bernauer und Rudolf Schanzer MK-Erstaufführung auf der Bühne des Volkstheaters, Regie: Richard Forster-Larrinaga, Musikalische Leitung: Herrmann Ludwig, u. a. mit Therese Giehse, Ilva Günthen
Rudolf Bernauer kam aus einer ungarisch-österreichisch-jüdischen Familie. 1920 nahm er die deutsche Staatsangehörigkeit an. In Berlin begann er als Schauspieler 1900 am Deutschen Theater, er wurde in Berlin Theaterdirektor und Eigentümer des Theaters am Nollendorfplatz. Er schrieb Bühnenstücke, Operettenlibretti und Filmdrehbücher. Nach seiner Flucht 1933 nach Wien wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen, 1935 emigrierte er nach London. Er arbeitete dort als Filmregisseur.
Sybille Binder
Schauspieler*in
* 1895,
Wien
† 1961,
Düsseldorf
Die Tochter einer Wiener jüdischen Bankiersfamilie begann ihre Schauspielkarriere in Berlin 1915, als Gast spielte sie ihre erste Rolle an den Münchner Kammerspielen in Falckenbergs Inszenierung von Euripides/v. Hofmannsthal Alkestis im April 1916. Von Februar 1918 bis Juli 1923 gehörte sie zum Ensemble der MK. „Da sie genau Falckenbergs weibliches Ideal, zudem ebenso intelligent wie begabt war, wurde sie sehr bald seine zweite Frau“, schreibt Falckenberg-Versteher Petzet (Petzet, Theater, S.133). Die am 26. Oktober 1920 geschlossene Ehe wurde am 2. Mai 1924 geschieden. Sybille Binder ging nach Berlin zu Reinhardt, Piscator und Jessner; „Vom Karriere-Ehrgeiz getrieben“ kommentiert Petzet (ebd.). Zu Gastspielen kehrte sie immer wieder an die Münchner Kammerspiele zurück, zuletzt im August 1932 in der Rolle der Lola Montez in Ruederers Die Morgenröte in der Inszenierung von Kurt Horwitz. In der Spielzeit 1932/33 begann sie ein Engagement am Schauspielhaus Zürich, nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten blieb sie im Schweizer Exil. 1938 emigrierte sie nach England. 1950 remigrierte sie nach Deutschland und spielte unter Gründgens, ab 1955 unter Stroux am Schauspielhaus Düsseldorf.
Den „prekären Status der Remigranten unter den alt-neuen Kollegen und die mangelnde Sensibilität eines Gründgens für die Verletzlichkeit jener, deren Karriere 1933 schlagartig ein Ende gefunden hatte“ verdeutlicht ein bezeichnender Zwischenfall, den Anat Feinberg darstellt in ihrem Buch „Wieder im Rampenlicht – Jüdische Rückkehrer in deutschen Theatern nach 1945“, das sie am 29.05.2018 an den Kammerspielen vorstellte:
„Binder fühlte sich übergangen, weil der Intendantdie Rolle Lauras in Tennessee Williams' DIE GLASMENAGERIE Käthe Gold als Gastschauspielerin versprochen hatte. Gründgens antwortete brieflich: „Sie haben erklärt, dass es unfair von Frau Gold gewesen sei, überhaupt hierher zu kommen, nach dem Sie zwölf Jahre fernbleiben mussten. Da ich nicht an eine Kollektivschuld des deutschen Volkes glaube und ich weiß, dass Frau Gold weder den Krieg erklärt, noch ihn verlängert hat, noch an irgendwelchen Verfolgungen beteiligt war, sehe ich nicht ein, warum sich diese große Schauspielerin einen solchen Satz von Ihnen einhandeln muss. (…) Auch ich fühle mich (…) nicht nur frei von Schuld, sondern glaube darüberhinaus, mutiger und konsequenter gewesen zu sein, als irgendjemand anders.“
Anat Feinberg: Wieder im Rampenlicht – Jüdische Rückkehrer in deutschen Theatern nach 1945, Göttingen: Wallenstein Verlag 2018, S.65f..
Benno Bing
Gesellschafter*innen
Direktor*in
* 1874,
Würzburg
† 1942,
KZ Auschwitz
Erster Geschäftsführender Direktor der Münchner Kammerspiele in der Augustenstraße von 1913–1924, danach Generalbevollmächtigter der Direktion des Theaters in Berlin 1924–1933. Einer der elf Gesellschafter*innen der Münchner Theater GmbH. Im Oktober 1933 flieht Benno Bing ohne seine Familie zunächst nach Prag, von dort im April 1935 nach Paris. Am 9. Oktober 1942 wird er als 'juif étranger' verhaftet und am 6. November 1942 von Drancy im Transport Nr. 42 nach Auschwitz deportiert. Benno Bing wurde dort am Tag vor seinem 68. Geburtstag am 21. Dezember 1942 ermordet. Seine Frau und vier Kinder überlebten die Shoah.
(s. Kurz-Biographie zum Stolperstein in der Keuslinstraße. 4 im November 2018 und zum Erinnerungszeichen der MK im Juni 2020 für Benno Bing)
Lajos Biró
Autor*in
* 1880,
Oradea
† 1948,
London
MK 26.03.1912: Die Zarin mit Menyhért (Melchior) Lengyel, Regie: Paul Schwaiger
MK 23.12.1912: Die Raubritter, Regie: Eugen Robert
Biró, Sohn einer österreichisch-ungarischen jüdischen Familie, geboren als Ludwig Blau, begann als Journalist, bevor er Drehbuchautor wurde, zunächst in der Stummfilmzeit bei deutschen Produktionen, in Berlin auch noch bei den ersten Tonfilmen. 1912 werden an den Kammerspielen zwei seiner Stücke inszeniert. Nach der Emigration nach London wurde er bekannt durch seine Zusammenarbeit mit dem Filmproduzenten und -regisseur Alexander Korda (geboren in Ungarn 1893 als Sándor László Kellner und seit 1932 in London, dort gestorben 1956).
Franz Blei
Autor*in
* 1871,
Wien
† 1942,
New York
MK 10.12.1913: Die Welle, Regie: Hugo Ball, mit Leontine Sagan, Paul Marx, Erwin Kalser. Uraufführung, einmalige Aufführung, um die Zensur zu umgehen
MK 24.05.1919: Die Buße
MK 28.02.1931: Etienne von Jacques Deval in der deutschen Bearbeitung von Franz Blei. Regie: Josef Glücksmann mit Eleonora Mendelsohn, Karl Kyser
1933 wurden Bleis Bücher in Deutschland verboten. Er emigrierte nach Spanien, mit dem Spanischen Bürgerkrieg begann seine europäische Heimatlosigkeit. – Über Marseille und Lissabon erreichte er New York.
Albrecht Viktor Blum
Schauspieler*in
* 1888,
Brünn (Brno)
† 1959,
Mexico-Stadt
In der Spielzeit 1919/20 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in Falckenbergs Inszenierung Don Gil von den grünen Hosen (27.03.1920).
In Berlin Theaterarbeit an Erwin Picators Volksbühne, Dokumentarfilm-Regie für Willi Münzenbergs Prometheus Film, Mitglied in mehr als einer kommunistischen Organisation.
1933 Flucht in die Tschechoslowakei, Engagement am Stadttheater Reichenberg/Liberec. Verhaftung und Ausweisung wegen kommunistischer Aktivitäten, 1936 Mitglied der Internationalen Brigaden in Spanien, Emigration nach Mexiko. Engagement für die Bewegung Freies Deutschland, Theaterarbeit als Schauspieler und Regisseur. Er starb 1959 in Mexiko-Stadt.
Bertolt Brecht
Autor*in
Regisseur*in
Dramaturg*in
* 1898,
Augsburg
† 1956,
Berlin
Augsburg 10.02.1898 – 14.08.1956 Berlin–Ost
MK 29.09.1922 Trommeln in der Nacht (UA), Regie: Otto Falckenberg
MK 18.03.1924 Das Leben Eduards des Zweiten (UA), Regie: Bertolt Brecht
Bertolt Brecht war Autor, Regisseur und Dramaturg an den Münchner Kammerspielen 1922 – 1924. Beim Münchner Hitlerputsch im November 1923 stand er zusammen mit Lion Feuchtwanger auf der Nazi-Liste der zu Verhaftenden.
Am Tag nach dem Reichstagsbrand floh Brecht am 28. Februar 1933 mit seiner Familie und einigen Freunden über Prag und Wien nach Zürich. 1937/38 inszenierte er in Paris zusammen mit Helene Weigel (1925 hatte sie an den Kammerspielen die Marie in Büchners Woyzeck gespielt in einer Inszenierung Hans Schweikarts) u. a. Die Gewehre der Frau Carrar, dokumentiert von dem emigrierten Münchner Photographen Josef Breitenbach. Nach Flucht-Aufenthalten in Schweden und Finnland floh Brecht mit Familie über Moskau und Wladiwostok nach Kalifornien. 1947 kehrten Bert Brecht und Helene Weigel zurück nach Europa und gründeten im September 1949 in Ostberlin das Berliner Ensemble. Im September/Oktober 1950 inszenierte Brecht noch einmal an den Münchner Kammerspielen, mit Therese Giehse in der Titelrolle, Mutter Courage und ihre Kinder (Premiere 08.10.1950).
Josef Breitenbach
Fotograph*in
* 1896,
München
† 1984,
New York
Josef Breitenbach kam am 3. April 1896 in München auf die Welt, als jüngstes von drei Kindern. Sein Vater Siegfried Breitenbach (1858–1932) betrieb einen Weingroßhandel, er war einer der wenigen Unternehmer-Mitglieder der sozialdemokratischen Partei in München, er war auch Stadtrat 1911–1919 und Mitbegründer der antiklerikalen Freireligiösen Gemeinde in München, seine Beziehung zum jüdischen Glauben hatte er längst gelöst.
Josef Breitenbach wurde 1914 Mitbegründer der Jugendsektion des Sozialdemokratischen Vereins zusammen mit Felix Fechenbach und Mitglied er SPD. Er engagierte sich früh politisch in der kriegsoppositionellen Jugend zusammen mit Felix Fechenbach im Umkreis von Kurt Eisner. 1918 heiratete er Pauline Schmidbauer, eine politisch aktive Sozialdemokratin aus einer Münchner Arbeiterfamilie, im Jahr davor kam ihr gemeinsamer Sohn auf die Welt. 1918/19 war Josef Breitenbach zusammen mit Felix Fechenbach, der Sekretär Kurt Eisners wurde, Mitglied des Provisorischen Zentralen Arbeiterrates. Fechenbach wurde 1922 vor einem Volksgericht wegen angeblichen Landesverrats zu elf Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Anwälte Dr. Max Hirschberg und Dr. Philipp Loewenfeld erreichten Fechenbachs Begnadigung und die Aufhebung der Volksgerichtsurteile. Felix Fechenbach wurde im März 1933 von den Nazis in „Schutzhaft“ in Detmold genommen. Am 7. August 1933 wurde er auf dem Transport ins KZ Dachau von einem SA-Kommando ermordet.
Breitenbachs politische Spuren verlaufen sich in den 1920er Jahren, er bleibt aber Mitglied der SPD bis 1933.1922 hatte er die Firma des Vaters übernommen, 1926 wurde die Ehe geschieden. 1930 meldete die Firma Konkurs an. Im Alter von 35 Jahren gibt er seine Tätigkeit als Kaufmann auf und entscheidet sich für den Beruf des freien Atelier- und Pressephotographen. Seit 1914 hatte er photographiert, ein ambitionierter Amateur ohne professionelle Ausbildung. 1932 eröffnet er in seiner Wohnung ein Atelier. In der Photographenszene war er als Autodidakt ein Außenseiter. Er hatte aber nachweislich einen kreativen Kontakt zur anerkannten Theaterphotographin Gertrude Fuld. Seine ersten Erfolge als Berufsphotograph gelingen ihm mit Photographien aus dem Künstlermilieu.
Für die Spielzeit 1932/33 wurde er vertraglich als Theaterphotograph neben Gertrude Fuld an die Münchner Kammerspiele verpflichtet. Bis Mai 1933 dokumentierte er fast alle Inszenierungen während der Probearbeiten auf der Bühne. Schauspieler*innen der Kammerspiele kamen auch zu Porträtsitzungen in sein Atelier. Seine Porträts von Sybille Binder, Therese Giehse, Liesl Karlstadt, Karl Valentin, Richard Révy, Otto Falckenberg u. a. aus dem Herbst 1932 sind Meisterwerke der Photographie.
Am 17. September 1933 flieht er zusammen mit seinem 16-Jährigen Sohn nach Paris. Er war gewarnt worden; sein politischer Weggefährte Felix Fechenbach war im August 1933 ermordet worden. 1937 kommt es in der Pariser Emigrantenszene zur Begegnung und zu einer intensiven Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht und Helene Weigel. Nach Internierung in verschiedenen Lagern in Frankreich gelang ihm die Flucht im Mai 1941 über Marseille nach New York. Seine Schwester Marie überlebte verborgen in Landshut und wanderte mit ihrem Mann 1947 in die USA aus. Seine Schwester Sophie floh 1938 nach England. Die Mutter war 1931, der Vater 1932 verstorben.
1965 widmet das Münchner Stadtmuseum dem Photographen eine große Retrospektive seiner Arbeiten unter dem Titel 'Wanderung – 250 Photographien 1930–1965 von Joseph Breitenbach'.
Am 7. Oktober 1984 starb Josef Breitenbach in New York.
Ferdinand Bruckner
Autor*in
geb. Theodor
* 1891,
Sofia
† 1958,
Berlin
MK 30.04.1927: Krankheit der Jugend (UA), Regie: Julius Gellner
MK April 1929: Krankheit der Jugend, neu einstudiert, Regie: Julius Gellner
MK 28.11.1929: Die Verbrecher (UA), Regie: Richard Révy. Einmalige Aufführung, geladene Zuschauer, Polizeiverbot
MK 27.02.1930: Die Kreatur (UA), Regie: Otto Falckenberg
MK 16.03.1932: Elisabeth von England (UA), Regie: Julius Gellner mit Hermine Körner als Gast
Theodor Tagger war von der ersten Aufführung an in München ins Visier der Nationalsozialisten geraten. 1933 floh er aus Deutschland und emigrierte nach Paris, 1936 weiter in die USA. 1951 kehrte er zurück, zunächst nach Paris, 1953 nach Berlin.
Traute Carlsen
Schauspieler*in
geb. Gertrud
* 1887,
Dresden
† 1969,
Küsnacht
In der Spielzeit 1929/30 im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Sie spielte in Inszenierungen Otto Falckenbergs, Ernst Helds und Hans Schweikarts.
Die Tochter einer Dresdner jüdischen Familie trat nach ihrer Schauspielausbildung in Berlin bei Max Reinhardt in Mannheim, Frankfurt und Wien auf. Dort war sie mit dem Schauspieler und Regisseur Karl Forest (1874–1944) verheiratet.
Traute Carlsen flieht 1933 aus Deutschland nach Wien, 1935 emigrierte sie in die Schweiz und wurde dort Ensemblemitglied am Schauspielhaus Zürich. Karl Forest (geb. Karl Obertimpfler) wird 1944 im Wiener Altenheim Lainz das Opfer der NS-Krankenmorde durch eine Luftinjektion.
Photos Traute Carlsens (1923) und Karl Forests (1919) stammen von dem Wiener Photographen Franz Löwy (Ostrau 1883–1949 Rio de Janeiro), der im Juli 1938 nach Paris flieht und von dort nach Brasilien emigriert.
1959 wird Traute Carlsen mit dem Hans–Reinhart–Ring ausgezeichnet, der höchsten Auszeichnung im Schweizer Theaterleben. Im Narrativ der Münchner Kammerspiele wird Traute Carlsen in einem Satz mit Karl Kyser erwähnt:
"Zum ersten Mal 1929/30 spielten der gemütlich mißmutige Karl Kyser mit dem kummervollen, faltenreichen Gesicht eines Bullbeißers, der dann bis 1933 zum Ensemble gehörte, und die blonde, humorvolle Traute Carlsen, die nur für eine Spielzeit blieb."
Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch-Verlag 1972, S. 218.
Kurt Corrinth
Autor*in
* 1894,
Lennep
† 1960,
Berlin
MK 09.10.1929: Trojaner, Regie: Julius Gellner
Kurt Corrinth wurde als junger Mann im Ersten Weltkrieg zum entschiedenen Kriegsgegner. In Berlin schrieb er als Autor in expressionistischen Zeitschriften und verfasste Dramen. Aufgrund seines Theaterplädoyers 1929 gegen Antisemitismus verboten die Nationalsozialisten 1933 seine Werke und nahmen ihn ein Jahr lang in ‘Schutzhaft’. 1955 ging er in die DDR nach Ostberlin.
Ernestine Costa
Schauspieler*in
† 1959,
London
In der Spielzeit 1923/24 als Gast an den Münchner Kammerspielen, u. a. in Arthur Schnitzlers Der Grüne Kakadu (Premiere21.06.1924) Regie: Hanns Merck. Mit dem Schauspieler, Regisseur und Theaterdirektor des Intimen Theaters Nürnberg (bis Oktober 1932) Hanns Merck (geb. Johann August Mendelsohn (Bremen 1885–Nürnberg 1967) war sie verheiratet. Sie spielte in Nürnberg unter seiner Regie u. a. in Wedekinds Schloss Wetterstein(20.05.1921) die Rolle der Effi von Gystrow. Merck ist in den Spielzeiten 1913/14–1914/15 im Ensemble der Münchner Kammerspiele und soll einer der Mitbegründer der Münchner Kammerspiele gewesen sein. 1933 flieht er nach Prag, von dort nach Holland. Ernestine Costa flieht 1933 nach Holland und von dort nach London.
Benjamin Degginger
Gesellschafter*innen
* 1852,
Lauffen
† 1931,
München
Benjamin Degginger, Kommerzienrat, war Gesellschafter der Münchner Kammerspiele GmbH seit der Gründung durch seinen Schwiegersohn Dr. Leo Fromm bis zu seinem Tod am 12.12.1931 in München.
Zusammen mit Julius Heß (München 17.10.1884 – 19.06.1932 München) war er Inhaber der Holzgroßhandlung „Degginger&Heß AG“ in München. Seine Frau Fanny geb. Boas starb am 24.09.1935 in München.
Die jüdischen Familien Degginger und Fromm waren verwandschaftlich verbunden durch die Heirat der beiden Degginger Schwestern Edith und Helene mit den beiden Fromm Brüdern Leo und Heinrich.
Ernst Deutsch
Schauspieler*in
* 1890,
Prag
† 1969,
Berlin
Nach seinem Bühnendebut 1914 an der Deutschen Volksbühne in Wien. In Regie Berthold Viertels war er von 1917–1933 ein renommierter Schauspieler an den Berliner Theatern, er spielte in Stummfilmen und gab Gastspiele in Hamburg, Wien und an den Münchner Kammerspielen. Im März 1927 als Gastschauspieler in G.B. Shaws Der Arzt auf dem Scheideweg, Regie: Richard Révy, im Mai 1927 in Franz Werfels Juarez und Maximilian,Regie: Richard Révy.
Im April 1933 floh der Sohn einer Prager jüdischen Kaufmannsfamilie aus Deutschland nach Wien. Er spielte auch in Prag,Zürich, Brüssel und London.
1938 emigrierte er in die USA, er erwarb die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.
1947 remigriert er nach Europa, zunächst nach Paris dann Wien, wo er Ensemblemitglied des Burgtheaters wird. Ab 1951 lebt er wieder in Berlin. In einer Inszenierung von Lessings Nathan der Weise hat er mit der Titelrolle großen Erfolg in Gastspielen in ganz Europa. In Carol Reeds Filmklassiker The Third Man(1948/49) spielt er Baron Kurtz.
Ludwig Donath
Schauspieler*in
* 1900,
Wien
† 1967,
New York
Der Sohn einer Wiener jüdischen Familie debütierte mit 19 Jahren am Deutschen Volkstheater in Wien, in den Spielzeiten 1920/21 – 1924/25 war er Mitglied im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Er spielte u. a. in einer Reihe von Falckenberg-Inszenierungen, als Lysander in Shakespeares Ein Sommernachtstraum (neu besetzt im April 1921) und als Troilus in Shakespeares Troilus und Cressida (04.06.1925). Seine nächsten Engagements waren in Stuttgart und Berlin. 1933 floh er in die Tschechoslowakei, spielte am Stadttheater von Mährisch-Ostrau und war in der Spielzeit 1937/38 am THEATER AN DER WIEN engagiert. Noch Anfang März 1938, wenige Tage vor dem ‘Anschluss’ Österreichs, spielte Ludwig Donath in einer Wiener Erstaufführung von Hugo von Hofmannsthals Das gerettete Venedig in der Inszenierung Walter Firners (geb. Walter Feinsinger, Wien 05.03.1905) u. a. mit dem 1890 in Berlin geborenen Schauspieler Fritz Delius. Am 8. März 1938 trat Ludwig Donath zusammen mit Albert und Else Bassermann in der Uraufführung des Stücks Schauspielschule von János Székely auf. Nach dem 'Anschluss' flohen Ludwig Donath, Walter Firner, Fritz Delius, Albert und Else Bassermann, und Janos Szekely aus Österreich in die Schweiz und von dort in die USA. Alfred Hitchcock besetzte neben Paul Newmann in seinem Thriller Torn Curtain 1966 Ludwig Donath. Er starb am 27.09.1967 in New York.
Ossip Dymov
Autor*in
* 1878,
Bialystok
† 1959,
New York
MK 10.02.1923: NJU, Regie: Otto Falckenberg, mit Sybille Binder als Nju
Ossip Dymow war ein russisch-jüdischer Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur. Sein wichtigstes und bekanntestes Werk NJU wurde bereits 1908 publiziert.
1913 floh er aus Russland in die USA. An den Münchner Kammerspielen inszenierte das Stück NJU zum ersten Mal Erich Ziegel am 18.10.1913. In der Spielzeit 1923/24 inszenierte Otto Falckenberg
Ossip Dymows einst in den Kammerspielen durchgefallenes tragisches Spiel von der unverstandenen „NJU“, gleichsam zum Abschied Sybille Binders, die es – im Gegensatz zu ihm – unhemmbar nach Berlin zog.
Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch Verlag 1973, S. 163.
1924 verfilmte Paul Czinner NJU mit Elisabeth Bergner, Emil Jannings und Conradt Veidt in den Hauptrollen. Czinner, Bergner und Veidt flohen 1933 aus Deutschland. Dymow kam 1931 nach Berlin, verfasste Drehbücher für deutsche Tonfilme, im Oktober 1932 verließ er Deutschland und kehrte nach New York zurück. Dort inszenierte er am Theater u. a. im Oktober 1933 sein neuestes Drama Germany Aflame.
Fritz Dünkelsbühler
Gesellschafter*innen
* 1897,
Nürnberg
† 1981,
New York
Dr. Fritz Dünkelsbühler stammte väterlicherseits aus einer Nürnberger jüdischen Juristenfamilie, sein Großvater Sigmund Dünkelsbühler war Anwalt und US-amerikanischer Vizekonsul. Fritz Dünkelsbühler war Bankier im Bankgeschäft „Heinrich & Hugo Marx“ und über diese Verbindung Gesellschafter der Münchner Theater GmbH geworden. Er emigrierte mit seiner Familie in die USA, änderte seinen Namen zu Fred Dunkels und starb im Juli 1981 in New York.
Blandine Ebinger
Schauspieler*in
* 1899,
Berlin
† 1993,
Berlin
1923 an den Münchner Kammerspielen als Gast in der Titelrolle von Wedekinds Die Kaiserin von Neufundland; Regie: Forster-Larrinaga (UA 28.02.1923), Friedrich Hollaender schrieb die Musik dazu, Blandine Ebinger war mit ihm von 1919 bis 1926 verheiratet.1 930 spielte sie die Rolle einer Hinterhofsängerin in Hans Tintners Film Cyankali.1933übernahm sie die Leitung des TINGEL-TANGEL THEATER in Berlin. 1937 emigrierte sie in die USA. Ihre Tochter Philine (*1924) blieb nach der Emigration in den USA, sie war dort von 1941–1946 mit Georg Kreißler verheiratet. 1946 Remigration nach Europa, 1948 nach Berlin. Bis ins hohe Alter tritt sie als Sängerin auf.
Paul Eger
Autor*in
* 1881,
Wien
† 1947,
Luzern
MK 30.12.1916: Adam, Eva und die Schlange, Regie: Hermann Sinsheimer
Paul Eger war der Sohn einer Schweizer jüdischen Naturwissenschaftler–Familie. Er war Dramaturg, Regisseur, Theaterdirektor und schrieb selbst Theaterstücke. 1912 wurde er Generaldirektor des Hoftheaters Darmstadt, war 1918 bis 1926 Intendant am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, danach künstlerischer Berater der Bühnen Max Reinhardts in Berlin und von 1932 bis 1938 Direktor des Deutschen Theaters Prag. Paul Eger setzte sich dort für die Emigranten aus Deutschland ein. 1939 ging er ins Exil in die Schweiz.
Leonore Ehn
Schauspieler*in
* 1888,
Langenlois
† 1978,
Berlin
In der Spielzeit 1917/18 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, in Falckenbergs erster Inszenierung seiner Direktionszeit, Premiere 29.09.1917, Shakespeares Das Wintermärchen in der Rolle der Hermione, Gemahlin des Leontes. In derselben Inszenierung spielt ihre Schauspielkollegin Eva Kessler spielt in ihrer ersten Rolle an den Kammerspielen die 1. Hofdame.
Leonore Ehn emigrierte mit ihrem Mann Hans von Zedlitz (Berlin 1890–1948 Solothurn) Schauspieler und Regisseur, der als 'Halbjude' aus der RTK und der RFK ausgeschlossen wurde, und den beiden Kindern 1936 nach Wien, von dort wegen eines Filmangebots nach Moskau. 1937 wurde Hans von Zedlitz als deutscher Exilant interniert und nach sechs Monaten nach Deutschland deportiert. Auch Leonore Ehn kehrte nach Deutschland zurück. Nach erneuter Inhaftierung, diesmal durch die Gestapo, gelang es Hans von Zedlitz, ohne Familie, 1938 die Flucht in die Schweiz. Bis kurz vor seinem Tod war er als Regisseur und Schauspieler am Theater Biel-Solothurn.
Leonore Ehn blieb mit ihrem Sohn Gerd von Zedlitz (1923–1945), Kinderdarsteller im Film, in Deutschland, selbst ohne Engagements. Sie starb im hohen Alter 1978 in Berlin.
Lotte Ellon-Jessner
Schauspieler*in
In den ersten Monaten der Spielzeit 1932/33 an den Münchner Kammerspielen, in Falckenbergs Inszenierung der Uraufführung von Bruno FranksDer General und das Geld (05.10.1932).
Lotte Ellon-Jessners Mutter war die Schwester Fritz Jessners, der in der Spielzeit 1917/18 im Ensemble der Münchner Kammerspiele war. Lotte war ihre Tochter aus erster Ehe, sie heiratete danach den eminenten Theaterregisseur Leopold Jessner (Königsberg 1887–1945 Los Angeles), der Lotte adoptierte. 1933 verließ Leopold Jessner mit Frau und Tochter Deutschland, gründete das Jessner-Ensemble und ging damit auf Europa-Tournee mit Auftritten in London, Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen. Lotte Jessner spielte in diesem Ensemble u. a. in Kabale und Liebe. Leopold Jessner trennte sich von seiner Familie, ging nach Palästina, von dort nach England und weiter in die USA. Er stirbt am 13.12.1945 in Los Angeles, bevor er im Auftrag des US-amerikanischen Außenministeriums in Deutschland mit einem Neuaufbau des deutschen Theaters beginnen konnte.
Lotte Jessner und ihre Mutter emigrierten vor 1937 aus England in die USA.
Mia Engels-Glücksmann
Schauspieler*in
In der Spielzeit 1929/30 – 1930/31 im Ensemble der Münchner Kammerspiele.
Am Schauspielhaus Düsseldorf engagiert, war sie (ca. 1925–1928) zusammen mit Salka und Berthold Viertel, Kurt Reiss und Josef Glücksmann (1900–1963) der 1928–1931 als Dramaturg und Spielleiter an die Münchner Kammerspiele kam. Die beiden heirateten im Juli 1929. Von München gingen beide nach Hamburg, 1933 nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten flüchteten Josef und Mia Glücksmann aus Deutschland nach Wien. 1938 gelang es mit Affidavits Salka Viertel in die USA zu emigrieren. 1949 Remigration nach Österreich.
Annie Ernst-Schröck
Schauspieler*in
* 1888,
Wien
† 1962,
Buenos Aires
In der Spielzeit 1919/20 – 1920/21 im Ensemble der Münchner Kammerspiele u. a. in der Rolle der Mutter in Falckenbergs Inszenierung von Paul Claudels VERKÜNDIGUNG (12.11.1919) mit Sybille Binder und Erwin Faber.
1929–1933 am Städtischen Opernhaus Essen, aus 'rassischen Gründen' entlassen, 1936 aus der RTK ausgeschlossen, ging zurück nach Österreich und emigrierte 1937 in die Schweiz. Engagements ins Solothurn-Biel und St. Gallen.
1939 Emigration nach Argentinien, Schauspielerin an Paul Walter Jacobs FREIE DEUTSCHE BÜHNE, bis zu ihrem Tod.
Erwin Faber
Schauspieler*in
Regisseur*in
* 1891,
Innsbruck
† 1989,
München
In der Spielzeit 1916/17 erhielt der österreichische Schauspieler an den Münchner Kammerspielen sein erstes Engagement, er war im Ensemble bis zu seinem Wechsel in der Spielzeit 1920/21 ans Staatstheater. Als Gast an den Kammerspielen trat er in den beiden Brecht-Uraufführungen auf Trommeln in der Nacht (29.02.22) und Leben Eduards des Zweiten von England (18.03.1924) auf. 1922 heirateten er und die 1919 an die Kammerspiele engagierte österreichisch jüdische Schauspielerin Grete Jacobsen (Wien 08.10.1898–04.05.1989 München).
1924 gingen beide nach Berlin. Nach Grete Jacobsens Berufsverbot 1933 wurde Erwin Faber von den Nationalsozialisten unter Druck gesetzt, sich von seiner jüdischen Frau zu trennen. Er verweigerte dieses Ansinnen. Mit Beginn der Spielzeit 1933/34 erhielt er ein Engagement am Schauspielhaus Düsseldorf. Dort trat er in Schillers Don Carlos (14.09.1933) auf als Philipp II. zusammen mit Peter Lühr in der Titelrolle, mit Constanze Menz als Elisabeth und Hanne Mertens als Prinzessin von Eboli. Erwin Faber und Grete Jacobsen halten gemeinsam dem Druck stand, das rettet sie vor Deportation und Ermordung. In der Spielzeit 1952/53 kehren beide auf die Bühne der Münchner Kammerspiele zurück. Von 1953–1988 gehört Erwin Faber zum Ensemble des Bayerischen Staatstheaters.
Nach siebenundsechzigjähriger Partnerschaft sterben Erwin Faber und Grete Jacobsen am 4. Mai 1989 in München.
Maria Fein
Schauspieler*in
* 1892,
Wien
† 1965,
Zürich
In den Spielzeit 1923/24 und 1925/26 gastierte sie an den Münchner Kammerspielen. 1935 wurde sie aus der RTK und der RFK ausgeschlossen, 1936 floh sie mit ihrer Tochter Maria Becker (Berlin 28.01.1920 – 05.09.2012 Uster/Schweiz nach Wien, nach dem 'Anschluss' am 13. März 1938 floh sie in die Niederlande und über Frankreich in die Schweiz. Am Schauspielhaus Zürich spielte sie u. a. in Tolstois Die Macht der Finsternis in der Regie von Leopold Lindberg zusammen mit Erwin Kalser, Ernst Ginsberg und ihrer Tochter. Maria Becker gastierte an den Münchner Kammerspielen in der Spielzeit 1971/72 in zwei Inszenierungen August Everdings.
Lion Feuchtwanger
Autor*in
* 1884,
München
† 1958,
Los Angeles
MK 05.03.1917 Der König und die Tänzerin (nach Kalidasa) (UA), Regie: W. von Gordon
MK 08.02.1918 Vasantasena (nach Sudraka) (UA), Regie: Otto Falckenberg
MK 07.12.1920 Der Amerikaner oder Die entzauberte Stadt (UA), Regie: Otto Falckenberg
MK 15.03.1922 Der Frauenverkäufer (nach Calderón) (UA), Regie: Rudolf Frank
Lion Feuchtwanger war sowohl als Autor als auch dramaturgischer Berater Bertolt Brechts an den Münchner Kammerspielen tätig, vor allem in der Inszenierung Leben Eduards des Zweiten von England (18.03.1924). Nach Vortragsreisen im November 1932 in die USA und nach England kehrte er nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten nicht mehr nach München zurück, sondern ging ins Exil in die Schweiz und weiter nach Sanary-sur-Mer in Südfrankreich. Von November 1936 bis Februar 1937 befand er sich auf einer umstrittenen Reise in Moskau, bei der er sich den Vorwurf der politischen Instrumentalisierung durch Stalin zuzog. 1941 floh er mit seiner Frau Marta nach Internierung aus Frankreich über Spanien und Portugal in die USA. Er starb 74-jährig in Los Angeles.
Heinrich Fischer
Regisseur*in
Übersetzer*in
Dramaturg*in
* 1896,
Karlsbad, Tschechien
† 1974,
München
Heinrich Fischer war ein Spielleiter und Chefdramaturg der Münchner Kammerspiele. 1933 Flucht von Berlin nach Prag, 1939 nach London, 1956 Remigration nach Deutschland.
„...die Herren Julius Gellner und Dramaturg Heinrich Fischer zeichnen verantwortlich für den in den letzten Jahren programmmäßig betriebenen Kulturbolschewismus. Es ist heute nicht mehr die Zeit, in der diese Herren, deren linksradikale und (wohl blutsmäßig begründete) philosemitische Einstellung bekannt ist, ihre Zersetzungspolitik weiterbetreiben können.“
Völkischer Beobachter, München 8. März 1933
Ladislas Fodor
Autor*in
* 1898,
Budapest
† 1978,
Los Angeles
MK 16.08.1930: Arm wie eine Kirchenmaus von Ladislas Fodor in der deutschen Bearbeitung von Siegfried Geyer. Gastspiel Erika von Thellmann 16.-18.08.1930
MK 26.02.1932: Kopf in der Schlinge von John von Bradley (alias Ladislas Fodor) in der deutschen Bearbeitung von Siegfried Geyer, Regie: Richard Révy
MK18.05.1932: Juwelenraub in der Kärtner Strasse von Ladislas Fodor und Siegfried Geyer
Ladislas Fodor, Sohn einer ungarischen jüdischen Familie, schrieb in den 1920er Jahren mehrere Komödien, die Siegfried Geyer ins Deutsche übersetzte. Nach dem ‘Anschluss’ floh er aus Wien nach Frankreich und von dort in die USA. Ende der 1950er Jahre kehrte er nach Europa zurück.
Bruno Frank
Schauspieler*in
* 1887,
Stuttgart
† 1945,
Beverly Hills
MK 17.12.1917 Die Schwester und der Fremde (UA), Regie: Otto Falckenberg
MK 12.01.1922 Karussell, mit: Louis Verneuil/Bruno Frank, Regie: Rudolf Frank
MK 28.05.1922 Das Weib auf dem Tiere (UA), Regie: Rudolf Frank
MK 22.04.1927 Zwölftausend (UA), Regie: Otto Falckenberg
MK 22.09.1930 Sturm im Wasserglas (UA), Regie: Josef Glücksmann
MK 08.09.1931 Nina (UA), Regie: Ernst Held
MK 05.10.1932 Der General und das Gold (UA), Regie: Otto Falckenberg
MK 24.03.1933 Fanny von Marcel Pagnol in der deutschen Bearbeitung von Bruno Frank, Regie: Richard Révy
Bruno Frank kam als Sohn einer Stuttgarter jüdischen Bankiersfamilie auf die Welt. Seit 1916 lebte er in Feldafing, seit 1926 in München. Zwischen 1917 und 1932 wurden fünf seiner Theaterstücke an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt. Einen Tag nach dem Reichstagsbrand (27./28.2.1933) floh er mit seiner Frau Liesl Frank–Massary in die Schweiz. Im Oktober 1937 verließen sie Europa und gingen ins Exil in die USA. 1938 wurde ihnen ihre deutsche Staatsbürgerschaft entzogen, die amerikanische erhielt Frank erst 1944, weil er seit 1942 vom FBI beobachtet wurde wegen seinen Kontakten zu einem linken mexikanischen Verlag. Bruno Frank starb in Beverly Hills am 20.06.1945.
Leonhard Frank
Autor*in
* 1882,
Würzburg
† 1961,
München
MK 08.03.1929: Die Ursache (UA), Regie: Otto Falckenberg, im Studio
Leonhard Franks Novelle Die Ursache zusammen mit weiteren kurzen Novellen gegen den Krieg erschien 1917 in der Schweiz unter dem Titel Der Mensch ist gut. Das Buch, verboten in Deutschland, wurde illegal eingeführt. Frank war in der Münchner Räterepublik Mitglied im Arbeiter- und Soldatenrat. In Berlin arbeitete er danach als freier Autor bis 1933. Die Geschichte und die Dialoge des Antikriegsfilms Niemandsland, der von den Nationalsozialisten sofort verboten wurde, stammten von ihm. Die beiden Regisseure, Victor Trivas und Georgy Zhdanov, waren junge jüdische Russen, beide emigrierten 1933 nach England und weiter in die USA, Zhdanov zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Else Schreiber, die 1916/17 im Ensemble der Münchner Kammerspiele war. Leonhard Frank floh 1933 über Zürich und London nach Paris, seine Bücher wurden in Deutschland verbrannt, er wurde aus der Preußischen Akademie ausgeschlossen und 1934 ausgebürgert. Mit der Besetzung der Deutschen in Frankreich wurde er in der Bretagne interniert. Es gelang ihm die Flucht über Spanien und Portugal 1940 in die USA. 1950 kehrte er nach Deutschland zurück. Ein Jahr nach seinem Tod (18.08.61) veranstalteten die MK im Werkraum mit seiner Witwe Charlott Frank eine Lesung aus seinen Werken.
Paul Frank
* 1885,
Wien
† 1976,
Los Angeles
MK 06.08.1927: Monsieur Héléne von Siegfried Geyer und Paul Frank, Regie: Robert Forster-Larrinaga. Mit Therese Giehse, Heinz Rühmann u.a.
MK 23.12.1929: Grand Hotel von Paul Frank. MK-Erstaufführung auf der Bühne des Volkstheaters, Regie: Richard Révy. MitTraute Carlsen, Julius Seger u. a.
MK 05.12.1930: Geschäft mit Amerika von Paul Frank und Ludwig Hirschfeld. MK-Erstaufführung auf der Bühne des Volkstheaters, Regie: Rudolf Hoch. Mit Else Hermann u. a.
20.12.1932: Essig und Öl von Siegfried Geyer und Paul Frank auf der Bühne des Volkstheaters
Paul Frank, Sohn einer Wiener jüdischen Familie, war in den 1920er Jahren in Wien ein erfolgreicher Theaterautor mit Co-Autoren, u. a. mit Siegfried Geyer und Ludwig Hirschfeld. Früh wurde er als Drehbuchautor entdeckt und 1930 von Ufa-Direktor Erich Pommer nach Berlin geholt. Dort arbeitete er mit gefragten Co-Autoren zusammen (Franz Schulz, Prag 1897 – 1971 Muralto/Tessin, 1933 Flucht nach in die USA. Robert Liebmann, Prag 1890 – Juli 1942 Ermordung in Auschwitz), mit Schulz 1930 am Drehbuch zu dem legendären Spielfilm Die Drei von der Tankstelle. Fast gesamte künstlerische Team musste nach der ‚Machtergreifung‘ der Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen. Dagegen war für Olga Tschechowa, Willy Fritsch und Heinz Rühmann dieser Film der Beginn ihrer Karriere, nicht unterbrochen in den zwölf Jahren der NS-Diktatur.
Paul Frank kehrte zunächst zurück in seine Heimatstadt Wien, zusammen mit seiner Frau, der Photographin Edith Barakovich (Semlin/Belgrad 14.02.1896 – 11.12.1940 Casablanca). 1938 fliehen beide nach Frankreich, weiter über Spanien im Juni 1940 nachCasablanca. Dort warten sie auf ihre Einreisevisa für die USA.
Als sie eintreffen, sind die Ausreisevisa der Vichy-Behörden abgelaufen – in dieser verzweifelten Situation nimmt sich Edith Barakovich das Leben. Paul Frank gelingt Monate später die Flucht in die USA. Seine Drehbuchentwürfe aber werden nie realisiert, er ist nun einer der vertriebenen erfolglosen europäischen Filmschaffenden in den USA, die von erfolgreicheren Emigranten mit einem für Kollegen eingerichteten European Film Fund unterstützt werden. Paul Frank stirbt 1976 im 91. Lebensjahr in Los Angeles.
Rudolf Frank
Direktor*in
* 1886,
Mainz
† 1979,
Basel
Regisseur, Theaterkritiker, Schriftsteller. Ab der Spielzeit 1921/22 Oberspielleiter an den Münchner Kammerspielen und bis 1925 Direktionsstellvertreter Falckenbergs.
In Franks 1960 veröffentlichten Autobiographie Spielzeit meines Lebens–Dem Andenken an die Vielen zu Unrecht Vergessenen schreibt er hochinteressant über diese Zeit an den Münchner Kammerspielen 1921–1925.undefined
Danach Schriftsteller. Arbeit für Rundfunk und Film. 1933 Ausschluss aus der Reichstheater-, Reichsrundfunk- und Reichsschrifttumskammer. Sein Antikriegs–Roman Der Schädel des Negerhäuptlings Makaua wurde im Mai 1933 verbrannt. Das Buch wurde unter dem neuen Titel Der Junge, der seinen Geburtstag vergaß 1979 neu aufgelegt und mit Preisen ausgezeichnet. 1936 floh Frank nach Wien.
„Warum ich erst 1936 emigrierte? Mein Gott, uns schien die ganze Hitlerei so grenzenlos albern, daß wir vor ihr nicht auskneifen wollten. An allen Dingen sehe ich immer erst das Komische, und vor dem Komischen hat man doch keine Angst! Im Sommer 1933 konnte ich noch mit dem blubbernden Komiker Wallburg und der Filmdiva Maurus eine Tournee ins Saarland und in die Schweiz unternehmen. Hätte mir in Zürich ein Engagement geblüht, ich hätte die Meinen herübergeholt, aber mir blühte nichts; die Blüten waren von anderen gepflückt, und als mir in Berlin das letzte Fleckchen künstlerischer Freiheit entzogen war, folgte ich meinem Kollegen Marland-Mendelsohn, arbeitete mit ihm in einem Reisebüro Achenbachstraße 38 und sah, mit welcher Verzweiflung Alte und Junge, Juden und Christen, Demokraten, Parteilose und Sozialisten dem Nazireich zu entrinnen suchten. Vom Schutzverband deutscher Schriftsteller waren die meisten, die besten verschwunden . . .“
Rudolf Frank: Spielzeit meines Lebens. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2012, S. 338f.
1937 Flucht nach Meran und weiter in die Schweiz, ein Flüchtling ohne Arbeitserlaubnis, Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft und seines Doktortitels. Unter Pseudonym weiter publizistisch tätig, von 1944 in der Region Basel geduldet, tätig als Autor, Übersetzer und Theaterkritiker bis zu seinem Tod 1979 in Basel.
Lilly Freud-Marlé
Schauspieler*in
* 1888,
Wien
† 1970,
London
Über die Schauspielerin und Tochter von Sigmund Freuds Schwester Maria, Lilly Freud-Marlé, wissen wir bisher weniger als über ihren Mann, Arnold Marlé. Wir versuchen ihr gemeinsames Schicksal hier als Paar zu erzählen:
Der Schauspieler Arnold Marlé (Prag 1887–1970 London), seit 1910 in München am Volkstheater, wurde zur Spielzeit 1915/16 von Adolf Kaufmann an die Münchner Kammerspiele verpflichtet, als Schauspieler und Regisseur. Er und Lilly Freud heirateten, ein Sohn wurde 1919 in München geboren, ein zweiter Sohn starb einen Tag nach der Geburt 1921. An den Münchner Kammerspielen in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Wie es euch gefällt spielte Arnold Marlé in der Rolle des Probsteins, seine Frau Lilly in der Rolle des Dritten Pagen, der Hymen darstellt. 1924 wurde Arnold Marlé von Erich Ziegel nach Hamburg geholt, wo er bis zu seiner letzten Spielzeit in Deutschland Schauspieler und Spielleiter am Deutschen Schauspielhaus war. 1930 adoptierten Lilly und Arnold Marlé die achtjährige Tochter von Lillys Schwester nach deren Tod.
Im März 1933 floh die Familie nach Prag, im März 1939 weiter nach London.
Egon Friedell
Autor*in
* 1878,
Wien
† 1938,
Wien
MK 24.02.1911: Soldaten leben im Frieden mit Alfred Polgar, Regie: Eugen Robert
Nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten in Deutschland wurde von allen deutschen und österreichischen Verlagen die Veröffentlichung von Friedells Werken abgelehnt. Im Februar 1938 wurde Friedells Kulturgeschichte der Neuzeit verboten.
Am 16. März 1938 entzog sich Friedell der Verhaftung in Wien durch die SA, indem er sich aus dem Fenster in den Tod stürzte.
Flora Fromm
Gesellschafter*innen
* 1859,
Diespeck
† 1942,
KZ Theresienstadt
Flora Fromm wurde am 21.07.1859 in Diespeck Kreis Neustadt an der Aisch geboren. Floras Eltern, Abraham Schönberg und Ernestine, geb. Stein, waren ein Kaufmannsehepaar in Diespeck in Franken. Welche Schulen sie besuchte und wie sie bis zu ihrer Hochzeit im Alter von 21 Jahren mit dem Kommerzienrat Gustav Fromm (1849 - 1916) am 9. August 1880 in Nürnberg gelebt hat, ist nicht bekannt.
Sie wurde innerhalb von neun Jahren zwischen 1881 und 1890 Mutter von fünf Kindern: Else, geb. am 07.08.1881, Leo, geb. am 16.07.1883, Martha, geb. am 10.08.1884, die 1890 im Kindesalter starb, Heinrich, geb. am 30.03.1886 und Selma, geb. am 08.08.1890. Alle fünf Kinder kamen in Augsburg zur Welt, dem Sitz der Kaufmannsfamilie Fromm, die einen großen international vernetzten Hopfenhandel betrieb.
Mitglieder der Familie Fromm gehörten zu den Mitgründern der Münchner Kammerspiele in der Augustenstraße 89 und wurden Gesellschafter der von Adolf Kaufmann und Dr. Leo Fromm gegründeten MÜNCHNER THEATER G.m.b.H. Sie schufen als Gesellschafter eine finanzielle Basis der Münchner Kammerspiele, von den Anfängen bis zur 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten waren sie wichtige Förderer dieses Privattheaters. Im einem Beitrag für das 'Neue Wiener Journal' am 11.02.1930 beschrieb Adolf Kaufmann das Besondere dieses kühnen Theaterwagnisses Münchner Kammerspiele so:
Unser Theater ist eine gemeinnützige Bühne, nicht zum Verdienen geschaffen, in Anerkennung seiner Leistungen mit einer städtischen Subvention bedacht. Unser Publikum rekrutiert sich aus den intellektuellen Schichten, die sich für moderne Theaterkunst interessieren.
Neues Wiener Journal 11.02.1930, siehe ANNO
Flora Fromms Ehemann, Gustav Fromm, geboren am 14. November 1849 in Fischach bei Augsburg, war Hopfenhändler in der Familienfirma, die in Augburg seit 1872 schriftlich belegt ist, aber vermutlich bereits 1845 gegründet wurde. Seine beiden älteren Brüder David und Jacob bauten in München ab 1887 einen Filialbetrieb auf. Ab 1901 bildet Gustav Fromm zusammen mit seinem Neffen Adolf Fromm den Vorstand des Münchner Unternehmens „Joachim Fromm, Hopfen-Handlung“. Beide werden Gesellschafter der Münchner Theater G.m.b.H.
Gustav Fromm stirbt im September 1916, im Alter von 67 Jahren, zwei Monate nachdem Gustav und Floras ältester Sohn Leo (*16.07.1883) an der Kriegsfront in Frankreich vor Verdun gefallen war, kurz nach seinem 33. Geburtstag.
Dr. Leo Fromm, promovierter Jurist in einer gemeinsamen Anwaltskanzlei mit seinem Studienfreund Adolf Kaufmann, war Mitgründer der Münchner Kammerspiele in der Augustenstraße 89 Aufsichtsratsvorsitzender und Gesellschafter der Münchner Theater G.m.b.H., so wie sein jüngerer Bruder Heinrich, sein Cousin Adolf und seine Mutter, die Kommerzienratsgattin Flora Fromm.
Am 1. August 1917 fand in den Kammerspielen
„zugunsten von Hinterbliebenen von Kriegsteilnehmern des königlichen ersten Feldartillerieregiments anläßlich des ersten Todesgedächtnistages des vor einem Jahre im Westen gefallenen Aufsichtsratsvorsitzenden der Münchner Kammerspiele Herrn Dr. Leo Fromm eine Aufführung statt von „KLEIN EYOLF“, ein Schauspiel von Henrik Ibsen in drei Akten. Unter gütiger Mitwirkung von Mirjam Horwitz und Erich Ziegel“. (Text des Theaterplakats)
Flora Fromms erstgeborene Tochter Else heiratete Hugo Marx, der in München zusammen mit seinem Neffen Heinrich Marx ein Bankhaus führte, beide waren ebenfalls Gesellschafter der Münchner Theater GmbH und halfen immer wieder bei finanziellen Schwierigkeiten aus der Klemme, denn an Kapital waren die Münchner Kammerspiele immer knapp.
Die Witwe Dr. Leo Fromms, Edith, geb. Degginger, wiederverheiratete Edith Frank, blieb Gesellschafterin auch nach ihrem Umzug nach Leipzig. Nach 1933 emigrierte sie über Holland nach Australien.
Ihre und Leos Tochter Gertrud, verheiratete Laufer, wurde nach ihrer Flucht nach Paris mit ihrer noch nicht einjährigen Tochter in Drancy interniert und von dort nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Die 73jährige Familienälteste Flora Fromm zog 1932 aus Ausgburg zu ihrer Tochter Else und deren Mann Hugo Marx nach München in die Franz-Joseph-Str. 41. Sie war bis Ende 1932 Gesellschafterin der Münchner Theater GmbH zusammen mit den anderen Mitgliedern dieser Familie. Mit der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten übernahmen Regime-genehme Gesellschafter die Neue Münchner Theater GmbH, bevor die Münchner Kammerspiele im Januar 1939 eine städtische Bühne der "Hauptstadt der Bewegung" wurden.
Die Wohnung in der Franz-Joseph-Straße musste im August 1938 aufgegeben werden. Die hochbetagte Flora Fromm wurde ins Israelitische Krankenheim in der Hermann-Schmidstraße 5 gebracht. Else und Hugo Marx lebten übergangsweise noch in der Tengstraße, bevor beiden noch 1941 die Flucht in die USA gelang.
Flora Fromm wurde am 5. Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort am 25. Juni 1942 ermordet.
Ein Haus in der Sonnenstraße 3 (heute 5), das ihr zusammen mit Adolf Fromm, dem Cousin ihrer Kinder, gehörte und Teil des Firmenvermögens war, wurde nach der Pogromnacht 1938 arisiert, der neue Besitzer war dann die „Großdeutsche Feuerbestattung“ mit Sitz in Berlin.
Adolf Fromm konnte mit seiner Frau noch kurz vor Kriegsbeginn nach Brasilien fliehen, starb dort aber bereits 1943 mit 61 Jahren.
Heinrich Fromm, seine Frau Helene, geb. Degginger und die drei Kinder konnten sich in die Emigration über Holland nach London retten.
Die jüngste Tochter Flora Fromms, Selma und ihr Mann Ludwig Friedmann, die in Augsburg lebten, begingen am 7. März 1943, am Abend vor der Deportation, Suizid.
Leo Fromm
Gesellschafter*innen
Anwalt
Mitbegründer*in
* 1883,
Augsburg
† 1916,
St. Mihiel
Leo Fromm war eines der fünf Kinder der jüdischen Hopfenhändlerfamilie Gustav und Flora Fromm in Augsburg. Nach dem Jurastudium in München war er Sozius in der Anwaltskanzlei seines Studienkollegen Adolf Kaufmann. Beide waren Mitgründer der Münchner Kammerspiele; sie gründeten die Münchner Theater GmbH und schufen als Gesellschafter mit weiteren Mitgliedern der Familie Fromm eine finanzielle Basis der Münchner Kammerspiele bis zur sog. ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten 1933. Leo Fromm meldete sich im Frühjahr 1915 als Freiwilliger zum 7. Feldartillerie-Regiment. Er fiel am 27.07.1916 bei St. Mihiel / Verdun in Frankreich.
Die Witwe Leo Fromms, Edith, geb. Degginger, wiederverheiratete Edith Frank, blieb Gesellschafterin der Münchner Theater GmbH, auch nach ihrem Umzug nach Leipzig. Nach 1933 emigrierte sie über Holland nach Australien.
Leo und Edith Fromms Tochter Gertrud, geboren an 20.06.1915 in München, emigrierte am 15.06.1934 nach Frankreich, sie heiratete den in Polen am 25.01.1909 geborenen und aus Wien emigrierten Akademieprofessor für Klavier und Dirigieren Dr. Robin Laufer. Er kämpfte in einer polnischen Division der französischen Armee. Gertrud Laufer geb. Fromm wurde zusammen mit ihrer kleinen Tochter Hedwige Sylvienne (*Montpellier 11.01.1943) in Drancy interniert, von dort am 07.03.1944 mit dem 69. Konvoi nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Ihr Mann, der in Montpellier unterrichtete und sich der Resistance angeschlossen hatte, wurde am 27.03.1944 mit dem 70. Konvoi von Drancy nach Auschwitz deportiert. Er überlebte unter abenteuerlichen Umständen. Nach dem Krieg arbeitete er im Auftrag der UN für den International Music Council der UNESCO in Paris und London, 1957 wurde er zum Direktor des San Francisco Conservatory of Music berufen und ging mit seiner zweiten Frau Eunice, einer englischen Diplomatin, in die USA. Er starb 1966.
Leo Fromms Mutter Flora Fromm, Gesellschafterin der Münchner Theater GmbH bis Ende 1932, wurde am 5. Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort im KZ am 25. Juni 1942 ermordet. Für sie wird in den Münchner Kammerspielen ein Erinnerungszeichen angebracht werden.
(s. Erinnerungszeichen, Kurzbiographie Flora Fromm)
Dr. med. Salomon Fuld
Theaterarzt
* 1864,
Mannheim
† 1942,
München
Ärztliche Approbation 1890. Zuzug nach München 1890. Praxis in der Augustenstr. 90, ab dem 01.01.1917 in der Isabellastr. 13.
Gemeinsamer Sohn Johann Benedikt, geb. in München 16.04.1899 – ?
Gertrude Fuld
Fotograph*in
* 1895,
Mainz
† 1996,
Montreux
Gertrude Fuld war die Tochter einer Mainzer jüdischen Anwaltsfamilie.
Nach einer Lehre im Atelier des Porträt- und Architekturphotographen Eduard Wasow (Bremerhaven 1879–1944 München) – auch Grete Weil war bei Wasow in die Lehre gegangen vor ihrer Flucht nach Holland – und nach einer Ausbildung bis 1922 an der Staatlichen Höheren Fachschule für Phototechnik in München (dort wurden seit 1905 Frauen zur photographischen Ausbildung zugelassen) führte Gertrude Fuld von 1922–1933 ein eigenes Atelier für Porträt- und Theaterphotographie in der Franz-Joseph-Straße 7 (ATELIER FULD) in München. In dieser Zeit war sie auch Theaterphotographin der Münchner Kammerspiele.
1933 flüchtete sie mit ihrem Lebensgefährten, dem Maler Jules Fehr (Aachen 24.04.1891–07.07.1971) nach Frankreich. Sie gründeten in Paris eine Photoschule, 1939 bei Kriegsbeginn mussten sie diese schließen und emigrierten in die Schweiz. In Lausanne wurde die Photoschule neu eröffnet als École Fehr und 1945 in die École des Arts et Métiers integriert. Sie wurde eine einflussreiche Lehrerin. Auch ihre Eltern und ihre ältere Schwester konnten aus Deutschland fliehen.
Ludwig Fulda
Autor*in
* 1862,
Frankfurt
† 1939,
Berlin
MK 07.07.1915: Die Zwillingsschwester, Regie: Erich Ziegel
MK 27.11.1927: Die Durchgängerin, Regie: Robert Forster-Larrinaga
MK 24.09.1932: Die Schule der Frauen von Moliere in der deutschen Bearbeitung von Ludwig Fulda, Regie: Richard Révy
Ludwig Fulda, Sohn einer Frankfurter jüdischen Bankiersfamilie, lebte ab 1884 als freier Schriftsteller, Bühnenautor und Übersetzer in München. Von 1925 an war er Co-Präsident des deutschen PEN-Clubs und ab 1926 Vorsitzender des Senats der Sektion für Dichtkunst in der Preußischen Akademie der Künste. Noch im April 1933 wurde ihm in Wien der Burgtheater-Ring verliehen. In Deutschland wurde er am 8. Mai 1933 aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen und mit Publikationsverbot belegt. Erfolglos bemühte er sich um ein Ausreisevisum für die USA. Am 30. März 1939 beging er in Berlin Suizid.
Lucy Geldern
Schauspieler*in
* 1887,
Wien
† 1956,
Locarno
Die als Lucia Goldberg geborene Wienerin legte sich als Schauspielerin den Namen Lucy Geldern zu und gehörte von April 1915 – November 1916 dem Ensemble der Münchner Kammerspiele an.
Sie spielte u. a. in vier Inszenierungen Falckenbergs, Strindbergs Rausch, Gespenstersonate, Advent und Hofmannsthals Alkestis. Im Februar 1914 war ihr sechsjähriger Sohn gestorben, im Oktober 1914 ihr Mann, der Münchner Hofschauspieler und promovierte Germanist Bernhard von Jacobi (*1880) im Ersten Weltkrieg gefallen. Ab März 1917 ist sie bei Erich Ziegel an den Hamburger Kammerspielen engagiert, danach in Berlin am Volkstheater, in Dresden. Sie arbeitete als Dramaturgin, begann mit feuilletonistischen Arbeiten und literarischen Übersetzungen. 1934 flieht sie aus Nazi-Deutschland in die Schweiz. In den folgenden zwanzig Jahren schlägt sie sich als Journalistin und Übersetzerin unter ärmlichen Bedingungen durch. Sie stirbt 1956 an den Folgen eines Verkehrsunfalls.
Julius Gellner
Direktor*in
Regisseur*in
* 1899,
Saaz
† 1983,
London
Julius Gellner war das neunte Kind einer böhmisch jüdischen Familie, die später nach Prag zog. In Prag machte Gellner zunächst eine Banklehre, bevor er zum Theater ging, 1918 nach Würzburg, Berlin und Düsseldorf. 1921 entdeckte ihn dort Otto Falckenberg und verpflichtete den 22-jährigen Schauspieler an die Münchner Kammerspiele.
Bereits 1924 führte er zum ersten Mal Regie mit Grillparzers Die Jüdin von Toledo (28.09.1924), seit der Spielzeit 1925/26 war er Direktionsstellvertreter Falckenbergs und einer der prägenden Regisseure der Kammerspiele bis zu seiner letzten Inszenierung am 31. Januar 1933 an diesem Theater, Das Schwedische Zündholz, ein Stück des österreichischen Autors Ludwig Hirschfeld, der in Auschwitz ermordet wurde. Anfang März 1933, gewarnt vor seiner drohenden Verhaftung, floh Julius Gellner nach Prag. Bis zur Schließung des Deutschen Theaters in Prag am 31. Oktober 1938 war er dort Oberspielleiter. Am 29. August 1939 Flucht nach London, im Exil Arbeit für den deutschen Dienst der BBC, nach 1945 Theaterregisseur am Mermaid Theatre in London und am israelischen Nationaltheater Habimah in Tel Aviv.
Nach dem Tod seiner Tochter Johanna (München 1926–November 1971 London) kümmerte er sich um seinen Enkel. Julius Gellner starb am 24.10.1983 in London.
Julius Gellner, Heinrich Fischer und Adolf Kaufmann waren in den Augen der Nationalsozialisten in München, allen voran der Fraktionsführer der NSDAP im Stadtrat, Karl Fiehler, die drei 'kulturbolschewistischen Juden' im Direktorium der Münchner Kammerspiele, die entfernt werden mussten. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten meldete am 3. April 1933 der neue Anwalt Falckenbergs und der Münchner Kammerspiele, Dr. Zeno Diemer (NSDAP-Mitglied seit dem 1. März 1931) in einem Brief an den 1. Bürgermeister der Stadt, Karl Fiehler:
„Die politische Entwicklung der letzten Wochen hat an den Kammerspielen grundlegende Aenderungen geschaffen. Durch die schon vorher vollzogene Entfernung des Direktors Kaufmann, ferner durch das mehr oder minder freiwillige Ausscheiden der jüdisch–orientierten Mitglieder (Direktor Gellner, Giehse, Fischer usw.) und durch die Zusammenarbeit mit dem Kampfbund für deutsche Kultur ist die weitere Entwicklung des Unternehmens im deutschen Sinne und für die Verbreitung deutscher Kultur gesichert ...“
Stadtarchiv München KULA – 0226.
Valeska Gert
Schauspieler*in
geb. Gertrud Valesca
* 1892,
Berlin
† 1978,
Kampen, Sylt
Valeska Gert, Tochter einer Berliner jüdischen Kaufmannsfamilie. Bevor sie als exzentrisch avantgardistische Tänzerin und Tanzpantomimin Karriere machte, spielte sie an den Münchner Kammerspielen das Käthchen in Shakespeares Wie es euch gefällt (Premiere 21.01.1917) in Falckenbergs legendärer Inszenierung. Von den Nazis als ‘entartet’ verurteilt, floh sie 1933 nach England, nach Frankreich und 1939 in die USA. 1947 Remigration in die Schweiz, 1949 in die BRD.
Adrienne Gessner
Schauspieler*in
* 1896,
Maria-Schutz
† 1987,
Wien
In der Spielzeit 1917/18 ist sie im Ensemble der Münchner Kammerspiele, spielt in Falckenbergs Inszenierungen von Shakespeares Das Wintermärchen und Bruno Franks Die Schwestern und der Fremde. Es folgten Engagements u. a. bei den Salzburger–, den Ruhr–Festspielen und in Wien. 1933 heiratete sie den Schriftsteller und Theaterregisseur Ernst Lothar (Brünn 25.10.1890–30.10.1974 Wien). Nach dem 'Anschluss' Österreichs emigrierte Ernst Lothar nach antisemitischen Angriffen mit seiner Frau in die Schweiz, von dort nach Paris und 1939 in die USA. Sie spielte Theater auf Tournee und am Broadway, er lehrte an der Universität Colorado. 1945 nahmen beide die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an, sie wollte in den USA spielen, auf seinen Wunsch aber kehrten beide 1946 nach Österreich zurück und konnten ihre Theaterarbeit wieder aufnehmen.
Siegfried Geyer
Autor*in
* 1883,
Marchegg
† 1945,
MK 07.08.1927: Monsieur Héléne von Paul Frank und Siegfried Geyer, Regie: Richard Forster-Larrinaga. Mit Therese Giehse, Heinz Rühmann u. a.
MK 17.07.1928: Kleine Komödie, Regie: Julius Gellner. Mit Wieck, Schweikart, Révy, Rühmann
MK 16.08.1930: Arm wie eine Kirchenmaus von Ladislas Fodor in der deutschen Bearbeitung von Siegfried Geyer. Gastspiel Erika von Thellmann 16.-18.08.1930
MK 01.04.1931: Der Fratz von Barry Conners, in der deutschen Bearbeitung von Siegfried Geyer. MK-Erstaufführung auf der Bühne im Volkstheater. Regie: Rudolf Hoch. Bühne: David Scheuner. Mit Ilva Günthen, Otto Brüggemann u. a.
MK 26.02.1932: Kopf in der Schlinge von John von Bradley (alias Ladislas Fodor), in der deutschen Bearbeitung von Siegfried Geyer. Regie: Richard Révy
MK 18.05.1932: Juwelenraub in der Kärtner Strasse von Ladislas Fodor und Siegfried Geyer. Regie: Richard Ulrich
20.12.1932: Essig und Öl von Siegfried Geyer / Paul Frank. Eröffnungspremiere im Volkstheater (nach der Trennung Münchner Kammerspiele und Volkstheater zum 1.12.1932). Musik: Robert Katscher (Wien 20.05.1894 – 1938 Flucht in die USA – 32.02.1942 gestorben in Los Angeles)
MK 20.01.1934: Der Fratz von Barry Conners, in der deutschen Bearbeitung von Siegfried Geyer. Regie: Eberhard Krumschmidt. Bühne: E. Sturm. Mit Käthe Gold, Heli Finkenzeller, Will Dohm u. a.
Siegfried Geyerhahn kam als Sohn einer österreichischen jüdischen Kaufmannsfamilie auf die Welt. Nach einem Jurastudium in Wien begann er seine Theaterlaufbahn in Berlin. Seit 1922 leitete er in Wien u. a. die Neue Wiener Bühne und die Wiener Kammerspiele. Nach dem ‘Anschluss’ floh er nach Ungarn, dort wurde er 1940 verhaftet und interniert. Kurz vor Ende der NS-Herrschaft wurde er an der ungarisch-slowakischen Grenze erschossen.
Ohne auf Siegfried Geyers Schicksal 1945 einzugehen, deutet Petzet in seiner Chronik an, dass er wusste, dass Siegfried Geyer nach der sog. ‚Machtergreifung‘ der Nazis in Deutschland in Gefahr war:
Eberhardt Krumschmidt hatte auch mit seinen weiteren Inszenierungen immer Erfolg: dem bewährten englischen Vater-Tochter-Lustspielchen „Roxy“, gespielt von Käthe Gold und Will Dohm; das Stück wurde damals „DER FRATZ“ getauft und trotz des Bearbeiters Siegfried Geyer von den amtlichen Stellen toleriert.
Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch Verlag 1973, S. 364.
Auch auf Eberhardt Krumschmidts Schicksal geht Petzet mit keinem Wort ein.
Therese Giehse
Schauspieler*in
* 1896,
München
† 1975,
Zürich
Von September 1926 bis Februar 1933 an den Münchner Kammerspielen im Schauspielhaus
1. Januar 1933 Eröffnung des literarischen und politischen Kabaretts:
D I E P F E F F E R M Ü H L E
31. Januar 1933 Premiere in Ludwig Hirschfelds Das schwedische Zündholz, Therese Giehses letzte Rolle an den Kammerspielen vor ihrer Flucht. Der Autor Ludwig Hirschfeld wurde am 6. November 1942 von Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
13. März 1933 Flucht in die Schweiz, zusammen mit Erika Mann, Klaus Mann, Sybille Schloß, Walter Mehring, Magnus Henning, 1. Oktober 1933 Neueröffnung der PFEFFERMÜHLE in Zürich. 1937 – 1966 am Schauspielhaus Zürich.
1949–1952 Zusammenarbeit mit Weigel, Brecht und dem Berliner Ensemble.
22. September 1949: Rückkehr als Gast an die Münchner Kammerspiele in Der Biber-Pelz, Regie: Peter Lühr. 1966 vertragliche Bindung an die MK.
Ernst Ginsberg
Schauspieler*in
* 1904,
Berlin
† 1964,
Zollikon
1924/25 wird Ernst Ginsberg als 20-Jähriger für zwei Spielzeiten ins Ensemble der Münchner Kammerspiele verpflichtet. Nach Engagements in Düsseldorf und Berlin ging er 1932 ans Landestheater Darmstadt. Dort werden 1933 alle jüdischen Mitglieder des Ensembles entlassen, zwei von ihnen waren ein paar Spielzeiten davor an den Münchner Kammerspielen gewesen, Grete Jacobsen und Ernst Ginsberg.
Er flieht 1933 in die Schweiz, wird Mitglied des Züricher Schauspielhauses bis 1962, zwischendurch führte er Regie in Basel, von 1952–1961 wirkt er immer wieder als Schauspieler und Regisseur bei Intendant Kurt Horwitz am Münchner Residenztheater, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbindet.
Rhea Glus
Choreograph*in
* 1888,
Breslau
† 1971,
B'nei Brak, Tel Aviv
Die Tänzerin und Choreographin heiratete 1914 Sigbert Feuchtwanger, einen Cousin Lion Feuchtwangers und macht bei der Tänzerin Magda Bauer eine Ausbildung in künstlerischem Ausdruckstanz. In der Spielzeit 1919/20 wird sie an den Münchner Kammerspielen als Choreographin engagiert, u. a. für Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Sommernachtstraum (19.06.1920).
1933 Berufsverbot für jüdische Künstler. Im August 1936 emigriert sie mit ihrem Mann nach Tel Aviv, der Sohn war bereits 1935 ausgewandert, er remigriert 1948.
Rhea Glus kommt zu Besuch nach München, bleibt aber in Tel Aviv.
Josef Glücksmann
Regisseur*in
Dramaturg*in
* 1900,
Wien
† 1963,
Wien
Österreichischer Schauspieler, Dramaturg und Regisseur. An den Münchner Kammerspielen Chefdramaturg, Regisseur in den zwei Spielzeiten 1928/29 – 1930/31. Als im November 1929 die Münchner Polizeidirektion die Aufführung von Ferdinand Bruckners Die Verbrecher nach der ersten Vorstellung verbot (Regie: Richard Révy, in einer Hauptrolle Therese Giehse), inszenierte Josef Glücksmann innerhalb von zwei Wochen ein Stück Flieg, roter Adler von Tirol. Am Schauspielhaus Hamburg (Deutsches Schauspielhaus) war er bis 1933 als Regisseur unter Vertrag; als allen jüdischen Mitarbeiter*innen dort im März 1933 gekündigt wurde, flüchtete er zusammen mit seiner Frau Mia Engels nach Wien, 1938 emigrierten sie in die USA. 1949 Remigration nach Wien, Regisseur am Volkstheater und Burgtheater.
An den Kammerspielen hat er sich 1930 im August-Programmheft getraut, das Theater gegen die unterkomplex missgünstigen Theaterkritiker der Stadt zu verteidigen:
„Wir sehen, dass die führenden Weltstadtkritiker die Macht, die ihnen gegeben ist, zur Austragung völlig privater Gegensätzlichkeiten benützen. Wir konstatieren vollkommenen Mangel an Objektivität, Partei-Einstellung, kleinliche Privatinteressen . . . Die Beurteilung der schauspielerischen Leistung und des bühnenmäßigen Gesamteindrucks ist im letzten Jahrzehnt in erschreckender Weise an ein traditionelles System von überlieferten Phrasen und abgenützten Adjektiven gebunden, das in seiner Eintönigkeit und Phantasielosigkeit allmählich unerträglich wird... Der Kritiker muß es verstehen, seine Leidenschaft für das Theater, denn ohne die wäre Kritik Stümperei, in Entdeckerlust, in Pädagogik, in Warnung, in Strenge, in Jubel zu verwandeln. Ihm muß der kleine Schauspieler so wichtig sein wie der Star, ihm muß die künstlerische Größe eines Blicks, einer Pause, einer Bewegung, eines Lächelns Anlaß genug sein, um sie sprachlich zu dokumentieren. Nur der Kritikertyp des Enthusiasten, des leidenschaftlichen Theaterliebhabers, der allem offen ist, der alles versteht, wenn er auch nicht alles verzeiht, ist imstande, das Theater wieder zum Schauplatz aller geistigen Interessen zu machen“. . .
Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Kurt Desch 1973, S. 184f.
Heinz Goldberg
Regisseur*in
* 1819,
Königsberg (Kaliningrad)
† 1969,
Berlin
Nach Studium und Promotion begann Goldberg eine Schauspielerlaufbahn in Frankfurt a.M. 1915 bis 1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg.
Theaterregisseur, Drehbuchautor, Regisseur 1921/22 an den Münchner Kammerspielen. Er inszenierte dort Perikles von Tyrus von William Shakespeare.
Danach schrieb er vor allem Drehbücher, 1930 zu Dreyfus, Regie: Richard Oswald, mit Fritz Kortner, Grete Mosheim, Erwin Kalser, Oskar Homolka u.a. 1931 das Drehbuch zu Danton, Regie: Hans Behrendt, mit Fritz Kortner in der Titelrolle. Sie alle flohen 1933 aus Deutschland.
Goldberg floh nach Wien, 1936/37 war er kurz in Moskau, er arbeitete dort an einem Heinrich Heine-Projekt zusammen mit Walter Haenisch, der 1938 in Moskau zum Tode verurteilt und ermordet wurde. 1938 war Goldberg zurück in Wien und floh nach dem ‘Anschluss’ in die Schweiz und von dort nach Frankreich. 1939 Emigration nach London, 1956 Remigration nach Berlin (West).
Walter Gynt
Schauspieler*in
Nach einem ersten Engagement am Wiener Burgtheater 1914-1917 in der Spielzeit 1921/22 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. die Hauptrolle in Paul Kornfelds Die Verführung 27.07.1921), Regie: Erich Engel und in Rudolf Franks Inszenierung von FeuchtwangersDer Frauenverkäufer (15.03.1922) die Rolle des maurischen Verkäufers (Rudolf Frank schreibt in seiner Autobiographie SPIELZEIT MEINES LEBENS (1960) über seine Wiederbegegnung mit Gynt in Wien vor dem 'Anschluss'). Walter Gynt ging von München nach Berlin als Schauspieler zu Reinhardt und als Regisseur zu Leopold Jeßner. 1933 floh der „Nicht-Arier“ nach Frankreich, nach einem kurzen Engagement in Straßburg kehrte er nach Wien zurück. Im April 1937 stand er zusammen mit Paul Morgan auf der Bühne des SCALA Theaters. Wo und wie er die Jahre 1938-1945 überlebte, wissen wir noch nicht.
Am 30. Dezember 1946 erscheint im WIENER KURIER eine Anzeige Schule für Schauspielkunst und Rezitation – Inhaber und Leiter Walter Gynt. In der Spielzeit 1949/50 inszeniert er sehr erfolgreich am Landestheater Salzburg, u. a. die Erstaufführung von Arnold Schwengelers Stück Der Fälscher (Mai 1950) mit Ernst Deutsch als Gast in der Rolle des Malers Han van Meegeren.
Paul Ben Haim
Komponist*in
geb. Paul
* 1897,
München
† 1984,
Tel Aviv
Münchner Kammerspiele 04.06.1925 Troilus und Cressida von William Shakespeare, Regie: Otto Falckenberg, Musik: Paul Frankenburger
Paul Frankenburger kam in München als Sohn einer jüdischen Anwaltsfamilie auf die Welt. Nach dem Abitur am Wilhelmsgymnasium studierte er in München Komposition und Klavier, war Assistent von Bruno Walter und Hans Knappersbusch. In Augsburg am Stadttheater war er Kapellmeister von 1924 bis 1931, als er nachanti-semitischen Anfeindungen entlassen wurde. Er emigrierte im November 1933 nach Tel Aviv und änderte seinen Nachnamen in Ben-Haim.
Für die Inszenierung Troilus und Cressida, zu Otto Falckenbergs legendärer ersten Inszenierung des Shakespeare–Dramas 1925, damals noch in der Augustenstraße,komponierte Paul Frankenburger die Musik. Das Stück wurde von Falckenberg noch ein zweites Mal an den Münchner Kammerspielen inszeniert, als Festvorstellung (Premiere 17. 10.1936) zum 25jährigen Bestehen der Münchner Kammerspiele. Auf dem Theaterzettel dieser zweiten Inszenierung1936 im Schauspielhaus in der Maximilianstraße aber tauchte der Name Paul Frankenburger nicht mehr auf. Der Komponist der Bühnenmusik war jetzt Ludwig Kusche (geb. 1901), die musikalische Leitung hatte Hans Jörn (geb.1906), beide waren Mitglieder der NSDAP:
2009 zeigte das Jüdische Museum Münchenin der Ausstellung ORTE DES EXILS 02 MINCHEN VE ' TEL AVIV biographische Porträts emigrierter jüdischer Münchner Künstler*innen des Malers Ludwig Schwerin und der drei Mitarbeiter*innen der Münchner Kammerspiele: Tänzerin und Choreographin Rhea Glus, Bühnenbildner David Schneuer und Komponist Paul Frankenburger / Paul Ben-Haim. 2022 macht das Ben-Haim-Forschungszentrum der Hochschule für Musik und Theater München Leben und Werk des vor 125 Jahren in München geboren Komponisten in einer Veranstaltungsreihe zugänglich und erlebbar.
Annemarie Hase
Schauspieler*in
* 1900,
Berlin
† 1971,
Berlin
1922 Engagement an den Münchner Kammerspielen, u. a. in der Rolle des Rolf in Arnold Bronnens Vatermord (13.06.1922) und in der Rolle der Marie in der UA von Brechts Trommeln in der Nacht (29.09.1922), beide Stücke in der Regie Falckenbergs. In den 1920er Jahren war sie in Berlin eine der Kabarettistinnen, für die Hollaender, Tucholsky, Kästner u. a. Texte schrieben. Im September 1931 war sie die Originalinterpretin des politisch-satirischen Songs An allem sind die Juden schuld von Friedrich Hollaender in dessen Berliner TINGEL-TANGEL THEATER.
Nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten hatte sie 1933 Auftrittsverbot wegen ihrer Herkunft aus einer evangelisch getauften jüdischen Familie. Sie trat in den Jüdischen Kulturbund ein, als die Repressionen unerträglich wurden, verließ sie 1936 Deutschland und ging ins Exil nach England. 1940 wurde sie von der BBC engagiert für den „Ätherkrieg“ gegen das NS-Regime.
1947 remigrierte sie nach Berlin. Sie konnte dort ihre Bühnenlaufbahn als Theaterschauspielerin wiederaufnehmen, u. a. mit Brecht und Weigel am Berliner Ensemble.
Mit dem illusionslosen Blick der politisch engagierten, jüdischen Remigrantin auf das Deutschland nach der Naziherrschaft sagte sie:
„Sieben Jahre künstlerische Arbeit mit Brecht sind heute in Westdeutschland keine gute Empfehlung. Da gibt es eine geheiligte Blutgemeinschaft derjenigen, die im Dritten Reich dran waren und die Brecht nicht als großen Dichter, sondern als unerwünschten Politiker sehen“.
Katalog zur Ausstellung „1945: Jetzt wohin? Exil und Rückkehr…nach Berlin?“, Verein Aktives Museum am Martin Gropius Bau, Berlin, 1995.
Walter Hasenclever
Autor*in
* 1890,
Aachen
† 1940,
Internierungslager Les Milles
MK 04.02.1921: Jenseits, Regie: Berthold Viertel
Der Sohn, geplant, durfte nicht aufgeführt werden. In der Spielzeit 1916/17 wollte Hermann Sinsheimer dieses Stück Hasenclevers inszenieren, ein Zensurverbot machte es unmöglich
MK 30.09.1930: Napoleon, Regie: Julius Gellner
Nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten wurden Walter Hasenclevers Werke verboten, nach der Bücherverbrennung im Mai 1933 aus den öffentlichen Bibliotheken entfernt. Hasenclever ging ins Exil nach Nizza. Zweimal interniert als „feindlicher Ausländer“, nahm er sich in der Nacht vom 21. auf den 22. Juni 1940 im Internierungslager Les Milles bei Aix-en-Provence das Leben.
Ernst Held
Regisseur*in
geb. Heinrich Ernst Ludwig
Regisseur und Dramaturg an den Münchner Kammerspielen, in der Spielzeit 1930/31 mit drei Inszenierungen, die Spielzeit 1931/32 eröffnete er mit der Uraufführung des Stücks Nina von Bruno Frank und inszenierte bis Februar 1932 drei weitere Stücke. Aus der Schweiz hatte er das Angebot, als Oberspielleiter ans Schauspielhaus Zürich zu gehen.
In Wolfgang Petzets Erzählung der Münchner Kammerspiele heißt es zu Ernst Held und seinem Abschied aus München:
„Auch der Anfang der nun beginnenden Spielzeit der Katastrophen (1932/33) verlief noch programmgemäß. Einige neue Verträge werden abgeschlossen. Statt des begabten jungen Regisseurs und Dramaturgen Ernst Held,der einer Einladung nach Moskau folgte, arbeiten jetzt Carl Theodor Glock (er wird noch Kammerspiel-Geschichte machen) und Dr. Edgar Weil, dem seine Stellung in der Dramaturgie... alsbald zum Verhängnis wird.“
Wolfgang Petzet: Theater. Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Kurt Desch 1973, S. 237.
Petzets Erzählung von Helds „Einladung nach Moskau“ erschien 1973. Durch Zufall stießen wir auf ein 2006 Buch, in dem kleinen Berliner Lichtig-Verlag erschienen, mit dem Titel:
„Die DDR feiert Geburtstag und ich werde Kartoffelschäler. Als Arzt und „Agent“ im „Kommando X“ des MfS“ (168 Seiten). Ein autobiographisches Buch, der Autor: Anatol Rosenbaum.
Im Dezember 1968 wird der damals 29-jährige Autor, ein Ost-Berliner Kinderarzt, von der Staatssicherheit verhaftet. Aufgrund der Denunziation eines westdeutschen Stasi-Spitzels flog er bei dem Versuch auf, in Prag an bundesrepublikanische Pässe zu gelangen, die ihm, seiner Frau und dem gemeinsamen 5jährigen Sohn die Flucht in den Westen ermöglichen sollten. Stattdessen wird er zwei Jahre lang in Stasi-Gefängnissen weggesperrt, 1970 entlassen, er arbeitet wieder als Kinderarzt. 1975 wird er durch Vermittlung von Herbert Wehner für 250.000 DM „freigekauft“ und übersiedelt nach West-Berlin.
Der Autor Anatol Rosenbaum ist ein Sohn kommunistischer Eltern, die aus großbürgerlichen, jüdischen Familien in Hamburg stammten. Sein Vater, Heinrich Ernst Ludwig Rosenbaum (*1903), Sohn eines Hamburger Privatbankiers, war in den 1920er Jahren ein junger Theaterregisseur an den Hamburger Kammerspielen, die 1918 gegründet wurden von Erich Ziegel, der von April 1913 bis August 1919 Direktor der Münchner Kammerspiele in der Augustenstraße 89 war.
Anatol Rosenbaums Mutter Nelly Hahlo war eine Tochter des jüdischen Hamburger Holzfabrikanten Philipp Hahlo. Sie schloss sich in den 1920er Jahren der Hamburger KPD unter Ernst Thälmann an. Nach ihrer Hochzeit 1930 mit Heinrich Ernst Ludwig Rosenbaum setzte Nelly durch, dass das Privatbankhaus der Familie Rosenbaum der KPD geschenkt wurde. Außerdem brachte sie ihren Mann dazu, 1930 den Namen Rosenbaum abzulegen, weil er zu jüdisch klinge. Beide nahmen den Namen Held an (die ersten Buchstaben der drei Vornamen H + E + L und D von 'Darling', wie die Mutter später ihrem Sohn erklärte).
Der junge Theaterregisseur Heinrich Ernst Ludwig Rosenbaum nannte sich jetzt Ernst Held und kam 1930 als Dramaturg und Regisseur an die Münchner Kammerspiele. Im Frühjahr 1932 erhielt er ein Angebot, als Oberspielleiter ans Schauspielhaus nach Zürich zu gehen, als seine Frau Nelly wegen Mitgliedschaft in einer konspirativen Zelle der KPD verhaftet worden war. Die Anklage lautete „Hochverrat und Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“. Gegen Auflagen und eine hohe Kaution bekam der Kammerspiele-Regisseur seine Frau wieder frei, zwei Tage später verließen Nelly und Ernst Held München und flohen nach Moskau. Wolfgang Petzet vermerkt: "[I]m Herbst 1932, Brief aus Moskau mit guten Wünschen zum Jahreswechsel 1932/33" (Theater, S. 252). In Moskau wird 1939 ihr Sohn Anatol geboren.
1949 kehren Ernst, Nelly und Anatol Held nach Deutschland zurück, sie gehen nach Ost-Berlin, Ernst Held wird Funktionär in der Kulturverwaltung der DDR, er vermittelt Bertolt Brecht und Helene Weigel einen Privatvertrag für das 1949 gegründete Berliner Ensemble. Ernst Held stirbt 1954 an den Spätfolgen eines Schlaganfalls, den er 1950 erlitt. 2005 nimmt Anatol Held den Namen Rosenbaum an, den seine Eltern 1930 abgelegt hatten.
Jenó Heltai
Autor*in
geb. Eugen
* 1871,
Budapest
† 1957,
Budapest
MK 21.11.1914: Die Modistin, Regie: Paul Marx. Mit Annie Reiter in der weiblichen Hauptrolle
Der ungarisch jüdische Autor, Journalist und Theaterdirektor war ein polyglotter, europäischer Kosmopolit, der durch Emigration von Budapest nach Frankreich und England der NS-Verfolgung entkommen konnte. Nach 1945 kehrte er nach Budapest zurück. An den Münchner Kammerspielen wurde sein Stück Die Modistin in der Inszenierung von Paul Marx aufgeführt (Premiere 21.11.1914) mit Annie Reiter in der weiblichen Hauptrolle.
Maria Herbot
Schauspieler*in
* 1897,
München
† 1957,
München
In den Spielzeiten 1925/26 und 1928/29 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, zusammen mit ihrem Mann, Heinz Rühmann (1902–1994). Die beiden waren seit August 1924 verheiratet. Maria Bernheim gab ihre Bühnenkarriere auf, angeblich um 'Privatregisseurin' ihres Mannes zu sein.
1938 ließ sich Rühmann von seiner jüdischen Ehefrau scheiden, mit Rat und Tat Goebbels wurde sie ins schwedische Exil geleitet, heiratete den schwedischen Schauspieler Rolf von Nauckhoff (Stockholm 1909–1968 München) und war mit der schwedischen Staatsbürgerschaft geschützt vor Abschiebung. Im MK–Narrativ wird ihre Biographie ausgeblendet.
Géza Herczeg
Autor*in
* 1888,
Nagykanizsa
† 1954,
Rom
MK 28.05.1930: Ja Peter von Géza Herczeg und Robert Forster-Larrinaga, Regie: Robert Forster-Larrinaga
MK 16.04.1934: Hundert Tage von Benito Mussolini u. G. Forzano in der deutschen Bearbeitung von Géza Herczeg, Regie: Georg Kiesau. 01.-05.08.1934 Gastspiel von Gustav Gründgens an den Münchner Kammerspielen in dieser Inszenierung in der Rolle des Polizeiministers Fouché
Géza Herczeg war der Sohn eines ungarisch jüdischen Gutsbesitzers. Nach einem Jurastudium in Budapest arbeitete er als Journalist für ungarische, österreichische, deutsche und italienische Tageszeitungen, in den 1920er Jahren als Redakteur und Herausgeber Wiener Zeitungen. Seit 1928 war er freier Bühnenautor, zusammen mit Robert Forster-Larrinaga und Karl Farkas. Nach dem 'Anschluss Österreichs' emigrierte er in die USA, zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Leontine Konstantin, die in der Spielzeit 1926/27 als Gast an den Münchner Kammerspiele auftrat, die beiden waren seit 1924 verheiratet. Herzceg arbeitete in Los Angeles und in New York als Drehbuchautor.
Georg Hermann
Autor*in
* 1871,
Berlin
† 1943,
KZ Auschwitz
Georg Borchardt war das jüngste von sechs Kindern einer Berliner jüdischen Familie. Mit dem 1906 erschienenen Roman Jettchen Gebert wurde er ein populärer Romancier, das Werk wurde für die Bühne adaptiert und danach verfilmt, von Richard Oswald mit Conrad Veidt in einer Hauptrolle, beide emigrierten 1933. Georg Hermann war 1909 Mitgründer des Schutzverbandes Deutscher Schriftstellerund dessen erster Vorsitzender. 1933 wurden seine Bücher verbrannt, er emigrierte nach Holland. Am 16. November 1943 wurde er aus dem Lager Westerbork nach Auschwitz deportiert und sofort nach der Ankunft ermordet.
Im Narrativ der Münchner Kammerspiele wird die Inszenierung von Jettchen Gebert, „eines sentimentalen Familienblatt-Romans“, als „Falckenbergs erste reguläre Inszenierung“ dokumentiert, die es „doch auf neunundzwanzig Wiederholungen brachte“, schreibt Wolfgang Petzet.undefined Das Schicksal des Schriftstellers Georg Herman Borchardt wird nicht erwähnt.
Else Herrmann
Schauspieler*in
* 1899,
Berlin
† 1957,
London
Else Herrmann war in der Spielzeit 1930/31 Mitglied des Ensembles der Münchner Kammerspiele im Schauspielhaus und im Volkstheater.
Sie kam 1899 in Berlin zur Welt als älteste von drei Töchtern des Apotheker-Ehepaars Hans Heinrich Hermann (Halle 1863 – 1927 Streitberg/Oberfranken) und Sophie geb. Kohn (Nürnberg 1877 – Berlin 1947). Else Herrmann machte eine Schauspielausbildung in Wien an der Akademie für Musik und darstellende Kunst in der Klasse des eminenten Theatermannes Rudolf Beer (1885–1938), der nach dem 'Anschluss' Österreichs, verhaftet und schwer misshandelt, sich das Leben nahm.
1928/29 wurde Else Herrmann für das Ensemble der Wiener KOMÖDIEengagiert, die Wiener Zeitschrift DIE BÜHNE veröffentlichte 1928 eine Porträtaufnahme von ihr der Photographin Trude Geiringer (Wien 1890 – 1981 Larchmont/Arkansas USA). Im Oktober 1928 spielte Else Herrmann eine Hauptrolle in Arnold Ridleys Bühnenstück Nordexpress 133 ('The Wrecker') in der Inszenierung Otto Ludwig Premingers (Witznitz/Bukowina 1905–1986 New York), der 1935 in die USA emigrierte und dort einer der großen Filmregisseure wurde. In der Spielzeit 1930/31 gehörte Else Herrmann dem Ensemble der Münchner Kammerspiele im Schauspielhaus und im Volkstheater an.
Sie spielte in fünf Produktionen u. a. in Richard Révys Inszenierung von Pension Schöller zusammen mit Therese Giehse, Mia Engels, Kurt Horwitz und Karl Kyser, die alle 1933 Deutschland verlassen mussten. Else Herrmann kehrte nach Wien zurück, noch im Februar 1935 spielte sie zusammen mit Erich Ziegel in dem hochpolitischen, semi-dokumentarischen Stück Hohes Gericht von Firner / Flandrak in der Regie von Josef Glücksmann. Walter Firner und Josef Glücksmann, zusammen mit seiner Frau Mia Engels, flohen 1938 in die USA. Am 28. Juli 1936 trat Else Herrmann noch einmal in einem Gastspiel im Stadttheater Marienbad auf. Danach floh sie nach London ins Exil.
Ein Bruder ihrer Mutter war bereits 1933 aus Nürnberg nach London geflohen.
Else Herrmanns Mutter wurde zusammen mit ihrer Tochter Gertrud (Berlin *1904) 1943 aus Berlin nach Theresienstadt deportiert, sie überlebte das Konzentrationslager, starb aber an den Folgen der Haft 1947. Gertrud wurde im Konzentrationslager ermordet. Die jüngste Tochter Dorothea (Berlin *1906), eine Buchhändlerin, überlebte die NS-Gewaltherrschaft, sie starb hochbetagt 2001 in Berlin.
Else Herrmann starb am 31. Dezember 1957 in London. Über ihr Leben in den zwei Jahrzehnten ihres englischen Exils haben wir noch nichts in Erfahrung bringen können.
Max Hirschberg
Anwalt
* 1883,
München
† 1964,
New York
Anwalt der Münchner Kammerspiele zusammen in der gemeinsamen Kanzlei Dr. Hirschberg – Dr. Loewenfeld – Dr. Regensteiner in München, Kaufingerstraße 30, danach Briennerstraße 9. Dr. Elisabeth Kohn trat Ende 1928 in die Kanzlei ein.
Max Hirschberg war Sohn einer Münchner jüdischen Kommerzienratsfamilie. Er war SPD-Mitglied und politischer Verteidiger, wie Adolf Kaufmann und Philipp Loewenfeld. Hirschberg geriet früh ins Visier der Nationalsozialisten durch seine Strafverteidigung Felix Fechenbachs, dem Sekretär Kurt Eisners, und des Münchner Post Redakteurs Martin Gruber in zwei politischen Prozessen. Erfolgreich vertrat er juristisch Karl Kraus gegen das NS-Kampfblatt VÖLKISCHER BEOBACHTER, als Kraus nach der Aufführung seines 'Traumstücks' im Studio der Münchner Kammerspiele im März 1928 auf übelste Weise von Wilhelm Weiß, Chef vom Dienst des VÖLKISCHEN BEOBACHTER, angegriffen worden war.
Am 10. März 1933 wurde Max Hirschberg als einer der ersten politischen Gefangenen in München verhaftet und fünfeinhalb Monate im Gefängnis in der Corneliusstraße „in Schutzhaft“ weggesperrt. 1934 floh er mit seiner Familie nach Mailand, 1938 wurde er ausgebürgert, 1939 entzog ihm die LMU den Doktorgrad, im März 1939 emigrierte er nach New York. 1944 wurde er US-amerikanischer Staatsbürger, bis ins hohe Alter als Anwalt und Autor aktiv.
Er starb im 81. Lebensjahr am 21.06.1964 in New York. Posthum wurde seine Autobiographie veröffentlicht: MAX HIRSCHBERG, Jude und Demokrat. Erinnerungen eines Münchner Rechtsanwalts 1883 bis 1939,bearbeitet von Reinhard Weber, R.Oldenbourg Verlag,München 1998.
In München ist seit 2002 der Max-Hirschberg-Weg(Schwanthalerhöhe) nach ihm benannt.
Ludwig Hirschfeld
Autor*in
* 1882,
Wien
† 1942,
KZ Auschwitz
MK 04.12.1930 Geschäft mit Amerika von Paul Frank und Ludwig Hirschfeld MK-Erstaufführung auf der Bühne des Volkstheaters, Regie: Rudolf Hoch, u. a. mit Else Hermann
MK 31.01.1933 Das schwedische Zündholz, Regie: Julius Gellner, mit Therese Giehse, Richard Révy u. a.
Sofort nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten in München flüchtete Therese Giehse am 13. März 1933 in die Schweiz. Ihre Rolle der Haushälterin Johanna übernahm Lisl Karlstadt. Julius Gellner entkam der Verhaftung durch Flucht nach Prag.
Ludwig Hirschfeld war ein österreichisch jüdischer Schriftsteller, Übersetzer und einer der großen Wiener Feuilletonisten. Bei seinen Bühnenstücken und Libretti arbeitete er u. a. mit Paul Frank, Rudolf Oesterreicher und Karl Farkas zusammen. Unmittelbar nach dem 'Anschluss' Österreichs im März 1938 wurde Ludwig Hirschfeld wie viele seiner Kolleg*innen verhaftet und acht Wochen lang im KZ Dachau interniert. Durch Einsatz von Freunden und seiner Frau gelang die Freilassung, man ließ die Nazis in dem Glauben, Ludwig Hirschfeld sei das Opfer einer Verwechslung geworden. Zusammen mit seiner Frau Elly (*1891) und Tochter Eva (*1920) floh er nach Frankreich, Sohn Herbert (*1921) war schon im März 1938 vorausgeschickt worden. Es folgten vier schwierige Jahre in der Emigration in Westfrankreich im Arrondissement Saint-Nazaire am Atlantik. Im Herbst 1942 wird die ganze Familie verhaftet, der Sohn wird mit dem Transport Nr. 30 am 9. September 1942, die Familie mit dem Transport Nr. 42 am 6. November 1942 von Drancy nach Auschwitz deportiert und dort Ende 1942 ermordet. Der Sohn wird in einem Außenarbeitslager von Auschwitz, im KZ Blechhammer, 1944 erschossen. Mit demselben Transport Nr. 42 war auch der Direktor der Münchner Kammerspiele Benno Bing von Drancy nach Auschwitz deportiert und am 21. Dezember 1942 dort ermordet worden.undefined
Kein Wort davon im bisherigen Narrativ der Münchner Kammerspiele, stattdessen:
Der Spielplan der ersten Monate nach der „Machtergreifung“ war, als sei diese überhaupt nicht geschehen: während des Faschings wurde vierunddreißigmal „Charleys Tante“ mit Will Dohm gespielt; dann zwölfmal die nette französische Kunstfälscher-Komödie 'Achtung! Frisch gestrichen!' von René Fauchois (mit Frieda Richard als Gast), vierundvierzigmal gar 'DAS SCHWEDISCHE ZÜNDHOLZ'von Ludwig Hirschfeld . . . Nunmehr dachte Falckenberg also nach, wie wohl im April nationalsozialistische Machtergreifung mit seinem eigenen Geschmack und der Tradition der Kammerspiele zu vereinen wäre.
Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch-Verlag 1973, S. 254.
Friedrich Hollaender
Komponist*in
* 1896,
London
† 1976,
München
Münchner Kammerspiele 28.02.1923: Die Kaiserin von Neufundland von Frank Wedekind, mit Blandine Ebinger, Carola Neher, Kurt Horwitz, Regie: Robert Forster-Larrinaga, Musik: Friedrich Hollaender
Friedrich Hollaender kam als Sohn einer Berliner jüdischen Familie von Komponisten und Theatermenschen in London auf die Welt. Er studierte Klavier am Stern'schen Konservatorium in Berlin. Nach dem ersten Weltkrieg wurde er Mitgründer des legendären Kabaretts 'Schall und Rauch' zusammen mit Kurt Tucholsky, Klabund, Walter Mehring, Mischa Spoliansky, Joachim Ringelnatz und Blandine Ebinger, mit ihr war er ein paar Jahre verheiratet. 1933 emigrierte er nach Paris und in die USA. 1955 remigrierte er nach Deutschland und lebte bis zu seinem Tod in München.
Oskar Homolka
Schauspieler*in
* 1998,
Wien
† 1978,
Tunbridge
In der Spielzeit 1923/24 im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Am 18.03.1924, u. a. in der Rolle des Mortimer in der Uraufführung von BrechtsDas Leben Eduard II. von England (18.03.1924).
1933 Rückkehr nach Österreich zusammen mit seiner Frau Grete Mosheim.
1934 Emigration zusammen nach England und weiter 1938 in die USA. 1951 Remigration nach Österreich, Rolle des Dorfrichter Adams in Kleists Der zerbrochene Krug bei den Salzburger Festspielen, Regie: Berthold Viertel, in der Rolle der Marthe Rull: Therese Giehse
Kurt Horwitz
Schauspieler*in
* 1897,
Neuruppin
† 1974,
München
1919 als 21-Jähriger an die Münchner Kammerspiele, zusammen mit seiner späteren Frau Adele Leschka, bis 1933 Mitglied des Ensembles.
Juli 1933 Flucht zusammen mit Frau und Tochter in die Schweiz.
Bis 1952 Arbeit als Schauspieler und Regisseur an den Theatern in Zürich und Basel.
1952 Remigration nach München, Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels bis 1958.
Mirjam Horwitz
Schauspieler*in
Regisseur*in
* 1889,
Berlin
† 1967,
Hamburg
April 1913 – August 1916 Schauspielerin an den Münchner Kammerspielen, zusammen mit ihrem Mann Erich Ziegel, Regisseur und Direktor der MK. Ab 1916/17 in Hamburg am Deutschen Schauspielhaus, 1918 bis 1926 zusammen mit Erich Ziegel Leitung der Hamburger Kammerspiele, danach bis 1933 Theaterleiterin, 1933 Aufführungsverbot aufgrund ihrer jüdischen Herkunft. 1934 Flucht nach Wien, zusammen mit ihrem Mann. Der Generalintendant des Staatlichen Schauspielhauses Gustav Gründgens holt Erich Ziegel mit Beginn der Spielzeit 1936/37 nach Berlin, als Regisseur, Dramaturg und Schauspieler. Mirjam Horwitz kommt mit ihm, da er sich dem Druck widersetzt und sich nicht scheiden lässt von seiner jüdischen Frau. Er kann sie so schützen, aber Mirjam Horwitz bleibt jegliche Auftrittsmöglichkeit bis zum Ende der NS-Herrschaft verwehrt. Im Sommer 1945 entschließen sich beide, ihre Theaterarbeit in Wien fortzusetzen. Zunächst an den Kammerspielen dort und von 1946–1950 am Theater DIE INSEL, Erich Ziegel als Direktor und beide auf der Bühne. Nach seinem Tod ging sie als Schauspielerin und Regisseurin nach Berlin.
Heinrich Ilgenstein
Autor*in
* 1875,
Memel (Klaipėda)
† 1946,
Gentilino
MK 22.07.1911: Fiat Justitia mit Lothar Goldschmidt (1862 – 1931), Regie: Eugen Robert
MK 31.01.1914: Kammermusik, Regie: Paul Marx
Heinrich Ilgenstein saß 1910 ein halbes Jahr lang in Untersuchungshaft im Gefängnis Moabit wegen des Verdachts der Majestätsbeleidigung. Er emigrierte zusammen mit seiner Frau in die Schweiz noch vor der ‘Machtergreifung’ der Faschisten. Als sein jüdischer Verleger in Berlin, Erich Reiß, 1938 nach dem Novemberpogrom im KZ Sachsenhausen interniert wurde, betrieb Ilgenstein von der Schweiz aus mit Erfolg Reiß’ Ausreise in die USA. Reiß half nach Kriegsende den Ilgensteins bei der Einbürgerung in die Schweiz.
Grete Jacobsen
Schauspieler*in
* 1898,
Wien
† 1989,
München
In der Spielzeit 1919/20 kam Grete Jacobsen aus Wien ins Ensemble der Münchner Kammerspiele und blieb bis Sommer 1925, bevor sie mit ihrem Mann, dem Schauspieler und Regisseur Erwin Faber (Innsbruck 21.06.1891–04.05.1989 München) nach Berlin ging. Die beiden heirateten 1922. 1932/33 war sie am Hessischen Landestheater Darmstadt engagiert. 1933 verhängten die Nationalsozialisten über die österreichisch jüdische Schauspielerin ein Berufsverbot und ihr Mann wurde unter Druck gesetzt, sich von seiner jüdischen Ehefrau scheiden zu lassen. Erwin Faber widersetzte sich diesem Ansinnen. Er wurde ins Ensemble des Schauspielhauses Düsseldorf engagiert, Grete Jacobsen kam mit und überlebte durch die Unbeugsamkeit ihres Mannes. In der Spielzeit 1952/53 kehrten beide auf die Bühne der Münchner Kammerspiele zurück, Grete Jacobsen spielte in Hilperts Inszenierung von Raimunds Der Bauer als Millionär (23.04.1953), Erwin Faber in Kortners Inszenierung von Tennessee Williams Die tätowierte Rose (24.02.1953). Sie starben nach siebenundsechzigjähriger Partnerschaft am 4. Mai 1989 in München.
Ilja Jacobson
Kapellmeister*in
Münchner Kammerspiele 1926/27 – 1927/28 – 1928/29: Kapellmeister des Theaters
Münchner Kammerspiele 19.09.1926: Dantons Tod von Georg Büchner (Eröffnungspremiere im Schauspielhaus), Regie: Otto Falckenberg, Musik und musikalische Leitung: Ilja Jacobson
Münchner Kammerspiele 05.11.1927: Liebes-Leid und Lust von William Shakespeare, Regie: Otto Falckenberg, Musik: Christian Lahusen–Musikalische Leitung: Ilja Jacobson
Münchner Kammerspiele 26. November 1928: Lulu von Frank Wedekind, Regie: Otto Falckenberg, Musik: Ilja Jacobson
Ilja Jacobson emigrierte 1933 nach Palästina. Am 9. November 1933 findet in Tel Aviv ein Orchesterkonzert statt. Dirigent ist: Ilja D. Jacobson undefined
Fritz Jessner
Schauspieler*in
* 1889,
Stolp (Słupsk)
† 1946,
Boston
In der Spielzeit 1917/18 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Das Wintermärchen(29.09.1917) in der Rolle des Cleomenes und in Falckenbergs Inszenierung von Georg Kaisers Die Koralle (27.10.1917)in der Hauptrolle Der Sohn.
Von 1925–1933 war er Oberspielleiter, ab 1928 Intendant am Preußischen Landestheater Königsberg, bis zur sog. ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten. Im Sommer 1933 konnte er in Straßburg inszenieren, er ging nochmal zurück nach Berlin als Oberspielleiter des Theaters des Jüdischen Kulturbundes, 1936 emigrierte er in die Schweiz und von dort 1940 in die USA. Er unterrichtete u. a. an der Yale University im Rahmen eines 'honorary research scholarship'.
Fritz Jessner, in erster Ehe verheiratet mit der Hamburger jüdischen Schauspielerin Lilli Schmahl (gest. 05.05.1942 in Hamburg). Lilli Schmahls Mutter Antonie Thiele-Schmahl wurde am 05.05.1943 nach Theresienstadt deportiert und dort am 29.06. 1943 ermordet. Fritz Jessner und Lilli Schmahl haben zusammen zwei Töchter: Hannelore Jessner (geb. in Hamburg am 30.03.1915) und Eva Jessner (geb. in Hamburg 12.02.1917).
In zweiter Ehe war Fritz Jessner seit 1928 mit der jüdischen Ärztin und Kinderanalytikerin Lucie Jessner geb. Ney (Frankfurt 1896–Washington 1979) verheiratet. Sie hatte Literaturwissenschaft studiert und promoviert, bevor sie zur Medizin wechselte und in Königsberg den 19-jährigen jüdischen Philosophiestudenten Hans Pollnow heiratete. Die beiden trennten sich, er studierte Medizin und wurde Kinderpsychiater. 1933 vermittelte er Lucie Jessner eine Stelle an einer psychiatrischen Klinik in Bern, sie emigrierte in die Schweiz, bevor Fritz Jessner 1936 nachkam. Hans Pollnow emigrierte 1933 nach Frankreich, kämpfte 1940 in der französischen Armee, wurde 1943 von der Gestapo verhaftet und ins KZ Mauthausen deportiert. Am 21. Oktober 1943 wird er „auf der Flucht erschossen“. Lucie Jessner lehrt als Professorin für Psychiatrie an der University of North Carolina und an der Georgetown University in Washington.
Hannelore Jessner wird Schauspielerin, 1933 emigriert sie nach Holland. Sie überlebt Internierung in Westerbork und Deportation ins KZ Bergen-Belsen, lebte danach in Casablanca. 1992 stirbt sie in Paris. Eva Jessner emigriert in die USA, sie stirbt 2016.
Felix Joachimson
Autor*in
* 1902,
Hamburg
† 1992,
Los Angeles
MK 24.01.1931: Wie werde ich reich und glücklich, Musik: Mischa Spolianski Regie: Rudolf Hoch
Felix Joachimson kam als Sohn einer Hamburger jüdischen Familie auf die Welt. Nach einem Jurastudium begann er in Berlin Bühnenstücke zu schreiben. Sein erstes Stück Fünf von der Jazzband inszenierte Erich Engel am Staatlichen Schauspielhaus.
1930 wurde mit Wie werde ich reich und glücklich erstmals eine seiner Komödien verfilmt, von Max Reichmann, der 1933 emigrierte. Als es am 8. September 1933 bei der Premiere des Films Das häßliche Mädchen (Drehbuch: Felix Joachimson, Regie: Hermann Kosterlitz) zu antisemitischen Krawallen kam, im Vorspann die Namen der beiden bereits verschwiegen wurden, emigrierten sie nach Budapest und Wien. Kosterlitz ging 1936 in die USA und drehte als Henry Koster Filme, Felix Joachimson emigrierte 1937 in die USA, schrieb als Felix Jackson Drehbücher und arbeitete als Filmproduzent.
Albrecht Joseph
Regisseur*in
* 1901,
Frankfurt
† 1991,
Los Angeles
Albrecht Joseph inszenierte an den Münchner Kammerspielen Zuckmayers Der Fröhliche Weinberg(Premiere 09.02.1926). Der Sohn einer Frankfurter jüdischen Anwaltsfamilie, begann als Regieassistent u. a. von Leopold Jessner in Berlin, befreundet mit Zuckmayer wurde er an den MK mit dieser Inszenierung beauftragt, die auf organisierte, heftige Proteste von Nazis traf. 1929 promovierte Albrecht Joseph an der LMU bei dem Literaturhistoriker Fritz Strich, Berater der Münchner Kammerspiele und während der NS-Zeit im Exil in der Schweiz. 1933 floh Joseph nach Österreich, von dort 1938 nach Italien, Frankreich, England und 1939 in die USA. Die nächsten fünfzig Jahre lebte er beruflich und privat ein sehr bewegtes Leben.
Georg Kaiser
Autor*in
* 1878,
Magdeburg
† 1945,
Ascona
MK 28.04.1917: Von Morgens bis Mitternachts (UA), Regie: Otto Falckenberg
MK 29.10.1917: Die Koralle (UA), Regie: Otto Falckenberg
MK 01.03.1919: Claudius, Regie: Paul Kalbeck
MK 13.06.1919: Der Brand im Opernhaus, Regie: Erich Ziegel
MK 05.01.1924: Nebeneinander, Regie: Bernhard Reich
MK 26.01.1926: Der mutige Seefahrer, Regie: Hans Schweikart
MK 11.08.1927: Papiermühle, Regie: Hans Schweikart
MK 24.09.1928: Oktobertag, Regie: Hans Schweikart
MK 05.02.1930: 2 Kravatten, Regie: Robert Forster-Larrinaga
Georg Kaiser war zwischen 1921 und 1933 der meistgespielte Dramatiker in Deutschland. Allein an den Münchner Kammerspielen werden von 1917 bis 1930 neun seiner Stücke inszeniert. Unmittelbar nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten wurden die drei Premieren seines neuen Stücks Der Silbersee am 18. Februar 1933 in Erfurt, Magdeburg und Leipzig durch Protestdemonstrationen und Boykottdrohungen gestört. Danach wurde kein Stück von Kaiser mehr aufgeführt. Im Mai 1933 wurde er aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen. 1938 flüchtete er über Amsterdam in die Schweiz ins Exil. Am 2. November 1940 inszeniert der junge Schweizer Regisseur Franz Schnyder, der 1939 als Gastregisseur an den Münchner Kammerspielen arbeitete, die Uraufführung von Kaisers Der Soldat Tanaka.
Am 4. Juni 1945 stirbt Georg Kaiser im Exil.
Paul Kalbeck
Schauspieler*in
Regisseur*in
Direktor*in
* 1884,
Obernigk (Oborniki Śląskie)
† 1949,
Bern
Schauspieler, Regisseur. Ab der Spielzeit 1917/18 an den Münchner Kammerspielen, ab 1920 Oberspielleiter, inszenierte Stücke u. a. von Wedekind, Strindberg, Nestroy. 1921 nach Wien. Gründete dort eine Schauspielschule, aus der das Reinhardt-Seminar hervorging. Nach dem ‘Anschluss’ 1938 Emigration in die Schweiz, nach dem Ende des NS–Regimes Rückkehr nach Wien.
Erwin Kalser
Schauspieler*in
Regisseur*in
* 1883,
Berlin
† 1958,
Berlin
Erwin Kalser war promovierter Germanist, bevor er nach ersten Theatererfahrungen mit einer Wandertruppe am 10. Januar 1911 bei der Eröffnung des Lustspielhauses in der Augustenstraße 89 ('Zum großen Wurstel') in Robert Eugens erster Produktion mit auf der Bühne stand, zum letzten Mal nach elf Jahren an den Kammerspielen in der Hauptrolle des Chlestakov in Falckenbergs Inszenierung von Gogols Der Revisor am 24. Juli 1922. Seine erste Regiearbeit an den MK war die Uraufführung von Otto Zoffs Stück Kerker und Erlösung am 1. Januar 1918. Seine Inszenierung von Frank Wedekinds Schloss Wetterstein am 6. Dezember 1919 war von organisierten widerwärtigen antisemitischen Protesten begleitet. Von den 18 Mitgliedern der Kammerspiele auf dem Programmblatt der Uraufführung müssen 1933 sechs der Schauspieler*innen aus Deutschland fliehen – Regisseur Erwin Kalser, die Schauspieler*innen Sybille Binder, Kurt Horwitz, Arnold Marlé, Hans Tintner und Direktor Benno Bing.
1922 ging Erwin Kalser mit seiner Frau Irma von Cube, Schauspielerin, Schriftstellerin und Drehbuchautorin und dem 1920 in München geborenen Sohn nach Berlin. Er arbeitete dort als Theaterschauspieler, Regisseur und auch als Darsteller in Tonfilmen.
1933 floh er mit Frau und Sohn in die Schweiz und arbeitete am Schauspielhaus Zürich. 1939 emigrierte er in die USA, vor ihm 1936 seine Frau mit dem Sohn.
1946 remigrierte er in die Schweiz, zurück ans Schauspielhaus in Zürich. 1952 kehrte er nach Deutschland zurück, bis zu seinem Tod 1958 Mitglied des Ensembles der Staatl. Schauspielbühnen Berlin. Irma von Cube-Kalser starb 1977 in Los Angeles. Der Sohn Konstantin Kalser, Filmproduzent und Regisseur, starb 1994 in New York.
Kurt Katch
Schauspieler*in
geb. Isser
* 1893,
Grodno
† 1958,
Los Angeles
1925/26 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in der Titelrolle von Büchners Woyzeck in der Inszenierung Hans Schweikarts (16.6.1925) mit Helene Weigel in der Rolle der Marie, und in zwei Shakespeare Inszenierungen Falckenbergs, als Ajax in Troilus und Cressida (04.06.25) und als der Schreiner in Ein Sommernachtstraum (20.12.1925). Danach spielte er in Berlin, Wien und seit der Spielzeit 1929/30 an den Städtischen Bühnen Frankfurt, bis zum 22. Mai 1933, als er Berufsverbot an deutschen Bühnen erhielt. Er schloss sich noch dem Jüdischen Kulturbund an, spielte unter der Regie Karl Loewenbergs in Nathan der Weise in Berlin, 1937 emigriert er über Paris in die USA. In Kino- und Fernsehfilmen wurde er immer wieder als Nebendarsteller engagiert.
Adolf Kaufmann
Direktor*in
* 1883,
Mainz
† 1933,
Wien
Der Sohn einer Mainzer jüdischen Kaufmannsfamilie war Mitgründer der Münchner Kammerspiele, einer der Anwälte der MK, Aufsichtsratsvorsitzender und einer der Gesellschafter der Münchner Theatergesellschaft GmbH, von September 1924 – November 1932 der administrative Direktor der Münchner Kammerspiele.
Als gemäßigter Sozialist und SPD-Mitglied war er zusammen mit den beiden politischen Strafverteidigern Dr. Philipp Loewenfeld und Dr. Max Hirschberg bereits in der Räterepublik engagiert, die drei führten zusammen eine Anwaltssozietät. Loewenfeld und Hirschberg waren 1929-1932 auch Justitiare der Münchner Kammerspiele. Alle drei waren von Beginn der 1920er Jahre an im Visier der Münchner Nationalsozialisten. Alle drei flohen 1933 aus Deutschland, Adolf Kaufmann im März 1933 nach Österreich. Im September 1933 entzog ihm der bayerische Justizminister Dr. Hans Frank die Zulassung. Adolf Kaufmann starb, an Lungenkrebs erkrankt, im jüdischen Spital in Wien am 21. November 1933. Der dritte der drei Brüder, Leo Kaufmann, wurde im August 1942 mit dem ersten Deportationszug aus Frankfurt nach Theresienstadt verschleppt und dort am 9. Juni 1944 ermordet. Der älteste der drei Brüder, der Kunsthistoriker Dr. phil. Max Kaufmann (Mainz 18.06.1876 – 29.12.1938 Bendorf-Sayn), starb im Alter von 61 in der jüdischen Jacoby'schen Heil- und Pflegeanstalt in Bendorf-Sayn unter ungeklärten Todesumständen.
Eva Kessler
Schauspieler*in
* 1894,
München
† 1944,
Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar
Nach dreijähriger Schauspiel-Ausbildung an der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst, Engagements am Burgtheater in Wien 1913/14, am Hoftheater Dresden und am Schauspielhaus Düsseldorf 1916/17 war Eva Kessler in der Spielzeit 1917/18 Mitglied des Ensembles der Münchner Kammerspiele. Ihre erste Rolle war in Falckenbergs erster Inszenierung als künstlerischer Direktor der Kammerspiele, in Shakespeares Das Wintermärchen, die Rolle der 1. Hofdame in Sizilien. Die Rolle der Hermione spielte ihre Kollegin Leonore Ehn.
Eva Kessler konnte ihre vielversprechend begonnene Arbeit als Schauspielerin konnte nicht fortsetzen. Nach einem Sturz in der Staatsbibliothek, verursacht durch einen epileptischen 'Absence-Vorfall' begann für sie eine heillose Krankengeschichte. Stationäre Behandlungen in den Heil- und Pflegeanstalten Eglfing-Haar und Hall in Tirol wechselten mit Aufenthalten bei Freundinnen in Oberbayern. Am 18. November 1940 wurde sie erneut in Eglfing-Haar aufgenommen. Nach systematischem Nahrungsentzug betrug die Gewichtsabnahme Eva Kesslers seit ihrer Aufnahme 25,5 kg, als sie am 20. November 1944 im 'Hungerhaus Eglfing E22' starb. Als offizielle Todesursache vermerkte der Psychiater Franz Sendtner 'Status epilepticus'.
In diesem 'Hungerhaus Eglfing E22' war am 28. September 1944 nach systematischem Nahrungsentzug die Schauspielerin Emmy Rowohlt gestorben.
Leopoldine Konstantin
Schauspieler*in
* 1886,
Brünn (Brno)
† 1964,
Wien
In der Spielzeit 1926/27 gastiert sie an den Münchner Kammerspielen. Sie hatte in Berlin bei Max Reinhardt debütiert, 1916 ging sie nach Wien.
1924 heiratete sie den ungarisch jüdischen Autor Géza Herczeg, sie spielte in Stummfilmen in Berlin, 1935 kehrte sie nach Österreich zurück, Konstantin und Herczeg trennten sich. 1938, nach dem ‘Anschluss’ emigriert er in die USA, sie nach England. Nach dem Tod ihres Sohnes bei einem Bombenangriff auf London emigriert auch sie in die USA. In Hitchcocks Berüchtigt spielt sie die große Nebenrolle der Anna Sebastian. 1948 remigriert sie nach Österreich.
Paul Kornfeld
Autor*in
* 1889,
Prag
† 1941,
Ghetto Litzmannstadt/Lódź
MK 27.07.1921: Die Verführung, Regie: Erich Engel
Paul Kornfeld kam als Sohn einer Prager jüdischen Unternehmersfamilie auf die Welt. 1914 verließ er seinen literarischen Freundeskreis in Prag und zog nach Frankfurt, wo 1917 am Schauspielhaus sein Erstlingswerk Die Verführung uraufgeführt wurde. 1917 wurde das Stück auch für Falckenbergs erste Spielzeit 1917/18 an den Münchner Kammerspielen als eine von fünf Erstaufführungen moderner Dramatik „Das jüngste Deutschland“ angekündigt. Kornfeld arbeitete als Dramaturg bei Reinhardt in Berlin und in Darmstadt. 1930 wurde sein Drama Jud Süss, uraufgeführt am Theater am Schiffbauerdamm, sein größter Bühnenerfolg. Im Dezember 1932 ging er nach Prag und kehrte wegen der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten nicht mehr nach Deutschland zurück. Ende Oktober 1941 wurde er durch die SS verhaftet und ins Ghetto Lódź deportiert. Er überlebte dieses Lager nicht. Als Todesdatum gilt der 25.04.1942, Todesursache: ‘Typhus’.
Fritz Kortner
Schauspieler*in
geb. Fritz Nathan
* 1892,
Wien
† 1970,
München
Im Dezember 1925 Gastschauspieler an den Münchner Kammerspielen in Arnolt Bronnen Ostpolzug (01.12.1925), Gastregie: Hanns Meissner.
1933 Flucht nach Prag, Wien, Paris, 1934 nach London, 1937 in die USA. 1947 Remigration nach Deutschland, Wolfgang Langhoff hatte ihn für den Winter ans Deutsche Theater in Ostberlin eingeladen. Als US-amerikanischer Staatsbürger durfte er nicht im sowjetischen Sektor arbeiten. Kortners erste Regiearbeit nach der Remigration war die Uraufführung seines Stücks Donauwellen an den Münchner Kammerspielen(Premiere: 15.02.1949), die erste von insgesamt siebzehn Inszenierungen an diesem Theater. Seine letzte Inszenierung an den Münchner Kammerspielen war die UA (07.12.67) von Martin Walsers Die Zimmerschlacht.
Fritz Kortner stirbt am 22. Juni 1970 in München.
Leopold Kramer
Schauspieler*in
Regisseur*in
* 1869,
Prag
† 1942,
Wien
Leopold Kramer, der Sohn einer Prager jüdischen Kaufmannsfamilie trat 1913 als Gast vom Deutschen Volkstheater Wien zum ersten Mal an den Münchner Kammerspielen auf in Eugen Roberts Inszenierung des Ferenc Molnár Stücks Das Märchen vom Wolf (Premiere 05.02.1913). Von 1918–1927 war er Direktor und Oberregisseur der Deutschen Landestheaters Prag. Er spielte in mehr als einem Dutzend Stummfilmen, darunter in drei des Regisseurs Mihály Kertész (=Michael Curtiz)und ab 1930 auch in Tonfilmen. Er gastierte an deutschen Theatern als Schauspieler und Regisseur, im Juni 1932 an den Münchner Kammerspielen, wieder mit einem Stück von Ferenc Molnár, diesmal mit Jemand (Premiere 02.06.1932), bei dem er Regie führte und auf der Bühne stand.
Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten gastierte er außerhalb Deutschlands auf deutschsprachigen Bühnen, 1935–1938 war er erneut Theaterdirektor, diesmal an den Vereinigten Deutschen Theatern in Brünn, bis die Nazis ein Berufsverbot gegen ihn verhängten. Er war seit 1900 mit der österreichischen Schauspielerin Josefine Glöckner (1874–1954) verheiratet, beide zogen sich nach Wien zurück, Leopold Kramer starb am 29.10.1942, seine Frau am 9.03.1954.
Eberhard Krumschmidt
Regisseur*in
* 1902,
Berlin
† 1956,
New York
Theaterregisseur, Theater- und Filmschauspieler, an den Münchner Kammerspielen Regisseur 1933/34.
Eberhard Krumschmidt begann seine Bühnenlaufbahn 1919 in Flensburg. Von 1929 bis 1931 war er Regisseur und Schauspieler am Stadttheater Augsburg, bis 1933 am Theater in Bern. Nach seinen Inszenierungen an den MK wurde er Oberspielleiter am Landestheater Neustrelitz. Als er sich weigerte, den geforderten ‘Ariernachweis’ zu erbringen und aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen werden sollte, entschließt er sich zur Emigration und flieht am 16. Oktober 1937 über Rotterdam nach New York. Am 15.02.1944 wird er US-amerikanischer Staatsbürger.
Karl Kyser
Schauspieler*in
* 1891,
Wien
† 1951,
Wien
1929/30 – Dezember 1932 / Januar 1933 im Ensemble der Münchner Kammerspiele u. a. in der Rolle des Polonius in Shakespeares Hamlet (06.11.1930), Regie: Otto Falckenberg.
Kysers letzte Rollenbesetzung an den MK war in Falckenbergs Inszenierung von Hauptmanns Die Ratten (Premiere 6. Dezember 1932). Am 3. Januar 1933 wurde in der Wiener Tageszeitung DER TAG für den 24.01.1933 die Premiere der Uraufführung von Richard Duschinskys Kaiser Franz Josef I. von Österreich im Raimund Theater, Regie: Dr. Preminger angekündigt mit Sybille Binder als KaiserinElisabeth und Karl Kyser ('aus München'). Die 25. Aufführung lobte DER TAG am 16. Februar 1933. Die 50. Aufführung die ILLUSTRIERTE KRONEN ZEITUNG am 5. März 1933. Am 14. April 1933 meldete die Wiener Tageszeitung DIE STUNDE, dass Karl Kyser für die Spielzeit 1933/34 an das Deutsche Volkstheater in Wien verpflichtet worden sei. Im April 1933 spielte er den Kaiphas in einem großen Passionsspiel Golgotha in der Arena des Zirkus Renz zusammen mit Hans Schweikart in der Rolle des Christus.
Im Narrativ der MK „reisten Therese Giehse zusammen mit Erika Mann, ebenso wie Karl Kyser und Sybille Schloß rechtzeitig in die Schweiz.“undefined
Tatsächlich aber war Karl Kyser im Januar 1933 bereits in Wien, er kehrte nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten nicht mehr nach München zurück. Er blieb in Wien, war ein gefragter, von der Theaterkritik immer wieder gerühmter Schauspieler, und trat bis unmittelbar vor dem ‘Anschluss’ Österreichs an den Wiener Theatern auf, auch immer wieder mit Mitarbeiter*innen der Münchner Kammerspiele, die wie er Deutschland verlassen hatten. Seine letzten drei Hauptrollen vor dem 13. März 1938 spielte er Anfang Februar 1933 in der Uraufführung von Georg Rendls Elisabeth Kaiserin von Österreich mit Sybille Binder in der Titelrolle im Theater SCALA, am 19. Februar 1933 (Premiere) in der Urauführung von Leopold Marchards Der Bridgekönig in der Regie von Heinrich Schnitzler, zusammen mit Else Bassermann, am 8. März 1933 in einem Gastspiel des Volkstheaters in der SCALA in der Uraufführung von János Székelys Komödie Schauspielschule zusammen mit Albert + Else Bassermann und Ludwig Donath.
Noch im März 1938 flohen Sybille Binder, Heinrich Schnitzler, Albert + Else Bassermann, Ludwig Donath und János Székely in die Schweiz.
Karl Kyser ist für sieben Jahre wie verschollen.
Am 20. Juni 1945 berichtet die Tageszeitung NEUES ÖSTERREICH, dass nach „sieben Jahren Ruhe des Kirchhofes in den Gefilden des Politischen Kabaretts“ in der Wiener Renaissancebühne das 'Politische Theater-Kabarett' Alois Wagners und seines Mitautors Derka neu eröffnet hat, mit im Ensemble: Kurt Kyser.
Am 18. August 1945 meldet NEUES ÖSTERREICH:
„Karl Kyser am Wiener Künstlertheater. Professor Harald Bratt hat den bekannten Wiener Schauspieler K a r lK y s e r , der in den letzten sieben Jahren nicht auftreten durfte und als Deichgräber sein Dasein fristete, als Schauspieler und Regisseur an das Wiener Künstlertheater verpflichtet. In der männlichen Hauptrolle des Eröffnungsstückes DAS HOTEL DER EMIGRATION wird Karl Kyser sein Engagement antreten.“
Neues Österreich, 18. August 1945
Er wurde wieder Mitglied des Ensembles des Theaters in der Josefstadt, im August 1948 stand er beim gefeierten Gastspiel Albert und Else Bassermanns in den Kammerspielen – in Wien – mit ihnen auf der Bühne zusammen mit Mirjam Horwitz-Ziegel und Erich Ziegel. Am 25. Februar 1949 meldete der WIENER KURIER:
„Karl Kyser scheidet vom Theater Der bekannte Wiener Schauspieler Karl Kyser, der in der Nazizeit zu Straßenarbeiten gezwungen worden war und sich dadurch sein schweres Herzleiden zuzog, hat eine solche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes erlitten, daß ihm von den Ärzten dauernd die Ausübung seines Berufs verboten wurde.“
Wiener Kurier, 25. Februar 1949.
Karl Kyser stirbt am 9. August 1951 im Alter von 59 Jahren in Wien.
Christian Lahusen
Komponist*in
* 1886,
Buenos Aires
† 1975,
Überlingen
Münchner Kammerspiele 27.03.1920: Don Gil von den grünen Hosen von Tirso de Molina, Regie: Otto Falckenberg, Musik: Christian Lahusen
Münchner Kammerspiele 15.07.1921: Lysistra von Aristophanes, Regie: Otto Falckenberg, Musik und Choreographie: Christian Lahusen
Münchner Kammerspiele 05.11.1927: Liebes-Leid und -Lust von William Shakespeare, Regie: Otto Falckenberg, Musik: Christian Lahusen
Münchner Kammerspiele 25.06.1931: Die Freier von Joseph v. Eichendorff , Bühnenbearbeitung: Otto Zoff, Regie: Otto Falckenberg, Musik: Christian Lahusen
In Buenos Aires geboren, zur Schulbildung nach Deutschland geschickt, studierte Christian Lahusen am Leipziger Konservatorium Komposition. 1918 wurde er als Kapellmeister und Komponist für Bühnen und Ballettmusiken an die Münchner Kammerspiele verpflichtet. Ab 1920 arbeitete er freiberuflich für die Kammerspiele und andere Bühnen. 1919 heiratete er Rahel Hermann. 1930/31 zog die Familie dicht an die Schweizer Grenze nach Überlingen, um der antisemitischen Gefährdung von Lahusens jüdischer Frau zu entkommen. 1941 erteilte ihm die Reichsmusikkammer Aufführungs- und Unterrichtsverbot, weil er sich weigerte, sich von seiner 'nicht-arischen' Frau scheiden zu lassen. Es gelang ihm, sie mit einem argentinischen Pass zu schützen.
Peter Michael Lampel
Autor*in
* 1894,
Schönborn
† 1965,
Hamburg
MK 20.02.1929: Revolte im Erziehungsheim, Regie: Julius Gellner, im Studio
Lampel, im ersten Weltkrieg Fliegeroffizier, danach Kämpfer in einem Freikorps, trat 1922 in die NSDAP und SA ein. Er wurde Kunstmaler, arbeitete als Lehrer und Jugendhelfer. 1928 führte eine linke Gruppe junger Schauspieler sein Stück Revolte im Erziehungsheim im Thalia-Theater in Berlin auf, ein spektakulärer Erfolg. Seit 1930 war er Mitglied des P.E.N. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten wurden 1933 seine Bücher und Bilder verboten. Er wurde kurzzeitig verhaftet, als Homosexueller geächtet. 1936 emigrierte er in die Schweiz, von dort nach ‚Niederländisch-Indien‘ (heute Indonesien) und 1939 in die USA. 1949 kam er zurück nach Deutschland und lebte als freier Schriftsteller in Hamburg.
Artur Landsberger
Autor*in
* 1876,
Berlin
† 1933,
Berlin
MK 31.03.1928: Einbruch, Regie: Kurt Reiss
Artur Landsberger kam als Sohn einer Berliner jüdischen Familie auf die Welt. Nach einem Jurastudium schrieb er Theaterstücke, Drehbücher und wurde einer der meist gelesenen Romanautoren der Zeit. 1925 veröffentlichte er den Roman Berlin ohne Juden, eine Satire auf antisemitische Propaganda, 1929 Die Unterwelt von Berlin. Nach den Aufzeichnungen eines ehemaligen Zuchthäuslers, mit einer Schlussbetrachtung Max Alsbergs, des politischen Berliner Verteidigers, der für die Münchner Kammerspiele als Anwalt gegen das Verbot von Bruckners Die Verbrecher aktiv war und dessen Stück Voruntersuchung an den Kammerspielen uraufgeführt wurde. Artur Landsberger war als gesellschaftskritischer Autor früh ins Visier der Nationalsozialisten geraten. Am 4. Oktober 1933 stirbt er in Berlin durch Suizid.
František Langer
Autor*in
* 1888,
Prag
† 1965,
Prag
MK 14.11.1927: Peripherie, Regie: Otto Falckenberg
MK 17.02.1930: Ein Kamel geht durch das Nadelöhr, Regie: Josef Glücksmann
MK 31.03.1931: Die Bekehrung des Ferdys Pistoria, Regie: Julius Gellner
František Langer war ein tschechischer jüdischer Schriftsteller, Militärarzt und Publizist. Nach der deutschen Besetzung der Tschechoslowakei floh er zuerst von Prag nach Polen, weiter nach Frankreich und nach England. Dort organisierte er das Sanitätswesen der tschechischen Exilarmee. Nach dem Krieg kehrte er in seine Heimat zurück. Seine Bücher wurden jetzt dort verboten, im Ausland blieb er populär.
Andreas Latzko
Autor*in
* 1876,
Budapest
† 1943,
Amsterdam
MK 21.04.1911: Hans im Glück + Heinrich Mann, Die Unschuldige + Gert Hartenau-Thiel, Die Insulinde, Regie: Eugen Robert
Nach der Niederschlagung der Bayerischen Räterepublik wurde der pazifistische österreichische Schriftsteller aus Bayern ausgewiesen. 1933 wurden seine Bücher von den Nationalsozialisten verbrannt. Er starb am 11.09.1943 im Exil in Amsterdam, wohin er bereits 1931 gegangen war.
Felix Lederer
Komponist*in
* 1877,
Prag
† 1957,
Berlin
Münchner Kammerspiele 08.02.1918: Vasantasena nach Sudrakas von Lion Feuchtwanger. In der Titelrolle: Sybille Binder, Regie: Otto Falckenberg, Musik: Felix Lederer
Felix Lederer wurde am 25. Februar 1877 in eine jüdische Familie in Prag hineingeboren. Nach dem Studium der Komposition an den Konservatorien in Prag und Wien wurde er als Kapellmeister u. a. ans Stadttheater Bremen 1908, ans Nationaltheater Mannheim 1910 und als Generalmusikdirektor nach Saarbrücken 1922 berufen. Ab 1931 wurde er dort von Nationalsozialisten als Jude angefeindet. Durch seine Ehe mit der Nicht-Jüdin Dora Deetzen überlebte Lederer die Verfolgung und entging der Deportation. 1945 bot ihm die Stadt Saarbrücken an, in seine alte Position zurückzukehren. Im Frühjahr 1946 erhielt er in Berlin eine Professur für Dirigieren.undefined
Miriam Lehman-Haupt
Schauspieler*in
* 1904,
Berlin
† 1981,
New York
In der Spielzeit 1922/23 an den Münchner Kammerspielen in Falckenbergs Inszenierung von A.Ch. Swinburnes Chastelard (15.06.1923). Im MK-Narrativ ist keine Zeile zu lesen über ihre Rolle, ihre Person, die Biographien ihrer Familie. Der Vater der Schauspielerin, der Altorientalist und Althistoriker Carl Friedrich Lehmann-Haupt (Hamburg 11.03.1861–24.07.1938, Innsbruck) stammte mütterlicherseits aus einer jüdischen Hamburger Familie, sein Vetter, der Hamburger Oberbaudirektor Gustav Leo und dessen Frau wurden im September 1944 wegen staatsfeindlicher Betätigung im Konzentrationslager Fuhlsbüttel eingesperrt, er überlebte die Haft nicht, als ihm seine lebensnotwendigen Medikamente verweigert wurden. Die Mutter der Schauspielerin war die Schriftstellerin Therese Haupt (Stettin 12.02.1864–29.11.1938) Miriams Bruder Hellmut E. Lehmann-Haupt (Berlin 04.10.1903– 11.03.1992 Columbia/ Missouri) Buchwissenschaftler und Kunsthistoriker, emigrierte 1929 in die USA, 1936 wurde er US-Staatsbürger, 1944/45 arbeitete er im US Office of War Information in London, 1945 ging er mit der Information Control Division nach Deutschland und arbeitete in Berlin für die Monument, Fine Arts and Archives Section. Miriams Vater war von 1918 bis zu seiner Emeritierung 1932 Inhaber des Lehrstuhls für Alte Geschichte an der Universität Innsbruck. Nach dem 'Anschluss' Österreichs im März 1938 geriet der zuvor in der Innsbrucker Universitätswelt hoch Verehrte aus 'rassischen Gründen' zunehmend in universitäre Isolation. Am 24. Juli 1938 starb der Vater, nicht ausgeschlossen, dass er aus Angst vor Verfolgung in den Freitod flüchtete. Am 29.11.1938 beging die Mutter Suizid.
Die jüdische Abstammung des Vaters wurde auch noch nach seinem Tod erfragt. So das Schreiben des Rektors der Universität Innsbruck, Harold Steinacker an das Gaurechtsamt Innsbruck vom 10. Oktober 1939:
„Auf Ihre telephonische Anfrage von heute betreffend die Abstammung der Kinder und des Herrn Geheimrates Professor Dt. CarlLehmann–Haupt teilt Ihnen das Rektorat folgendes mit: 1. Geheimrat Prof. Dr. Lehmann-Haupt war schon seit 1932 Ruheständler und daher wurde er zur Vorlage des Ahnennachweises beim Rektorate nicht verpflichtet.2. Nach unserem Wissen war die Frau rein arisch und auch er wohl nicht Volljude, woraus sich die Folgerungen für die Kinder ergeben.Für alle Fälle wollen wir aber darauf aufmerksam machen, dass die Tochter Miriam einen Engländer geheiratet hat und der Sohn mit einer Schottin verheiratet ist und in New York lebt.Der Rektor: H.St.“
Miriam Lehmann–Haupt spielte nach ihrem MK–Engagement in Darmstadt, Leipzig, bei Max Reinhardt in Wien am Theater in der Josefstadt, in Berlin im Theater unter den Linden. In Leontine Sagans Film Mädchen in Uniform (1931) spielte sie eine der Erzieherinnen. Am 10. August 1933 melden die INNSBRUCKER NACHRICHTEN, dass „Fräulein Miriam Lehmann-Haupt, die Schauspielerin sich am 10. Juli d.J. In New York mit dem bekannten jungen englischen Porträtmaler Kenneth Green vermählt hat“. Green (Hoddesdon/ Hertfordshire 25.02.1905–13.05.1986 London) wurde tatsächlich ein renommierter Maler, eines seiner gerühmten Bilder hängt in der National Portrait Gallery in London, das Doppelporträt Peter Pears Benjamin Britten aus dem Jahr 1943.
Ob und wann Miriam Green mit ihrem Mann nach London ging, ob die beiden Söhne dort geboren wurden, wann die beiden sich trennten, haben wir noch nicht herausgefunden. In den 1960er Jahren tritt sie am Broadway auf, 1981 stirbt sie in New York.
1928 wird in der Zeitschrift Quer 12/1928 ein Photo der jungen Schauspielerin veröffentlicht von Rolf Mahrenholz (1902–1991), dem Berliner Photographen. Er emigrierte 1938 nach London.
Marija Leiko
Schauspieler*in
* 1887,
Riga
† 1938,
Moskau
Am 19. Februar 1917 an den Münchner Kammerspielen in Heinrich Manns Madame Legros als Gastschauspielerin vom Deutschen Theater Berlin. Regie: Hermann Sinsheimer.
1924/25 an den MK in Stücken von Shakespeare, Strindberg, Goethe, Zweig.
1933 Rückkehr nach Riga, 1938 Verhaftung in Moskau und Ermordung wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer faschistischen lettischen Organisation. 1957 wurde sie posthum offiziell rehabilitiert.
Menyhért Lengyel
Autor*in
* 1880,
Balmazújváros
† 1974,
Budapest
MK 26.03.1912: Die Zarin mit Lajos Biró, Regie: Paul Schwaiger
MK 17.05.1920:Taifun
Lengyel war ein ungarischer Dramatiker, Journalist und Kritiker. 1919 ging er nach Berlin, München und Weimar, er schloss Freundschaft mit Ernst Lubitsch. 1933 emigrierte er mit seiner Familie nach England, 1935 in die USA. Lubitsch verfilmte mit dem Titel Sein oder Nichtsein Lengyels Noch ist Polen nicht verloren. 1960 kehrten die Lengyels nach Europa zurück.
Dela Leschka
Schauspieler*in
geb. Adele
* 1893,
† 1951,
Zürich
Dela Leschka wurde nach ihrer dreijährigen Schauspielausbildung an der Wiener k.u.k. Akademie für darstellende Kunst 1912 an die Volksbühne und 1914 an das Burgtheater engagiert. Von dort wurde sie 1919 aus Wien an die Münchner Kammerspiele verpflichtet, im gleichen Jahr aus Berlin der Schauspieler Kurt Horwitz (Neuruppin 21.12.1897 – 14.02.1974 München).
Die beiden heirateten, in Künstlerbiographien ihres vier Jahre jüngeren Mannes wird ihr Name erwähnt. In der Chronik der Münchner Kammerspiele wird ihre selbstlos dienende Rolle für die künstlerische Entwicklung ihres Mannes gelobt:
„Zu seinem anderen Leben gehörte eine Schauspielerehe von seltener Harmonie mit D e l a L e s c h k a, die im selben Jahr wie er an die Kammerspiele verpflichtet wurde. Sie stammte aus einer deutsch-mährischen Familie, kam aus Wien, war eine Sentimentale mit viel Charakter und hatte mit Lieschen Humprecht in Leopold Wagners wieder aufgeführter Sturm-und-Drang-KINDSMÖRDERIN ihren größten Erfolg. Dann aber wurde sie ganz Hausfrau und Familienmutter, war dabei völlig zufrieden und brauchte die Bühne nicht mehr. Auf die Laufbahn ihres Mannes wirkte sie weiterhin günstig ein, arbeitete viel mit ihm und da sie zunächst die bereits Fortgeschrittene war, konnte sie ihm wesentlich helfen.“
Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch Verlag 1973, S. 135.
Im Juli 1933 emigriert Adele Horwitz mit ihrem Mann und Tochter Ruth (München 1921 – 2014 München) in die Schweiz. Adele Horwitz stirbt 1951 in Zürich. Kurt Horwitz remigriert 1952 nach München und übernimmt die Intendanz des Bayerischen Staatsschauspiels. Er stirbt am 14.02.1974 in München.
August Liebmann Meyer
Autor*in
* 1885,
Darmstadt
† 1944,
KZ Auschwitz
August L. Mayer, Sohn einer Darmstädter jüdischen Fabrikantenfamilie, war seit 1920 Kurator der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und Professor für Kunstgeschichte an der Universität München. Er galt als der bedeutendste deutschsprachige Kenner der spanischen Malerei des 16.-18. Jahrhunderts, hochgeachtet in Spanien und ganz Europa. Bei seinen Forschungen entdeckte und übersetzte er ein Theaterstück Don Gil de las Calzas Verdeseines spanischen Dramatikers, Gabriel Téllez (ca.1580–1648) aka Tirso de Molina, das Otto Falckenberg an den Münchner Kammerspielen zweimal inszenierte: Don Gil von den Grünen Hosen (27.03.1920) mit Sybille Binder in der Titelrolle der Donna Juana, alias Don Gil und Grete Jacobsen in der Rolle der Donna Ines, damals mit ausdrücklicher Nennung des Übersetzers August L. Mayer* auf dem Theaterzettel. Bei Falckenbergs zweiter Inszenierung von Don Gil von den Grünen Hosen(07.02.1939) mit Paula Denk in der Titelrolle und Annemarie Rothe als Donna Ines, lebte August Liebmann Mayer mit seiner Familie bereits drei Jahre im Exil in Frankreich, auf dem Theaterzettel war 1939 sein Name entfernt. Jetzt war der deutsche Text eine 'freie Nachdichtung von Johannes von Guenther'. Von Guenther (Mitau/Kurland 1886–1973 Kochel), Schriftsteller, Übersetzer und Verleger, hatte im Oktober 1933 zusammen mit weiteren 87 Schriftstellern das 'Gelöbnis treuester Gefolgschaft' für Hitler unterschrieben.
August Liebmann Mayer konnte zunächst in Frankreich als freier Gelehrter weiterarbeiten, Anfang 1941 wurde er und seine Familie interniert, seine Frau starb im August 1941. Er wurde am 03.02.1944 von der Gestapo verhaftet, nach Drancy verschleppt, von dort am 07.03.1944 mit dem Konvoi 49 nach Auschwitz deportiert und am 12.03.1944 ermordet. Im Jahr 2017 restituierten die Bayerischen Gemäldesammlungen vier der Familie 1933 geraubte Gemälde an die in den USA lebende hochbetagte Angelika Mayer, geboren in München am 21.02.1930, die Tochter von Aloisia und August Liebmann Mayer.
Petzet erwähnt August L. Mayers Name in seiner Geschichte der Münchner Kammerspiele nur nebenbei, sein Schicksal ist ihm kein Wort wert.
1920 war Tirso de Molina eine Entdeckung von August L. Mayer, der sich auch um die Würdigung El Grecos verdient gemacht hat, und von Johannes von Guenther. Dieser Balte von gewaltigen körperlichen Ausmaßen, ein Kenner und Übersetzer vor allem der russischen Literatur, war ein sehr geschickter Dramaturg, mit einem unfehlbaren Blick für das auf der Bühne Wirksame und seit langem einer jener freundschaftlichen Berater Falckenbergs im Hintergrund.
Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch Verlag 1973, S. 145.
Ferdinand Lion
Autor*in
* 1883,
Mülhausen
† 1968,
Kilchberg
MK 08.12.1927: Zwischen Indien und Amerika, Regie: Julius Gellner
Ferdinand Lion war Autor, Opernlibrettist u. a. für Hindemith und Verlagslektor. 1933 emigrierte er aus Berlin in die Schweiz, lebte zwischendurch in Frankreich im Benediktinerkloster Ligugé, später in La Roche-sur-Foron bei Annecy. 1946 kehrte er nach Zürich zurück.
Philipp Loewenfeld
Anwalt
* 1887,
München
† 1963,
New York
Anwalt in der gemeinsamen Kanzlei seit 1919 zunächst mit Adolf Kaufmann, dann mit Dr. Max Hirschberg und Dr. Ludwig Regensteiner von 1928 bis zur ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten im Januar/Februar 1933 Anwalt der Münchner Kammerspiele.
Philipp Loewenfeld war Sohn einer Münchner jüdischen Jura-Professorenfamilie. Nach Jurastudium und freiwilligem Militär-und Kriegsdienst war er von 1919 an Anwalt in der gemeinsamen Kanzlei mit Adolf Kaufmann und Max Hirschberg, beide wie er Mitglieder der SPD und politische Verteidiger. Loewenfeld arbeitete im Auftrag Kurt Eisners am Entwurf der ersten demokratischen Verfassung im Freistaat mit, zusammen mit Kaufmann war er nach der Ermordung Eisners Delegierter der gemäßigten Sozialisten bei den Verhandlungen der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte im Frühjahr 1919. Ihre Kanzlei kümmerte sich fürsorglich um Ernst Toller während dessen fünfjähriger Festungshaft. Von 1928 bis zur ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten war die Kanzlei Dr. Hirschberg – Dr. Loewenfeld – Dr. Regensteiner – Dr. Elisabeth Kohn die Anwaltskanzlei der Münchner Kammerspiele.
Als im September 1932 der VÖLKISCHE BEOBACHTER mit einer photographischen Abbildung des Türschilds der Kanzlei Dr. Max Hirschberg – Dr. Philipp Loewenfeld – Dr. Ludwig Regensteiner – Dr. Elisabeth Kohn und der antisemitischen Hetz-Bildunterschrift „Zum Kapitel: Verjudung des Anwaltsstandes“ diese vier politisch exponierten Anwälte angriff, gelang es Philipp Loewenfeld, diesen Angriff abzuwehren. undefined
Am 11. März 1933 floh Philipp Loewenfeld sofort nach der Verhaftung seines Freundes und Sozius Max Hirschberg in die Schweiz, 1938 emigrierte er mit seiner Frau und den drei Töchtern nach New York. Er starb dort am 3. November 1963. Unter dem Titel Recht und Politik in Bayern zwischen Prinzregentenzeit und Nationalsozialismus. Die Erinnerungen von Philipp Loewenfeld, hrsg. von Peter Landau/Rolf Rieß wurde 2004 posthum die sorgfältig kommentierte Ausgabe seiner politischen Erinnerungen (1914–1933) veröffentlicht.
In München ist seit 2006 kurz vor der Donnersberger-Brücke, „von der Landsberger Straße nach Norden, nach Osten abknickend zurück nach Süden und nach ca 30m endend“ undefinedundefined die Philipp-Loewenfeld-Straße nach ihm benannt.
Sidonie Lorm
Schauspieler*in
* 1887,
Friedeck (Frýdek-Místek)
Sidonie Lorm begann als Schauspiel-Elevin 1906 in Berlin bei Max Reinhardt am Deutschen Theater. Zur Spielzeit 1911/12 kam sie mit Eugen Robert nach München ins Theater in der Augustenstraße 89 und gehörte dem Ensemble der Münchner Kammerspiele als ein wesentliches Mitglied für fünf Spielzeiten bis 1916 an. Danach setzte sie ihre Karriere als Schauspielerin in Berlin fort. Im Februar 1933 kehrte sie noch einmal an die Münchner Kammerspiele zurück für ein Gastspiel mit Alexander Moissi und Paul Marx in der Komödie Bernard Shaws mit dem Titel Zu wahr um schön zu sein in der deutschen Übersetzung von Siegfried Trebitsch, der 1933 derNS-Verfolgung durch Flucht aus Deutschland entging, so wie auch Alexander Moissi, Paul Marx und Sidonie Lorm.
Sidonie Lorm ging nach Wien und setzte dort ihre Theaterarbeit fort, in Ensembles der Wiener Kammerspiele, des Theaters an der Wien und im Stadttheater. Nach dem 'Anschluss' Österreichs floh sie nach Frankreich. Am 3. Juli 1939 trat sie im THÉATRE PIGALLE in Paris auf bei einem Gedächtnisabend für Joseph Roth, der am 27. Mai 1939 im Exil in Frankreich gestorben war. Über ihr weiteres Schicksal haben wir bisher noch nichts in Erfahrung bringen können.
Alexander László
Komponist*in
* 1895,
Budapest
† 1970,
Los Angeles
Münchner Kammerspiele 20.12.1925: Ein Sommernachtstraum von William Shakespeare, Regie: Otto Falckenberg, Musik und musikalische Leitung: Alexander László
Münchner Kammerspiele 05.02.1930: 2 Kravatten von Georg Kaiser, Regie: Robert Forster-Larrinaga, Musik: Alexander László / Mischa Spoliansky
Bis Mitte der 1920er Jahre lebte und arbeitete Alexander László in Starnberg, ging dann nach Berlin, nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten verließ er Deutschland, zunächst nach Budapest und emigrierte dann in die USA.
Anna Asja Lācis
Schauspieler*in
* 1891,
Līgatne
† 1979,
Riga
Nach einer Schauspielausbildung in Moskau und ersten Regiearbeiten in einem proletarischen Kindertheater und einem Arbeitertheater in Riga ging Anna Lācis 1922 nach Berlin. Sie lernte dort Walter Benjamin, Bertolt Brecht und den Regisseur und Theatertheoretiker Bernhard Reich kennen. Als dieser für die Spielzeit 1923/24 als Oberspielleiter an die Münchner Kammerspiele verpflichtet wurde, ging sie mit. Für die Probenarbeit zur Uraufführung Das Leben Eduards des Zweiten von England wurde sie Brechts Assistentin und sie spielte auch selbst mit.
1924 gingen Lācis und Reich nach Berlin, sie spielte dort unter seiner Regie, 1925 gingen sie nach Riga, 1926 nach Moskau und arbeiteten an Theatern und beim Film. Beide waren von 1933 an dort einerseits sicher vor Verfolgung der Nationalsozialisten, andererseits der stalinistischen Repression ausgesetzt. Lācis wurde 1938 verhaftet und zu zehn Jahren Zwangsarbeit in Arbeitslagern in Kasachstan verurteilt wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer faschistischen lettischen Organisation.
Über Reichs Schicksal in diesen zehn Jahren in der Sowjetunion ist seiner Autobiographie nichts zu entnehmen. Nach Lācis Freilassung 1948 gingen beide nach Riga zurück, zusammen aktiv mit Regiearbeiten, Theaterleitung und theoretischen Arbeiten über Theater. 1955 wird Anna Lācis offiziell rehabilitiert.
Auf der 17. documenta in Athen/Kassel 2017 wird eine Installation gezeigt:
„Anna 'Asja' Lacis (1891 – 1979) Archiv- und Dokumentationsmaterial“
Erika Mann
Schauspieler*in
* 1905,
München
† 1969,
Zürich
14. Mai 1927: Gastspiel in Klaus MannsRevue zu Vieren mit Erika und Klaus Mann, Pamela Wedekind und Gustav Gründgens an den Münchner Kammerspielen, 1 Nachtvorstellung. 12. November 1930: Premiere im Studio der Münchner Kammerspiele Geschwister von Klaus Mann, Regie: Richard Révy mit Erika Mann, Therese Giehse u. a. 1931 in der Rolle des Fräulein von Attems in Leontine Sagans Spielfilm Mädchen in Uniform.
1. Januar 1933: Eröffnung von Erika Manns literarisch-politischem Kabarett DIE PFEFFERMÜHLE in München
13. März 1933: Flucht in die Schweiz, Oktober 1933: Neueröffnung DIE PFEFFERMÜHLE in Zürich,1935–1936 Europa–Tourneen, 1937–1951 Exil in den USA.
1951 Remigration in die Schweiz
Heinrich Mann
Autor*in
* 1871,
Lübeck
† 1950,
Santa Monica
MK 10.01.1911: Varieté (Eröffnung 'Lustspielhaus') + Friedrich Freksa, Die Dame im Kamin + A.L. Brody, Der alte Fürst, Regie: Eugen Robert
MK 21.04.1911: Die Unschuldige, + Andreas LatzkoHans im Glück +Gert Hartenau-Thiel, Insulinde, Regie: Eugen Robert
MK 19.02.1917: Madame Legros, Regie: Hermann Sinsheimer
MK 24.03.1917: Der Tyrann + Varieté, Regie: Hermann Sinsheimer
MK 21.01.1927: Das gastliche Haus, Regie: Erwin Piscator
Heinrich Mann wurde 1931 Präsident der Sektion Dichtkunst der Preußischen Akademie der Künste. 1932 und 1933 unterzeichnete er zweimal den "Dringenden Appell zur Aktionseinheit" der KPD und der SPD gegen die Nationalsozialisten. Kurz vor dem Reichstagsbrand im Februar 1933 verließ er Deutschland und floh nach Frankreich. Am 14. Februar 1933 wurde er aus der Akademie der Künste ausgeschlossen, im August 1933 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt, 1940 floh er über Spanien und Portugal in die USA. 1949 wurde er zum Präsidenten der Deutschen Akademie der Künste in Berlin-Ost gewählt, er starb, vor seiner geplanten Rückkehr nach Deutschland, am 13. März 1950 in Santa Monica.
Klaus Mann
Autor*in
* 1906,
München
† 1949,
Cannes
MK 20.10.1925 Anja und Esther (UA), Regie: Otto Falckenberg
MK 12.11.1930 Geschwister (UA), Regie: Richard Révy
Klaus Mann floh am 13. März 1933 aus Deutschland nach Paris, in den nächsten Jahren wurde er ein kämpferischer Literat gegen den Nationalsozialismus als Exilant an wechselnden Orten in Europa und den USA. Bereits im Herbst 1934 wurde er ausgebürgert. Im September 1938 emigrierte er in die USA; er und seine Eltern folgten Erika Mann, die bereits 1937 emigriert war. 1943 wurde er US-amerikanischer Staatsbürger, vorher und nachher, wie seine Schwester, vom FBI kommunistischer Kontakte verdächtigt. Am 21. Mai 1949 nahm er sich in Cannes das Leben.
Lucie Mannheim
Schauspieler*in
* 1899,
Köpenick, Berlin
† 1976,
Braunlage
An den Münchner Kammerspielen in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Sommernachtstraum(19.06.1920) als Gast aus Berlin in der Rolle des Puck.
1922 holte der Berliner Intendant Leopold Jessner Lucie Mannheim zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dem Regisseur Jürgen Fehling ans Preußische Staatstheater. Sie trat dort bis 1933 auf. Fehling wurde in der NS-Zeit auf die Führer-Liste der 'Gottbegnadeten Künstler' genommen. Die jüdische Theaterkünstlerin Lucie Mannheim emigrierte 1933 in die Tschechoslowakei und 1934 nach England, Jessner 1933 nach Holland, Belgien, England und 1937 weiter in die USA. Lucie Mannheim erhielt die englische Staatsbürgerschaft. 1953 remigrierte sie nach Deutschland, 1963 wurde ihr der Titel 'Berliner Staatsschauspielerin' verliehen.
Dr. med. Julian Marcuse
Theaterarzt
* 1862,
Posen
† 1942,
KZ Theresienstadt
Studium der Medizin in Würzburg
Ärztliche Approbation 1889
Facharzt für Nerven und innere Krankheiten
1913 bis 1924 Leiter des Sanatoriums Ebenhausen
Praxis in der Pfeuferstraße 20/2 bis 1935
Mitglied der USPD, aktiv im Vorstand des Vereins sozialistischer Ärzte
Über seinen ersten Kontakt zu den Anwälten Adolf Kaufmann und Philipp Loewenfeld unter ziemlich dramatischen Umständen berichtet Loewenfeld in seinen Erinnerungen im Kapitel V. Abschnitte 'Morde der Freikorps' – Eingreifen gegen Erschießungen' in München im Mai 1919:
“[E]in hochgeschätzter Münchner Anwaltskollege (Adolf Kaufmann) kam auf mein Büro, um meine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es handelte sich um einem mir bekannten sehr begabten Münchner Mediziner (Dr. Julian Marcuse), der ein persönlicher Freund von Toller und anderen Revolutionären war und politisch den unabhängigen Sozialdemokraten zugehörte. ... Der Kollege berichtete mir, er sei soeben davon verständigt worden, dass im Treppenhaus des Gebäudes, in dem der Mediziner seine Wohnung hatte, drei Soldaten eines Freikorps säßen und auf die Frage nach dem Zweck ihres Erscheinens, gesagt hätten, sie hätten Auftrag, auf den Mediziner zu warten und ihn totzuschlagen . . . .”
Philipp Loewenfeld: Recht und Politik in Bayern zwischen Prinzregentzeit und Nationalsozialismus: Die Erinnerungen von Philipp Loewenfeld. Hg. v. Peter Landau. (Münchener Universitätsschriften - Juristische Fakultät 2004), S. 339ff.
Die beiden Anwälte erreichten durch Intervention beim bayerischen Reichswehrgruppenkommando, dass der Mediziner München heil verlassen konnte.
Dr. Julian Marcuse wurde am 29.7.1942, drei Tage vor seinem 80. Geburtstag aus München nach Theresienstadt deportiert.
Julius Seger, der Schauspieler an den Münchner Kammerspielen, war zwölf Tage vorher, am 17. Juli 1942, nach Theresienstadt deportiert worden. Zwischen dem 01. und 31. Juli 1942 wurden in zwölf Transporten sechshundert jüdische Frauen, Kinder und Männer aus München deportiert.
Arnold Marlé
Schauspieler*in
Regisseur*in
* 1887,
Prag
† 1970,
London
Seit 1910 in München, wechselte Arnold Marlé zur Spielzeit 1915/16 vom Volkstheater an die Münchner Kammerspiele als Schauspieler und später auch als Regisseur. Er gehörte dem Ensemble bis 1924 an. Er heiratete die Schauspielerin und Kollegin an den MK, Lilly Freud (1888–1970), die Tochter von Sigmund Freuds Schwester Maria. 1924 holte ihn Erich Ziegel an die Hamburger Kammerspiele und als Schauspieler und Oberspielleiter war er dann am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg bis März 1933. Mit seiner Familie floh er nach Prag und im März 1939 emigrierten sie zusammen nach England.
Heinrich Marx
Gesellschafter*innen
* 1872,
Mönchsroth
† 1947,
New York
Heinrich und Hugo Marx' Väter, Lazarus und Samuel Marx, betrieben zusammen in Nördlingen ein Eisenwaren- und Hopfengeschäft. Heinrichs Schwester Sophie (1863 – 1927) heiratete 1882 den Juristen Dr. Theodor Loewenfeld, eines ihr vier Kinder war der Rechtsanwalt und politische Verteidiger Dr. Philipp Loewenfeld. Zusammen mit seinem Vetter Hugo Marx gründete er 1908 das Bankhaus „Heinrich & Hugo Marx“ in der Maffeistr. 4/Theatinerstr. 7. Er hatte 1906 in München die 1887 in Landau geborene Alice Scharff geheiratet, die beiden hatten keine Kinder. 1931 meldeten sich beide in München ab mit der Begründung „auf Reisen“. Sie kehrten nicht wieder zurück, lebten in der Schweiz und emigrierten im April 1938 über Le Havre in die USA.
Otto Marx
Schauspieler*in
* 1910,
München
† 1967,
Hackensack
MK 24.10.1929: Trojaner – eine Sekundanerrevolte von Curt Corrinth, Regie: Richard Révy. Mit Karl Kyser, Kurt Horwitz, Julius Seger, Otto Marx u. a.
MK 10.10.1931: Raunacht von Richard Billinger, UA. Regie: Otto Falckenberg. Mit Therese Giehse, Elsa Moltzer, Sibylle Schloß, Otto Marx u. a.
MK/Volkstheater 07.01.1932: Der Mustergatte von Avery Hopwood. Regie: Richard Révy. Mit Heinz Rühmann, Elsa Moltzer, Otto Marx u. a.
MK 20.01.1932: Liliom von Franz Molnardt, von Alfred Polgar. Regie: Kurt Held. Mit Max Pallenberg, Therese Giehse, Sibylle Schloß, Otto Marx u. a.
MK 26.02.1932: Kopf in der Schlinge von Ladislos Fodor. Regie: Richard Révy. Mit Sibylle Schloß, Kurt Horwitz, Otto Marx u. a.
MK 07.04.1932: Vom Teufel geholt von Knut Hamsun. Regie: Otto Falckenberg. Mit Hermine Körner, Kurt Horwitz, Sibylle Schloß, Otto Marx u. a.
MK/ Volkstheater 15.04.1932: Die Welt ohne Männer von A. Engel und J. Horst. Regie: A.Fischer-Marich. Mit Sibylle Schloß, Otto Marx u. a.
MK/Volkstheater 06.05.1932: Eva hat keinen Papa von Wilhelm Lichtenberg. Regie: Rudolf Hoch. Bühne: David Schneuer. Mit Julius Seger, Otto Marx u. a.
MK ab 04.05.1932: Die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht. Regie: Hans Schweikart. Im Gastspiel mit Carola Neher, mit Otto Marx in der Rolle des Filc.
MK 02.09.1932: Donnerstag, 17. April von Ludwig Zilahy. Regie: Richard Révy. Mit Sybille Binder a.G. , Kurt Horwitz, Otto Marx u. a.
MK 29.10.1032: Der grosse Bariton von Ditrichstein / Hatton. Regie: Richard Révy. Mit Else und Albert Bassermann a. G., Kurt Horwitz, Karl Kyser, Julius Seger, Otto Marx u.a.
MK 06.11.1932: Die Heimkehr des Olympiasiegers von Sin Dbad. Regie: Richard Révy. Mit Kurt Horwitz,Otto Marx, Julius Seger, Ilva Günten, Karl Kyser u.a.
MK 21.11.1932: Robinson soll nicht sterben von Friedrich Forster Regie: Julius Gellner. Musikalische Leitung: Herrmann Ludwig. Mit Therese Giehse, Karl Kyser, Ilva Günten, Otto Marx u. a.
MK Dez/Jan 1932/33: Der Biberpelz von Gerhart Hauptmann. Regie: Richard Révy. Mit Therese Giehse, Ilva Günten, Kurt Horwitz, Otto Marx u.a.
Im Programmheft März 1933 der Münchner Kammerspiele wurden zwei Neuinszenierungen mit allen Rollenbesetzungen angekündigt:
MK 17.03.1933: Der Lampenschirm von Kurt Goetz. Regie: Hugo Schrader. Mit Ilva Günten, Juana Sujo, Julius Seger, Otto Marx u.a.
MK 24.03.1933: Fanny von Marcel Pagnol, dt. von Bruno Frank. Regie: Richard Révy. Mit Marianne Hoppe a.G., Ilva Günten, Juana Sujo, Otto Marx u.a .
Am 9. März 1933 ergriffen die Nationalsozialisten in München die Macht. Sofort danach flohen Julius Gellner, Heinrich Fischer und Otto Marx in die Tschechoslowakei, Therese Giehse, Erika Mann, Sybille Schloß in die Schweiz. Am Tag der ersten Premiere war Otto Marx längst außer Landes und er kehrte nie mehr zurück. Sein Schicksal wird in der bisherigen Erzählung der Münchner Kammerspiele mit keinem Wort erwähnt.
Otto Marx kam am 8. Mai 1910 in München auf die Welt als jüngster der drei Söhne des jüdischen Bankiers Hugo Marx (Nördlingen 30.10.1873 – 15.09.1945 Hackensack, New Jersey, USA) und seiner Frau Else geb.Fromm (Augsburg 07.08.1881– ? Hacken-sack), sie war die älteste Tochter von Gustav und Flora Fromm.
Hugo Marx gründete 1908 in München zusammen mit seinem Vetter Heinrich Marx (Mönchsroth 01.04.1872 – 02.03.1947 New York) das Bankhaus Heinrich & Hugo Marx. Beide waren Mitgründer und Gesellschafter der Münchner Theater GmbH, beide waren Theater-Mäzene der Münchner Kammerspiele, Hugo Marx unterstützte 1935 – 1938 finanziell auch das Theater in Teplitz-Schönau.
Heinrich Marx und seine Frau Alice hatten keine Kinder, 1931 schied er aus dem Bankhaus aus, die beiden zogen in die Schweiz, im April 1938 flohen sie über Le Havrein die USA. Hugo und Else Marx hatten drei Kinder, ein Sohn starb im frühen Kindesalter (Walter München 01.10.1907 – 1908 München), der erstgeborene Sohn Karl (München 6.3.1903 – 11.06.2001 Hastings-on-Hudson, New York, USA) wurde nach Volkswirtschaftsstudium und Promotion Mitinhaber der Bank, im November 1938 wurden Vater Hugo und Sohn Dr.Karl Marx von den Nazis verhaftet und im KZ Dachau festgehalten. Ihre Bank wurde im Dezember 1938 liquidiert, Karl floh mit seiner Familie 1939 nach New York, Elses Mutter Flora Fromm war 1932 zu ihrer Tochter und Hugo Marx gezogen, 1938 war sie ins israelitische Krankenheim gebracht worden. Hugo und Else Marx gelang 1940/41 die Flucht über Spanien nach New York. Flora Fromm wurde im Juni 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet.
Der jüngste Sohn Otto Marx wurde Theaterschauspieler. Mit 19 Jahren trat er im Oktober 1929 in einer Richard Révy-Inszenierung des Curt Corrinth Stücks Trojaner als einer der Sekundaner zum ersten Mal an den Münchner Kammerspielen auf. In den Spielzeiten 1931/32 und 1932/33 war er ein ziemlich vielbeschäftigtes Mitglied des MK-Ensembles bis zu seiner Flucht Anfang März 1933.
In Wolfgang Petzets umfänglicher Erzählung Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911 – 1972 kommt kein Schauspieler Otto Marx an den Münchner Kammerpielen vor. Nur auf Seite 569 in der Anmerkung Nr. 68 zu Kapitel 7 'Direktion Falckenberg im Schauspielhaus 1926 – 1932' (tatsächlich jedoch handelt es sich um die 'Direktion Otto Falckenberg – Adolf Kaufmann') gibt es einen Hinweis auf Hugo Marx und seinen Sohn Otto. Petzet zitiert dort aus einem Brief „in den uns die Witwe des expressionistischen Schriftstellers und Malers Karl Jakob Hirsch, Frau Ruth Gassner-Hirsch, freundlicherweise Einblick gewährte“, in dem „der frühere Hauptbuchhalter des Bankhauses Heinrich und Hugo Marx, Karl Pfab, schreibt:
''. . .Herr Hugo Marx ist in Sachen Kammerspiele niemals als Mäzen in Erscheinung getreten. Im Gegenteil, er wollte gar nicht wissen lassen, dass er seinen Sohn Otto in leitende Position in die Kammerspiele bringen wollte; nur Eingeweihte wussten Bescheid . . .Das Bankgeschäft Heinrich und Hugo Marx , nicht die Herren Marx privat,ist immer wieder mit Krediten eingesprungen. Daß es ein Verlustgeschäft war, können Sie sich denken. Ein Teil der Kredite war von Herrn Hugo Marx gegenüber seinen Kompagnons verbürgt; Herr Hugo Marx hat die Verluste mit den anderen Teilhabern der Firma . . . privat geregelt. (Etwa 1954) sollte ich Nachforschungen über die Liquidation der Münchner Theater GmbH anstellen. Beim Registergericht in München konnte nur ein Hinweis gefunden werden, bestehend aus einer einzigen Zeile, daß eine Münchner Theater GmbH überhaupt einmal existiert hat; alle sonstigen Unterlagen sind durch den Bombenkrieg verbrannt . . .“
Wolfgang Petzet: "Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München, Desch-Verlag 1973, S. 240.
Diese Anmerkung Nr. 68 bezieht sich auf eine Passage, in der Petzet sich auf eine unerhört schäbige, gehässige und diffamierende Weise auslässt über Adolf Kaufmann, Mitgründer der Münchner Kammerspiele, Gesellschafter, Justitiar, administrativer Direktor dieses Theaters, ein jüdischer Sozialdemokrat, der seit der Räterepublik die Hassfigur der Nazis in München war:
„Eigentlich ist es mehr als sonderbar, daß es (im Herbst 1932) der gemeinsamen Anstrengung von Staat, Stadt, der öffentlichen Meinung und des Ensembles bedurfte, um Falckenbergs Stellung an den Kammerspielen zu erhalten und zu festigen, deren Inbegriff ja seine Kunst und Persönlichkeit war. Zur Erklärung dieses merkwürdigen Phänomens und der folgenden Ereignisse bedarf es einer Analyse der des öfteren erwähnten finanziellen und organisatorischen Verhältnisse dieses Theaters. Ihre Kompliziertheit und schließliche Verworrenheit entsprach dem Charakter des Protagonisten hinter den Kulissen, des Rechtsanwalts Adolf Kaufmann, Anteilseigner, seit acht Jahren geschäfts-führender Direktor und von Beginn der Kammerspiele an Syndikus, Mitglied des Aufsichtsrates und sehr bald dessen Vorsitzender. Seine unbeschränkte Machtvollkommenheit beruhte auf dieses Doppelfunktion und auf dem unerschütterlichen Vertrauen, dessen er sich bei den übrigen Geldgebern und Aufsichtsräten, wie dem Hopfengroßhändler Heinrich Fromm und Bankier Hugo Marx erfreuen konnte. Für sie ( die nicht ohne einen lobenswerten, wenngleich naiven und dann doch auch 'geschäftlich denkenden', mäzenatischen Ehrgeiz waren) genoß er das Ansehen eines Retters ihres Geldes vor den Ambitionen des ersten Kammerspieldirektors Eugen Robert und eines in den schlimmsten 'Durststrecken' der Kammerspielgeschichte immer neue Geldquellen (zum Beispiel den ständigen städtischen Zuschuß von 30 000 Mark) erschließenden Zauberkünstlers. . . . Um seine wunderbaren Transaktionen zu vernebeln, gründete er im Laufe seiner Geschäftsführer-Tätigkeit gleich vier Gesellschaften . . .“
Den 'früheren Hauptbuchhalter des Bankhauses Heinrich und Hugo Marx, Karl Pfab', der im Gegensatz zu allen Mitgliedern der jüdischen Marx–Familie, allen Kompagnons und Teilhabern ganz offensichtlich als 'reinrassiger' Münchner Bürger nicht versuchen musste, sein Leben zu retten vor der Verfolgung der Nazis, betrachtet Petzet als glaub- würdigen Sachverständigen. Er fügt zu Karl Pfabs zynisch-gehässiger Darstellung noch eine ungehörige Behauptung hinzu:
„Man kann sich gut vorstellen, wie Adolf Kaufmann die Hoffnungen von Hugo Marx zwecks immer neuer Kredite nährte, während er ernstlich nie daran dachte, sie zu erfüllen“.
Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch Verlag 1973. S. 569.
Es findet sich kein einziges Wort im bisherigen Narrativ der Münchner Kammerspiele über die Schicksale der Gesellschafter*innen dieses Theaters und ihrer Familien in der Zeit des NS-Gewaltregimes.
Otto Marx , der im März 1933 in die Tschechoslowakei geflohen war, wurde von Curth Hurrle (1903–1987), beide kannten sich aus München, ans Theater im nord-böhmischen Brüx (heute Most) engagiert, das Hurrle leitete. Als 1935 Hurrle Intendant in Teplitz-Schönau wurde, nahm er Otto Marx als Schauspieler, Dramaturg und Regisseur mit. Gleichzeitig waren am Theater in Teplitz Walter Gynt, als Schauspieler und auch als Regisseur, und P. Walter Jacob, der 1938 nach Argentinien floh und dort ein deutsches Exiltheater eröffnete. Aus Dokumenten des P. Walter-Jacob Archivs wissen wir, dass Otto Marx' Vater, der Bankier Hugo Marx, das Theater in Teplitz-Schönau, an dem sein Sohn im Exil arbeiten konnte, mit subventionierte. Otto Marx inszenierte u. a. Frantisek Langers Komödie Das Kamel geht durch das Nadelöhr im März 1936, das Josef Glücksmann an den Münchner Kammerspielen im März 1930 auf die Bühne gebracht hatte. Im April 1938 inszenierte P. Walter Jacob in Teplitz Marcel Pagnols Komödie Fanny mit Otto Marx, der im März 1933 vor der Premiere dieses Stücks an den Kammerspielen aus München fliehen musste. Seine letzte Theater-Rolle überhaupt war im April 1938 die Rolle des Christophe Dudgeon in Bernard Shaws Der Teufelschüler. Danach flohen alle jüdischen Schauspieler*innen aus Teplitz nach Prag. Erst 1940 gelang es Otto Marx, ein Visum für Santo Domingo zu bekommen, er floh nach Italien und von dort in die Dominikanische Republik. Am 5. Mai 1941 kam er in New York an. Nach dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg gehörte er der US-Army an bis zur Kapitulation Deutschlands. Nach dem Krieg gelang Dr. Otto Marx eine amerikanische Universitäts-Karriere als Professor für deutsche Sprache und Literatur, für Spanisch und lateinamerikanische Geschichte. Er starb im November 1967 im Alter von 57 an den Folgen einer ALS-Erkrankung (ALS = amyotrophe Lateralsklerose).
Paul Marx
Regisseur*in
Schauspieler*in
Dramaturg*in
Nach ersten Engagements in Berlin, Düsseldorf und Zürich kam der Schauspieler Paul Marx 1913 an die Münchner Kammerspiele. Am 31.1.1914 inszenierte er als seine erste Regiearbeit Heinrich Ilgensteins Kammermusik. Für vier Spielzeiten wirkte er an den MK als Regisseur, Dramaturg und Schauspieler (MK 1913/14 – 1915/16, eine Spielzeit am Schauspielhaus, MK 1918/19). Danach war er Spielleiter in Hamburg und Berlin. 1933 floh er in die Tschechoslowakei und arbeitete als Schauspieler und Regisseur am Deutschen Theater in Mährisch-Ostrau und in Wien bei Erich Ziegel. 1938 floh er in die USA, Arbeit an deutschen Exiltheatern.
Fritzi Massary
Schauspieler*in
geb. Friederika
* 1882,
Wien
† 1969,
Los Angeles
In der Spielzeit 1930/31 spielte sie als Gast an den Münchner Kammerspielen in der neuesten Komödie des irischen Dramatikers und Theaterprofessors St. John Ervine (Belfast 1883–1971 London) Die erste Mrs. Selby (Originaltitel: The First Mrs. Frazer, 1929),Regie: Robert Forster Larrinaga (Premiere: 18.04.1930).
Sie wurde nach ihrem Debüt 1900 in Hamburg eine gefeierte Operettensängerin ('die Massary'). 1917 heiratete sie den Schauspielkollegen und großen Charakterkomiker Max Pallenberg, der von 1927/28–1932 wiederholt an den Münchner Kammerspielen gastierte. Als 1932 Massary's Auftritte in Berlin in der Operette Eine Frau, die weiss was sie will des österreichisch jüdischen Komponisten Oscar Straus und des österreichisch jüdischen Librettisten Alfred Grünwald von SA-Schlägern mit antisemitischen Sprechchören gestört werden, fliehen Massary und Pallenberg aus Deutschland nach Wien. Pallenberg kommt im Juni 1934 bei einem Flugzeugabsturz nahe Karlsbad ums Leben, Massary emigriert über die Schweiz und Frankreich 1939 in die USA, zu ihrer Tochter Liesl Pallenberg (1903–1979), die mit dem Autor Bruno Frank (1887–1945) verheiratet war. Die beiden waren im Februar 1933 aus München in die Schweiz geflohen und 1937 in die USA emigriert.
Massary lebte ohne Comeback in Beverly Hills.
Hanns Merck
Schauspieler*in
geb. Johann August
* 1885,
Bremen
† 1967,
Nürnberg
Hanns Merck war in der Spielzeit 1913/14 und 1914/15 im Ensemble der Münchner Kammerspiele und gilt als ein Mitbegründer 1913 dieser Münchner Kammerspiele. Als Regisseur und Theaterdirektor arbeitete er von 1921 bis Oktober 1932 am Intimen Theater in Nürnberg. Im Mai 1921 inszenierte er Wedekinds Schloss Wetterstein,das Stück, das im Dezember 1919 in den Kammerspielen von antisemitischen Protesten gestört wurde. Die Rolle der Effie von Gystrow, die in München Sybille Binder spielte, spielte in Nürnberg die junge Berliner jüdische Schauspielerin Ernestine Costa. Sie und Hanns Merck heirateten. Im Sommer 1924 inszenierte Merck an den Münchner Kammerspielen als Gastregisseur ein Schnitzler und ein Wedekind Stück mit Costa als Gastschauspielerin. Im Oktober 1932 wurde Hanns Merck auf Druck der NSDAP in Nürnberg ('der Jude habe zu viele jüdische SchauspielerInnen beschäftigt') als Theaterdirektor entlassen, offiziell-amtlich wegen 'Misswirtschaft'. 1933 floh er nach Prag und von dort nach Holland. 1947 versuchte er eine Neugründung des Intimen Theaters in Nürnberg.
Im Narrativ der Münchner Kammerspiele ist von diesen Biographien Hanns Mercks und Ernestine Costas kein Wort zu lesen. Bisher.
Hanne Mertens
Schauspieler*in
* 1909,
Magdeburg
† 1945,
KZ Neuengamme
Hanne Mertens gehörte vom 1. September 1938 – 17. Februar 1943 dem Ensemble der Münchner Kammerspiele an.
Nach ihrer Ausbildung an der Staatlichen Schauspielschule Berlin unter Leitung Leopold Jessners, nach Engagements in Berlin, Düsseldorf und wieder Berlin engagierte Otto Falckenberg 1938 die damals 29-jährige Schauspielerin an die Münchner Kammerspiele mit einem Vertrag für drei Spielzeiten 1938/39 – 1940/41, der im November 1940 für weitere zwei Spielzeiten 1941/42 – 1942/43 verlängert wird. Am 1. November 1938 steht Hanne Mertens zum ersten Mal in einer Inszenierung Falckenbergs auf der Bühne der Kammerspiele in der Rolle der Lady Milford in KABALE UND LIEBE und wird von der Münchner Theaterkritik als außergewöhnliche Schauspielerin wahrgenommen und gerühmt. Falckenberg besetzt Hanne Mertens noch in zwei seiner Inszenierungen (in der Rolle der Elisabeth in Schillers MARIA STUART, Premiere 20. Februar 1940 und in der Rolle der Hippolyta in Shakespeares SOMMERNACHTSTRAUM , Premiere 18. November 1940), danach nicht mehr, da er sie in seinen Inszenierungen nicht für die geeignete Darstellerin hält. Es kommt zu einer heillosen Entfremdung zwischen dem Intendanten und der selbstbewussten jungen Schauspielerin, die es augenscheinlich an vorbehaltloser Bewunderung fehlen lässt für Falckenberg, der 1939 den Titel Staatsschauspieldirektor erhalten hat.
Hanne Mertens spielt 1941/1942 noch markante Rollen bei drei Regisseuren. 1941 wird sie zusammen mit ihrer Schauspielkollegin Signe von Scanzoni bei der Gestapo anonym angezeigt wegen „defätistischer Gesänge“. Am 27. Januar 1943 werden aus einer Mappe „Hanne Mertens im Kulturamt Az. 1159“ Briefe „entnommen für Gestapo“, die sie an die Intendanz geschrieben hat. Am 17. Februar 1943 bittet Hanne Mertens, ihren Dienstvertrag „fristlos zu lösen“, die Direktoren Falckenberg und Waldeck „entsprechen diesem Ersuchen“. Hanne Mertens verlässt München und nimmt ein Engagement am Thalia–Theater in Hamburg an.
Im Januar 1945 wird sie in Hamburg von zwei Gestapo-Spitzel denunziert wegen „wehrkraftzersetzenden Gesangs“ in privater Runde, am 6. Februar 1945 auf offener Straße verhaftet, im Gestapo-Gefängnis Fuhlsbüttel verhört, misshandelt, am 20. April 1945 zusammen mit 70 Gefangenen ins KZ Neuengamme verschleppt und in der Nacht des 22. April 1945 ermordet. Hanne Mertens wurde 36 Jahre alt.
Am 25. Juni 2020 wurden am Eingang der Münchner Kammerspiele im Schauspielhaus in der Maximilianstraße 26 – 28 fünf Erinnerungszeichen angebracht für fünf Menschen, die an den Kammerspielen gewirkt hatten und ermordet wurden: Edgar Weil, Hans Tintner, Benno Bing, Julius Seger und Emmy Rowohlt. Ein sechstes Erinnerungszeichen sollte angebracht werden für Hanne Mertens. Die Stadt bat darum, von diesem Erinnerungszeichen für Hanne Mertens abzusehen, da Vorwürfe im Raum stünden, diese Schauspielerin habe den Intendanten Otto Falckenberg bei der Gestapo denunziert wegen dessen Unterstützung einer jüdischen Schauspiellehrerin.
Durch aufwändige Recherchen haben Janne und Klaus Weinzierl im Stadtarchiv und im Staatsarchiv in München, Johannes Grossmann im Staatsarchiv der Hansestadt Hamburg Dokumente entdeckt, die diesen Vorwürfen gegen Hanne Mertens, die im Echokammer–Narrativ der Münchner Kammerspiele (Petzet 1973, Euler 1979, Pargner 2005, Clemens 2012) immer wieder fortgeschrieben worden sind, jegliche Grundlage entziehen.
Die Dekonstruktion dieses MK-Echokammer–Narrativs „Der Fall Hanne Mertens“ und die Rekonstruktion und Dokumentation „Hanne Mertens in München“ werden auf dieser Website veröffentlich werden.
Alexander Moissi
Schauspieler*in
* 1879,
Triest
† 1935,
Wien
28.09.1924 als Gastschauspieler an den Münchner Kammerspielen in Grillparzers Die Jüdin von Toledo, Regie: Julius Gellner. Am 01.06.1927 als Gastschauspieler in Ibsens Gespenster, Regie: Richard Révy, mit Therese Giehse und Ernst Deutsch als Gästen. 1933 Flucht aus Deutschland. Er war schon Jahre davor immer wieder antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt. Am 22. März 1935 starb Alexander Moissi in Wien an einer Lungenentzündung. Bei der Trauerfeier legte der Schauspieler Albert Bassermann den Iffland-Ring auf den Sarg Moissis, da er an ihn als sein Nachfolger für diese Auszeichnung gedacht hatte.
Ferenc Molnár
Autor*in
* 1878,
Budapest
† 1952,
New York
MK 05.02.1913: Das Märchen vom Wolf, Regie: Eugen Robert
MK 06.04.1931: Das Märchen vom Wolf, Regie: Josef Glücksmann, Bühnenmusik: Herrmann Ludwig
MK09.12.1925: Theater, Regie: Adolf Wohlbrück
MK 30.03.1929: Olympia, Regie: Robert Forster-Larrinaga
MK 20.01.1932: Liliom, in der deutschen Bearbeitung von Alfred Polgar. Regie: Ernst Held, u. a. mit Therese Giehse, Sybille Schloß und als Gast Max Pallenberg. Alle emigrierten 1933.
MK 02.06.1932: Jemand, Regie: Leopold Kramer, als Gast
Molnár floh 1937 vor den Nationalsozialisten in die Schweiz, am 31. Dezember 1939 emigrierte er in die USA. Er schrieb dort weiter Theaterstücke, Drehbücher und Romane, schwere Depressionen eines Überlebenden in der erzwungenen Fremde und der Selbstmord seiner Lebensgefährtin zernichteten den Schriftsteller. Er stirbt nach einer Operation am 1. April 1952 in New York.
Elsa Moltzer
Schauspieler*in
In der Spielzeit 1931/32 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in der UA von Richard Billingers Rauhnacht, Regie: Otto Falckenberg (Premiere 10.10.31) in der Rolle der Fischerstochter Brigitta.
In der Ausgabe der LA SEMANA ISRAELITA (Jüdische Wochenschau)vom 8.11.1940 wird aus Buenos Aires berichtet:
„Man feierte mit drei Schauspielerinnen, die hier lange nicht mehr auf der Bühne standen: Hedy Crilla-Schlichter, Gissie Henckell und Elsa Moltzer.”
La Semana Israelita (8.11.1940), Buenos Aires
Der nach Buenos Aires emigrierte Theaterleiter Paul Walter Jacob veröffentlichte 1950 „ZEHN JAHRE FREIE DEUTSCHE BÜHNE IN BUENOS AIRES 1940 – 1950“ (Año del Libertador General San Martin, 1950). Demnach stand Elsa Moltzer dort u. a. 1943 in einem Stück von Kaufmann / Hart Der Mann, der zum Essen kam auf der Bühne, zusammen mit einem Ensemble emigrierter deutscher und österreichischer Schauspieler*innen, darunter auch Annie Ernst-Schröck, die 1919–1921 im Ensemble der Münchner Kammerspiele war und 1939 nach Argentinien emigrierte. Nach 1945 remigrierte Elsa Moltzer nach Europa. 1957/58 und 1958/59 war sie am Wiener Volkstheater engagiert. 1962 kehrte sie als Gast zurück an die Münchner Kammerspiele für Erwin Piscators Inszenierung der Flüchtlingsgespräche von Bertolt Brecht im Werkraumtheater zusammen mit Werner Finck und Willy Reichert.
Paul Morgan
Schauspieler*in
* 1886,
Wien
† 1938,
KZ Buchenwald
In der Spielzeit 1921/22 wird Paul Morgan im Sommer 1922 an den Münchner Kammerspielen für vier Produktionen als Gastschauspieler aus Berlin verpflichtet.
Er spielt in zwei Inszenierungen Rudolf Franks, in ausverkauften Nachtvorstellungen einer Komödie Verneuils zusammen mit Grete Jacobsen und in einem Kriminaldrama des Hausautors der Kammerspiele, Bruno FranksDas Weib auf dem Tiere zusammen mit Sybille Binder. Falckenberg besetzt ihn in Gogols Stück Der Revisor mit Erwin Kalser, Marie Ferron, Liesl Neumann und Kurt Horwitz. Mit Horwitz spielt Morgan auch in der Advokatenkomödie Die Causa Kayser der beiden Wiener Autoren Stärk/Eisler. Zurück in Berlin spielt er Theater, Kabarett und in Stummfilmen, auch in Elisabeth Bergners letztem Stummfilm Fräulein Else.
1933 verlassen Paul Morgan und seine Frau, die Schauspielerin und Autorin Josa Morgan, Deutschland und kehren über die Schweiz nach Wien zurück. Im Februar 1938 steht Paul Morgan in einer Uraufführung von Schütz/Farkas Dixie im THEATER AN DER WIEN auf der Bühne. Am 22. März 1938 wird er von der Gestapo verhaftet, am 31. Mai 1938 in das KZ Dachau und Ende September 1938 in das KZ Buchenwald deportiert. Dort stirbt er, zu Tode geschunden, am 10. Dezember 1938. Seine Frau flieht im November 1938 nach London und emigriert 1941 in die USA.
Grete Mosheim
Schauspieler*in
* 1905,
Berlin
† 1986,
New York
Tochter einer Berliner jüdischen Arztfamilie, Schauspielausbildung bei Max Reinhardt, seit 1922 Ensemblemitglied am Deutschen Theater in Berlin 1930 in Hans Tintners Spielfilm Cyankali in der weiblichen Hauptrolle der jungen schwangeren Frau Hete Fent.
1933 Flucht nach Österreich zusammen mit ihrem Mann, dem Schauspieler Oskar Homolka, der an den Münchner Kammerspielen in Brechts Das Leben Eduards II. von England (18.03.1924)den Mortimer spielte.
1934 Emigration nach England und weiter 1938 in die USA, ab 1952 Rückkehr nach Deutschland zu Theater–Gastspielen.
19.01.1969 als Gast an den Münchner Kammerspielen im Werkraumtheater
Deutsche EA Edward Albee KISTE UND WORTE DES VORSITZENDEN MAO TSE-TUNG, Regie: Ulrich Heising. 05.01.1972 als Gast an den Münchner Kammerspielen Deutsche EA Edward Albee ALLES VORBEI, Regie: August Everding.
Der französische Bühnenautor wurde mit Beginn des Tonfilm-Zeitalters ein gefragter Dialoge-Schreiber und Drehbuchautor in Kooperation mit Filmregisseuren, ab 1939 mit dem aus Deutschland emigrierten Max Ophüls bei dessen letzter französischen Arbeit vor dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich: Von Mayerling bis Sarajewo. Während der deutschen Besetzung musste Natanson als französischer Jude untertauchen; Max Ophüls, der deutsche Jude, der an den Münchner Kammerspielen 1932 als Spielleiter engagiert war, flüchtete 1941 in die USA, kehrte 1949 nach Paris zurück und arbeitete wieder mit Natanson zusammen in den drei Filmen Der Reigen, Pläsir, und Lola Montez.
Carola Neher
Schauspieler*in
* 1900,
München
† 1942,
Straflager Sol-Ilezk
Carola Neher begann auf der Theaterbühne 1920–1922 am Theater Baden-Baden, in der Spielzeit 1922/23 wurde sie an den Münchner Kammerspielen engagiert. Nach Breslau und einem ersten großen Erfolg in einer Klabund Uraufführung in Meißen begann sie in Berlin 1926 die Zusammenarbeit mit Brecht. 1929 übernahm sie die Rolle der Polly in der DREIGROSCHENOPER. An den Münchner Kammerspielen gastierte sie damit im August 1931 und 1932. Nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten emigrierte sie mit ihrem Mann Anatol Becker nach Prag und 1934 nach Moskau. Im November 1934 wurde ihr die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen. Im Juli 1936 wurden Carola Neher und Anatol Becker als potentiell verdächtige Politemigranten aus dem Westen verhaftet und als 'trotzkistische Agenten' angeklagt. 1937 wurde Becker ermordet, Carola Neher wurde zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt. Am 26.06.1942 starb sie im Lager Sol-Ilezek an Typhus.
Im Narrativ der Münchner Kammerspiele gibt es noch keinen Versuch einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Schicksal Carola Nehers als Verfolgte zweier Diktaturen. Petzets Urteil über die Schauspielerin ist unsäglich zynisch:
„Die Schwester des Bühnenbildners Caspar Neher,“ (die beiden waren nicht verwandt) „der damals bereits mit Bert Brecht an ' Leben Eduards des Zweiten' arbeitete, schien zunächst ebenso schön und attraktiv wie unbegabt. Erst die fanatische Liebe von Julius Gellner (und später Klabunds) hat – nach dem Urteil Otto Falckenbergs – sie zur Schauspielerin erzogen. So wurden ihr großer Berliner Erfolg in der Uraufführung der 'Dreigroschen-Oper' und ihre späteren faszinierenden Gastspiele im Schauspielhaus möglich.Mit dem Kommunismus verfuhr sie leider wie mit ihren sonstigen Liebhabern; sie flirtete zugleich mit seinen monarchistischen Rivalen. Doch Stalin besaß dafür kein Verständnis und ließ sie wie andere revolutionäre Schwärmer aus Deutschland bei einer seiner „Säuberungsaktionen“ in Moskau umbringen.
Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiel 1911–1972. München: Desch Verlag 1973, S. 162.
Weiterführende Literatur: Vered/Müller/Scherbakowa/Reznikova (Hrsg.) CAROLA NEHER – gefeiert auf der Bühne, gestorben im Gulag – Kontexte eines Jahrhundertschicksals. Berlin: Lukas Verlag 2016.
Alfred Neumann
Autor*in
Dramaturg*in
* 1895,
Lautenburg (Lidzbark)
† 1952,
Lugano
MK 29.03.1927: Der Patriot, Regie: Julius Gellner
Alfred Neumann kam als Sohn eines jüdischen Holzindustriellen im westpreußischen Lautenburg auf die Welt. In München arbeitete er als Verlagslektor und freier Autor. In der Spielzeit 1918/19 war er Dramaturg an den Münchner Kammerspielen. Sein Theaterstück Der Patriot, an den Kammerspielen erstaufgeführt, wurde von Ernst Lubitsch 1928 in Los Angeles auch verfilmt. 1933 emigrierte Alfred Neumann nach Italien, Florenz, 1938 von dort nach Südfrankreich, Nizza, und 1941 nach Los Angeles, wo er US-amerikanischer Staatsbürger wurde. 1949 kehrte er nach Europa zurück, zunächst nach Florenz. Sein künstlerischer Nachlass ist im Literaturarchiv Monacensia in München aufbewahrt.
Elisabeth Neumann-Viertel
Schauspieler*in
* 1900,
Wien
† 1994,
Wien
1920 gibt 'Liesl' Neumann ihr Bühnendebut an den Münchner Kammerspielen in Falckenbergs Inszenierung Don Gil von den Grünen Hosen(27.03.1920). Sie gehört dem Ensemble bis 1922 an. Danach geht sie nach Berlin. 1933 verlässt sie Deutschland, von Wien emigriert sie nach England und 1938 in die USA. 1947 remigriert sie mit ihrem Mann Berthold Viertel, den sie im Exil kennengelernt hatte, nach Deutschland. Sie kehrt auf die Theaterbühne zurück und spielt in Kino- und Fernsehfilmen bis ins hohe Alter.
Käthe Nevill
Schauspieler*in
* 1892,
Breslau
† 1972,
Gauting, München
Ihre Theaterkarriere begann sie in Max Reinhardts Ensemble in Berlin. Sie begegnete dort ihrem ersten Mann, dem Schauspieler Hans Schweikart (Berlin 1895–1975 München). Im Mai 1923 gingen beide an die Münchner Kammerspiele. Er wurde Regisseur an den MK, sie gründete eine eigene Schauspielschule, er heiratete 1930 die Schauspielerin Maria Nicklisch, sie heiratete den Schriftsteller und Übersetzer Erich Noether und emigrierte mit ihm 1933 nach Italien und von dort nach Palästina. 1951 kehrten sie nach Deutschland zurück, sie arbeitete als Schauspiellehrerin und stellvertretende Leiterin an der Otto-Falckenberg-Schule.
Dr. med. Moritz Nußbaum
Theaterarzt
† 1935,
Konstanz
Nach München zugezogen aus Duisburg 01.01.1920. Adresse u. a. Nußbaumstraße 12. Ärztliche Approbation 1923. Praktischer Arzt mit Geburtshilfe. Praxis 1933/34 in der Ludwigstraße 11/0
Heirat am 11.07.1930 in München mit Irmgard, geb. Seemann, gesch. Nestmann, geb. 04.09.1903. Die Ehe galt als ‘Mischehe’.
Dr. Moritz Nußbaum war auch der erste Trainer einer deutschen Wasserball-Nationalmannschaft, 1926 bei der 1. Europameisterschaft in Budapest (3. Platz),1928 bei den Olympischen Spielen in Amsterdam (Olympiasieg).
1930 veröffentlichte er ein „Lehrbuch des Wasserballspiels“.
1933 „bekennt sich der DSV auf seiner Ostertagung zum Arierprinzp. Alle Juden, und dazu gehörte auch Moritz Nußbaum, wurden von ihren leitenden Stellen im Verband entfernt und durften auch nicht mehr an repräsentativen Veranstaltungen und Vertretungen in Erscheinung treten. Das Amt des Sekretärs im FINA-Wasserballrat muß er abgeben. Danach verliert sich seine Spur.....“undefined
Auf dem Israelitischen Friedhof in Konstanz steht ein Grabstein:
Dr. med. Nußbaum Leutn. de. Res. München 1893 – 1935
Laut Eintrag im standesamtlichen Sterberegister* der Stadt Konstanz, nach Angabe des Verwaltungsdirektors des Sanatoriums, Ernst Luschka, verstarb Dr. Moritz Nußbaum, praktischer Arzt, 42 Jahre 6 Monate, wohnhaft in München, Ludwigstraße 11, am 16. September 1935 vormittags um sieben dreiviertel Uhr zu Konstanz Sanatorium Konstanzer Hof. Die Umstände seines Todes sind ungeklärt.undefined
Dr. med. Nußbaum ist einer von sieben Theaterärzten, die zwischen 1911/12 – 1932/33 an den Münchner Kammerspielen wirkten. 1926/27 – 1930/31 wird in den Bühnenjahrbüchern auch Dr. med. Fritz Bogner, Steinsdorfstr. 20/0 genannt. Im Unterschied zu den sieben jüdischen Theaterärzten konnte er in München auch nach der 'Machtergreifung' der Nazis seinen Beruf weiter ausüben.
(Stadtadressbuch München-AB-1941 – Bogner Friedr. Dr. med. San. rat. prakt. Arzt Steinsdorfstr.20/0 F 21891. 9 – 11 u. 3 – 5, Mo u. Do auch 6 – 7)
Ellie Nérac
Schauspieler*in
In den Spielzeiten 1919/20–1923/24 Engagement an den Münchner Kammerspielen, u. a. Rolle der Carmen in der UA von BrechtsTrommeln in der Nacht (22.09.1922) Regie: Otto Falckenberg. 1933 Flucht mit ihrem Lebensgefährten Franz Schoenberner in die Schweiz, weiter nach Frankreich, 1941 in die USA.
Schoenberner (Berlin 1892–1970 Teaneck New Jersey) war als Nachfolger Hermann Sinsheimers 1929 bis März 1933 Chefredakteur des SIMPLICISSIMUS. 1946 veröffentlichte er in New York den ersten Teil seiner Erinnerungen Confessions of a European Intellectual (dt. 1964).
Max Ophüls
Spielleiter*in
geb. Max
* 1902,
Saarbrücken
† 1956,
Hamburg
Max Ophüls war an den Münchner Kammerspielen Spielleiter, zusammen mit Hans Schweikart, für einen Teil der Spielzeit 1931/32.
Ophüls, Sohn einer Saarbrücker jüdischen Textilkaufmannsfamilie, begann als Schauspieler in Aachen und am Wiener Burgtheater. Dort lernte er die Schauspielerin Hilde Wall (1894–1980) kennen, die beiden heirateten 1926. Als Regisseur wurde ihm in Wien nach antisemitischen Protesten gekündigt, er inszenierte danach in Breslau und Berlin. 1932 drehte er seinen ersten erfolgreichen Spielfilm Liebelei. Im März 1933 emigrierte er mit Frau und Sohn Marcel (geb. 1927 in Frankfurt) nach Paris, 1938 wurden sie französische Staatsbürger, 1941 flüchteten sie in die USA, 1949 kehrte die Familie Ophüls nach Paris zurück, Max Ophüls setzte sein Werk fort als bedeutender Filmregisseur.
Max Pallenberg
Schauspieler*in
* 1877,
Wien
† 1934,
Karlsbad, Tschechien
Von 1927/28 – 1931/32 gastierte Max Pallenberg immer wieder auf der Bühne der Münchner Kammerspiele.
Nach seiner Schauspielausbildung und Engagements als Operettenkomiker in Wien wurde er 1914 von Max Reinhardt nach Berlin verpflichtet und wurde ein auch international gefeierter Charakterdarsteller. Hugo von Hofmannsthal schrieb für ihn die Titelrolle in der 1923 uraufgeführten Komödie Der Unbestechliche. Seit 1917 war er mit der Sängerin und Schauspielerin Fritzi Massary verheiratet. Nach antisemitischen Störaktionen von SA-Schlägern bei Massarys Auftritten in Berlin flohen beide aus Deutschland nach Wien.
Max Pallenberg starb am 26. Juni 1934 bei einem Flugzeugabsturz in der Nähe von Karlsbad. Massary emigrierte über die Schweiz und Frankreich 1939 in die USA zu ihrer Tochter, die zusammen mit ihrem Mann, dem Autor Bruno Frank im Februar 1933 aus München in die Schweiz geflohen und 1937 in die USA emigriert war.
Erwin Piscator
Regisseur*in
* 1893,
Greifenstein
† 1966,
Starnberg
Theaterregisseur, im Herbst 1925 zwei Inszenierungen an den MK noch in der Augustenstraße – Hans Johst Die fröhliche Stadt(16.09.1925) und August Strindberg Rausch(10.11.1925), an den MK im Schauspielhaus Das gastliche Haus von Heinrich Mann (21.01.1927). 1927 – 1931 entwickelte er sein Theater an der Piscator- Bühne am Nollendorfplatz in Berlin. Nach finanziellen Problemen ging er in die Sowjetunion, wurde dort bei seinen Arbeiten von Anfang an wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ überwacht, emigrierte 1936 nach Frankreich und von dort in die USA. 1951 Remigration nach Berlin, Intendant der Freien Volksbühne 1962–1966. Er inszenierte noch zweimal an den Münchner Kammerspielen,1959 Schillers Don Carlos und im November 1960 Sternheims '1913'. Er war ein entschiedener Verfechter eines politischen Theaters:
Aus Mangel an Phantasie erleben die meist-en Menschen nicht einmal ihr eigenes Leben, geschweige denn die Welt. Sonst müss-te die Lektüre eines einzigen Zeitungsblattes genügen, um die Menschheit in Aufruhr zu bringen. Es sind also stärkere Mittel nötig. Eines davon ist das THEATER.
Programm Piscatorbühne 1927
Nach seiner Rückkehr 1951 nach Deutschland war sein zentrales Anliegen die Auseinandersetzung mit dem allgegenwärtigen Vergessen-Wollen. Er inszenierte die Uraufführung Die Ermittlung von Peter Weiss am 19. Oktober 1965 an der Freien Volksbühne Berlin.
Alfred Polgar
Autor*in
* 1873,
Wien
† 1955,
Zürich
MK 24.02.1911: Soldaten leben im Frieden mit Egon Friedell, Regie: Eugen Robert
MK 20.01.1932: Liliom von Ferenc Molnár, in der deutschen Bearbeitung von Alfred Polgar, Regie: Ernst Held
In den 1920er Jahren lebte Alfred Polgar überwiegend in Berlin. Nach der ‘Machtergreifung’ des NS-Regimes floh der linksliberale jüdische Antifaschist Polgar Anfang März 1933 nach Prag. Am 10. Mai 1933 wurden auch seine Bücher verbrannt. Beim 'Anschluss Österreichs' im März 1938 waren Polgar und seine Frau gerade in Zürich. Wegen fehlender Arbeitserlaubnis flohen sie nach Paris, 1940 weiter in die USA. 1949 kehrten sie in die Schweiz zurück.
Klaus Pringsheim
Komponist*in
* 1883,
München
† 1972,
Tokyo
Klaus Pringsheim war der Zwillingsbruder Katja Manns, der Frau Thomas Manns. Von 1919–1925 war er musikalischer Leiter der Max Reinhardt Bühnen in Berlin, dort komponierte er die Musik für Falckenbergs Inszenierung Herodes und Mariamne von Friedrich Hebbel am Deutschen Theater in Berlin, Premiere 19.9.1921.
Früh reagierten Kritiker in Rezensionen seiner Konzerte mit antisemitisch motivierten Vorbehalten. Bereits 1931 verließ er deshalb Deutschland und nahm an der Kaiserlichen Musikakademie Tokyo eine Professur für Klavier, Dirigieren und Komposition an. 1937 wurde er dort aus politischen Gründen entlassen. 1944 verlor er die deutsche Staatsangehörigkeit und kam als „feindlicher Ausländer“ in Internierungshaft. 1945 emigrierte er in die USA zur Familie seiner Zwillingsschwester Katja. 1951 kehrte er nach Tokyo zurück.
Hans Pössenbacher
Schauspieler*in
* 1895,
Graz
† 1979,
München
Der in Graz als Sohn einer Münchner Schauspielerin und eines russischen Arztes geborene Hans Pawlow nahm nach seiner Schauspielausbildung und den ersten Engagements, u. a. in Pilsen 1927/28 (zusammen mit Else Herrmann) und 1930/31 am Stadttheater Regensburg, dort auch bereits als Regisseur, den Namen seiner Mutter 1933 an und nannte sich von nun an Hans Pössenbacher. Im Narrativ der Kammerspiele sei er von 1947 bis 1969 Ensemblemitglied des Theaters gewesen:
„[I]n 95 Rollen stand er auf der Bühne. Uns bleibt die Erinnerung an einen unverwechselbaren Darsteller, dessen Name über Jahrzehnte hinweg für das Publikum mit dem Begriff „Münchner Kammerspiele“ eng verbunden war“.
MK Programmheft 1979 im Stadtarchiv. Akte "KAM 1296".
Tatsächlich war Hans Pössenbacher bereits 1935 an die Münchner Kammerspiele 'vorübergehend' verpflichtet worden und spielte u. a. in zwei Inszenierungen Falckenbergs, in Max Mells Das Spiel von den deutschen Ahnen (07.05.1935) und in Alois Johannes Lippls Der Passauer Wolf (07. 11.1935). In den Spielzeiten 39/40 – 41/42 war er am Schauspielhaus Graz als Spielleiter und Schauspieler engagiert. In den Jahren 1943 bis 1945 war er dreizehn Monate lang als politischer Häftling in einem österreichischen Konzentrationslager eingesperrt, nach Denunziation wegen 'wehrkraftzersetzender' Briefe an Freunde an der Front. In einem in der oben genannten Akte* enthaltenen Dokument vom 24. September 1948
„bescheinigt der Staatskommissar für rassisch, religiös und politisch Verfolgte, dass Hans Pössenbacher, geb. 14.7.95, wohnhaft in München, Franz-Josef- Str.19/I zu den anerkannt politisch Verfolgten gehört, unter Nr. 1693 in München registriert ist und eine Haftdauer von 13 (Dreizehn) Monaten nachweisen kann“.
Hans Rameau
Schauspieler*in
geb. Paul Hans
* 1901,
Berlin
† 1980,
Rom
1921 – 1924 Schauspieler an den Münchner Kammerspielen
1935 Emigration nach Wien, weiter nach Rom
1936 Emigration nach London
1937 Emigration in die USA, Drehbuchautorenvertrag bei MGM
1951 Remigration nach Deutschland, Rückkehr nach Berlin
Karol Rathaus
Komponist*in
* 1895,
Ternopil
† 1954,
Flushing (New York)
MK 29.11.1930: Die Ehe von Alfred Döblin im Studio. Polizeiverbot, Regie: Otto Falckenberg / Julius Gellner, Musik: Karol Rathaus
Karol Rathaus studierte Komposition in Wien und Berlin bei Franz Schreker. Er komponierte Symphonien, eine Oper, Filmmusiken und unterrichtete Komposition und Musiktheorie an der Berliner Hochschule für Musik. 1933 emigrierte er nach Paris, von dort nach London und 1938 nach New York. Am Queens College erhielt er eine Professur für Komposition. In Deutschland wurden seine Kompositionen als „entartet“ mit Aufführungsverbot belegt.
Ludwig Regensteiner
Anwalt
* 1889,
Augsburg
† 1974,
Cranston
Anwalt in der gemeinsamen Kanzlei, politischer Verteidiger seit 1921 mit Adolf Kaufmann (bis 1928), Dr. Max Hirschberg, Dr. Philipp Loewenfeld, Dr. Elisabeth Kohn trat Ende 1928 in die Kanzlei ein. Mit ihnen Anwalt der Münchner Kammerspiele 1928 bis zur ‘Machtergreifung’ der Nazis.
Regensteiner war der Sohn einer jüdischen Fabrikantenfamilie, seine Mutter eine geborene Marx aus Nördlingen. Ihr jüngerer Bruder Hugo Marx gründete mit dem Verwandten Heinrich Marx in München das Bankhaus Heinrich und Hugo Marx. Beide waren Gesellschafter der Münchner Theater GmbH und Mäzene der Münchner Kammerspiele und des Augsburger Theaters. 1920 hatte Ludwig Regensteiner Alice Nathan (*1899–1994) geheiratet, die Tochter einer Augsburger jüdischen Unternehmersfamilie. 1937, nach dem Tod seiner Mutter, emigrierten sie mit ihren drei Kinder in die USA, wo er für ein Chemieunternehmen arbeitete. Er starb 1974 in Cranston, Rhode Island.
Dr. Elisabeth Kohn (München 11.02.1902 – 25.11.1941 ermordet in Kaunas) trat nach Promotion 1924 und Zulassung als Rechtsanwältin im November 1928 in die Kanzlei Hirschberg – Loewenfeld – Regensteiner ein. Im August 1934 wurde sie mit Berufsverbot belegt. Am 20. November 1941 wurde sie zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester, der Malerin Maria Luiko mit dem ersten Transport jüdischer Frauen, Kinder und Männer aus München nach Kaunas deportiert und dort ermordet.
Hans José Rehfisch
Autor*in
* 1891,
Berlin
† 1960,
Scuol
MK 24.04.1928: Der Frauenarzt von Hans J. Rehfisch, Regie: Richard Révy. Mit Therese Giehse, Kurt Horwitz u. a.
MK 12.08.1938: Wasser für Canitoga von Georg Turner (alias Hans J. Rehfisch), Regie: Friedrich Domin. (Ab dem 01.09.1938 wurde die Rolle der Winnifred Gardener, die zunächst von Annemarie Faber du Faur gespielt wurde, mit Hanne Mertens besetzt. Es war ihre erste Rolle an den Münchner Kammerspielen).
Hans José Rehfisch wurde nach Jurastudium und Promotion in Berlin und Grenoble zu einem der vielgespielten Dramatiker der Weimarer Republik. Bereits vor 1933 tauchte im 'Völkischen Beobachter' sein Name auf einer Liste ‚unerwünschter’ jüdischer Schriftsteller auf. 1933 flieht er nach Wien. Aufgrund erfolgreicher Theaterproduktionen unter diversen Pseudonymen lassen ihn die Austrofaschisten unbehelligt. 1936 emigriert er nach London, nach seiner Ausbürgerung 1939 begründet er mit anderen in London eine kulturelle Vereinigung deutschsprachiger Emigranten. Bevor er 1950 nach Deutschland remigriert, lehrt er in New York als Dozent an der New School for Social Research. Er schreibt weiter kritische Zeitstücke. 1960 stirbt er während eines Sanatoriumsaufenthalts in der Schweiz.
Pseudonyme: Georg Turner, René Kestner, Sydney Phillips, H.G. Tennyson Holmes
Bernhard Reich
Regisseur*in
Oberspielleiter*in
* 1894,
Prerau/Olmütz
† 1972,
Riga
„Die Münchner Kammerspiele boten mir 1923 den Posten des Oberspielleiters an. Ende August traf ich in München ein. Dort erfuhr ich, daß die Kammerspiele auch Brecht als Regisseur engagiert hatten. Ich war ärgerlich. Nach all dem, was ich bislang über ihn wußte, dürfte er kein angenehmer Kollege werden... Irgendwie bekam ich die Fahnen zu „Leben Eduard des Zweiten von England“ in die Hand, las und war überwältigt... Dieser Brecht begann mich zu interessieren. Wochen später. Meine Frau, Anna Lacis, und ich saßen im Englischen Garten. Brecht und seine Frau, die schöne Marianne gingen vorbei, blieben stehen. ... Anna hatte in Moskau studiert, sie kannte das neue russische Theater. Brecht fragte sie aus ... Brecht gefiel das offenbar, denn er machte meiner Frau den Vorschlag, als seine Assistentin an der Inszenierung mitzuarbeiten. Sie nahm den Vorschlag an.“
Bernhard Reich: Im Wettlauf der Zeit. Erinnerungen aus fünf Jahrzehnten deutscher Theatergeschichte. Berlin 1970, S. 231–278.
Bernhard Reich ging mit seiner Frau Anna Lācis, Schauspielerin, Theaterregisseurin, Theaterleiterin nach der Spielzeit an den MK nach Berlin, 1925 nach Riga, 1926 nach Moskau. Von 1933 an dort einerseits sicher vor Verfolgung der Nationalsozialisten, andererseits der stalinistischen Repression ausgesetzt, Anna Lācis wurde 1938 verhaftet und bis 1948 in Arbeitslagern in Kasachstan interniert. Über Lācis' und sein eigenes Schicksal in diesen Jahren ist Bernhard Reich in seiner Autobiographie sehr wortkarg. Als Brecht Mai 1941 mit Familie auf Stippvisite in Moskau ist, kommt es zu einer kurzen Begegnung Reichs mit Brecht im Hotel 'Metropol':
„Brechts erste Frage galt Anna Lazis, Man hatte ihm wohl schon von unserem Unglück erzählt. Und da seine Freundschaft eine tätige war, erklärte er sich sofort bereit, bei einem ihm bekannten Sowjetbotschafter zu intervenieren“.
Bernhard Reich: Im Wettlauf der Zeit. Erinnerungen aus fünf Jahrzehnten deutscher Theatergeschichte. Berlin 1970, S. 377.
Bernhard Reich und Anna Lācis gingen nach ihrer Freilassung 1948 nach Riga zurück und waren dort beide zusammen aktiv in der Theater- und Regiearbeit, und als Theatertheoretiker.
Max Reinhardt
Regisseur*in
* 1873,
Baden, Niederösterreich
† 1943,
New York
Max Reinhardt, im gleichen Jahr wie Otto Falckenberg geboren, war ein eminenter Theaterregisseur und Direktor in Berlin 1902 – 1933. Anfang September 1930 gastierte Max Reinhardt für zwei Abende an den Münchner Kammerspielen mit seiner legendären Salzburger Festspiele–Inszenierung von Goldonis Der Diener zweier Herren, im Mai 1931 erneut für einen Abend, dazu mit seiner Inszenierung von W.S. Maughams Farce Victoria in der autorisierten Übersetzung von Mimi Zoff. Im August 1931 inszenierte Max Reinhardt als Gastregisseur an den Münchner Kammerspielen Goethes Stella (Premiere 2. September 1931) mit dem Ensemble und Helene Thimig und Agnes Straub als Gäste. 1933 floh Max Reinhardt zusammen mit Helene Thimig aus Berlin nach Wien, sie heirateten 1935. 1937 emigrierten sie in die USA. Seit 1940 US-amerikanischer Staatsbürger, starb Max Reinhardt im Alter von 70 in New York am 31.10.1943.
„Auch er war der Todeskrankheit Emigration erlegen, denn man nenne es, wie man wolle, Herzschlag oder Selbstmord, die Herzen derer, die in der Ferne plötzlich zu schlagen aufhörten, die Seelen jener, die fernmüde zu sterben sich entschlossen, waren tödlich verbraucht“,
Ernst Lothar: Das Wunder des Überlebens, Wien: Paul Zsolnay Verlag, 3. Aufl. 2020.
schrieb der Autor und Theaterregisseur Ernst Lothar zum Tod des ins Exil vertriebenen großen Theaterdirektors Max Reinhardt in seinen 1960 erschienenen Erinnerungen „Das Wunder des Überlebens“ – neu erschienen im Paul Zsolnay Verlag Wien, 3. Aufl. 2020, mit einem Nachwort von Daniel Kehlmann. Ernst Lothar (Brünn 1890–1974 Wien) floh 1938 aus Wien zusammen mit seiner nichtjüdischen Frau, der Schauspielerin Adrienne Gessner in die USA, im Juni 1946 remigrierten sie nach Wien, Ernst Lothar von den US-amerikanischen Militärbehörden beauftragt mit der 'Entnazifizierung' österreichischer Theaterschaffender in Salzburg und Wien.
Kurt Reiss
Regisseur*in
Schauspieler*in
* 1903,
Zweibrücken
† 1960,
Hamburg
Regisseur an den Münchner Kammerspielen 1928/29 mit fünf Inszenierungen:
Einbruch (31.01.28) von R. A. Roberts / A. Landsberger, u. a. mit Heinz Rühmann
Flucht (24.08.28) von John Galsworthy, u. a. mit Therese Giehse, Ernst Deutsch
Die Schule von Utznach (09.10.28) von Carl Sternheim, u. a. mit Maria Byk
Prinzessin Huschewind (10.12.28) von F. P. Buch, u. a. mit Edith Schultze-Westrum, Dorothea Wieck und Heinz Rühmann
Vettern (13.01.29) von Rudolf Schneider-Schelde, u. a. mit Maria Byk, Horwitz, Révy und Rühmann.
Als Schauspieler trat er an den Kammerspielen u. a. auf in Falckenbergs Uraufführung von Leonhard Franks Die Ursache im Nachtstudio (08.03.29) zusammen u. a. mit Therese Giehse, Kurt Horwitz, Richard Révy; im Sommer 1931 als Gast u. a. zusammen mit Albert Bassermann in Die Grosse Woche in Baden-Baden(25.07.31).
Kurt Reiss kam als junger Regisseur und Schauspieler vom Nationaltheater Mannheim und vom Schauspielhaus Düsseldorf an die Kammerspiele, von dort ging er nach Frankfurt ans Neue Theater des österreichisch jüdischen Theaterdirektors Arthur Hellmer, der nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten Deutschland verließ, zunächst nach Wien ging und 1938 nach England emigrierte.
Als deutscher Staatsbürger mit zwei jüdischen Großeltern wurde Kurt Reiss als ‘Halbjude’ / ‘Mischling I. Grades’ aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen und stand von 1933–1945 unter Berufsverbot. Zusammen mit seiner ‘halbjüdischen’ Frau, Ute Troje, mit der er in zweiter Ehe verheiratet war, überlebte Reiss auf einer kleinen Hühnerfarm in Hamburg-Rissen, nach Repressalien und Beschlagnahmungen gesundheitlich schwer angeschlagen. Nach dem Tod seiner zweiten Frau heiratete er im August 1951 die Schauspielerin und Sängerin Anne Mary Braun (*15.08.1915 New York), die Tochter der Schauspielerin Gertrude Botz und des Opernsängers Carl Braun (Meisenheim 1886–1960 Hamburg), der 1912–1917 an der New Yorker MET engagiert war.
Carl Braun war 1932 Mitglied der NSDAP geworden und im antisemitischen Kampfbund für deutsche Kultur in Groß-Berlin und in der Reichsmusikkammer aktiv. Seine Karriere als Sänger beendete er 1935. Anne Marys Bruder Hermann Braun, 1917 auch in New York geboren, wurde nach der Rückkehr der Familie nach Deutschland ebenfalls Schauspieler, arbeitete zunächst in Bochum und dann in Berlin am Theater, u. a. bei Gründgens, und wurde als junger blonder Mann für den Film entdeckt, ab 1937 in Hauptrollen völkisch nationalistischer Streifen (wie etwa Kampfgeschwader Lützow 1940/41 u. a. mit Hannes Keppler, der zu der Zeit im Ensemble der Münchner Kammerspiele war). Hermann Braun verlor wegen regimekritischer Äußerungen seine UK ('unabkömmlich')-Stellung, wurde eingezogen, an die Front geschickt und fiel im Januar 1945 in der Nähe von Lódź.
Kurt Reiss arbeitete nach dem Ende der Naziherrschaft als Hörspielregisseur für den Norddeutschen Rundfunk. Er wurde ein renommierter Experimenteur neuer Formen des Hörspiels. Bis zu seinem Tod im Januar 1960 wiesen die Hamburger Behörden jegliche Wiedergutmachungsansprüche zurück.
Annie Reiter
Schauspieler*in
Von Mai 1914 – August 1916 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, sie spielte in Inszenierungen Erich Ziegels, Paul Marx und Otto Falckenbergs.
Sie kam zusammen mit Mela Schwarz an die MK, sie wohnten zunächst auch zusammen in der Theresienstraße 78. In der Spielzeit 1916/17 war sie am Schauspielhaus in der Maximilianstraße engagiert. Später war sie am Neuen Theater in Frankfurt engagiert bei Arthur Hellmer (geb. Thomasdorf, Österreich 1880, 1938 nach England emigriert, 1946 remigriert, gest. 1961 in Hamburg).
1933 flieht Annie Reiter nach Prag, wurde dort am Deutschen Theater engagiert und spielte im Oktober 1933 in Julius Gellners Inszenierung von Ibsens Gabriel Borkman die Frau Borkmanns. Gellner war im März 1933 aus München nach Prag geflüchtet.
1935 geht Annie Reiter sie nach Wien, in der Spielzeit 1936/37 engagiert sie der aus Deutschland geflüchtete Arthur Hellmer an das THEATER AN DER WIEN.
Im Februar 1938 tritt Annie Reiter zum letzten Mal in Wien auf, in Karl Farkas' Inszenierung seines Stücks Dixie im THEATER AN DER WIEN zusammen u. a. mit Paul Morgan. Er wurde im Mai 1938 ins KZ Dachau und von dort ins KZ Buchenwald deportiert, das er nicht überlebte. Annie Reiter emigrierte 1938 in die USA.
Über die beiden Schauspielerinnen Jenny Spielmann und Annie Reiter heißt es im Narrativ der Münchner Kammerspiele:
„Annie Reiter und Jenny Spielmann dürften attraktive Damen und gute Schauspielerinnen gewesen sein.“
Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch-Verlag 1973, S. 65.
Kein Wort zu den beiden Schicksalen.
Berthe Reuscher
Schauspieler*in
geb. Huberta
In der Spielzeit 1920/21 – 1925/26 war Berthe Reuscher im Ensemble der Münchner Kammerspiele, gleichwohl ist über ihre Biographie kein Wort zu lesen im MK–Narrativ. Im Oktober 1920 spielte sie Phoebe, die Schäferin, in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Wie es euch gefällt; im April 1921 übernahm sie in Falckenbergs Ein Sommernachtstraum die Rolle der Hippolyta, die bis dahin Hilde Wall gespielt hatte. 1926 ging sie nach Berlin, 1931 heiratete sie den Volkswirtschaftler und Schriftsteller Hanns Heimann (Breslau 1879–1965 Quito/Ecuador), Sohn einer Breslauer jüdischen Kaufmannsfamilie. 1933 emigrieren sie nach Ecuador, Hanns Heimann ist an der Universität Quito tätig. Huberta Reuscher-Heimann gehörte zum Ensemble der KAMMERSPIELE, ein deutschsprachiges Exilensemble, das der emigrierte Theaterregisseur Karl Löwenberg (1896–1975) in Quito gründete und das in den 1940er und 1950er Jahren im Teatro Nacional Sucre auftrat. Nach dem Tod ihres Mannes 1965 remigriert sie nach Deutschland, sie stirbt 1966 in München.
Eugen Robert
Theaterleiter*in
Regisseur*in
geb. Eugen Robert
* 1877,
Budapest
† 1944,
London
Eugen Robert kam vom BerlinerHebbel Theater zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Ida Roland, ans 'Lustspielhaus' in der Augustenstraße 89. Zu Beginn der Spielzeit 1912/13 entschied sich Eugen Robert für den neuen Namen des Theaters: „MÜNCHNER KAMMERSPIELE“. Ida Roland wurde der erste Star der MK und war mitbestimmende Schauspielerin und Co-Direktorin.
Im Frühjahr 1913 trennte sich der Aufsichtsrat der Münchner Theatergesellschaft GmbH von Direktor Eugen Robert und übergab die Direktion an Erich Ziegel (künstlerischer Leiter) undBenno Bing (geschäftsführender Direktor). Eugen Robert und Ida Roland trennten sich, sie ging nach Wien, er kehrte zurück nach Berlin. Im Juni 1930 kam Eugen Robert für eine Woche zu einem sehr erfolgreichen Gastspiel an die Münchner Kammerspiele mit dem Ensemble seines Berliner Theaters DIE TRIBÜNE und mit Conrad Veith in der Titelrolle des Stücks ER von Alfred Savoir in der deutschen Übersetzung von Berta Zuckerkandl.
In Wien hatte Ida Roland 1915 den Graf Coudenhove-Kalergi geheiratet, den Begründer der Paneuropa-Union, eine politische Bewegung, die von den Nationalsozialisten verboten wurde. Nach dem ‘Anschluss’ Österreichs floh das Paar 1938 in die Schweiz, 1940 in die USA.
Eugen Robert floh 1933 aus Berlin nach London. Er starb dort im Alter von 67 im Dezember 1944.
Ida Roland
Schauspieler*in
* 1881,
Wien
† 1951,
Nyon
Zusammen mit Eugen Robert, Gründungsdirektor der Münchner Kammerspiele, kam sie im Januar 1911 ans 'Lustspielhaus' in der Augustenstraße 89.
Sie wurde der erste Bühnenstar der Kammerspiele. Sie war mitbestimmende Schauspielerin und Co-Direktorin. Mit der Entlassung des Gründungsdirektors im Frühjahr 1913 verließ auch sie die Kammerspiele. Die beiden trennten sich später. 1926 bis 1937 spielte sie am Burgtheater in Wien. Nach dem ‘Anschluss’ Österreichs 1938 flieht sie mit ihrem dritten Mann, Graf Coudenhove-Kalergi, über die Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien und Italien in die Schweiz, im Juni 1940 flüchten sie aus Paris über Spanien und Portugal in die USA nach Frankreich, 1946 Remigration in die Schweiz.
Dr. med. Josef Rosenbaum
Theaterarzt
* 1875,
München
† 1963,
London
Nach der Reichspogromnacht am 9. November 1938 verhaftet und im KZ Dachau interniert. Einer der beiden Söhne, Peter Rosenbaum war bereits 1933 nach England emigriert, begann sein 1931 in München angefangenes Medizinstudium noch einmal von vorne und betrieb nach Erwerb der englischen Staatsangehörigkeit die Emigration seiner Eltern und seines Bruders. Dr. Josef Rosenbaum konnte aufgrund seines bürgenden Sohnes am 18. November 1938 nach London emigrieren, seine Frau und der zweite Sohn folgten ihm kurz danach. Im Juni 1939 wurde die ganze Familie in Deutschland ausgebürgert. Dr. Rosenbaum arbeitete bis zu seinem 75. Lebensjahr in der Londoner Poliklinik Willesden Hospital.
Dr. Rosenbaum hatte zwei Schwestern, wie er in München geboren.
Charlotte Rosenbaum, geb. 05.03.1874, verheiratete Lang, emigrierte mit ihrem Mann Adolph Lang im August 1939 nach England.
Pauline Rosenbaum, geb. 21.10.1876, verheiratete Hesselberger, wurde nach Theresienstadt deportiert, überlebte das Konzentrationslager und emigrierte im Mai 1946 nach New York, zu ihrer Tochter. Pauline Hesselberger starb 1967 in New York.
Dr. med. David Rossnitz
Theaterarzt
* 1868,
München
† 1942,
München
Ärztliche Approbation 1902. Praxis in der Briennerstraße 55
Dr. med. David Rossnitz war als Theaterarzt an den Münchner Kammerspielen und dem Münchner Volkstheater tätig. Seine Todesumstände sind ungeklärt. Die erste Deportation aus München nach Kaunas fand am 20. November 1941 statt, die zweite nach Piaski am 3. April 1942. Dr. Rossnitz starb zwei Monate nach der ersten Deportation und zwei Monate vor der zweiten.
Die Tochter Margot Rossnitz, geb. in Karlsruhe 10.10.1905 – ? arbeitete als Schauspielerin. 1932 spielte sie in Karl Ulrich Schnabels Film Das kalte herz eine weibliche Hauptrolle neben dem männlichen Hauptdarsteller Franz Schnyder (1910–1993), der 1939 an den Münchner Kammerspielen als Gastregisseur zwei Stücke inszenierte, Romanze(27.4.1939) und Im sechsten Stock (03.06.1939). Schnyder wurde später einer der erfolgreichsten Regisseure des Schweizer Films. Karl Ulrich Schnabel emigrierte 1933 in die USA. Der Film konnte 1933 nicht mehr fertig gestellt werden. Im Jahr 2009 hat ihn ein Schweizer Cineast wiederentdeckt. Margot Rossnitz emigriert 1935 in die Schweiz nach Basel.
Emmy Rowohlt
Schauspieler*in
* 1883,
Hamburg
† 1944,
Heil- und Pflegeanstalt Eglfing-Haar
Ausbildung zur Schauspielerin am Max Reinhardt Seminar in Berlin. Kriegsjahre und Revolution erlebte sie in München. 1922 ging sie nach Italien und Frankreich, 1935 kehrte sie nach München zurück. Nach einem Engagement am Bayerischen Staatstheater spielte Emmy Rowohlt-Reye In der Spielzeit 1937/38 an den Münchner Kammerspielen in Otto Falckenbergs Inszenierung von Büchners Dantons Tod (Premiere 8. November 1937) eine der drei Bürgerinnen. In der Inszenierung des Gastregisseurs Georg Kiesau von Ibsens Peer Gynt (Premiere 25. März 1938 - 'Zum Gedenken des 70. Geburtstages von Dietrich Eckart' in der deutschen Textfassung Dietrich Eckarts) spielte sie Solveigs Mutter zusammen mit Theodor Danegger als deren Vater. Im September 1939 wurde sie nach Denunziation wegen 'gehässiger Äußerungen gegen den Führer' angeklagt wegen Verstoßes gegen das 'Heimtücke–Gesetz' und ins Gefängnis Stadelheim gebracht. Am 5. Februar 1940 wurde sie in die 'Heil-und Pflegeanstalt' Eglfing-Haar eingewiesen. Nach systematischem Nahrungsentzugs starb sie am 28. September 1944 dort im 'Hungerhaus'.
(s. Kurzbiographie zum Erinnerungszeichen der MK für Emmy Rowohlt)
Richard Révy
Schauspieler*in
Regisseur*in
Oberspielleiter*in
* 1985,
Föherczeglak, Ungarn (Kneževo, Kroatien)
† 1965,
Los Angeles
Schauspieler, Regisseur, Oberspielleiter. An den Münchner Kammerspielen von September 1926 bis März 1935.
Nach Schule, Studium der deutschen Philologie und Schauspielausbildung in Wien erstes Theaterengagement 1906/07 am Schauspielhaus in München, erster Auftritt in der Uraufführung von Christian Dietrich Grabbes Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Danach Engagements in Wien, Karlsbad, Töplitz-Schönau, dort 1911 Heirat mit der jüdischen Schauspielerin Lovis Kronecker (Berlin 1890–1980 Warngau), 1911 bis 1921 Regisseur am Stadttheater Zürich. 1925/26 Schauspieler und Regisseur am Schauspielhaus in der Maximilianstraße, von der ersten Spielzeit 1926/27 der Münchner Kammerspiele im Schauspielhaus bis zum März 1935 einer der prägenden Regisseure dieses Theaters.
Bereits vor der Machtergreifung 1933 war Richard Révy im Visier der Nationalsozialisten durch seine Inszenierungen u. a. von Ferdinand Bruckners Stücken. Im Dezember 1934/ Januar 1935 wurde ein widerwärtiger Versuch gestartet der 'NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude Gau München-Oberbayern', über den NS-Ratsherrn Max Reinhard im Kulturamt der Stadt München Richard Révy aus den Kammerspielen zu ' e n t f e r n e n '. In der Niederschrift einer Besprechung am 11. Dezember 1934 zwischen dem Verwaltungsdirektor Dr. Glock vom Schauspielhaus, den Herren Härtl und Wetschurek 'Kraft durch Freude' und Ratsherrn Reinhard über Révys Verheiratetsein mit einer jüdischen Frau und Révys mutmaßliche sittliche Verfehlungen ist festgehalten: „Unabhängig von Vorgenanntem wird von der Theaterleitung aus die Entfernung Révy's betrieben, jedoch ist noch kein geeigneter Ersatz für ihn gefunden“. Am 18. März 1935 abends lässt Falckenberg seine schriftliche Kündigung an Révy aushändigen, unmittelbar nach der Premiere der deutschen Erstaufführung von Hjalmar Bergmann Ein Schatten/ Herr Sleemann kommt, die Révy inszenierte. Nach einer Gastregie (Shakespeares König Lear) Ende 1935 am Staatstheater in Stuttgart emigriert Richard Révy in die Schweiz, im Oktober 1938 in die USA. 1944 erhält er die US-amerikanische Staatsbürgerschaft.
Dokumentation:
Die „Entfernung“ des Richard Révy aus den Münchner Kammerspielen. Was tatsächlich Juni 1934 – März 1935 geschah.
Ludomir Rósycki
Komponist*in
* 1883,
Warschau
† 1953,
Kattowitz
MK 22.10.1921 Perikles von Tyrus von William Shakespeare, Regie: Heinz Goldberg , u. a. mit Sybille Binder, Ludwig Donath, Kurt Horwitz, Musik: Ludomir Rósycki, Kapellmeister: Robert Tants
Ludomir Rósycki ging nach einem Kompositionsstudium am Warschauer Konservatorium nach Berlin, wo er bei Engelbert Humperdinck weiterstudierte. Nach einem Ruf an das Lemberger Konservatorium 1907 – 1911 ging er zurück nach Berlin. Eine seiner Opern, Eros und Psyche, 1917 am Stadttheater Breslau uraufgeführt, wurde ein populäres Werk. 1930 wurde er Professor für Komposition am Warschauer Konservatorium. 1944 nach dem Warschauer Aufstand musste er vor den deutschen Besatzern fliehen. Die Gestapo hatte ihn schon vor dem Aufstand mehrfach verhaftet. Kurz vor seiner Flucht vergrub er einen Koffer mit unveröffentlichten Werken. Er überlebte und lehrte an der Musikakademie Katowice Komposition und Dirigieren. Durch Zufall wurde der vergrabene Koffer später bei Bauarbeiten gefunden. Rósycki gilt als Komponist der klassischen Moderne, der in Vergessenheit geriet, seit kurzem jedoch wiederentdeckt wird.
Else Rüthel-Schaber
Schauspieler*in
* 1899,
Köln
† 1938,
Brünn (Brno)
Von Mai 1920–1922 und in der Spielzeit 1924/25 im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Sie spielte u. a. in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Sommernachtstraum (19.06.1920) die Titania in Zweitbesetzung nach Elisabeth Bergner und weibliche Hauptrollen in Leo Greiners Lysistrata (15.07.1921), Regie: Falckenberg, in Paul Kornfelds Die Verführung (27.07.1921), Regie: Erich Engel und in Molieres Der Geizige(12.11.1921), Regie: Rudolf Frank.
Sie wuchs in St. Petersburg auf, wohin ihr Vater, ein gebürtiger Este, als Gartenarchitekt mit der Familie gegangen war. Nach der Scheidung der Eltern zog die Mutter mit ihrer Tochter zurück nach Essen. Nach dem frühen Tod ihrer Mutter kommt sie als 18-Jährige nach München, tritt im 'SIMPLICISSIMUS' auf, nimmt Schauspielunterricht bei Hermine Körner und wird im Mai 1920 als 'Anfangsschauspielerin' an die Münchner Kammerspiele verpflichtet.
Hans Sahl (geb. Hans Salomon 20. Mai 1902 in Dresden, antifaschistischer Schriftsteller, emigrierte 1933 über Prag und Zürich, wo er u. a. Texte für DIE PFEFFERMÜHLE schrieb, nach Paris und New York, remigrierte 1953, starb am 27. April 1993 in Tübingen) schreibt über Else Rüthel in seinen Memoiren eines Moralisten:
„Meine Erinnerung an Else Rüthel geht auf eine Zeit zurück, da wir auf eine extreme Weise jung waren: extrem in dem Sinne eines ständigen Außersichseins. Einer permanenten Konfrontation mit dem Absoluten. Man schrieb das Jahr 1920, wir lebten ein improvisiertes Dasein . . .In ihren Augen hatte sie den Blick einer Fieberkranken, als ahnte sie bereits, was ihr bevorstand, sie war eine Hingerissene, sie lebte zwanzig Leben, zwanzig Menschen, zwanzig Gedichte in einem Augenblick, in jedem Augenblick.“
Hans Sahl: Memoiren eines Moralisten. Zürich: Ammann Verlag 1983, S. 49.
Nach ihrem Engagement an den MK wurde sie ans Stadttheater Heilbronn verpflichtet. Dort lernten sich 1926 Else Rüthel und der junge linke Journalist Will Schaber (Heilbronn 01.05.1905–05.07.1996 New York) kennen und lieben, sie heirateten 1927. Er ging mit ihr nach Berlin, als sie dort ein neues Theaterengagement antrat.
Else Rüthel, Anfang der 1920er die junge Sehnsuchts-Femme-Fatale der Schwabinger Bohemiens, veröffentlichte Anfang der 1930er in Berlin im Literaturblatt der SAZ (SOZIALISTISCHE ARBEITER-ZEITUNG 4.12.1931) einen scharfen und politisch links-fundamentalistischen Verriss von Erich Kästners Roman Fabian.
Im März 1933 wurde Will Schaber in München in Schutzhaft eingesperrt, es gelang Else ihn freizubekommen, sie flohen nach Estland. Eine angebotene Redakteursstelle in Wien konnte er nicht annehmen, weil den beiden politischen Emigranten die Einreise nach Österreich verweigert wurde. Sie gingen nach Brno/Brünn, wo beide publizistisch aktiv waren, Else auch mit Rezitationen im Radio und auf der Bühne. 1936 wurde im Verlag DER MONAT (Prag/Wien) ihr zweiter Gedichtband Anbruch des Tags veröffentlicht. Darin dieses Gedicht:
In deiner Neigung wandle ich
und alle meine Schritte
hallen weich
in deiner großen Freundschaft wider.
Du
bleibe so geneigt
denn die Gebärden,
mit denen sich mein Leib ins Licht vollzieht,
sind schutzbedürftig.
Bleibe.
Else Rüthel-Schaber: "Anbruch des Tages". (1936) In: DER MONAT (Prag/Wien).
Als das tschechische Exil 1938 immer unsicherer wurde, gelingt es Will Schaber, für sich und die an Kehlkopfkrebs erkrankte Else Visen in die USA zu beschaffen. Sie aber stirbt am 19. Juliundefined 1938 in Brünn, Will flieht im September 1938 über Rotterdam in die USA.undefined Auf Elses Grabstein im Zentralfriedhof von Brno/Brünn steht:
Else Rüthel–Schaber
3. August 1899–14. Juli 1938
Licht! Liebe! Leben!
Leontine Sagan
Schauspieler*in
Regisseur*in
geb. Leontine
* 1889,
Budapest
† 1974,
Pretoria
1913/14 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in Kameraden von Strindberg in der Inszenierung (26.04.1913) Erich Ziegels.
In Berlin u. a Schauspiellehrerin, eine ihrer Schülerinnen war Maria Nicklisch.
04.06.1928 Regiearbeit an den Münchner Kammerspielen mit Coeur Bube von Jacques Natanson. 1931 führte sie Regie in dem Spielfilm Mädchen in Uniform u. a. mit Erika Mann (als Frl. v. Atems), Ellen Schwanneke (als Ilse v. Westhagen). 1933 wurde der Film von den Nationalsozialisten verboten, sie floh aus Deutschland und emigrierte nach England. Sie arbeitete dort in Alexander Kordas Filmstudios und als Theaterregisseurin und Produzentin. 1948 ging sie nach Südafrika, wo sie vor dem ersten Weltkrieg schon einmal lebte, als ihre Eltern 1899 dorthin ausgewandert waren. Sie wurde dort eine einflussreiche Theaterregisseurin und eine Mitbegründerin des NATIONAL THEATRE in Johannesburg.
Mädchen in Uniform war eine Verfilmung des Theaterstücks RitterNérestan* von Christa Winsloe (1888 Darmstadt–1944 bei Cluny/Frk. Christa Winsloe war eine deutsche Schriftstellerin, Drehbuchautorin, Dramatikerin und Bildhauerin. 1933 verließ sie Deutschland. Die Schriftstellerin Christa Reinig schrieb über sie:
„Sie war immer eine ''v o n d e n e n“ .. .Für die Emigranten war sie eine von denen, die emigrierten, weil sie halt nicht unter Hitler leben wollten. Da sie nicht jüdisch und nicht politisch war, war kein Komitée und keine Behörde für sie zuständig. Und im Krieg war sie eine von denen, die wehr- und waffenlos durch die Gegend rannten. Immer zwischen allen Fronten. Keine menschliche Gesellschaft fing sie auf.“
Mit dem Titel Gestern und Heute wurde nach dem Erfolg von Sagans Verfilmung Winsloes Stück an den Münchner Kammerspielen (Premiere 16.06.1932) aufgeführt in der Regie von Wolfgang Liebeneiner, u. a. mit Therese Giehse auf der Bühne. In einem Remake von Sagans Film 1958 des Regisseurs Géza von Radványi spielte neben Lilli Palmer (als Elisabeth von Bernburg) und Romy Schneider (als Manuela von Meinhardis) Therese Giehse die Rolle der Internatsleiterin v. Nordeck zur Nidden.
Karl Salomon
Komponist*in
geb. Karel
* 1897,
Heidelberg
† 1974,
Beit Sa'yit
Münchner Kammerspiele 02.02.1929: Pariser Luft von Meilhac/Halévy bearbeitet von Peter Scher, Musik nach Offenbach, bearbeitet von Karl Salmon, Regie: Otto Falckenberg, Musikalische Leitung: Karl Salmon
Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten 1933 emigrierte Karl Salomon nach Palästina. Der Lehrer am Konservatorium, der Komponist, der Dirigent und Musikadministrator Karel Salmon wirkte maßgeblich beim Aufbau des Musikwesens in Jerusalem mit.
Boris Schirmann
Schauspieler*in
In der Spielzeit 1922/23 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in zwei Inszenierungen Falckenbergs, in der Rolle des Bulltrotter, ein Zeitungskolporteur in der UA von BrechtsTrommeln in der Nacht (22.09.1922) und in dem Stück Chastelard (15.06.1923)von Swinburne. Ende der 1920er Jahre wurde Schirmann für das Ensemble des Landestheater Neuss verpflichtet, zusammen mit der Schauspielerin Dora Diamant, der letzten Lebensgefährtin Franz Kafkas. Sie floh 1936 in die Sowjetunion, 1940 nach England. In der Spielzeit 1928/29 gehörte auch Mia Engels dem Ensemble an, sie kam in der Spielzeit darauf an die Münchner Kammerspiele, heiratete den Kammerspielregisseur Josef Glücksmann. Am Landestheater Neuss entließ der Intendant im April 1933 die ersten beiden jüdischen Mitglieder des Ensembles, Margot Lassner und Boris Schirmann.
Sybille Schloß
Schauspieler*in
* 1910,
München
† 2007,
New York
Von 1931/32 an Mitglied im Ensemble der Münchner Kammerspiele.
13. März 1933: Flucht in die Schweiz mit der Truppe derPFEFFERMÜHLE
1936 Emigration in die USA. 1938 letzter Besuch bei ihren Eltern, die in die Niederlande fliehen konnten, dort aber 1943 interniert, 1944 deportiert und ermordet wurden, die Mutter in Ravensbrück, der Vater in Auschwitz–Birkenau.
Am 13. Dezember 2007 stirbt sie im Alter von 97 Jahren in Manhattan.
David Schneuer
Grafiker*in
Bühnenbildner*in
* 1905,
Przemysl
† 1988,
Tel Aviv
David Schneuer kam als jüdischer Kaufmannssohn in Galizien zur Welt, 1910 zog die Familie nach München. Er beginnt ein Studium der Dekorationsmalerei in München, geht für kurze Zeit nach Paris, kehrt nach München zurück, wird 1927 an den Münchner Kammerspielen als ‘Propaganda-Grafiker’(Plakatmaler) verpflichtet und arbeitet dann auch als Assistent des Bühnenbildners Otto Reigbert.
1933 nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten wird er zwei Monate lang im KZ Dachau inhaftiert - „whether because of his Jewishness, orbecause of his Communist sympathies“, schreibt Yona Ficher in der Einleitung zu David Schneuers Biographie.undefined
Schneuer wird wieder freigelassen und flieht nach Prag. Mit Hilfe von ebenfalls geflohenen Freunden, darunter Julius Gellner, Falckenbergs stellvertretender Direktor bis Februar 1933, kann er im November 1933 nach Palästina emigrieren. Er lebte und arbeitete als Grafiker und Maler bis zu seinem Tod in Tel Aviv.
Das Jüdische Museum München zeigte 25. März –7. Juni 2009 in der Ausstellung ORTE DES EXILS 02 MINCHEN VE ' TEL AVIV biographische Porträts von vier emigrierten jüdischen Münchner Künstler*innen: der Maler Ludwig Schwerin und drei Mitarbeiter*innen der Münchner Kammerspiele, der Dirigent, Komponist, Pianist Paul Frankenburger (alias Paul Ben Haim), die Tänzerin und Choreographin Rhea Glus sowie der bildende Künstler David Schneuer.
Else Schreiber–Zhdanov
Schauspieler*in
* 1898,
Wien
† 1982,
Los Angeles
In der Spielzeit 1916/17 ist Else Schreiber im Ensemble der Münchner Kammerspiele. In Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Wie es euch gefällt spielt sie die Schäferin Phöbe. Sie wirkt in zwei Stummfilmen mit, 1915 in dem Film Schlemihl des Regisseurs Richard Oswald, 1919 Menschen in Ketten des Regisseurs Karl Grune. Beide Regisseure fliehen 1933 aus Deutschland.
Else Schreiber begegnet in Berlin dem russisch jüdischen Emigranten Georgy Zhdanov, Schauspieler und Regisseur (geb. Georgy Rosenfeldin Smolensk 05.12.1905 – 14.08.1988 Los Angeles), der 1931 Co-Regisseur des Antikriegsfilms Niemandsland ist, mit Ernst Busch als einer der fünf Soldaten aus fünf verschiedenen Ländern, die sich im Ersten Weltkrieg in einem Unterstand im Niemandsland zwischen den Fronten begegnen, ein Berliner Tischler, ein Monteur aus Paris, ein englischer Offizier, ein jüdischer Schneider und ein Schwarzer Tänzer, der als Einziger die Sprachen aller versteht. Musik: Hanns Eisler.
1933 fliehen Else Schreiber und Georgy Zhdanov nach Paris und weiter nach London. Dort gibt sie der deutschen jüdischen Emigrantin Lilli Palmer (Posen 1914–1986 Los Angeles) Schauspielunterricht. Beide emigrierten in die USA, zunächst nach New York und von dort nach Kalifornien, wo sie eine Schauspielschule gründeten, the George Shdanoff's Los Angeles Theater Company, Inc.
Ellen Schwanneke
Schauspieler*in
* 1906,
Berlin
† 1972,
Zürich
Tochter des Schauspielers Viktor Schwanneke (1880–1931), der 1908 nach München ans Hoftheater kam, 1916 nach Berlin ging, 1918 für zwei Jahre als Interimsdirektor ans Bayerische Staatstheater nach München geholt wurde. Engagierte sich neben seiner Theaterarbeit gewerkschaftlich in der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger. An den Münchner Kammerspielen inszenierte er Der Raub der Sabinerinnen(20.04.1920) und Die Lustigen Weiber von Windsor(30.04.1920).
Ellen Schwanneke gab ihr Bühnendebut in der Spielzeit 1924/25 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in Falckenbergs Inszenierung von Romain Rollands Ein Spiel von Tod und Liebe (24.03.1925). Danach trat sie in Berlin u. a. in Friedrich Hollaenders Kabarett-Revue auf.
1931 spielte sie die Rolle der aufmüpfigen Ilse von Westhagen in Leontine Sagans Film Mädchen in Uniform. Aus diesem Jahr stammt ein Porträtphoto von ihr aus dem Atelier Zander & Labisch. Siegmund Labisch (1863–1942) wurde 1942 im KZ Theresienstadt ermordet.
Ellen Schwanneke emigrierte 1935 nach Wien. Sie spielte dort in Walter Firners Inszenierung der Jugendtragödie Kind im Kampf. Ein Kritiker schrieb im 'Neuen Wiener Tagblatt' am 26.05.1935 über sie: „Und all diese und andere Begabungen, meist aus Deutschland kommend, sind jetzt künstlerisch heimatlos. Sie fügen zum 'KIND IM KAMPF' noch die Zeittragödie 'Schauspieler im Kampf'“.
1938 flieht sie in die Schweiz und von dort in die USA. 1944 wird sie US-amerikanische Staatsbürgerin. 1947 remigriert sie in die Schweiz und setzte ihre Arbeit im Theater fort. 1948 trat sie noch einmal in einem deutschen Film auf: Morgen ist alles besser; Regie: Arthur Maria Rabenalt.
Dr. med. Hermann Schwarz
Theaterarzt
* 1869,
München
† 1942,
KZ Theresienstadt
Ärztliche Approbation 1893. Seit 01.01.1913 Praxis in der Tengstraße 9, später in der Keuslinstraße 16.
Verheiratet seit 01.08.1906 mit Vera Schwarz, geb. Moos. Geboren in Ulm 15.09.1880, ermordet am 31.03.1943 im KZ Theresienstadt.
Beide Eltern der gemeinsamen Tochter Maria Gertrud, geb. in München 17.05.1905 – ?
Dr. Hermann Schwarz und seine Frau Vera wurden zusammen am 02.07.1942 nach Theresienstadt deportiert, er wurde am 15.11.1942 dort im KZ Theresienstadt ermordet, seine Frau Vera am 31.03.1943.
Mela Schwarz
Schauspieler*in
In der Spielzeit 1914/15 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, in zwei Falckenberg Inszenierungen, in Ein deutsches Weihnachtsspiel (12.12.14) und in Jettchen Gebert (24.02.15). Zum 1. April 1915 wird sie für fünf Jahre ans Schauspielhaus in der Maximilianstraße verpflichtet, meldete am 15.03.15 die Neue Freie Press in Wien. 1919 spielt sie in einem Emelka (München) Stummfilm Am Weibe zerschellt (Regie: Franz Osten), u. a. mit Hilde Wall. Danach spielt sie in Frankfurt, Berlin und Wien. Wann und wie Mela Schwarz in die USA emigriert, konnten wir in unserer Recherche noch nicht herausfinden. Sie stirbt 1976 in Los Angeles.
Ein Photo der jungen Schauspielerin wurde im Atelier Berthold Bings gemacht, ein Photograph der Wiener jüdischen Fotografenfamilie Berthold, Sigmund und Lilly Bing. Berthold Bing flüchtete mit seiner Frau 1939 über Italien in die USA. Seiner Tochter Lilly gelang mit ihrem Mann 1938 die Flucht in die USA. Sigmund Bing und Familie fliehen 1939 nach Holland. Er wird 1944 ermordet.
Julius Seger
Schauspieler*in
* 1876,
Jungbunzlau
† 1944,
KZ Auschwitz
Der Sohn einer österreichischen jüdischen Familie kam nach seiner Schauspielausbildung in Wien und einer zehnjährigen Wanderschaft 1912 nach München und war von 1912–1925 im Ensemble am Münchner Schauspielhaus, unterbrochen vom Kriegsdienst 1916–18. Von der Spielzeit 1925/26 an verpflichtete Falckenberg Julius Seger für das Ensemble der Münchner Kammerspiele, für eine Spielzeit noch im Theater in der Augustenstraße. Bis zu seinem Berufsverbot 1933 war er einer dieser geschätzten, immer wieder eingesetzten Schauspieler der Kammerspiele, die nie eine Hauptrolle gespielt haben. Im Mai 1933 war sein letzter Auftritt in der Rolle des Dieners in Josef Wenters Spiel um den Staat, Regie: Richard Révy. Im Mai 1933 hatte er noch eine Solidaritätserklärung des Ensembles für Falckenberg mit unterschrieben. Nach seinem Berufsverbot wird er zu Zwangsarbeit verpflichtet. Am 16.07.1942 wird er nach Theresienstadt deportiert, von dort am 18. Dezember 1943 nach Auschwitz. Im Sommer 1944 wird er im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet.
Hermann Sinsheimer
Direktor*in
* 1883,
Freinsheim
† 1950,
London
Künstlerischer Direktor der Münchner Kammerspiele August 1916 – Juli 1917, Schriftsteller, Theaterkritiker, Chefredakteur des Simplicissimus 1924–1927, danach in Berlin Feuilletonredakteur, 1938 Emigration nach Palästina, von dort ins Exil nach London. Autobiographische Aufzeichnungen, neu herausgegeben von Nadine Englhart, Gelebt im Paradies–Gestalten und Geschichten, Berlin 2013
Mischa Soplanski
Komponist*in
* 1898,
Bialystok
† 1985,
London
MK 05.02.1930. 2 Kravatten von Georg Kaiser, Regie: Robert Forster-Larrinaga, Musik: Mischa Spolianski/Alexander László
MK 24.01.1931 Wie werde ich reich und glücklich, von Felix Joachimson, Regie: Rudolf Hoch, Musik: Mischa Spolianski
Nach dem frühen Tod seiner Mutter und auch seines Vaters finanzierte er sich das Studium am Stern'schen Konservatorium in Berlin als Kaffeehaus-Pianist. Er wurde einer der Komponisten des Reinhardt Kabaretts 'Schall und Rauch'. 1933 emigrierteer über Wien und Paris nach London. Dort begann als Filmkomponist seine zweite Karriere. Er komponierte auch das antifaschistische „Lied vom Stacheldraht“.
Otto Soyka
Autor*in
* 1881,
Wien
† 1955,
Wien
MK 18.05.1918: Der Geldzauber, Regie: Erich Ziegel als Gast u. a. mit Kurt Horwitz
An den Münchner Kammerspielen wurde sein Stück Der Geldzauber in der Inszenierung Erich Ziegels als Gastregisseur aufgeführt (Premiere 18. Mai 1918).
Er war Mitarbeiter an Karl Kraus Zeitschrift Die Fackel, er schrieb auch für die Zeitschriften Der Sturm und Simplicissimus. 1933 war er Mitglied der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller. Nach dem ‘Anschluss’ Österreichs im März 1938 versuchte er von Wien aus in die USA zu emigrieren, 1939 floh er nach Frankreich. 1948 kehrte er nach Wien zurück.
Wilhelm Speyer
Autor*in
* 1887,
Berlin
† 1952,
Basel
MK 04.09.1921: Rugby, Regie: Georg August Koch
MK 22.08.1925: Südsee, Regie: Robert Forster-Larrinaga
MK März 1933: Im MK Programmheft März 1933 teilt die Direktion mit, dass die Münchner Kammerspiele das neue Stück von Wilhelm Speyer, das 'einen psychologisch interessanten Kriminalfall behandelt' zur Aufführung erworben haben. 'Kurt Horwitz wird die Hauptrolle, einen bedeutenden Strafverteidiger, spielen'. Zur Aufführung kam es nicht mehr, Wilhelm Speyer und Kurt Horwitz flohen in die Schweiz.
Wilhelm Speyer kam als Sohn einer Berliner jüdischen Kaufmannsfamilie auf die Welt. Zusammen mit Bruno Frank war er Schüler des Hermann-Lietz-Landerziehungsheims in Haubinda/Thüringen und zusammen rebellierten sie gegen den anti-semitischen Reformpädagogen. Es gibt ein Photo, das ihn 1906 zusammen mit Bruno Frank zeigt, sowie ein Photo, das der Photograph Martin Munkacsi 1932 von Herrn und Frau Speyer machte. Munkacsi (Kolozsvár 18.05.1896–13.07.1963 New York) emigriert im Mai 1934 in die USA.
Berühmt wurde Speyer durch den Jugendroman Der Kampf der Tertia, der verfilmt wurde und als Theaterstück erfolgreich war. 1933 emigrierte er mit seiner Frau in die Schweiz, von dort nach Österreich, 1938 nach Frankreich und 1941 über Lissabon in die USA. 1949 kehrte er nach Europa zurück. Speyer, der sich ausdrücklich als Unterhaltungsschriftsteller verstand, der bewusst keine Hochliteratur verfasste, blieb Verfechtern der Hochliteratur suspekt. Sein später Roman Das Glück der Andernachs (Zürich 1949), der den Antisemitismus in Deutschland thematisierte, passte nicht ins restaurative Klima der BRD nach der NS-Zeit. Inzwischen gibt es Neuausgaben seiner Werke.
Jenny Spielmann
Schauspieler*in
* 1889,
Wien
† 1964,
München
In der Spielzeit 1913/14 war Jenny Spielmann im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Sie spielte u. a. in Erich Ziegels Inszenierung von Arthur Schnitzlers Der Ruf des Lebens (06.03.1913) die lebenstrunkene Schwindsüchtige, in Paul Marx' Inszenierung von Lessing Minna von Barnhelm (15.08.14) die Rolle der Franziska. Annie Reiter spielte die Titelrolle der Minna von Barnhelm. 1918 spielte Jenny Spielmann in Nürnberg und 1922 am Schauspielhaus Zürich. Sie spielte jeweils zusammen mit Franz Scharwenka.undefined
Jenny Spielmann war das fünfte von sechs Kindern einer Wiener jüdischen Familie. Ihr Bruder Leopold war Pianist und Dirigent. Er wird 1941 im KZ Theresienstadt ermordet, ihr Bruder Rudolf war ein Weltklasse-Schachspieler, er flüchtet 1939 nach Schweden. Jenny und ihre jüngste Schwester Irma werden von der Gestapo verhaftet und in Lager deportiert, Irma wird ermordet. Jenny überlebt, sie begeht 1964 Suizid in München.
Ernst Stahl-Nachbaur
Schauspieler*in
* 1886,
München
† 1960,
Berlin
In der Spielzeit 1913/14 stand Ernst Stahl-Nachbaur in den Münchner Kammerspielen in fünfzehn Inszenierungen auf der Bühne. Der Sohn des Münchner jüdischen Staatsanwalts Dr. Guggenheimer hatte gegen den erklärten Willen des Vaters sich für Theater und Film entschieden. Nach dem Jahr an den MK und nach seinem Fronteinsatz als Offizier des bayerischen Infanterie-Leibregiments (möglicherweise nach Verwundung entlassen) war er von 1916–1918 an der Neuen Wiener Bühne. Von 1918 in Berlin bei Max Reinhardt. Wurde ein sehr gefragte Bühnen-, Stumm- und Tonfilmdarsteller und auch Regisseur. Nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten wurde er als Sohn eines jüdischen Vaters ausgegrenzt, wurde aber von Heinrich George ans Schillertheater verpflichtet, der ihn durch seinen Einfluss bei NS-Entscheidern (vergleichbar der Rolle Gustav Gründgens) geschützt habe. Laut dem Narrativ Heinrich Georgeshabe „nach dem Krieg Stahl-Nachbaur allerdings George bei der sowjetischen Besatzungsmacht denunziert“undefined. Jedoch wird in der im November 2020 erschienenen Doppelbiographie HEINRICH UND GÖTZ GEORGE – ZWEI LEBEN von Thomas Medicusundefinedder gesamte Vorgang dokumentiert und sehr differenziert kommentiert, sodass von Denunziation nicht die Rede sein kann.
Lotte Stein
Schauspieler*in
* 1894,
Berlin
† 1982,
München
In der Spielzeit 1916/17–1917/18 im Ensemble der Münchner Kammerspiele.
Sie spielte in fünf Inszenierungen Falckenbergs: in Strindbergs Der Scheiternhaufn, in der UA von Georg Kaisers Von Morgens bis Mitternacht, in der deutschen EA von Strindbergs Die Brandstätte, Feuchtwangers Vasantasena und in Johsts Der Einsame.
Von 1919 bis 1933 spielte sie in Berlin bei Max Reinhardt u. a.. Daneben spielte sie kleine und größere Rollen in Stumm- und Tonfilmen, 1930 in der deutsch- englischen Produktion Mary, Regie: Alfred Hitchcock, 1931 in Einer Frau muss man alles verzeih’n, Regie: Eugen Thiele, mit Paul Morgan und Blandine Ebinger. 1933 floh die Jüdin Lotte Stein nach Wien, 1934 nach Prag, wo sie bis 1937 am Deutschen Theater engagiert war. 1939 emigrierte sie in die USA, spielte Theater in New York und wirkte in einigen US-amerikanischen Filmen mit, 1943 in The strange Death of Hitler, Regie: James B. Hogan, zusammen mit den aus Deutschland geflohenen Schauspieler*innen, die vor 1933 auch an den Kammerspielen aufgetreten waren: Ludwig Donath, Richard Révy,Elisabeth Neumann–Viertel und Fritz Kortner, von dem auch das Drehbuch stammte.
1949 remigrierte Lotte Stein nach Deutschland und wurde von Hans Schweikart an den Münchner Kammerspielen engagiert, von Mai 1949–August 1952.
Danach ging sie nach Berlin und gehörte dem Ensemble des Schillertheaters an.
Sie starb am 20. September 1982 in München, ihr Grab befindet sich auf dem Nordfriedhof.
Carl Sternheim
Autor*in
* 1878,
Leipzig
† 1942,
Brüssel
MK 08.05.1914 Bürger Schippel, Regie: Erich Ziegel
MK 04.06.1915 Der Snob, Regie: Paul Marx
MK 09.10.1918 Perleberg, Regie: Paul Marx
MK 09.10.1928 Die Stunde von Uznach, Regie: Kurt Reiss
Carl Sternheims Werke wurden von 1914 bis 1933 an den Münchner Kammerspielen inszeniert. Bereits vor 1933 wurden immer wieder Aufführungen von Sternheims Stücken nicht erlaubt, so 1911 in München, als Eugen Robert an den Kammerspielen Der Snob zeigen wollte, die Nationalsozialisten verboten von 1933 an alle seine Werke. Sternheim lebte ab 1935 im belgischen Exil. Am 3. November 1942 starb er im besetzten Brüssel in Ixelles an den Folgen einer Lungenentzündung, vor einer drohenden Deportation.
Agnes Josephine Straub
Schauspieler*in
* 1890,
München
† 1941,
Berlin
Gast an den Münchner Kammerspielen in Goethes Stella in der Inszenierung des Gastregisseurs Max Reinhardt mit dem Ensemble der Münchner Kammerspiele und mit Helene Thimig als zweiter Gastschauspielerin (Premiere 03.09.31).
Als gefeierte Schauspielerin an den Berliner Bühnen arbeitete sie häufig mit ihrem Lebensgefährten, dem österreichisch jüdischen Schauspieler und Regisseur Leo Reuss (Dolyna/Galizien 1891–1946 Manila/Philippinen). Um ihn schützen zu können, gründete sie Anfang der 1930er Jahre das Agnes-Straub-Theater und leitete dieses Ensemble zusammen mit ihm im Theater am Kurfürstendamm. Ende 1934 verhängten die Nazis gegen ihn ein Arbeitsverbot.
Agnes Straub ging mit Leo Reuss und dem Ensemble auf Tournee im deutschsprachigen Raum, 1935 gastierten sie an den Münchner Kammerspielen mit dem Stück Die Neuberin das Günther Weisenborn unter dem Pseudonym Christian Munck 1934 mitverfasst hatte. Leo Reuss musste Ende 1935 aus Deutschland fliehen nach Wien, er emigrierte 1937 in die USA. Agnes Straubs Karriere wurde durch einen schweren Autounfall jäh beendet, an dessen Spätfolgen sie starb.
Juana Sujo
Schauspieler*in
geb. Juana
* 1913,
Buenos Aires
† 1961,
Caracas
Für die Spielzeit 1932/33 wurde sie von Otto Falckenberg für die Münchner Kammerspiele engagiert. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten im Januar 1933 trat sie vor ihrer Flucht aus Deutschland noch in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Komödie der Irrungen (Premiere 15.02.1933) auf, in Schraders Inszenierung von Curt Goetz' Komödie Der Lampenschirm (Premiere 17.03.1933) und in Révys Inszenierung von Pagnols Lustspiel Fanny (Premiere 24.03. 1933).
Die Tochter einer argentinisch jüdischen Familie, geboren in Buenos Aires, wurde mit beiden Schwestern zur Ausbildung nach Berlin geschickt. Sie machte eine Schauspielausbildung bei Max Reinhardt. Dort kam es zur Begegnung mit Stefan Schnabel und Franz Schnyder (1939 Gastregisseur an den Münchner Kammerspielen, (s. Dokumentation Hanne Mertens), mit denen sie 1929 den Film Das Kalte Herz drehte.
Noch 1933 flieht Juana Sujo nach England und kehrt nach Argentinien zurück. 1948 verläßt sie aus Opposition gegen das Perón-Regime Argentinien und geht nach Venezuela, wo sie sich den Ruf einer politischen Theaterkünstlerin erwirbt im Widerstand gegen das repressive Regime des Marcos Pérez Jiménez, der 1958 das Land verläßt und ins US-amerikanische Exil geht.
Helene Thiming
Schauspieler*in
* 1889,
Wien
† 1974,
Wien
Gast an den Münchner Kammerspielen in Goethes Stella in der Inszenierung des Gastregisseurs Max Reinhardt mit dem Ensemble der MK (Premiere 03.09.1931).
1933 Flucht zusammen mit Max Reinhardt nach Wien, Heirat im Mai 1935, Oktober 1937 zusammen ins Exil in die USA. Reinhardt stirbt am 31.10.1943.
1945 Rückkehr nach Österreich, u. a. Leiterin des Wiener Max-Reinhardt-Seminars.
Robert Thoeren
Schauspieler*in
* 1903,
Brünn (Brno)
† 1957,
München
Robert Thoeren war in der Spielzeit 1923/24 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in der Rolle des Curio in Falckenbergs Inszenierung von Shakespeares Was ihr wollt (02.06.1923). In Berlin spielte er an den Reinhardt-Bühnen.
1933 floh er nach Frankreich, wo er in Paris als Drehbuchautor arbeitete. Er war Mitautor des Originalmanuskripts zu Fanfares d’amour, das später die Grundlage für Billy Wilders Some like it hot war. Im Mai 1938 emigrierte Robert Thoeren in die USA, er schrieb Drehbücher u. a. für MGM. 1951 kehrte er nach Deutschland zurück und setzte seine Arbeit als Drehbuchautor fort, zum ersten Mal in deutscher Sprache. 1956/57 verfasste er – mit Erika Mann – das Drehbuch für Kurt Hoffmanns Verfilmung von Thomas Mann Romans Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull. Im Juli 1957 starb er bei einem Verkehrsunfall in München.
Hans Tintner
Schauspieler*in
* 1894,
Wien
† 1942,
KZ Auschwitz
6. Dezember 1919 an den Münchner Kammerspielen in der UA von Frank Wedekinds Schloss Wetterstein,Regie: Erwin Kalser, mitSybille Binder, Kurt Horwitz u. a.
8. April 1930 Cyankali von Friedrick Wolf im Studio der Münchner Kammerspiele, mit Therese Giehse, Kurt Horwitz, Richard Révy. Regie: Otto Falckenberg. Polizeiverbot des politischen Stücks gegen §218.
23. Mai 1930 Uraufführung des Spielfilms Cyankali nach Wolfs Bühnenstück Regie, Drehbuch, Produktionsleitung: Hans Tintner; in der Hauptrolle der schwangeren Hete Fete: Grete Mosheim.
März 1933 Verbot des Films, im März 1933 verlässt Hans Tintner Deutschland und geht nach Wien. 1938 Flucht nach Frankreich.
Am 19. Juli 1942 wird Hans Tintner mit dem Konvoi Nr. 7 aus dem Internierungslager Drancy nach Auschwitz deportiert und dort am 28. September 1942 ermordet.
(s. Kurzbiographie zum Erinnerungszeichen der Münchner Kammerspiele)
Irene Triesch
Schauspieler*in
* 1875,
Wien
† 1964,
Bern
1914 als Gastschauspielerin an den Münchner Kammerspielen in Hauptrollen der Inszenierungen Die Kronbraut von August Strindberg, Regie: Erich Ziegel (11.04.1914) und Herodes und Marianne von Friedrich Hebbel, Regie: Ph. Manning (15.04.14).
Am 20.04.1914 beschloss sie das Gastspiel mit einem Vortragsabend.
Die österreichisch jüdische Schauspielerin heiratete 1904 den schottischen Pianisten Frederic Lamond (1868–1948). Sie war gefeiertes Ensemblemitglied am Berliner Lessingtheater. 1934 wurde sie aus der Reichstheaterkammer ausgeschlossen. Sie verließ mit ihrem Mann Deutschland, sie lebten auf seinem Alterssitz, dem Alan Grange House in Glasgow, Schottland.
In seiner 1944 erschienenen Autobiographie Mein Leben Mein Theater rühmt Otto Falckenberg die Wirkung der beiden Auftritte von Irene Triesch als seine Theater-Epiphanie:
Das Erste, was ich an den Münchner Kammerspielen sah, war DIE KRONSBRAUT von August Strindberg. Erich Ziegel hatte die Aufführung inszeniert … jetzt ein verdienstvoller Mitarbeiter von Gustav Gründgens …. Als ich dann kurz darauf auf dieser beinahe lächerlich kleinen und aller technischen
Mittel baren Bühne gar noch Hebbels HERODES UND MARIAMNE sah, setzte sich vor solchem theatralischen Wunder der Gedanke in mir fest: “In diesem Theater ist dein Platz...
Otto Falckenberg: Mein Leben – Mein Theater. (Hg.: Wolfgang Petzet). München: Zinnen Verlag 1944, S. 286ff..
Otto Falckenberg und sein Chronist Wolfgang Petzet haben alle jüdischen Schauspieler*innen dieser beiden Aufführungen an den Münchner Kammerspielen verschwiegen – Irene Triesch, Sidonie Lorm, Paul Marx, Ernst Stahl-Nachbaur.
Irene Triesch und Frederic Lamond hatten eine Tochter, Irene Elizabeth Lamond (geb. Berlin 06.06 1906), die Schauspielerin wurde und in der Spielzeit 1927/28 im Ensemble der Münchner Kammerspiele war. Über ihr Schicksal nach 1933 haben wir bei unseren Recherchen noch nichts gefunden.
Rosa Valetti
Schauspieler*in
* 1876,
Berlin
† 1937,
Wien
Die Tochter einer Berliner jüdischen Holzhändlerfamilie spielte an den Münchner Kammerspielen 1912 und 1913 in Gastrollen. In Berlin gründete sie 1920 das Kabarett Größenwahn, spielte bei der Uraufführung der Dreigroschen-Oper von Brecht / Weil am 31. August 1928 im Theater am Schiffbauerdamm die Rolle der Frau Peachum. 1933 Emigration nach Österreich, Bühnenauftritte in Wien, Prag und Tel Aviv. Im Juli 1937 kam sie noch einmal nach Berlin, um sich mit einem 'Bunten Abend' von ihrem Berliner Publikum zu verabschieden. Zurück in Wien starb sie mittellos im Dezember 1937.
Conrad Veidt
Schauspieler*in
* 1893,
Berlin
† 1943,
Los Angeles
In der Spielzeit 1929/30 war Conrad Veidt, zurückgekehrt aus den USA, vom 11.- 17. Juni 1930 zu einem Gastspiel mit Er auf der Bühne der Münchner Kammerspiele mit enormer Publikumsresonanz.
Conrad Veidt hatte bei Max Reinhardt als Schauspiellehrling begonnen, nach Unterbrechung durch Kriegsdienst an den Reinhardt-Bühnen und am Renaissance Theater aufgetreten, nebenher in ersten Stummfilmrollen gespielt, früh entdeckt worden und einer der deutschen Stummfilmstars (u. a. in Das Cabinet des Doktor Caligari) geworden. Im April 1933 flieht er mit seiner Frau Ilona (1900–1980), die aus einer österreichisch-ungarischen jüdischen Familie stammt, nach London. 1935 organisiert er die Emigration seiner Schwiegereltern aus Wien in die Schweiz. 1938 nimmt Veidt die britische Staatsbürgerschaft an. 1940 emigriert er mit seiner Frau in die USA. Einer der US-amerikanischen Filme, in denen er besetzt wurde, war Casablanca (1942) Regie: Michael Curtiz, der aus Ungarn emigrierte Regisseurs Mihály Kertész. Veidt spielte den NS-Major Strasser, sein Adjudant Hauptmann Heinze wurde von Richard Révy gespielt. Conrad Veidt stirbt nach einer Herzattacke am 3. April 1943 in Los Angeles.
Berthold Viertel
Regisseur*in
* 1885,
Wien
† 1953,
Wien
Österreichisch jüdischer Schriftsteller, Dramaturg, Regisseur. Als Gastregisseur inszenierte er an den Münchner Kammerspielen am 4. April 1921 Jenseits von Walter Hasenclever, mit Sybille Binder und Erwin Kalser. Vorher hatte er das Stück am Schauspielhaus Dresden uraufgeführt. 1928 ging er auf Einladung Murnaus mit seiner Frau, der Schauspielerin Salomea Steuermann (Salka Viertel) nach Hollywood, zunächst für vier Jahre. 1932 entschieden sich die Viertels, nicht mehr nach Deutschland und zu den antisemitischen Nationalsozialisten zurückzukehren. Berthold Viertel remigrierte 1947 nach Europa und arbeite in London, ab 1948 wieder als Theaterregisseur in Zürich und in Wien.
Salka Viertel
Schauspieler*in
geb. Salomea
* 1889,
Sambor
† 1978,
Klosters
In der Spielzeit 1918/19 im Ensemble der Münchner Kammerspiele in zwei Inszenierungen Falckenbergs, in Shakespeares Das Wintermärchen die Rolle der Paulina, in Strindbergs Schwanenweiss die Rolle der Stiefmutter.
1918 heiraten Salka und Berthold Viertel. Von 1920 an arbeiteten sie in Berlin, 1928 gehen sie auf Einladung F. W. Murnaus für vier Jahre (geplant) nach Hollywood. 1932 beschließen sie, maßgeblich auf Drängen Salkas, nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren nach politisch realistischer Einschätzung der Entwicklung. Salka arbeitet als erfolgreiche Drehbuchautorin und beide setzen sich entschieden für Exilanten aus Europa ein. Von 1940 an lebte Berthold Viertel mit der emigrierten Schauspielerin Elisabeth Neumann zusammen, sie gehen 1947 nach Europa zurück. Salka Viertel kehrt 1953 nach Europa zurück und lebt in der Schweiz in Klosters. 1969 veröffentlicht sie ihre englische Autobiographie
The Kindness of Strangers, dt. 1979 Das unbelehrbare Herz. 2020 erscheint die Monographie THE SUN AND HER STARS – SALKA VIERTEL ANDHITLER'S EXILES IN THE GOLDEN AGE OF HOLLYWOOD. Hierin schreibt Donna Rifkind:
“Hollywood was created by its 'others', that is by women, Jews and immigrants. Salka Viertel was all three and so much more.”
Hilde Wall
Schauspieler*in
* 1994,
Braunschweig
In der Spielzeit 1918/19 im Ensemble der Münchner Kammerspiele, u. a. in Sigfried Giedions Arbeit; Regie: Paul Marx (04.02.1919), in Machiavellis Man-Dragula Regie: Paul Kalbeck (19.02.1919). Hilde Wall war seit 1926 bis zu dessen Tod mit dem Theater- und Filmregisseur Max Ophüls (1902–1957) verheiratet. Ihr Sohn Marcel Ophüls (1927– ?) wurde Dokumentar- und Spielfilmregisseur. Im März 1933 flüchtete die Familie nach Paris, 1938 wurden sie französische Staatsbürger, 1941 emigrierten sie in die USA. Nach dem Ende der NS-Herrschaft remigrierten sie 1949 nach Frankreich.
Helene Weigel
Schauspieler*in
Theaterleiter*in
* 1900,
Wien
† 1979,
Berlin
16.06.1925 an den Münchner Kammerspielen als Gastschauspielerin in der Rolle der Marie in Georg Büchners Woyzeck. Regie: Hans Schweikart
1928 Heirat mit Bertolt Brecht.
Flucht am 28. Februar 1933 mit der Familie über Prag und Wien nach Zürich.
Die Weigel/Brechts lebten in der Emigration bis 1941 in Europa, dann in den USA.
1948 Remigration nach Europa, zunächst in die Schweiz, dort aus politischen Gründen nur geduldet. Im Oktober 1948 gingen sie nach Ostberlin. Mit der
Premiere der Mutter Courage am 11.01.1949 begann am Deutscher Theater eine neue Ära. Im Februar 1949 wurde Helene Weigel die Intendantin des Berliner Ensembles am Deutschen Theater, am 19.03.1954 dann am Theater am Schiffbauerdamm . . .
Edgar Weil
Autor*in
* 1908,
Frankfurt
† 1941,
KZ Mauthausen
Dramaturg ('dramaturgischer Volontär') an den Münchner Kammerspielen in der Spielzeit 1932/33. Sohn einer Frankfurter jüdischen Apothekerfamilie, seine Mutter war als Pauline Hochstätter in München geboren, ihre jüngste Schwester Tilly war mit Franz Landauer, dem Bruder des Kurt Landauer (Präsident des FC-Bayern München) verheiratet, und er selbst heiratete 1932 Grete Dispeker aus einer renommierten Münchner jüdischen Anwalts-Familie. Vom ersten Tag der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten an war er gefährdet. Er wird im März 1933 nach Denunziation bei der Gestapo wegen mutmaßlicher „hochverräterischer Korrespondenz mit Moskau“ im Zusammenhang mit dem Brief Ernst Helds aus Moskau an Falckenberg und dessen Verhaftung am 16. März 1933 verhaftet. Es folgen Verhöre, Misshandlungen, Schutzhaft in der Ettstraße.
1933 nach der Freilassung Flucht in die Niederlande. Grete Weil kommt 1935 nach. Am 11. Juni 1941 wird Edgar Weil bei einer Gestapo-Razzia in Amsterdam verhaftet und in ein Internierungslager verschleppt. Am 25. Juni 1941 deportiert ihn die SS in das KZ Mauthausen, am 17. September 1941 wird Edgar Weil ermordet. Er war 33 Jahre alt. Grete Weil überlebt, sie kehrt nach Deutschland zurück und schafft ein literarisches Werk, mit dem sie gegen das Vergessen anschrieb.
(s. Kurzbiographie zum Erinnerungszeichen der MK für Edgar Weil)
Kurt Weill
Komponist*in
* 1900,
Dessau
† 1950,
New York
MK 20.07.1929: Die Dreigroschenoper von Bertolt Brecht / Kurt Weill. Regie: Hans Schweikart, Musik: Kurt Weill, Musikalische Leitung: Ilja Jacobson
Kurt Weill floh am 21.03.1933 nach Paris, zusammen mit Lotte Lenya emigrierte er im September 1935 in die USA. Richard und Alma Jo Révy unterstützten die beiden im Exil. 1943 wurden Kurt Weill und Lotte Lenya US-amerikanische Staatsbürger, Weill 'a German-born American composer', Lenya 'an Austrian-born American singer'.
Hugo Welle
Schauspieler*in
* 1988,
Würzburg
Hugo Welle war von 1920/21 – 1923/24 im Ensemble der Münchner Kammerspiele. In der Uraufführung von BrechtsTrommeln in der Nacht (29.09.1922) stand er in der Rolle des besoffenen Menschen auf der Bühne der MK.
1935 Verhaftung und 'Schutzhaft' wegen „homosexueller Tätigkeiten“. Im März 1937 wurde auf Betreiben der Gestapo ein Berufsverbot für den Schauspieler ausgesprochen durch die Reichstheaterkammer. 1939/40 spielte er kleine Nebenrollen in vier UFA-Filmen, u. a. die Rolle eines Zuschauers bei einer Diplomverleihung in Friedrich Schiller 1940 Regie: Herbert Maisch, mit Horst Caspar in der Titelrolle. Hugo Welles weiterer Lebensweg ist noch unerforscht.
Franz Werfel
Autor*in
* 1890,
Prag
† 1945,
Beverly Hills
MK 05.05.1927: Juarez und Maximilian, Regie: Richard Révy
Franz Werfel kam als Sohn einer Prager jüdischen Fabrikantenfamilie auf die Welt.
Im Frühjahr 1933 wurde er aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen. 1938, nach dem ‘Anschluss Österreichs’ flieht er mit seiner Frau nach Südfrankreich, zunächst nach Sanary-Sur-Mer. 1940 fliehen die Werfels zusammen mit den Feuchtwangers und Heinrich Mann, dessen Frau und Golo Mann von Lourdes über die Pyrennäen nach Lissabon und von dort in die USA. 1941 wird Franz Werfel US-amerikanischer Staatsbürger.
Dr. med. Carl Wimpfheimer
Theaterarzt
* 1982,
Würzburg
Nach dem Ersten Weltkrieg, an dem er als Offizier im Sanitätsdienst teilnahm, eröffnete Carl Wimpfheimer 1919 in München eine gynäkologische Praxis am St. Paulsplatz 7/0, die Adresse seiner Eltern, die 1908 nach der Geschäftsaufgabe ihres Schuhwarenladens in Würzburg nach München gezogen waren. 1929 befindet sich die Praxis im Rosental 9/2, 1933 am Marienplatz 24/2, seine letzte Adresse und die seiner hochbetagten Eltern in München vor der Emigration.
Dr. Wimpfheimer emigrierte am 4.1.1934 nach England (London), seine Eltern in die Schweiz (Zürich). Am 3.5.1942 ist Dr. Wimpfheimer in der Schweiz als 'staatenlos' registriert, 1955 ist er in Luzern gemeldet.
Im Sommer 2020 veröffentlichte die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) „75 Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur zu ihrem 63. Kongress in München ein GEDENK-BUCH, das an ihre damals verdrängten, ins Exil gezwungenen, in den Selbstmord getriebenen und ermordeten jüdischen Mitglieder erinnern soll“. undefined In diesem GEDENKBUCH wird in einer der 160 Kurzbiographien erinnert an die Verfolgungsgeschichte des Gynäkologen Dr. Carl Wimpfheimer, ein Theaterarzt der Münchner Kammerspiele, geboren in Würzburg wie der Theaterdirektor der Münchner Kammerspiele, Benno Bing.
Christa Winsloe
Autor*in
* 1888,
Darmstadt
† 1944,
Cluny
Christa Winsloes Theaterstück war 1931 von Leontine Sagan (1913/14 im Ensemble der Münchner Kammerspiele) verfilmt worden unter dem Titel Mädchen in Uniform (u. a. mit Erika Mann, Ellen Schwanneke). Die Nationalsozialisten verboten den Film. Christa Winsloe war eine deutsche Bildhauerin (Studium in München), Schriftstellerin, Drehbuchautorin und Dramatikerin, sie war ungarische Staatsbürgerin durch eine frühere Heirat. Nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten wurden auch ihre Bücher verboten, sie wurde als Mitglied der SPD und als ausländische Staatsbürgerin für 'politisch unzuverlässig' erklärt. Sie verließ Deutschland und ging mit ihrer Lebensgefährtin, der US-amerikanischen Journalistin Dorothy Thompson, in die USA. Nach ihrer Rückkehr nach Europa lebte sie mit der Schweizer Autorin und Übersetzerin Simone Gentet in Frankreich. Die beiden unterstützten Menschen, die aus Nazi-Deutschland geflohen waren. Im Juni 1944 wurden beide Frauen unter nie aufgeklärten Umständen als Spione verdächtigt und bei Cluny erschossen. Die Täter wurden nie verurteilt.
Adolf Wohlbrück
Schauspieler*in
* 1896,
Wien
† 1967,
London
In der Spielzeit 1924/25 und 1925/26 war er im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Adolf Wohlbrück spielte Hauptrollen in Strindberg– und Shakespeare–Inszenierungen Falckenbergs und in einer Regiearbeit Erwin Fabers, in Maurice Maeterlincks Pelleas und Melisande zusammen mit Grete Jacobsen. Doppelt gefährdet als 'Nicht-Arier' und als erklärter Gegner des nationalsozialistischen Regimes emigrierte er 1936 über Frankreich nach England. Mit dem anglisierten Namen Anton Walbrook spielte er ziemlich erfolgreich in englischen Filmen. 1947 wurde er britischer Staatsbürger. Nach 1951 kehrte er zu Bühnengastspielen nach Deutschland zurück, er spielte in internationalen Filmproduktionen, u. a. in Max Ophüls Spielfilm Der Reigen. Im Frühjahr 1967 erlitt er auf der Bühne der Kleinen Komödie am Max II in München während einer Vorstellung von Noel Cowards Duett im Zwielicht eine Herzattacke, an deren Folgen er im August 1967 starb. Sein Grab ist in Hampstead / London.
Friedrich Wolf
Autor*in
* 1888,
Neuwied
† 1953,
Lehnitz
MK 07.04.1930: Cyankali, Regie: Otto Falckenberg im Nachtstudio
Friedrich Wolf, Sohn einer Neuwieder jüdischen Kaufsmannsfamilie war Arzt, Dramatiker, Schriftsteller und kommunistischer Politiker. Sein 1928 veröffentlichtes Drama Cyankali leitete eine erbitterte, bis heute nicht befriedete Diskussion über den §218 ein. 1929/30 verfilmte Hans Tintner Wolfs Drama eines Plädoyers für legalen Schwangerschaftsabbruch in sozialer Notlage mit Grete Mosheim in der Hauptrolle. Die Nationalsozialisten bekämpften ihn schon vor 1933 als 'gemeingefährlichen ostjüdischen Bolschewisten'. Nach der ‘Machtergreifung’ der Nazis emigrierte er mit seiner Familie über Österreich, die Schweiz und Frankreich – wo er das Drama eines jüdischen Arztes, Professor Malmlock schrieb – in die Sowjetunion. Bei Kriegsbeginn 1938 war er in Paris, wurde dort verhaftet und in Le Vernet interniert. 1941 gelang ihm die Rückkehr nach Moskau. Nach der Remigration arbeitete er schriftstellerisch und kulturpolitisch in der DDR.
Am 27.07.1946 wurde an den Münchner Kammerspielen Wolfs Drama Professor Malmlock aufgeführt in insgesamt siebzig Vorstellungen. Petzet schreibt zu dieser Inszenierung:
Alfred Erich Sistigs Inszenierung (mit dem in dieser Tragödie der Anständigkeit und des geschändeten Vertrauens unübertrefflichen Domin) erzielte atemlose Spannung, aufs höchste gesteigert durch die noch immer kaum faßbare Sensation, daß da von der Bühne herab laut gesagt wurde, was man zwölf Jahre lang nur geflüstert hatte.
Wolfgang Petzet: Theater. Die Münchner Kammerspiele 1911–1972. München: Desch Verlag 1973 , S. 432.
Otto Zarek
Dramaturg*in
* 1898,
Berlin
† 1958,
Berlin
Schriftsteller, Regisseur. 1920–1922 Dramaturg an den Münchner Kammerspielen.
1933 nach dem Reichstagsbrand Flucht nach Ungarn, Juni 1938 Emigration nach England, 1940 Eintritt in die British Army, 1954 Remigration nach Berlin.
In einem Essay in der Zeitschrift „Das Tage-Buch“ vom 15. August 1925, unter dem Titel „UNSITTLICHKEITS-PROZESS“ über die Münchner Justiz und Kunst, schreibt Otto Zarek diese politische Hommage an die Kanzlei KAUFMANN – HIRSCHBERG – LOEWENFELD:
„Sodann wirken mit: der Verteidiger, Rechtsanwalt Adolf Kaufmann, der langjährige Mitleiter der Münchner Kammerspiele und schon deshalb ein verdienstvoller Mann; als Anwalt Ernst Tollers in schwerster Zeit als mutiger Bekämpfer der Ordnungszelle bewährt; in der Kanzlei Kaufmann – Hirschberg – Loewenfeld, der „Fechenbach-Kanzlei“, dem Bollwerk des Gerechtigkeitskampfes, der mutigsten Kanzlei Süddeutschlands. (Man kann es nicht oft genug rühmen!)
Otto Zarek: „Das Tage-Buch“. Hg. v. Stefan Grossmann. Berlin 15. August 1925, Heft 33, S. 1208–1213.
Erich Ziegel
Theaterleiter*in
Regisseur*in
Schauspieler*in
* 1876,
Schwerin
† 1950,
München
Erich Ziegel wurde in der Spielzeit 1912/13 als Schauspieler von Eugen Robert an die Münchner Kammerspiele engagiert. Er inszenierte Kameraden(26.4.1913)von August Strindberg mit großem Erfolg und war von April 1913 bis August 1916 künstlerischer Direktor der Münchner Kammerspiele, Regisseur und Schauspieler an diesem Theater, zusammen mit seiner Frau, der Schauspielerin Mirjam Horwitz (1889 – 1967). Beide gingen 1916 nach Hamburg ans Thalia Theater, 1918 gründeten sie die Hamburger Kammerspiele, ein ambitioniertes Theater für zeitgenössische Stücke mit einem Ensemble junger Schauspieler*innen. 1926 wurde er Direktor des Hamburger Schauspielhauses, 1928 des Thalia Theaters und Mirjam Horwitz übernahm die Leitung der Kammerspiele. Als nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten die Jüdin Mirjam Horwitz mit einem Auftrittsverbot belegt wurde, floh sie nach Wien, Erich Ziegel folgte ihr 1934, zusammen setzten sie ihre Theaterarbeit an den Wiener Kammerspielen fort. Im Januar 1936 inszenierte Erich Ziegel dort Strindbergs Kameraden mit Mirjam Horwitz, Sidonie Lorm, Hedda Berger und Paul Morgan, die alle an den Münchner Kammerspielen gespielt hatten und 1933 aus Deutschland fliehen mussten. Mit der Spielzeit 1936/37 engagierte der vor 1933 in Hamburg von Ziegel geförderte Gustav Gründgens, der inzwischen in Berlin Generalintendant des Staatlichen Schauspielhauses war, Erich Ziegel als Regisseur, Dramaturg und Schauspieler an sein Haus. Da Erich Ziegel dem Druck, sich von seiner jüdischen Frau zu trennen, widerstand, konnte er sie vor Verfolgung schützen. Erst nach dem Ende der Nazi-Herrschaft konnte sie wieder als Schauspielerin arbeiten. 1945 entschieden sich Erich Ziegel und Mirjam Horwitz für Wien als neuen Lebensmittelpunkt, am 14. September 1945 inszenierte er dort an den Kammerspielen John Steinbecks DER MOND GING UNTER, gefeiert als Künstler, der “ein Stück Theatergeschichte repräsentiert, der seine große Laufbahn während der Zeit des ersten Weltkrieges als Direktor der Münchner Kammerspiele begann, der den späterhin berühmten Leiter dieses Theaters: Falckenberg entdeckte ...” (in der Wiener Zeitschrift DIE BÜHNE Heft 10/1945). Von 1946 – 1950 war Erich Ziegel Direktor des Wiener Theaters DIE INSEL, Regisseur und zusammen mit seiner Frau Mirjam Horwitz Schauspieler auf der Bühne dieses Theaters. Am 30. November 1950 stirbt Erich Ziegel bei einem Aufenthalt in München.
Mimi Zoff
Übersetzer*in
geb. Mimi
Otto Zoff
Dramaturg*in
Direktor*in
geb. Otto
* 1890,
Prag
† 1963,
München
Otto Zoff, Journalist, Lektor und Schriftsteller wurde 1917 von Otto Falckenberg als Dramaturg an die Münchner Kammerspielen geholt. Von 1919–1923 war er dort einer der stellvertretenden künstlerischen Direktoren und inszenierte mit seiner Bearbeitung von Eichendorffs Die Freier ein Erfolgsstück des Theaters. 1914 heirateten er und Mimi Hamerschlag (Nymburk/Böhmen 11.12.1890 – 13.12.1967 New York) in Wien, die beiden begannen als Paar mit literarischer Koproduktion: er als Entdecker, sie als Übersetzerin. Mimi Zoff wurde eine eminente Übersetzerin, von ihr wurden zwischen 1923 und 1932 an den Kammerspielen die deutschen Bearbeitungen von sieben englischen und französischen Theaterstücken inszeniert.
Otto Zoffs Halbschwester Marianna Zoff und Bertolt Brecht heirateten 1922.
Mimi und Otto Zoffs Ehe wurde 1924 geschieden. Sie konnte der NS-Verfolgung durch Flucht in die USA entfliehen. Otto Zoff floh mit seiner dritten Frau Lieselotte Kalischer 1933 nach Italien, 1935 nach Frankreich, 1941 in die USA. 1961 remigrierte er nach Deutschland und starb im Alter von 73 im Dezember 1963 in München.
Carl Zuckmayer
Autor*in
* 1896,
Nackenheim
† 1977,
Visp
MK 09.02.1926: Fröhlicher Weinberg, Regie: Albrecht Joseph
MK 18.12.1928: Schinderhannes, Regie: Richard Weichert a.G.
MK 22.05.1931: Der Hauptmann von Köpenick, Regie: Julius Gellner mit Kurt Horwitz in der Hauptrolle
Carl Zuckmayer war in München im Februar 1926 mit seinem Stück Fröhlicher Weinberg ins Visier der Nationalsozialisten geraten, allen voran Karl Fiehler, der damalige Fraktionsvorsitzende der NSDAP im Stadtrat, 1933–1945 Oberbürgermeister und – im retrospektiven Weichzeichner-Narrativ der Kammerspiele – ein ''liberaler Förderer' Falckenbergs. Karl Fiehler hatte das Stück als „Misthaufen des Halbjuden Zuckmayer“ diffamiert und ein polizeiliches Verbot beantragt.
Zuckmayer verließ nach der 'Machtergreifung' der Nationalsozialisten Deutschland und ging Österreich, nach dem ‘Anschluss’ 1938 floh er in die Schweiz und 1939 in die USA. 1946 kehrte er als US-amerikanischer Staatsbürger zurück nach Europa. Neben dem Wohnort in den USA bewegt sich Zuckmayer zwischen Wohnorten in Österreich und der Schweiz.
Stefan Zweig
Autor*in
* 1881,
Wien
† 1942,
Petrópolis
Stefan Zweig war ein österreichisch jüdischer Schriftsteller, Übersetzer und ein erklärter Pazifist. 1933 setzten die Nationalsozialisten seine Werke auf die Liste der zu verbrennenden Bücher verbotener Autor*innen. Im Februar 1934 emigrierte er nach London, 1940 über New York und Buenos Aires nach Brasilien. An den Münchner Kammerspielen wurde 1925 Rudolf Franks Inszenierung des Einakters Der verwandelte Komödiant im Doppelpack aufgeführt zusammen mit Otto Falckenbergs Inszenierung von Romain Rolands Ein Spiel von Tod und Liebe, ebenfalls mit Leiko, Donath. Im brasilianischen Exil begehen Stefan Zweig und seine zweite Frau Charlotte, geb. Altmann (*Katowice 05.05.1908) am 28. Februar 1942 zusammen Selbstmord.
Irma von Cube-Kalser
Schauspieler*in
geb. Irmgard
* 1899,
Hamburg
† 1977,
Los Angeles
Irm(g)a(rd) von Cube war in den Spielzeiten 1917/18 und 1920/21 im Ensemble der Münchner Kammerspiele. Sie lernte dort den Schauspieler und Regisseur Erwin Kalser (Berlin 1883–1958 Berlin) kennen, sie heirateten. 1920 wurde ihr Sohn Konstantin (München 1920–1994 New York) geboren, der Photograph und Filmregisseur wurde. 1922 gingen sie nach Berlin, 1933 nach der ‘Machtergreifung’ der Nationalsozialisten emigrierten sie in die Schweiz, Erwin Kalser arbeitete am Schauspielhaus Zürich bis 1939, Irma von Cube ging 1936 voraus in die USA, ihr Mann folgte ihr 1939. Beide arbeiteten in Hollywood. 1949 remigrierte Erwin Kalser nach Zürich ans Schauspielhaus, Irma von Cube arbeitete noch an einigen Filmen in den USA, 1952 kehrten beide nach Berlin zurück.
Eleonora von Mendelsohn
Schauspieler*in
* 1900,
Berlin
† 1951,
New York
Am 27.02.1930 an den Münchner Kammerspielen in der Uraufführung des Stücks Kreatur von Ferdinand Bruckner, Regie: Otto Falckenberg, 02.05.1931 in Minna von Barnhelm, Regie: Otto Falckenberg. 1933 emigrierten Eleonora von Mendelsohn und ihr Bruder, zwei junge Erben einer Berliner jüdischen Bankiersfamilie nach Wien, im Herbst 1935 nach New York. Sie unterstützten Emigrierende in Not. Beide lebten ziemlich turbulente Leben.
Fritz von Unruh
Autor*in
* 1885,
Koblenz
† 1970,
Diez a.d. Lahn
MK 08.12.1923: Louis Ferdinand Prinz von Preussen, Regie: Otto Falckenberg
Auf die Welt gekommen als Mitglied des alten preußischen Adels, als Kompaniechef im Ersten Weltkrieg schwer verwundet, wurde Fritz Unruh Pazifist und engagierter Republikaner, ein erklärter Gegner der Nationalsozialisten, die gegen seine Stücke mobilisierten. Im Mai 1933 wurde er aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen, er emigrierte nach Italien, von dort nach Südfrankreich und floh 1939 über Spanien in die USA. 1962 kehrte er nach Deutschland zurück.
Rudolf Österreicher
Autor*in
* 1881,
Wien
† 1966,
Wien
MK 23.12.1931: Konto X von Rudolf Bernauer und Rudolf Oesterreicher, Regie: Richard Révy
Rudolf Österreicher war ein österreichisch jüdischer Schriftsteller, Operetten-Librettist, Theater- und Drehbuchautor. Er hatte für den ungarisch-österreichischen Film Ende schlecht, alles gut 1934 zusammen mit Menyhért Lengyel noch das Drehbuch geschrieben. Danach hatte er Arbeitsverbot, er überlebte in Wien, unter welchen Umständen ist nicht bekannt, und war nach 1945 Direktor des Wiener Stadttheaters.
Der Regisseur des Films Ende schlecht, alles gut, der österreichisch jüdische Schauspieler Fritz Schulz (Karlsbad 1896–1972 Zürich), populärer Stumm- und Tonfilmdarsteller vor 1933 in Berlin, wurde von den Nationalsozialisten aus der Reichsfilmkammer ausgeschlossen. Zurück in Wien wurde er im Mai 1938 zusammen mit anderen jüdischen Künstlern aus der Berliner Zeit festgenommen, mit Paul Morgan wurde er ins KZ Buchenwald deportiert, das Morgan nicht überlebte. Schulz gelang es mit Hilfe einer Fürsprecherin freizukommen und in die Schweiz zu fliehen. Lengyel floh 1933 nach London.